Omama: Roman

Rezensionen zu "Omama: Roman"

  1. Es hätte so schön werden sollen...

    Gleich vorweg: Ich bin ein großer Fan der Kabarettistin und so wollte ich ihr Erstlingswerk unbedingt lesen und habe mich sehr darauf gefreut. Leider kam es anders als erwartet.

    In der Geschichte wird das Leben von Oma Helga von seinen Anfängen bis als Großmutter beleuchtet. Was muss sie für Kämpfe aushalten? Was hält ihr das Leben parat?

    Das große Problem bei diesem Roman ist schlichtweg, dass es keinen roten Faden gibt. Während es um Helga geht, wird schnell mal abgeschweift, der Hass der Österreicher gegen die Deutschen thematisiert und vieles mehr. Das hat den Lesefluss für mich sehr gestört, da ich mich immer wieder neu orientieren musste.

    Ansonsten liest sich das komplette Buch wie spitzzüngige Satire, die sich besser als Bühnenprogramm, denn als Roman gemacht hätte. Man ist so damit beschäftigt die überbordernde Sprache zu begreifen, dass man sich kaum auf die eigentliche Handlung konzentieren kann.

    Auch wenn ich anfänglich noch die Sprache mochte, so macht die Detailverliebtheit und Wortwahl das Lesen bald zu einer Herausforderung, der ich dann nur bedingt gewachsen war. Um es klar auszudrücken: Ich quälte mich durch, in der Hoffnung da käme noch die gewünschte Wende.

    Mit Kraftausdrücken habe ich kein Problem, sofern sie nicht Überhand nehmen. Hier besteht gefühlt die Hälfte des Geschriebenen daraus. Der Roman ist deswegen ungemein boshaft, zieht einen emotional herunter und verbreitete zumindest bei mir keine gute Laune, die ich aber schon gern haben möchte beim Lesen, erst recht wenn es ein humoriges Buch ist.

    Gut gefallen hat mir der eingestreute österreichische Akzent, der für Authentizität sorgte. Bei den Dialogen kam ich nämlich durchaus noch gut mit, bei den Abschweifungen dann eher weniger.

    Fazit: Ein Buch, das man nur lieben oder hassen kann. Ich kann leider keine Leseempfehlung aussprechen, auch wenn ich es noch so gern tun würde. Weniger ist manchmal eben doch mehr...

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  1. Spieglein an der Wand...

    I forat min Radl noch Rio
    Auf Schi noch Athen
    Oba a Strapaz wia di
    Wü i ma nie wieda gebn
    (Lyrics Ostbahnkurti und die Chefpartie)
    Helga ist 11 Jahre alt als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging. „Hilfe, die Russen kommen!“, schallt es durch den bäuerlichen Ort Mautern. Helga wächst dort im Schatten ihrer hübschen aber einfältigen älteren Schwester Inge auf, deren Jungfräulichkeit jedenfalls vor den Besatzern bewahrt werden muss. Der Vater ist ein arbeitsloser Trinker, die Mutter rackert sich ab und verteilt Watschen wie warme Semmeln. Solange Helga unter der Vormundschaft ihrer Eltern steht, wird sie an diverse Stellen vermittelt, hauptsächlich um die Schulden der Eltern abzuarbeiten. Bis sie bei der Wirtin von Freienstein landet…..
    „Omama“ ist der Debütroman der österreichischen Kabarettistin, die unter ihrem Künstlernamen Lisa Eckhart bekannt ist.
    Es ist nicht ganz einfach unbeeindruckt und unbeeinflusst ein Buch zu lesen, wenn gerade eine Diskussion um die Autorin entbrannt ist. Wie weit muss eine Kunstfigur political correctness einhalten? Ist es schon zwingend nötig, Satire, als solche zu kennzeichnen, um verstanden zu werden? Gilt der Vorwurf Lisa Eckhart fische am rechten Rand oder hält sie einfach der Gesellschaft einen Spiegel vor? Wobei man nicht außer Acht lassen sollte, dass es genug Menschen gibt, die sich gerne im Spiegel betrachten.
    Was haben diese Fragen nun mit dem Buch „Omama“ von Lisa Eckhart zu tun. Nichts. Oder alles. Omama ist ein bitterböser Nachruf auf die Großmutter Helga. Vom rechten Rand weit entfernt und noch viel weiter entfernt von einer „Trümmerfrauenromantik“ und Nachkriegssentimentalität. Wenn Kunstfiguren Großmütter haben, dann muss es schon jemand wie die Helga sein. Politisch korrekt läuft hier nichts ab. Lisa Eckhart schwadroniert, derb, laut, ohne Blatt vor dem Mund.
    Über die Feinheiten der österreichischen Sprache….
    „Sie hat viele Haberer, aber kein Haberer hat sie. Denn haberer kommt nicht von haben. Ein Haberer ist der, der habert. Bald nagt er am Hungertuch, bald kaut er auf der Dorfmatratze!“
    …. und die „unsrigen“ tradierten Werte. Sämtliche gängigen Klischees ruraler Lebensweise und Stammtischparolen aller Art walzt Eckhart aus, bis sie dünner sind als ein Schnitzerl vom Figlmüller.
    „Das Wiener Schnitzerl muss so groß und dünn wie möglich sein. Ein Schnitzerl wie ein Jungfernhäutchen. Vom Ausmaß des Wörthersees. Und für den Gast naturgemäß immer noch nicht ganz perfekt. Selbst ein Stück Fleisch von der Größe einer Briefmarke, das man auf einen Quadratmeter flachklopft und nach dem Braten durch die Panier zieht, wäre dem Suderanten sowohl zu klein als zu dick.“
    Das Wirtshaus wird zur Vierten Gewalt im Staate. Überspitzt und pointiert nimmt Lisa Eckhart Abstecher, definiert Mutterliebe neu, erklärt Geheimnisse und ihre Sicht zur Relevanz von Nebenpersonen in Romanen.
    „Jeder andere Schriftsteller hätte den Hansi immerzu erwähnt, war er auch niemals von Belang. Der Vollständigkeit halber wird alles beschrieben, weil die Autoren selbst nicht wissen, was davon wahrlich relevant ist. Himmelsfarben, Teppichfransen, Hunderte Zitronenspalten zu einem geschmacklich unrettbaren Schnitzel, und zack, hat man die Buddenbrooks.“
    Situationskomisch betritt Lisa Eckhart einen sehr breiten Boulevard der schrägen Anekdoten. Von der „Mautnerschen Adolf-Verwechslung“ zu Nachkriegszeiten, die im Verschwinden eines alten Malers gipfelt, über eine Neudefinition des Pannonischen Picknicks im August 1989 bis hin, wie Helga den politischen Bauernfänger der 1990er mit zweifelhaftem Kultstatus um den Finger wickelt. Die mannstolle Traumschiffepisode war dann schon ein Alzerl zu viel (das phonetische äöüi lässt sich schriftlich nicht festhalten)
    Links? Rechts? Helga ist das Zentrum ihres eigenen Universums und so geradeaus, direkt und unverblümt wie möglich. Mit ihrer zynischen Sicht der Dinge, hält Lisa Eckhart den Leser auf Abstand und diesem auch hier einen Spiegel vor.
    Spieglein, Spieglein an der Wand… Provokation ist Lisa Eckharts zweiter Vorname, kontrovers ein Kosename für die Autorin.
    Und ich möchte mit einem Zitat unseres von mir sehr geschätzten Bundespräsidenten abschließen.
    „So sind wir nicht, so ist Österreich nicht.“
    So sind wir nicht! Nicht alle!

