Mann vom Meer

Buchseite und Rezensionen zu 'Mann vom Meer' von Volker Weidermann
4.3
4.3 von 5 (10 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Mann vom Meer"

Vielleicht fängt alles dort an, wo seine Mutter das Glück der Kindheit erlebt: im brasilianischen Urwald, in einem großen, hellen Haus am Meer. Mit sieben kommt sie nach Travemünde, in die deutsche dunkle Kälte, mit einer Sehnsucht, die bleibt. Ihr Sohn Thomas wächst an der Ostsee auf, in Lübeck, aber sobald er kann, geht er in den Süden, reist nach Italien, ans Mittelmeer, verliebt sich in junge Männer, folgt aber den Konventionen der Zeit und heiratet Katia. Jahre später: Der Gang ins Exil. In Kalifornien, am Pazifik, wird er noch einmal ein anderer: Er kämpft gegen Hitler, für die Demokratie, für die Freiheit und nimmt die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Nach seinem Tod lebt seine Lieblingstochter Elisabeth sein Vermächtnis als weltweit gefeierte Meeresforscherin in ihrer utopischen ozeanischen Politik fort.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:256
EAN:9783462002317

Rezensionen zu "Mann vom Meer"

  1. Meer vom Mann

    Thomas Mann war ein gebürtiges Nordlicht und als solches ein „Mann vom Meer“. Der wortspielende Titel des Sachbuchs von Volker Weidemann macht unmissverständlich klar, dass es in dieser Biografie um Thomas Manns lebenslange Beziehung zum Meer gehen soll.

    Sprachlich begeisternd und sehr faszinierend beginnt Weidemann jedoch quasi mit der Vorgeschichte Thomas Manns: mit der Kindheit und Jugend seiner in Brasilien geborenen Mutter. Der Auftakt des Buches, der sich mit der späteren Julia Mann befasst, ist für mich gleichermaßen der stärkste Teil des Textes (wie im Übrigen auch die späteren Passagen, in denen es um die Mutter Thomas Manns geht). Julia ist an sich eine interessante Persönlichkeit, ihr Wesen und ihr Leben strahlen einen besonderen Reiz aus, der vom Autor hervorragend eingefangen und umgesetzt wird. Über Julia und vor allem in der Art und dem Stil, wie Weidemann von ihr schreibt, hätte ich ein ganzes Buch lesen können.

    Der Fokus liegt jedoch selbstverständlich auf ihrem berühmten Sohn Thomas, über den mittlerweile auch so einiges bestens bekannt ist. Weidemanns Ansatz vom Thema „Meer“ ausgehend der Biographie Manns neue Facetten abzutrotzen, ist daher eine ganz ausgezeichnete – meist findet man ja durch leichte Akzentverschiebungen völlig neue Aspekte. Allerdings zieht der Autor zur Unterstützung seiner Sichtweise zahlreiche Zitate und Passagen aus Manns Romanen und Texten hinzu, die zwar durchaus der Argumentation dienlich sind, mich aber nicht angesprochen haben. Zum einen bin ich kein Freund davon, dass Werk als Beleg für den Charakter des Autors zu lesen, zum anderen nahm die zitierte Textfülle schlichtweg einfach überhand. So hatte ich teilweise das Gefühl mehr VON Thomas Mann als ÜBER Thomas Mann zu lesen und die exklusiv biographische Lesart der Zitate bereitete mir bei all ihrer angestrebten Überzeugungskraft zunehmend Unbehagen.

    Trotz dieser beiden sich durch den gesamten Text ziehenden Komponenten, habe ich „Mann vom Meer“ dennoch mit großer Aufmerksamkeit gelesen und mich an vielen Informationen und Details erfreut, die mir so nicht geläufig waren. Thematisch entfernt sich das Buch zwar auch des Öfteren vom Meer und das ein oder andere Mal war mir auch die angeblich prägende Meeresbeziehung auch etwas zu gewollt konstruiert, insgesamt aber ist das Sachbuch aber eine sehr lesbare, interessante Annäherung an den „Mann vom Meer“, die Lust darauf macht, sich mit Mann und seinem Werk vielleicht einmal auf eine ganz andere Art und Weise auseinanderzusetzen. Insgesamt also eine lohnenswerte Lektüre, wenn man über die zu langen zitierten Passagen hinwegsehen kann.

