Meter pro Sekunde: Roman
Kühe, Windräder und die sonderbare Welt einer Internatsschule: Eine junge Mutter zieht mit Mann und Baby nach Westjütland, ins "Land der kurzen Sätze“. Eine einfache Unterhaltung wird für sie zum Wagnis, und das Leben selbst ist auf einmal voller Hindernisse. Mutterschaft, Ehe und Fahrprüfung: alles kaum zu schaffen. Doch als sie Kummerkasten-Redakteurin bei der lokalen Zeitung wird, ändert sich ihr Leben, und der Himmel bricht auf. (Klappentext)
Der Klappentext liest sich ehrlich gesagt zusammenhängender als das Buch selbst. Für mich ist dies weniger ein Roman denn eine lose Aneinanderreihung von Episoden und verschiedenen Textformen. Die junge Mutter und Ich-Erzählerin schildert darin ihr erstes Jahr in der Einöde in Dänemark, in die es sie verschlagen hat, weil der Kindsvater dort eine Stelle als Lehrer in einer Heimvolkshochschule bekommen hat. Um nicht nur um volle Windeln zu kreisen, nimmt die Ich-Erzählerin eine Stelle bei der lokalen Zeitung an - als Kummerkasten-Tante. Die Fragen an den Kummerkasten sowie dessen (oftmals skurrile) Antworten finden in dem Buch ebenso Platz wie umgedichtete Liedtexte. Ein buntes, bisweilen wirres Potpourri.
Ich habe nichts gegen experimentelles Schreiben, ich habe auch nichts gegen preisgekrönte Literatur (dieses Buch erhielt den dänischen Buchpreis "Goldener Lorbeer"). Sperrige und distanzierte Charaktere kann ich ebenso gut ertragen wie Kurzgeschichten - und diese episodenhafte Darstellung erinnert durchaus an dieses Format. Was ich aber beim Lesen nicht ertragen kann ist: Langeweile. Und leider gab es hiervon viel - zumindest für mich. Deshalb las ich das Buch nur abschnittsweise, weil trotz des leisen Humors, der hier immer wieder aufblitzt, zu keiner Zeit tatsächliche Lesefreude aufkam.
Neben dem gewöhnungsbedürftigen Aufbau und der eher distanzierten Erzählweise störte mich, dass ich hier weder einen roten Faden noch irgendeine klare Aussage entdecken konnte. Die junge Frau schwadroniert vor sich hin, beobachtet zwar scharf, breitet das Leben in der Einöde aber zäh und eintönig vor den Augen der Leserschaft aus. Eine Figur im Buch bezeichnet die Ich-Erzählerin an einer Stelle als "lieb aber träge" - und ja, das trifft es genau. Nett aber träge ist in meinen Augen eine treffende Bezeichnung für diese Darstellung - die 87 Fahrstunden der Erzählerin bilden dabei noch den Höhepunkt.
Mir blieben die Charaktere gleichgültig, ich langweilte mich zunehmend beim Lesen, war überrascht über jeden leisen Schmunzler, den mir der Text unerwartet entlockte und letztlich froh, als die letzte Seite gelesen war. Das ist leider die ernüchternde Zusammenfassung meines Leseerlebnisses.
Von mir gibt es diesmal also keine Leseempfehlung...
© Parden
Eine junge Familie zieht nach West-Jütland. Der kleine Sohn ist erst etwas über ein Jahr, er hat den Eltern das Schlafen abgewöhnt. Aber in die Kindertagesstätte geht er schon und die Tagesmutter begrüßt er mit einem fröhlichen Muh. Seine Mutter muss sich mit anderen Problemen rumschlagen, unter anderem dem Erwerb des Führerscheins. Den ein oder anderen Fahrlehrer hat sie schon zur Verzweiflung getrieben. Und ihre Art der Kommunikation schreckt ihre Mitmenschen mitunter etwas ab. Einen Lichtblick bietet ihre neue Stelle als Kummerkasten bei einer Lokalzeitung. Ihre witzigen Antworten auf mehr oder weniger tiefgreifende Fragen, kommen bei den Lesern gut an.
