Montaignes Katze

Rezensionen zu "Montaignes Katze"

  1. Komplizierte Verhältnisse in Frankreich im Jahre 1584

    Kurzmeinung: Nicht erhellend. Man merkt, dass der Autor sich an einem Roman "versucht". Das ist überhaupt nicht gelungen.

    Nicht nur im 16. Jahrhundert, aber auch oder besonders, ging es heiß zu in unserem geliebten Nachbarland, Frankreich. 

    Heinrich III, ein Sohn von Katharina von Medici ist König. Er ist der Lieblingssohn von Katharina und ziemlich verspielt, er ist ein modischer Influencer, vernarrt in Hunde und spielt mit Puppen. Er ist nicht wirklich geeignet, eine Frühungsposition innezuhaben und die Wogen zwischen den Katholiken und den Protestanten zu glätten. 

    Der Roman von Nils Minkmar setzt 1584 ein, dem Jahr, in dem Montaigne gebeten wird, Verhandlungen mit dem König (Heinrich) von Navarra aufzunehmen, der als künftiger König gehandelt wird, da Heinrich III selber kinderlos ist. Der König von Navarra soll konvertieren, damit er als Protestant ins katholische Frankreich passt. Da gibt es nur ein Problem, nämlich die Batholomäusnacht vom 23./24. August 1572. Das war gleichzeitig der Tag seiner Hochzeit mit der Tochter von Katharina von Medici. Diesen Tag wird der König von Navarra nie vergessen. Was wird Montaigne zu ihm sagen? Wie konnte er ihn überzeugen? Wir wissen immerhin aus der Geschichte, dass er als Heinrich IV 1589 tatsächlich auf den französischen Thron kam. Allerdigs müssen wir dazu ins Geschichtsbuch schauen oder ins Internet, Nils Minkmar sagt es uns nicht!

    Der Kommentar: 
    Da ich sehr gerne gute ! historische Romane lese, aus denen ich etwas lerne, ging ich mit großer Begeisterung ans Buch. Die Politik Frankreichs im 16. Jahrhundert ist kompliziert, das wusste ich. Religionskriege, Machtgerangel, Mord und Totschlag, Intrigen, Ausbeutung des Volks und eine Handvoll Gelehrte. Dazu Könige oder angehende Könige oder anderweitige konkurrierende Herrschaften, die alle denselben Namen haben. Das ist alles sehr verwirrend. 

    Leider ergeht sich Nils Minkmar lieber in ausufernden Aufzählungen von höfischen Meetings mit ihren umfangreichen Diners und schildert ausgiebig die Kleidung der Erfolgreichen, außerdem erzählt er uns von den Sexspielchen Montagines mit seiner Ehefrau anstatt mich an die Hand zu nehmen und mir die einzelnen Herrschaften mit Namen, Interessen und Verwandtschaftsgrad verständlich ! vorzustellen. 

    Das historische Setting kann man sich anderweitig zusammenklauben. Natürlich gibt es mal ein paar hingeworfene Sätze darüber, aber bei der äußerst verworrenen politischen und dynastischen Gemengelage kommt durch den Roman allein keine Klarheit. Das ist besonders enttäuschend, weil Nils Minkmar sogar Historiker ist. Vielleicht kann er sich nicht vorstellen, dass nicht jedem die französischen Verhältnisse und Königsdynastien des 16. Jahrhunderts präsent sind. Auch wenn "Montaignes Katze" kein Sachbuch ist, hätte der Autor mehr für die Orientierung seiner Leser tun müssen.

    Die Dialoge sind hölzern und ausufernd. Ich habe mich leider oft gelangweilt. Dabei hätte ich so gerne mehr über die Politik erfahren! Aber ich musste ja mit einem alten Gaul durch den Wald trotten ... .

    Fazit: Koloratur jede Menge; Fakten großzügig ausgespart. Der Autor verwendet leider keine Mühe daran, der Leserschaft die komplizierte Politik im Erzählzeitraum nahe zu bringen. Man hätte für diesen Roman einen Lehrer gebraucht, keinen Maler, der hauptsächlich die diversen Exotiken ausleuchtet. 