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  1. In all seinen Werken gegenwärtig

    Er war ein Schriftsteller von Weltruhm, Nobelpreisträger und Familienmensch. In Lübeck geboren, war ihm das Meer nahe. Doch auch in seinem späteren Leben hatte es für Thomas Mann eine besondere Bedeutung.

    „Mann vom Meer“ ist ein Sachbuch über Thomas Mann, eine Art Kurzbiografie, geschrieben von Volker Weidermann.

    Meine Meinung:
    Das Buch umfasst 25 Kapitel, eingerahmt von einer Einleitung und einem Nachwort. Ergänzt wird es mit einer Bibliografie. Erzählt wird überwiegend in chronologischer Reihenfolge, beginnend in der Kindheit Thomas Manns beziehungsweise - streng genommen - noch davor.

    Die Sprache ist - für das Genre ungewohnt - keineswegs nüchtern, sondern bildhaft und atmosphärisch. Als etwas störend empfinde ich allerdings den großen Umfang an Zitaten und Auszügen aus dem Werk Manns sowie die vielen Referenzen zu anderen Autoren.

    Anders als ich zunächst vermutet hatte, dreht sich das Buch nicht ausschließlich um Thomas Mann, sondern beleuchtet auch weitere Familienmitglieder wie seine Mutter.

    Wie der Titel erwarten lässt, wird insbesondere Manns Faszination für das Meer dargestellt. Schlaglichtartig werden unterschiedliche Episoden aus dem Leben des Nobelpreisträgers geschildert. Einige Facetten Manns werden ausführlich erzählt, beispielsweise sein homoerotischen Gedanken. Hierbei zeigt sich die umfassende Recherche Weidermanns. Andere Aspekte seiner Persönlichkeit werden hingegen ausgeblendet.

    Auf den nur etwas mehr als 200 Seiten können auch Leserinnen und Leser, die mit der Vita Thomas Manns bereits etwas vertraut sind, noch unbekannte Details erfahren. Ein Manko des Buches ist es jedoch, dass diejenigen, die bisher wenig über die Familie wussten, sich aufgrund mangelnder Vorkenntnisse über weite Teile des Buches ein wenig verloren vorkommen dürften.

    Sowohl der Titel als auch das Cover sind ansprechend gestaltet. Schade jedoch, dass Thomas Mann nur auf der Rückseite abgebildet ist.

    Mein Fazit:
    Für Fans der Werke der Familie Mann ist „Mann vom Meer - Thomas Mann und die Liebe seines Lebens“ eine Pflichtlektüre und eine lesenswerte Ergänzung für das heimische Bücherregal. Als Einstieg in die Biografie des berühmten deutschen Schriftstellers halte ich das Buch von Volker Weidermann allerdings nur bedingt geeignet.

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  1. Mann? Meer? Ich will mehr!

    Am Anfang steht Elisabeth - am Meer. Ein kleines Mädchen an der Hand ihres Vaters. Soweit so normal. Der Vater ist allerdings nicht irgendwer, sondern Thomas Mann - späterer Literaturnobelpreisträger. Er will seiner Tochter das zeigen, was ihn sein ganzes Leben geprägt hat: die unendliche Weite, die Kraft des Elements, dass er ihr von Beginn ihres Lebens an „auf den Leib geschrieben“ hat.

    Das ist der Beginn des meisterhaft in Szene gesetzten literarischen Sachbuchs „Mann vom Meer“ von Volker Weidermann (erschienen 2023 im Verlag Kiepenheuer&Witsch), der hier (nicht nur) seinem großen Idol Thomas Mann Tribut zollt.

