Morduntersuchungskommission

Buchseite und Rezensionen zu 'Morduntersuchungskommission' von Max Annas
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4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Morduntersuchungskommission"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:352
EAN:9783498001032

Rezensionen zu "Morduntersuchungskommission"

  1. 4
    26. Jul 2022 

    Folge dem Wolle

    Otto Castorp ist in die Hauptstadt der DDR versetzt worden, zur zweiten Morduntersuchungskommission. Im Jahr 1987 sind die jungen Leute nicht mehr so leicht zu bändigen. Deshalb müssen die vom Mord auch mal auf der Straße aushelfen. Und dann werden kurz nacheinander zwei Tote gefunden, eine junge Frau aus dem Osten und ein Musiker aus dem Westen. Den Westbürger übernehmen sofort die Politischen, doch die Unbekannte wird ein Fall für die Zweite. Gleichzeitig wird die Sekretärin Erika Fichte gebeten, die Unterlagen ihres Chefs zu sichten und sich Gedanken zu machen. Über den Verbleib von Wolle ist nichts bekannt.

    Es ist der dritte Fall für Otto Castorp. Nachdem der letzte große Fall so dramatisch endete, ist Castorp froh, woanders eingesetzt worden zu sein. Der Mord an der jungen DDR-Bürgerin ist rätselhaft. Die junge Frau wirkt zu unscheinbar, um einen Killer anzulocken. Erika Fichte hingegen fragt sich, wieso sie Fragen zum Verschwinden ihres Chefs klären soll. Gibt es da nicht Profis? Wolle war verantwortlich für die Unterstützung des ANC im Kampf gegen das Apartheidregime in Südafrika. Als Sekretärin hat Erika einen anderen Blickwinkel als die professionellen Ermittler. Sie kennt die Arbeitsweise ihres Chefs.

    Schon zwei Jahre vor der Wende sind die Veränderungen, die die Zeit damals brachte, zu spüren. Die Einflussnahme des Systems im Osten auf befreundete Organisationen scheint nicht mehr hundertprozentiger Überzeugung durchgeführt zu werden. Und doch sind sie rührig. Auf spannende Art und Weise schildert der Autor die Zusammenhänge, die schließlich dazu führen, dass sich die Wege unterschiedlichster Personen zu einem packenden Finale kreuzen. Aus der Perspektive verschiedener Personen wird die Erzählung vorangebracht. Und so setzt sich das Puzzle langsam zusammen. Dabei wird die politische Lage informativ und fesselnd mit eingebaut. Die Einflussnahme eines vermeintlich stärkeren befreundeten Staates ist interessant beschrieben und wirkt unerwartet als eine Erklärung, wieso sich manche Staaten heutzutage so und nicht anders positionieren. Dieser spannende zeitgeschichtliche Kriminalroman macht neugierig, ob zu erfahren sein wird, wie Otto Castorp die Wendezeit erleben wird.

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  1. 4
    28. Nov 2020 

    Das ist der Punk

    Sie haben von den Sex Pistols gehört und einigen anderen und sie denken, machen wir es doch auch so. Der Punk drückt etwas aus, nicht nur im Westen. Auch in der DDR des Jahres 1985 kann der Punk leben. Doch die noch ungeformte Gruppe junger Leute verliert einen der ihren. Melchior Nikoleit wird ermordet aufgefunden. Otto Castrup und seine Kollegen von der Morduntersuchungskommission werden beauftragt, herauszufinden, wieso der junge Mann umgebracht wurde. Bei seinem Vater handelt es sich um einen Händler, der auch Geschäfte mit dem Westen macht.

    In diesem zweiten Fall um die Morduntersuchungskommission bekommt es Oberleutnant Otto Castrup wieder mit einem Fall zu tun, der auf den ersten Blick unverständlich wirkt. Wieso hätte jemand diesem jungen Menschen umbringen wollen. Dass dieser Gefallen an einer westlichen Musikrichtung fand, kann irgendwie nicht der Grund sein. Selbst wenn der Staat seine Bürger gerne bis ins Kleinste lenken möchte, kann so eine Vorliebe doch nicht mehr als leichte Repressalien hervorrufen. Oder hat es etwas damit zu tun, dass Melchior Nikoleit von der Stasi angesprochen wurde? Doch nicht nur der Fall, von dem Castrup langsam das Gefühl bekommt, auch die Ermittlung wird von anderer Seite beeinflusst, beschäftigt Otto, auch in seiner Familie hat er mit Problemen zu kämpfen.