Wohl in den meisten Gegenden ist es nicht leicht, der Zugezogene zu sein. Man muss erstmal herausfinden, wie der Hase dort so läuft. Über lauernde Fettnäpfchen darf man sich nicht wundern und das Stolpern fällt leicht. Da kann ein neuer Job ein Wegbereiter sein. Und auch ein Kind verhilft sicherlich zu Kontakten, auch wenn es vielleicht noch andere Themen gibt als den fehlenden Schlaf. Wenn die Gespräche um einen herum verstummen, sollte man schnellstens das Thema wechseln oder das Reden den anderen überlassen. Aber je näher ein möglicher Erfolg beim Ablegen der Führerscheinprüfung rückt, desto leichter fällt das Leben.
Die junge Mutter fällt mit einem eigenartigen, aber durchaus sehr sympathischen Charakter auf. Zunächst muss man sich in ihre Lebenswelt hineinfinden und ihre manchmal schrägen Gedankengänge nachvollziehen, aber nachdem dies geglückt ist, entwickelt sich eine echte gute Laune Lektüre. Man sieht das Kind auf ihrem Arm, man leidet in den Fahrstunden und denkt „nun fahr doch endlich“ und dann amüsiert man sich, über die skurrilen Ideen und doch anrührenden Lebensweisheiten, die die junge Mutter in sich trägt. Dieser erfrischende Roman hat etwas eigenes und ihm sollte einiges an Aufmerksamkeit vergönnt werden. Es lohnt sich.
Mit großem Trommelwirbel und Tamtam hat der noch junge Kanon Verlag diesen Roman angekündigt. Und entsprechend neugierig war ich auf die Lektüre
Aber schon nach wenigen Seiten habe ich mich gefragt, ob ich hier im falschen Film, pardon, falschen Buch bin. Lag es an mir oder an dem Gebaren der namenlosen Ich-Erzählerin, dass ich mit der Protagonistin so gar nicht warm wurde? Sicherlich, es gibt da den einen oder anderen sprachlich erfrischenden Satz und gelegentlich auch Passagen zum Schmunzeln. Aber für ein humorvolles Buch ist es mir nicht amüsant und für ein ernstes nicht tiefsinnig genug.
Zum Ende hin war ich nur noch genervt von der larmoyanten jungen Mutter, die ihrem Partner mit Kind und Kegel in die jütländische Provinz gefolgt ist und lange braucht, um mit der Dorfgemeinschaft klarzukommen.
Den Hype, den dieses Buch in Dänemark offenbar ausgelöst hat, kann zumindest ich ganz und gar nicht nachvollziehen.
Das Leben als frisch gebackene Mutter ist allein schon eine Herausforderung! Aber dann noch die Umstellung aufs Landleben (West-Jütland, Dänemark), wo jeder jeden kennt und jeder zu allem seinen Senf dazugeben möchte und das Zusammenleben mit einem Lebenspartner - als Lehrer der ‚Heimvolkshochschule‘ beschäftigt - der von seinen Schülerinnen permanent vereinnahmt werden will - ist einfach anstrengend!
Der Leser amüsiert sich jedoch köstlich, wie die Ich-Erzählerin Dolph aus ihrem Leben erzählt, wie sie – hochempathisch wie sie ist – immer wieder an ihre Grenzen stößt und außerdem eine Fahrstunde nach der anderen vergeht, ohne dass Fortschritte erkennbar wären.
Ein besonderer Leckerbissen sind dazwischen – geschickt gestreut - die Briefe an den ‚Kummerkasten‘ und die Antworten der Ich-Erzählerin als Kummerkasten-Redakteurin. Beispiele: ‚Blutsbande sind keine rote Seidenschleife, sondern ein abgenutztes Springseil, eine Nabelschnur, mit der wir an Händen und Füßen gefesselt sind.‘ (Antwort an das ‚schwarze Schaf‘ mit Familienproblemen) oder ‚Beobachte das Verhalten von deinem Date gegenüber den Angehörigen der Dienstleistungsbranche. Darin liegt der Schlüssel zu seiner wirklichen Natur.‘ (Tipp an die ‚liebe Naive‘, die Männer schon beim 1. Date durchschauen möchte, damit sie nicht wieder verletzt wird.)
