Nicht alle waren Mörder

Buchseite und Rezensionen zu 'Nicht alle waren Mörder' von Michael Degen
5
5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Nicht alle waren Mörder"

Ende der Dreißiger wurde es für die jüdische Familie Degen in Berlin gefährlich. Den Vater brachte man ins KZ Sachsenhausen, die Folgen der Mißhandlungen überlebte er nicht. Der ältere Sohn entkam nach Schweden. Dem noch nicht einmal zehnjährigen Michael und seiner Mutter blieb nichts anderes übrig als unterzutauchen, um den Krieg irgendwie zu überstehen. Das jahrelange Verstecken konnte nur gelingen mit tatkräftiger Unterstützung couragierter, nichtjüdischer Mitbürger, die damit häufig genug ihr eigenes Leben riskierten. Der Kommunist neben der russischen Aristokratin, die Oma mit ihren anschaffenden Töchtern, der sozialdemokratische Hühnerzüchter, der Freund von der HJ und noch einige andere bildete die bunt zusammengewürfelte Helferschar, ohne die kein Überleben möglich gewesen wäre.

Merkwürdig nur, in welchem Gegensatz die schlimmen Ereignisse zu deren Schilderung stehen. Bei Degen hat man häufig den Eindruck, der Krieg sei so etwas wie ein großer Abenteuerspielplatz gewesen, auf dem sich das Gros der harmlosen Deutschen tummelte, eingeschüchtert oder verführt von den Nazis. Sogar der Antisemitismus erscheint nur als Hitlers Privatkrieg gegen den Lieblingsfeind. Die Geschichten kommen meist daher wie ein Kaffeeklatsch über den kürzlichen Zoobesuch am Raubtiergehege und sind entsprechend verharmlosend und verklärend.

Degen meint es gut und will jenen ein Denkmal setzen, die im Kleinen den Kampf gegen das Naziregime aufgenommen haben. Es steht jedoch zu befürchten, daß gerade der "Blick des Jungen", mit dem das Buch geschrieben ist, genau jenen entgegenkommt, die im "Tausendjährigen Reich" alt genug waren, um selber Dreck am Stecken zu sammeln.

Michael Degen ist ein beliebter Schauspieler, aus Theater und Fernsehen wohlbekannt. Ich denke, auch mit seinen Kindheitserinnerungen wird er sein Publikum glänzend unterhalten. --Jürgen Grande

Format:Taschenbuch
Seiten:0
Verlag: Ullstein Tb
EAN:9783548840017

Rezensionen zu "Nicht alle waren Mörder"

  1. 5
    12. Jun 2016 

    Dieses Buch ist ein Hoffnungsträger in der Not

    Auch dieses Buch von Michael Degen hat mir recht gut gefallen. Der Erfahrungsbericht war sehr glaubwürdig und authentisch geschrieben. Eine wirklich sehr spannende Lebensgeschichte, die schön zu lesen ist, die Mut macht und hoffnungsvoll ist, trotz der sehr traurigen Verluste wichtiger Bezugspersonen. Tut gut zu wissen, dass es viele Deutsche gab, die die Juden nicht ausgeliefert haben, sondern sie zeitlich bei sich aufnahmen, obwohl ihnen bewusst war, dass sie ihr Leben dadurch in Gefahr brachten. Es ist nicht nur ein historisches Buch über den Nationalsozialismus, nein, es ist auch ein Buch über Freundschaften ...

    Es ist ein sehr wichtiges Buch, das nie sterben darf , weil womögich die Verkafszahlen zurückgehen…

    Die vierköpfige Degenfamilie bestand nur noch aus zwei Personen. Der vier Jahre ältere Bruder, namens Adolf, flüchtete nach Israel, der Vater starb an den Folgen des KZ´.

    Warum hat der Vater seinem älteren Sohn den Namen Adolf gegeben, fragt sich Michael.

    Zitat:

    "Als mein Bruder zur Welt kam, hatte es ja schon viel Geschrei um Hitler gegeben. Ich hätte ihn auch so gerne fragen wollen, weshalb er eine Zeit lang so eine kleine Bartbürste unter der Nase trug. Sollte das eine Art Anpassung oder Tarnung bedeuten?" (List 2015, 126)

    Schwierig, darauf eine Antwort zu bekommen, wenn man den Vater nicht mehr fragen kann. Adolf Degen legte den Namen in Israel ab, und eignete sich einen anderen Namen an. Aber das wusste Michael zu der Zeit noch nicht. Michael assoziiert mit Adolf den Führer und gleichzeitig seinen Bruder. Welch eine diskrepante Vorstellung.

    Michael ist gerade mal elf Jahre alt, als er mit seiner Mutter über mehrere Jahre im Untergrund lebt. Beide waren schwerem, seelischem Druck ausgesetzt, rappelten sich aber immer wieder hoch ...