    Woher kommt diese Liebe zum Meer, die Thomas Mann in vielen (oder den meisten) seiner Erzählungen und Romanen auf die ein oder andere (mal versteckte, mal offene) Art und Weise kundgetan hat? Dazu holt Volker Weidermann zunächst etwas weiter aus und erzählt den Leser:innen vom Leben der Julia da Silva-Bruhns, genannt Dodo, der Mutter von Thomas Mann und seinen Geschwistern, die im Alter von 7 Jahren von Brasilien nach Lübeck kam. Der „Einzug“ Julias in Lübeck hatte etwas „karnevalmäßiges“:

    „[…] Die Kinder trugen Panamahüte, sie hatten ihre schwarze Sklavin Anna dabei und den würdevollen Pai. Nein, so eine lustige Familie hatte die Stadt noch nicht gesehen. Johlend liefen die Kinder Lübecks hinter der exotischen Gruppe her und lachten. Um sie irgendwie zu beruhigen und loszuwerden, warf die brasilianische Familie Süßigkeiten in die jubelnde Menge.“ (S. 25)

    Die Leser:innen erfahren anschließend noch eine ganze Menge mehr über Julia, ihre Jugend, die (eine) Liebe, die nicht sein durfte und sie schließlich Thomas Johann Heinrich Mann heiratete. Dann schlägt Weidermann den Bogen zu Heinrich und Thomas…

    Nun beginnt ein Ritt durch die Wellen, äh, die Romane und Erzählungen Thomas Manns. Mal kurze, mal längere Zitate aus „Buddenbrooks“, „Tonio Kröger“, „Doktor Faustus“ etc. Was andere vielleicht abschreckt, weil sie „mehr“ vom Autor Volker Weidermann lesen wollen (der trotz der vielen Zitate zu Wort kommt *g*), hat mich dazu gebracht, mich nun endgültig mehr mit dem Werk von Thomas Mann zu beschäftigen. Eindrucksvoll erzählen die Zitate und Weidermann von der (politischen) Entwicklung des Literaturnobelpreisträgers, die sich wie die Liebe zum Meer auch literarisch in seinen Texten niederschlägt. Ob es wohl je ein Buch über Thomas Mann geben wird, in dem sich NICHT über seine sexuelle Gesinnung geäußert wird? Ich glaube es nicht, aber stören tut es mich auch nicht – es gehört zur Person Thomas Mann ebenso dazu wie seine Literatur; das sollten sich Leser:innen immer bewusst machen.

    Am Ende landen die Leserinnen und Leser wieder bei Elisabeth bzw. ihrem „Vermächtnis“, denn Volker Weidermann erzählt im Nachwort u. a. von einer Reise mit dem Forschungsschiff „Elisabeth Mann Borgese“, um „[…] hier so etwas wie den Geist der Namensgeberin und […] ein wenig auch den Geist ihres Vaters“ (S. 227) zu finden. Ob es ihm gelungen ist? Wir wissen es nicht. Tatsache ist jedoch, dass Volker Weidermann mit „Mann vom Meer“ mein persönliches Halbjahreshighlight veröffentlicht hat, weshalb ich nicht umhinkomme, kristallklare 5* aus meinem Seesack zu ziehen und eine entsprechende Leseempfehlung auszusprechen.

    ©kingofmusic

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  1. Der Mann vom Meer macht Appetit auf mehr

    Vieles wurde schon über den großen Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann (TM) geschrieben, es gibt Biografien über ihn sowie seine Familie, Filme und Serien… Mit dem Auge des Bewunderers hat nun der vielseitig tätige Journalist Volker Weidermann ein weiteres Buch zu diesem Reigen hinzugefügt. Im Zentrum seiner Betrachtungen steht das Meer als Motiv, das durchgängig TMs Leben und Schreiben beeinflusste. Weidermann setzt sich damit thematisch selbst einen begrenzenden Rahmen, mit dem er eine neue Perspektive beschreibt. Eindrucksvoll spannt er den Bogen vom Sommer 1924, als TM seiner aufgeregten 6-jährigen Lieblingstochter Elisabeth die Ostseeküste zeigt bis zu ihrem Vermächtnis, das bis in die Gegenwart hinein dem Schutz und der Erforschung der Weltmeere gilt.

