Mord im Christmas Express: Kriminalroman

Es ist der Abend vor Weihnachten und die pensionierte Polizeibeamtin Roz ist auf dem Weg zu ihrer Tochter, die kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes steht. Sie hat den Nachtzug gebucht, der von London durch die schottischen Highlands nach Fort William fährt. An Bord sind die unterschiedlichsten Fahrgäste: eine Familie mit Kindern, eine Gruppe Student*innen, Mutter und Sohn, einige Einzelpersonen, ein Influencerpärchen und ein blinder Passagier. Doch dann bleibt der Zug unterwegs im Schnee liegen und ein Mord geschieht.
„Mord im Christmas Express“ ist der erste, ins Deutsche übersetzte Roman der Schriftstellerin und Drehbuchautorin Alexandra Benedict. Erzählt wird hauptsächlich aus der Perspektive der Protagonistin (und unfreiwilligen Ermittlerin) Roz in der dritten Person und der Vergangenheitsform; diese wechselt aber auch zu Influencerin Meg und einer weiteren unbekannten Person unter den Reisenden. Die Sprache ist klar und modern, was sich auch in den behandelten Themen widerspiegelt.
Das Buch wird als moderne Version eines Agatha Christie-Romans beschrieben und das kann man durchaus so stehen lassen - wenn auch die Konstruktion des Falls weniger raffiniert ist. Die Autorin präsentiert uns ein klassisches Locked-In-Rätsel, denn das Opfer wurde bei geschlossener Tür im eigenen Abteil getötet, kurz bevor es etwas Wichtiges öffentlich machen konnte. Im Verlauf der Ermittlungen muss Roz außerdem feststellen, dass einige der Anwesenden Geheimnisse und Verbindungen untereinander haben – und am Ende trägt sie auch in guter Poirot-Manier die Auflösung vor.
Thematisch gesehen hätte „Mord im Christmas Express“ durchaus eine Triggerwarnung nötig, denn hier liegt keinesfalls ein Cozy Krimi vor. Roz selbst kämpft seit vielen Jahren mit einer traumatische Erfahrung, die sie von Tochter Heather entfremdet hat und auch einige der Reisenden tragen die unterschiedlichsten „Päckchen“ mit sich herum. Andererseits verleihen gerade diese Hintergrundinformationen und kleinen Nebenstränge der Handlung eine gewisse Tiefe, aber natürlich auch Schwere. Ein solider Krimi mit modernen Elementen.
Schneegestöber
Die ehemalige Polizisten Roz hat von ihren Kollegen eine Fahrt erster Klasse im Weihnachts-Express nach Schottland geschenkt bekommt. Sie möchte zu ihrer Tochter und deren Partnerin. Die beiden erwarten minütlich ihr erstes Kind und Roz hofft, pünktlich zur Geburt dort zu sein. Das Schneegestöber behindert jedoch den Bahnverkehr und der Zug startet mit Verspätung. Auf der Fahrt denkt Roz immer wieder an die Vergangenheit und dass sie es nicht leicht mit ihrer Mutter hatte und mit ihrer Tochter. Schottland soll ein Neuanfang werden. Nach und nach lernt sie die anderen Passagiere kennen. Einige sind ihr sofort sympathisch, auf andere Bekanntschaften könnte sie auch verzichten.
Achtzehn Passagiere und ein Mord könnte man nach den ersten Kapiteln denken. Doch zunächst entwickelt sich die Fahrt eher ruhig, auch wenn Roz schnell merkt, dass die bekannte Influencerin nicht alles offenbart. Ihr Partner Grant scheint einer zu sein, dem man nicht im Dunkeln begegnen möchte. Die nette alte Dame Mary mit Sohn und Kater ist da viel sympathischer. Die vier jungen Leute wirken wie ein eigenes Völkchen. Und Phil und seine Familie machen einen leicht chaotischen Eindruck. Zu Craig von der Staatsanwaltschaft hat Roz sofort einen Draht. Als dann jemand tot aufgefunden wird, muss Roz unbedingt ermitteln.
Soweit es sich herausfinden lässt, schreibt die Autorin zwar Weihnachtskrimis, aber keine Reihen. Falls man bei dem Setting einen Gedanken an einen Cozy-Crime hegen sollte, könnte es sein, dass man sich irrt. Es handelt sich hier schon um einen Kriminalroman, der zu sehr ernsten Themen eine eindeutige Meinung kundtut. Schon nach dem Lesen des Prologs ist man angefixt und will einfach mehr wissen. Auch wenn sich die Geschichte nicht so anheimelnd entwickelten wie gehofft, so ist es doch sehr spannend zu lesen, wie Roz die Geschehnisse nach und nach entschlüsselt. Dabei muss sie selbst noch einiges ertragen und sich der Vergangenheit stellen. Man verrät nicht zu viel, wenn man sagt, am Ende kommt der Zug an. Was zwischen Abfahrt und Ankunft liegt, ist eine Entdeckung wert.
Die liebevolle und weihnachtliche Stimmung verbreitende Gestaltung des Covers wird diesen Roman bestimmt auf etlichen Gabentischen landen lassen.
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