    So wie manchmal eine Hörbuchinterpretation einem Roman etwas Besonderes geben kann, so kann manchmal auch eine Printausgabe mehr überzeugen. In der gedruckten Fassung kann man sich die verschiedenen Perspektiven sehr gut vor Augen führen. Man bekommt einen Einblick in die Polizeiarbeit in der DDR, der sehr authentisch wirkt. In einem Staat, in dem es eigentlich keine Verbrechen geben konnte, weil der Staat an sich ideal war, müssen doch schlimme Taten aufgeklärt und Täter ihrer Strafe zugeführt werden. Mühsam tasten die Ermittler sich voran, um am Schluss etwas plötzlich vor einem Ende zu stehen, dass wenig Aufklärung bietet. Hier kann eine Fortsetzung eigentlich nur direkt ansetzen, um dem Leser ein Gefühl der Vollständigkeit zu geben. Davon abgesehen besticht dieser Krimi mit seiner Unaufgeregtheit und der mit großem Geschick eingeflochtenen immer gegenwärtigen politischen Komponente.

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  1. 4
    11. Nov 2019 

    Jena 1983

    An einem Bahndamm bei Jena wird die übel zugerichtete Leiche eines Vertragsarbeiters, der aus Mosambik stammte, gefunden. Der Polizist Otto Castorp und seine Kollegen beginnen mit den ersten Ermittlungen. Die Verletzungen des Opfers sind so eigenartig, dass sich zunächst kein schlüssiges Szenario ergibt. Schwierig gestaltet sich auch die Identifikation des Toten. Die befragten Vertragsarbeiter, unter denen man einen Bekannten des Verstorbenen zu finden hofft, ist nicht sehr auskunftsfreudig. Andere Todesfälle und auch Castorps Ehefrau und seine Geliebte fordern die Aufmerksamkeit.

    Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, ist diese Morduntersuchung ausgesprochen schwierig. In der DDR gibt es keine Morde und solche mit politischem Bezug schon garnicht. Der brave Polizist Otto Castorp müht sich redlich, das wenige in Erfahrung zu bringen, was sich in Erfahrung bringen lässt. Nach und nach beißt er sich an dem Fall fest. Auch als von oben bestimmt wird, dass die Untersuchung einzustellen ist, bleibt Castorp im Gegensatz zu seinen Kollegen am Ball. Fast schon heimlich verfolgt er die wenigen Spuren. Das Misstrauen seiner Frau, der die Überstunden langsam etwas reichlich vorkommen, hält er aus. Schließlich hat er tatsächlich was zu verbergen, auch wenn er hier bei der Wahrheit bleibt.

    So wie es heißt, gibt es nicht viele Kriminalromane, die in der ehemaligen DDR angesiedelt sind. Schließlich gab es in dem idealen Staat auch kaum Verbrechen, und wenn wurden sie eher von Westlern verübt. Der in diesem Roman geschilderte Fall basiert in gewisser Weise auf tatsächlichen Begebenheiten. Und wenn die Handlung insgesamt eher aus Routinen besteht, so sind einige Schilderungen doch so eindringlich, dass es kaum auszuhalten ist. Gewissenhaft fischen die Beamten im Trüben und genauso gewissenhaft folgen sie den Anweisungen. Manchmal möchte man es nicht glauben und fragt sich gleichzeitig, ob es im Westen nicht hin und wieder ähnlich läuft. Verschließt man nicht mal die Augen, weil man einfach nicht sehen will? Wehret den Anfängen, wenn es dafür nicht schon zu spät ist. Dieser Krimi verläuft zwar in ruhigen Bahnen, hinterlässt aber einige Beklemmung.

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