    Dazwischen ganz viel Thomas Mann von der Wiege bis zur Bahre. Weidermann geht der Frage nach, worin die ausdrückliche Affinität TMs zum Meer begründet liegt. Wurde sie ihm transgenerational von seiner Mutter Julia mit in die Wiege gelegt, die ihre Kindheit im brasilianischen Paraty verbringen durfte, bevor sie fast gewaltsam ins kalt-spießige Lübeck verpflanzt wurde? Im Schnelldurchlauf lernen wir Thomas in seiner Familie kennen, deren Brüche in den „Buddenbrooks“ ausführlich beschrieben werden. Überhaupt entspringen Manns Figuren meist dem wahren Leben. Der Autor war ein beeindruckender Beobachter sowie ein begnadeter Stilist. Die Parallelen zwischen Leben und Werk legt Weidermann anschaulich dar, immer unter Berücksichtigung des Bezugs zum Meer. Viele Textstellen hat er eingearbeitet und zitiert. Dabei wird im Grunde kein Vorwissen vorausgesetzt, die Zusammenhänge werden klar umrissen und erklärt. Das gilt für die großen Romane ebenso wie für Novellen und Erzählungen. Der Autor hat umfassend recherchiert, zahlreiche Quellen gesichtet, Original-Schauplätze aufgesucht und sich intensiv mit dem Idol beschäftigt. Man begleitet Thomas Mann durch seine prägende Kindheit, erfährt manches über seine widersprüchliche Persönlichkeit sowie seine Defizite als Vater. Auch Manns vermeintliche Affinität zu jungen Männern wird nicht verschwiegen. Beeindruckend seine wechselhafte politische Entwicklung zwischen den beiden Weltkriegen, die letztendlich viele Wohnortwechsel notwendig machten. Weidermann versucht zu erklären und zu verstehen, wohltuend vermeidet er Wertungen.

    Die Kapitel sind überwiegend kurz und inhaltlich chronologisch angeordnet. Sie schildern konkrete Episoden und Erlebnisse aus dem Leben TMs. Stets werden Namen und Zeiten genannt. Bei Bedarf kann man die Hintergründe schon während der Lektüre vertiefen. Die Fokussierung auf die ambivalente Bedeutung des Meeres als Ursprung von Kraft, Wildheit, Gefahr oder Todessehnsucht bringt manchen Querverweis mit sich, um Verbindungen zu verdeutlichen. Spannend für alle Literaturinteressierten dürften Erwähnungen damals zeitgenössischer Werke wie Effi Briest, Oblomov, der Märchenwelt Hans-Christian Andersens und anderer sein. Die Bedeutung des Verlagshauses Fischer für den Aufstieg Thomas Manns war mir persönlich auch neu.

    Ich habe den Text als sehr direkt und unmittelbar empfunden. Auch Weidermann findet schöne Formulierungen und Bilder, um seine Leser zu fesseln. Im Mittelteil hätten meiner Meinung nach die zitierten Textpassagen zu Gunsten weiterer Details aus der spannenden Vita des Protagonisten zurücktreten dürfen.
    Man kann „Mann vom Meer“ als Einstieg oder als Abrundung in der Beschäftigung mit Thomas Mann lesen. In beiden Fällen macht dieses kurzweilige erzählende Sachbuch Lust, seine Werke (wieder) zu lesen. „Mann vom Meer“ sollte ein breites Publikum ansprechen.

    Lese-Empfehlung!

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  1. Noch eine Biografie über Thomas Mann?

