Nationaldenkmal (Salto)

Buchseite und Rezensionen zu 'Nationaldenkmal (Salto)' von  Julia Deck
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Inhaltsangabe zu "Nationaldenkmal (Salto)"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:168
EAN:9783803113719

Rezensionen zu "Nationaldenkmal (Salto)"

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    18. Dez 2022 

    Die spinnen, die Franzosen!

    Ein offizielles Nationaldenkmal in Frankreich ist der Pariser Arc de Triomphe. In Julia Decks Roman „Nationaldenkmal“ übernimmt ein fiktiver Schauspieler die Rolle des Triumphbogens: Serge Langlois, Schauspielikone und in die Jahre gekommen. Denkmäler sind nun mal alt!
    Standesgemäß lebt Serge in einem schlossähnlichen Anwesen zusammen mit der 30 Jahre jüngeren Ehefrau, der gemeinsamen 7-jährigen Adoptivtochter Josephine sowie einem Tross an Angestellten, die dafür sorgen, dass es dem Nationaldenkmal an nichts fehlt.
    Man gibt sich volksnah, indem man auch die Mitarbeiter an dem Leben in Saus und Braus teilhaben lässt. Die tägliche Zusammenkunft aller Bewohner des Hauses und egal welchen Standes zum gemeinsamen Aperitif am Abend macht deutlich: Wir sind eine Familie!
    Die Franzosen vergöttern ihren Serge und seine Lieben. Damit dies auch so bleibt und das öffentliche Interesse an einem alternden Schauspieler, der den Zenit seine Karriere schon längst überschritten hat, nicht nachlässt, kümmert sich die Ehefrau um die Öffentlichkeitsarbeit. Die junge Frau hat ihre Berufung zur Influenzerin entdeckt und bombardiert die Öffentlichkeit via Instagram mit Details aus der Familienidylle rund um das Nationaldenkmal Serge.
    Dieser wird in Kürze seinen 70sten Geburtstag feiern. Was liegt da näher, als dieses freudige Ereignis zu einem denkwürdigen Tag im Leben einer durch soziale Ungerechtigkeiten und Streiks gebeutelten Nation zu zelebrieren, zudem auch noch der Coronavirus in Frankreich angekommen ist.
    Doch machen wir uns nichts vor: Serge ist ein Mensch, der seinen Körper sein Leben lang in permanentem Übermaß an seine Grenzen getrieben hat. Das Risiko, dass sein Körper in Kürze seinen Geist aufgeben wird, ist daher nicht gerade gering.

    „Nationaldenkmal" ist eine topaktuelle Gesellschaftssatire, die in diesem Jahr in Frankreich veröffentlicht wurde. Es ist noch nicht lange her, dass die französischen Gelbwesten Präsident Macron das Leben schwer gemacht haben, indem sie in bewährter französischer Streiktradition das öffentliche Leben beeinträchtigten. Der Konflikt mit den Gelbwesten wurde zunächst vom Coronavirus unterbrochen. Und vor diesem Hintergrund – auch Macron sonnt sich in der Handlung im Glanz eines Serge Langlois - und hinter Schlossmauern, aber dank Instagram und der umtriebigen Mme. Langlois immer im Blick der Öffentlichkeit, findet das Zusammenspiel der Charaktere statt.
    Bei der Gestaltung ihrer Protagonisten bedient sich die Autorin Julia Deck lustvoll einiger Klischees: ein in die Jahre gekommener Schauspieler, der mit Ehefrau Nr. 3 ein Weibchen gewählt hat, das seine Tochter sein könnte. Dieses Weibchen ist der Inbegriff einer oberflächlichen Influenzerin, die sich in Szene setzt, um ihre intimsten Familienmomente mit der Öffentlichkeit zu teilen. Ihr Ego definiert sich über die Anzahl ihrer Follower. Personal Trainer sowie ein Chauffeur, welche die Herzen der weiblichen Protagonisten höher schlagen lassen. Und natürlich gibt es auch die böse Hexe in Form eines Kindermädchens, das sich aus dubiosen Verhältnissen einen Platz im Gefüge der Familie erschleicht. Einziger Ausreißer aus dem Kreis der Klischeebehafteten ist Adoptivtochter Josephine, die aus ihrer Perspektive und auf sehr altkluge Weise die Ereignisse innerhalb ihrer Familie schildert und kommentiert.
    Die Satire „Nationaldenkmal" ist dabei von Ironie und Sarkasmus durchzogen. Wie dahergeplaudert begegnen dem Leser Doppeldeutigkeit auf Doppeldeutigkeit, welche die Lektüre zu einem sehr unterhaltsamen Vergnügen machen. Man kommt aus dem Grinsen nicht mehr raus. Asterix und Obelix würden sagen: „Die spinnen, die Franzosen", nur dass der Roman „Nationaldenkmal“ auch andernorts als Gesellschaftssatire funktionieren würde.
    Leseempfehlung

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