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  1. Von hyperventilierenden Flitscherln und putschenden Tranklern

    Herrje! Wie soll man da jetzt eine Rezension schreiben, wo doch die Autorin gerade der Zankapfel des Corona-lahmen kulturellen Sommerlochs ist. Gibt es da nicht viel Berufenere, die Lisa Eckarts Erstling "Omama" glasklar analysieren werden, um dann zum unwiderlegbaren Schluss zu kommen, dass dieses Werk eine literarische Sensation bzw. wahlweise ein verabscheuungswürdiges Werk einer Rassistin, Anti-Feministin usw. ist. Und wird sich da nicht irgendwann die Waagschale der öffentlichen Meinung unwiderruflich auf die eine oder andere Seite neigen? Und was, wenn ich dann hier ganz falsch liege? Ich habe ja schließlich als einfache Leserin die unmaßgeblichste Stimme in diesem Disput.

    Aber wie würde die Autorin sagen: "Nun aber wieder schleunigst zurück zu unserer eigentlichen Geschichte." Nämlich der Geschichte der Großmutter der Autorin, bei der sie die ersten sechs Jahre nach der Geburt gelebt hat (was ich aus Wikipedia weiß, im Buch würden solche Details niemals stehen). Die Geschichte beginnt mit der frühpubertären Großmutter zur Zeit des Einmarschs der Russen in die Steiermark. Und von diesem Zeitpunkt an entwickelt sich ein wirres, faszinierendes und wahlweise er- oder abschreckendes Panoptikum von Niedertracht, Bauernschläue und Geilheit, das uns über die 50er Jahre bis heute führt.

    Wobei die eigentliche Geschichte nur einen Teil des Buches ausmacht. Den anderen nehmen Lisa-Eckert'sche Ausführungen ein (man hört die Bühnenfigur, wenn man sie liest). Es sind Variationen über Themen wie: die vier sakralen Säulen der Dorfgemeinschaft (der Depp, der Trinker, der Schönling und die Dorfmatratze), wieso der Österreicher, wo er doch den Deutschen hasst, mit ihm in den Krieg zieht (es sei verraten: es ist wegen der Ungarn), oder wieso Menschen mit außergewöhnlich Namen immer fad sein müssen. Diese Einschübe sind oftmals von einer unglaublichen Wortgewalt und von einem unnachahmlichen Humor. Ich durfte oft laut lachen. Aber über 360 Seiten kann die Autorin das nicht immer durchhalten, deshalb werden die Wortspiele manchmal voraussehbar und gezwungen, und manchmal einfach flach. Und so etwas wie der "cogito interruptus" ist wie eine faule Bohne in einem Pfund guten Bohnenkaffee - ein Stern Abzug!

    Mit ihrer Omama verbindet die Autorin offenbar eine Hassliebe. "Seneca schauderte vor ihr, könnte er sehen, wie herzlich egal ihr der eigene Tod ist. Weder ersehnt noch fürchtet sie ihn. Für beides bin ich zuständig." Im dritten Teil, wo die Autorin selbst in die Geschichte eintritt, erahnt man, dass die ersten beiden Teile nicht nur eine wilde Phantasterei und an- wie abstoßerregende Ausschmückung von Familienanekdoten sind, sondern uns den Blick der Autorin vor Augen führen. Da ist man ab und zu auch berührt von der Geschichte, obwohl die Autorin sicher abstreiten würde, solch eine Befindlichkeit auslösen zu wollen. Und keine Sorge: sie bleibt sich auch in diesem Teil treu: Es wimmelt von Zumpferln, Tutteln und Popscherln (das sind primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale auf Österreichisch), von Brunzerei und anderen Exkrementen, politischer Unkorrektheit und wilden Gewaltphantasien.

    Das Buch kann einen faszinieren, ekeln, langweilen und fesseln. Ich habe es gerne gelesen und würde es wieder tun.

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