    In seinem Sachbuch erzählt der Journalist Volker Weidermann das Leben Thomas Manns, jedoch mit dem Fokus auf dessen Liebe zum Meer. Dabei muss er zwangsläufig vieles auslassen, auch seine Kinder tauchen nur am Rande auf, bis auf seine Lieblingstochter Elisabeth, die seine Liebe zum Meer "geerbt" und sie zu ihrem Lebensinhalt gemacht hat.

    In der Einleitung schildert Weidermann die erste Begegnung Elisabeths mit dem Meer - an der Hand des berühmten Vaters.

    "Ein bisschen Angst hatte sie schon. Sie wusste ja, dass es ein großer Moment war. Vor allem für ihn, für Herrpapale, wie sie ihren Vater nennt. Sie wusste ja so gut, wie sehr er das Meer liebte. (...) Sie zittert aber vor allem vor Freude, Erregung und ein wenig auch aus Angst, dass sie sich nicht begeistert genug zeigen könnte." (7)

    Doch ihre Sorge ist unbegründet, das Meer übt auf sie eine große Faszination aus. Das greift Weidermann im Nachwort wieder auf, indem er seinen Besuch auf dem Forschungsschiff "Elisabeth Mann Borgese" schildert.

    "Das Meer ist der stille Held all seiner Bücher." (12) - unter dieser Prämisse erläutert Weidermann sowohl Thomas Mann Beziehung zum Meer und legt eindrucksvoll dar, welche Rolle dieses in seinen bekanntesten Werken spielt - "Buddenbrooks", "Der Zauberberg", "Tonio Kröger" und auch "Der Tod in Venedig", um nur einige zu nennen.

    Dabei zitiert der Autor, teilweise etwas zu ausführlich, aus den genannten Werken und interpretiert sie hinsichtlich der Bedeutung des Meeres. Er zeigt auf, inwiefern die Protagonisten Manns eigenes Verhältnis zum Meer widerspiegeln und belegt auch, dass Mann sein eigenes Leben "schamlos" ausgeschlachtet hat, persönliche Ereignisse verarbeitet, unerfüllte Wünsche zu Papier gebracht hat.

    Thomas Mann Kenner werden das wissen, aber durch den Fokus auf das Meer ergeben sich neue Einsichten und Erkenntnisse. So liefern vor allem die ersten Kapitel Informationen über Julia Mann, Thomas Manns Mutter, die ihre Kindheit am Strand von Paraty - 250 km südlich von Rio de Janeiro -verbracht hat, "ein Kindheitsparadies" (19). Nach dem Tod ihrer Mutter verlässt ihr Vater dieses Paradies, um in seine Heimat Lübeck zurückzukehren, wo Julia mit ihren Geschwistern bei einer Pflegemutter untergebracht wird, während der Vater auf seine Plantage zurückkehrt.

    Unter dem Leitspruch "Verleugne dich selbst" (33) wird sie ihren Weg in Lübeck gehen, den Konsul Mann heiraten - der Rest ist bekannt.

    Thomas Mann selbst erblickt mit sieben Jahren zum ersten Mal das Meer, "sein Meer, die Lübecker Bucht, wo die Familie ab 1882 jedes Jahr vier Wochen Sommerferien verbrachte." (51) Eine Erfahrung, die ihn sein Leben lang begleitet und die sich vor allem in seiner Romanfigur Hanno Buddenbrook widerspiegelt.

    Volker Weidermann klammert auch Thomas Manns Liebe zum eigenen Geschlecht nicht aus und stellt dar, wie Mann zur der Überzeugung gelangt, man brauche "eine Rüstung aus Bürgerlichkeit und Wohlanständigkeit, um in dieser Welt den inneren Kern aus Abenteurertum, Frivolität, unangemessener sexueller Neigung und Verworfenheit zu bewahren." (121)

    Auch der Umschwung seiner politischen Einstellung wird dargelegt und in Bezug zum Meer gesetzt. In seiner Rede "Von deutscher Republik" habe er sich auch vom Meer verabschiedet, bzw. vom "Sog des Meeres. Von all dem, wofür das Meer für ihn immer auch stand: Verantwortungslosigkeit, Sympathie mit dem Tod, Sog ins Verderben, verbotene Liebe, Unpolitik, Antidemokratie, Rausch, Romantik, seliges Vergessen, Glück ohne Pflicht, Schönheit, Ferien für immer." (14)