    Auch Michael und seine Mutter mussten eine neue Identität einstudieren und schlüpften in den Namen Gemeberg. Aus Michael wurde Max Gemeberg. Neue Namen, neue Wohnadresse, neue Herkunft, neuer Beruf, etc. Sie mussten diese Personenbeschreibung auswendig lernen und tief verinnerlichen. Jede Veränderung, wie z. B. den Wohnraumwechsel, musste neu angepasst werden.

    Sehr oft begaben sie sich in die Höhle des Löwen, mussten immer wieder persönliche Fragen beantworten und hatten jedes Mal Glück, da sie glaubwürdig erschienen.

    Deutsche, die mit ihnen ihren Lebensraum teilten, stellten ihnen politische Fragen, weshalb die Juden sich so unpolitisch verhalten würden, und sich aus allem heraushalten?

    Was für eine Kindheit hatte die Jugend im Nationalsozialismus? Michael sammelte mit seinem Freund Granatsplitter, etc. Selbst im Spiel blieb den Kindern permanent der Krieg vor Augen.

    Dazu hat mir noch besonders die Freundschaft gefallen, die Michael mit seinem arischen Kameraden Rolf geknüpft hat. Natürlich mussten die beiden erstmal eine Kraftprobe bestehen, die sie über ihre Fäuste austrugen ...

    Als Rolf Michael nach Hause einlud, stellte er ihn seinem Vater vor. Doch dieser durchschaute Michael recht schnell, spürte, dass er nicht arisch war, aber er lieferte Michael und dessen Mutter nicht aus ... Im Gegenteil, er nahm die beiden für eine bestimmte Zeit bei sich zu Hause auf. Die Freundschaft der beiden Kinder schweißte sie immer mehr zusammen, doch leider erlitt Rolf beim Granatsplittersuchen einen tödlichen Unfall … Der Tod war allgegenwärtig, er konnte jeden treffen, und machte auch vor Kindern nicht Halt.

    Als kurz vor Ende des Krieges die Russen einmarschierten, mussten Michael und seine Mutter die erlernte arische Identität wieder aufgeben. Nun waren sie gezwungen, wieder auf ihre alte Identität zurückzugreifen, wollten sie nicht von den Russen ermordet werden. Russische Soldaten hatten Mühe, Juden, die nicht in die Fänge Hitlers geraten sind, als Juden anzuerkennen. Sie glaubten, dass alle Juden ermordet wurden. Schließlich nahm ein Soldat ihnen die jüdische Herkunft ab. Die Degens machten die Bekanntschaft mit einem weinenden, russischen Soldaten, selber auch Jude, der die Morde an den Juden schwer fassen konnte. Der Soldat war Pianist, der sich mit deutschen Komponisten auskannte:

    Zitat

    ">>Wie kann ein solches Volk so gute Komponisten haben<<, pflegte er immer zu sagen. Er spielte wie ein Gott, und am liebsten hatte ich, wenn er Bach oder Händel spielte und es fertigbrachte, auf dem Klavier ein Cembalo zu imitieren." (2015, 287)

    Mein Fazit?

    Ich kann das Buch jedem empfehlen, der sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt. Man kennt viele Bücher, in denen die Juden von den Deutschen verraten wurden. Aber dieses Buch ist anders, zeigt die andere Seite der Realität, dass nicht alle Menschen gleich sind. Nicht alle sind böse, nicht alle waren Fieslinge, nicht alle waren Mörder, wie schon der Buchtitel sagt …

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  1. Aufwühlende und gute Biografie

    Als 1942 die ersten Bomben auf Berlin fielen, war Michael Degen zehn Jahre alt. Ein Jahr später mussten er und seine Mutter in den Untergrund. Zwei Jahre lang, immer auf der Flucht vor Verrat, Entdeckung und dem sicheren Tod verbrachte Michael Degen seine Kindheit.Einfühlsam, ohne jede Sentimentalität und aus der Sicht des Jungen erzählt der bekannte Schauspieler seine Erlebnisse und erinnert sich liebevoll an die Menschen, denen er eigentlich sein Leben verdankt.

    Meine Meinung:
    Durch Zufall hatte ich dieses Buch in meiner Ortsbücherei entdeckt und da ich den Schauspieler Michael Degen gerne sehe einfach mal ausgeliehen.

    Ich war zum einen erstaunt das er Jude ist und zum anderen hat mich seine Biografie so ergriffen das ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.
    Sie gehört sicher zu den Biografien die absolut lesenswert sind. Was er und seine Mutter in der Kriegszeit für Ängste ausstehen mussten, unfassbar.
    Ich kann dieses Buch nur empfehlen, wenn man sich nicht scheut über Kriegserlebnisse zu lesen.

    Und kann dann auch weiter empfehlen das Buch:
    Mein heiliges Land: Auf der Suche nach meinem verlorenen Bruder

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