    Kategorie: historischer Roman
    Verlag: S.Fischer, 2022

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  1. Ein großartiges Leseerlebnis

    „Wenn wir all das überleben, dann freue ich mich auf einen dritten Band ihrer Essais. Darin darf dann gerne etwas über diese Tage stehen, aber bitte intelligent verschlüsselt. Hoffentlich hilft es späteren Menschen von Bildung, Politik besser zu verstehen und gnädig mit uns zu sein.“ (Zitat Pos. 1886)

    Inhalt
    In einer Regennacht im Februar 1584 trifft ein in Grau gekleideter reitender Bote auf dem Schloss von Michel de Montaigne ein. Les Grisons, so nennt man diese Männer, die streng geheime Botschaften von der Spitze Frankreichs überbringen und Montaigne weiß sofort, wer nach ihm schickt. Der bekannte Diplomat und Philosoph war gerade zum zweiten Mal zum Bürgermeister von Bordeaux gewählt worden, hat vor kurzer Zeit sein zweites Buch veröffentlicht und zieht sich mit seiner Frau Françoise und der kleinen Tochter Léonore so oft als möglich auf sein Schloss zurück, um hier zu denken und an seinen Essais zu schreiben. Doch nun muss er sofort nach Paris reisen, begleitet von seiner Frau, um die Reise inoffiziell und privat erscheinen zu lassen. Es ist eine unruhige, konfliktreiche Zeit, voller Misstrauen, Intrigen und Gewalt. Auch nach zwölf Jahren wurde die Bartholomäusnacht weder von den Katholiken, noch von den Hugenotten vergessen. Daher ist die Frage, wer dem kinderlosen Heinrich III. als König nachfolgen wird, von extremer Wichtigkeit und dafür wird Montaignes Unterstützung gebraucht.

    Themen und Genre
    Im Mittelpunkt dieses historischen Romans steht Michel de Montaigne, der einflussreiche Politiker, Humanist und Schriftsteller. In dem von Unruhen, Aufständen und Glaubenskriegen zerrissenen Frankreich im späten 16. Jahrhundert, in dieser hochpolitischen Zeit der Bündnisse und Intrigen, sieht es Montaigne als seine Aufgabe, sich für eine Lösung einzusetzen, die eine Chance hat, Frankreich das Ende der Bürgerkriege, neuen Wohlstand und mehr Gerechtigkeit für alle zu bringen. „Wie lösen sich kriegerische Positionen auf? In der Szene hängt der Schlüssel zu den Sorgen unserer Zeit. Aber wie muss er beschaffen sein?“ (Zitat Pos. 188). Es sind Überlegungen und Gedanken wie dieser, welche diesen Roman zeitlos machen, Parallelen zu unserer Zeit ziehen.

    Charaktere
    Dem Autor gelingt es durch sein Fachwissen und seine Recherchen, die bekannten historischen Persönlichkeiten interessant und authentisch zum Leben zu erwecken. Die fiktive Figur des jungen Schreibers Nicolas Poulain und seine Beobachtungen und Erlebnisse zeigen eindrücklich das Leben der einfacheren Bevölkerungsschichten in dieser Zeit.

    Handlung und Schreibstil
    Die Handlung schildert chronologisch die Ereignisse des Jahre 1584, beginnend mit einer Nacht im Februar bis zum Jahresende, wobei Rückblenden und Erinnerungen die Zusammenhänge erklären. Die Geschichte ist in drei übergeordnete Abschnitte gegliedert, welche in Kapitel unterteilt sind. Es handelt sich um einen Roman, doch der geschichtliche Hintergrund und die bekannten Tatsachen sind immer präsent, werden nicht verändert und umgeben den fiktiven, aber durchaus möglichen Teil der Handlung. Durch sein umfassendes Wissen und seine spürbare Begeisterung für Montaigne und diese Zeit gelingt dem Autor mit diesem Roman eine überzeugend lebhafte, faszinierende und spannende Schilderung dieser Zeit und ihrer Persönlichkeiten. Dies trifft auch auf die Sprache zu. In einer der ersten Szenen eilt der junge Nicolas Poulain, der statt seines verschollenen Onkels Charles als Schreiber für Montaigne tätig sein soll, durch Paris. Er ist spät dran, bleibt aber doch stehen, um in Stuben und Läden zu schauen. Er beschreibt, was er gerade sieht und so ergibt sich beim Lesen sofort ein buntes Bild der geschäftigen Stadt Paris in diesem Februar 1584.

    Fazit
    Diese vielseitige, interessante und spannende Geschichte führt uns schon mit der ersten Seite in Montaignes Welt und in das Jahr 1584 in Paris und Bordeaux. Ein großartiges Buch und so packend, dass man es nur aus der Hand legt, wenn es unbedingt sein muss.

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