    Fazit: Ein Sachbuch, das für alle, die Thomas Mann und sein Werk kennen, neue Aspekte beleuchtet, und zudem "papierene Fährten" legt, wie jemand aus der Leserunde so treffend bemerkt. Dank der Bibliografie am Ende kann man gleich weiterlesen oder die Werke Thomas Mann mit neuem Blickwinkel genießen :).

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  1. Thomas Manns Liebe zum Meer in Leben und Werk

    Spezieller Blick auf Thomas Manns Leben und Werk mit dem Fokus auf seiner Meeresliebe, mit vielen Textauszügen

    Wer liebt es nicht, das Meer und wer gerät nicht ins Schwärmen darüber?! Da denkt man gleich an das wild schäumende Bild auf dem Cover. Viele Menschen sind von der Weite und der Wildheit fasziniert oder verbinden damit Erinnerungen. Das ist auch der Fall bei Thomas Mann, wobei es bei ihm noch eine besondere Bewandtnis hat, dazu auch sein Foto auf dem hinteren Schutzumschlag, in dem er so ganz anders wirkt als sonst, so locker und lässig, wo wir ihn doch sonst eher im Anzug vor Augen haben als im Bademantel am Strand.

    Nach einer Einleitung – Thomas Mann mit Lieblingstöchterchen Elisabeth, die später beruflich mit dem Meer zu tun hat – geht Volker Weidermann chronologisch vor, legt aber den Schwerpunkt auf das Meer, das im Leben und Werk Thomas Manns eine größere Rolle spielt als man denkt. Es fängt schon mit seiner Mutter an Julia da Silva-Bruhns an, die in Brasilien geboren wurde, die ihren Kindern sicher oft von ihrer eigenen Kindheit erzählt hat, bei dem Meer und Strand das paradiesische Lebensumfeld bildeten.

    Und immer wieder kommt Thomas Mann mit dem Meer in Berührung, als Kind und auch als Erwachsener in den Ferien. Allerdings scheint es für ihn insofern eine besondere Bedeutung zu haben, weil er – wie auch das hintere Foto zeigt – sich locker machen und sich Gedanken und Schwärmereien für junge Männer leisten konnte, die er sich im Alltagsleben verboten hat.

    So sind es sicher diese Erinnerungen, die sich in seinen Werken wiederfinden und was Volker Weidermann mit Textstellen aus Manns Werken ausführlich belegt: Buddenbrooks, Tonio Kröger, Tod in Venedig u.a. Von diesen hätte es etwas weniger geben dürfen und dafür 'mehr Weidermann'.

    Fazit
    Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen, meinen Kenntnissen über Thomas Mann weitere Mosaiksteinchen hinzufügen können und viele Anregungen erhalten, mehr zu lesen, sowohl von TM als auch anderes von Volker Weidermann über Schrifsteller:innen. Dazu trägt auch ein Literaturverzeichnis bei und ein Dankeswort mit weiteren bibliographischen Anregungen.

    Alles in allem: ein empfehlenswertes Buch über TM und sein Werk.

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  1. Tiefe des Meeres

    Thomas Manns literarisches Werk entsteht in der Zeit zwischen 1893 und 1955. Umfangreiche Biografien über Thomas Mann und seiner Familie sind bisher erschienen. Was kann man Neues über Thomas Mann erfahren? Aus wissenschaftlicher Sicht werden immer wieder neue Aspekte gesehen, erforscht und weiter untersucht. Die Thomas-Mann-Sammlung der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf besitzt eine umfassende Sammlung, die neben dem Thomas-Mann-Archiv in Zürich und dem Buddenbrookhaus in Lübeck, weltweit einzigartig ist. Ein großer Komplex innerhalb der ULB ist nur für die Thomas Mann Sammlung reserviert, die für die Forschung alle Werke und Publikation bereithält.