Ich genoss jede Zeile! Einfach nur schön! (Wobei natürlich Mütter jeglichen Alters naturgemäß noch mehr von diesem Buch haben werden! Können sie doch leise schmunzeln und zustimmend nicken, wenn sie dabei an ihre eigenen Erfahrungen in dieser Lebensphase denken.) Humorvolle, teilweise sogar freche, Sprache, viel Tiefsinn und herzerwärmend, ist es für mich gut nachvollziehbar, dass dieser Roman der erfolgreichste der letzten Jahre in Dänemark war. Fünf Sterne vergebe ich an dieses zauberhafte Buch und möchte es am liebsten jedem ans Herz drücken!
Eine Brise Ernst. Eine Brise Humor.
Kurzmeinung: Bestseller aus Dänemark. Leichte Unterhaltung. Habe ich dennoch gerne gelesen.
Die namenlose Ich-Erzählerin von „Meter pro Sekunde“ hat zwei Probleme. Einerseits hat sie eine lose Zunge und andererseits ist ihr neues menschliches Gegenüber der Westjütländer. Dort ist man wie in Friesland, Ost und West, wortkarg. Wenn der Westjütländer etwas sagt, dann ist es ein streng rationaler und vor allem kurzer Satz. Andererseits ist er mit Esels- und Engelsgeduld ausgestattet, wenn er auf Persons trifft, die mit too much information, zum Beispiel über ihr Sexualleben ihm einfach nur peinlich sind.
Ja, die Erzählerin ist ihrem Noch-nicht-Gatten, sie haben ein Baby, ins berufliche Umfeld gefolgt. Sie lebt mit ihm, der nun angebeteter und umschwärmter Lehrer ist, in einer Einrichtung, die sich „Heimvolkshochschule“ schimpft, was so etwas wie eine Internatsschule sein muss. Und das noch in ländlicher Umgebung. Das Institut wiederum versucht, die Angehörigen des Lehrkörpers miteinzubeziehen, was zuweilen durchaus übergriffig ist.
So laviert die Erzählerin zwischen den beiden Polen Distanz und Nähe. Vom Institut würde sie sich gerne mehr abgrenzen und Besuche der Interns auf ihrem Grundstück zu nächtlicher Stunde unterbinden, mit den Einheimischen dagegen würde sie liebend gerne richtig warm werden und Freunde unter ihnen finden. Diese aber haben mit ihrem stoischen Gleichmut eine freundliche, aber quasi undurchdringliche Barriere gegen Fremde aufgebaut. Und wenn man so eng zusammenlebt wie sie in ihrem kleinen Ort, dann ist zu viel Nähe gefährlich. Mit Wortlosigkeit tut man sich nicht weh. Wird die Protagonistin das begreifen? Wie der Westjütländer tickt?
Immer wieder ist die Erzählerin erstaunt über deren innere Distanz: wir sind doch Freunde, fragt sie, oder nicht? Und bekommt ein nachdenkliches Kopfwiegen. Kann sein. Kann aber auch nicht sein. Man wird sehen, wie du dich bewährst.
Der Kommentar:
Wie die Protagonistin, in kleinen Episoden, ihr Leben schildert, hat durchaus Witz. Auch sprachlich ist das Büchlein weit über „Lädchenbuchniveau“. Allerdings sind die Ideen der Autorin, sagen wir einmal so, nicht immer ganz taufrisch, der Job der Kummerkastentante bzw. „Dr. Sommer antwortet“ zum Beispiel, ist, trotz allen Bemühens um originelle Zuschriften und noch originelleren Antworten obsolet: dieser Drops ist gelutscht. Anderes ist total übertrieben; das verzeiht man einer Persiflage auf das Landleben aber gerne. Mütter werden sich beim Thema Schlaflosigkeit und deren Auswirkungen verstanden fühlen.
Trotz einiger Kritikpunkte sind die Alltagsbeobachtungen einer jungen Mutter aus der Stadt und die Darstellung ihres Gegenübers, dem Westjütlander, recht gelungen. Und trotz der kurzen Handlungsepisoden, keine ist länger als drei Seiten, erstehen vor dem Leserauge prägnante Persönlichkeiten. So könnten sie sein in Westjütland. So oder so ähnlich. Man schließt sie schnell ins Herz.
Fazit: Sowohl Distanz wie auch Distanzlosigkeit können im menschlichen Miteinander zu Problemen führen. Und gegenüber Vereinnahmungsversuchen schützt jeder Zeit eine gute Portion Humor.
Kategorie: Humor. Leichte Unterhaltung
Kanonverlag, 2022