    Thomas Manns Leben findet in einer turbulenten Zeit statt. Politische und gesellschaftliche Umbrüche Deutschlands, vom Kaiserreich über die Weimarer Republik, den nationalsozialistischen Faschismus und die Zeit des Exils bis hin zur Nachkriegszeit prägen nicht nur sein Leben, sondern er verarbeitet die Ereignisse in seinen Romanen, Essays und Tagebüchern.

    Volker Weidermann hat nun ein interessantes literarisches Werk über Thomas Mann verfasst, das den Blick auf seine Romane in Verbindung mit dem Meer legt.

    Das Meer ist für Thomas Mann zeitlebens immer präsent. Es bedeutet für ihn Ruhe, Weite, Verheißung und Sehnsucht. Hier kann er sich fallen lassen, entspannt sein und Abstand von allen alltäglichen Bürden nehmen. Seine Liebe zum Meer vermittelt er seiner Tochter Elisabeth, seinem „Lieblingsmädchen“.

    „Ein bisschen Angst hatte sie schon. Sie wusste ja, dass es ein großer Moment war. Vor allem für ihn, für Herrpapale, wie sie ihren Vater nennt. Sie wusste ja so gut, wie sehr er das Meer liebte. Immer wieder hatte er ihr davon erzählt, von diesem großen Blau, der Weite, seinen Ferien in Travemünde, als er klein und glücklich war. Und jetzt war endlich der Moment, in dem er es ihr wirklich zeigen konnte. Sein Meer. Die Ostsee.“ (S. 7)

    Volker Weidermann führt in die Geschichte Thomas Mann und Elisabeth am Strand der Ostsee ein. Der Ursprung liegt aber viel weiter weg. Seine Mutter Julia lebt noch in Brasilien und verbringt einige glückliche Kindheitsjahre, bis sie nach Lübeck kam.

    „Das Meer leuchtet. Viele kleine Flammen fliegen aus der Luft ins Wasser und verlöschen dort. Es ist früher Abend, die Sonne ist gerade untergegangen, am Strand stehen jede Menge Kinder und schauen aufs Meer. Der alte Mann schießt ein kleines Feuer nach dem anderen in die dunkle Luft. Es sind längliche Papierröllchen, die er nacheinander angezündet und wie Glühwürmchen in die Freiheit entlassen hat.“ (S. 17)

    Volker Weidermann hat den Strand der Julia da Silva-Bruhns gesehen, Thomas Mann nie. Ein von Palmen umsäumter Paradiesstrand, die Hazienda, in der Julia aufwuchs, mit dem Blick über die Bucht, umsäumt von sanften grünen Hügeln. Hier also ist der Ursprung von Thomas Mann zu finden.

    Das dichterische Werk Thomas Manns weist Beständigkeit auf. Grundlegende Themen umspannen seine Romane. Er schreibt stilvoll und pflegt die Sprache. Im Mittelpunkt seiner Erzählungen steht immer wieder eine Künstlerfigur, z. B. der Schriftsteller Tonio Kröger oder der Zauberer Cipolla. Er verarbeitet persönliche, politische und gesellschaftliche Ereignisse, und immer wieder werden seine innersten Gefühle einbezogen. Das Meer wird zu einem melancholischen Ort für ihn. Insbesondere der Roman „Tod in Venedig“ zeigt seine Liebe zum Meer, zeigt sein Innerstes, seine tiefste Seele.

    „In dieser Novelle hat Thomas Mann alles, was er vom Meer weiß, hineingeschrieben. Alles, was ihn am Meer immer angezogen hat, alles, wovor er Angst hat.“ (S. 136)

    Volker Weidermann hat aufwendig recherchiert. Er stellt sehr ausdrucksstark und gefühlvoll, unterhaltsam und berührend Thomas Manns Werke in Verbindung mit dem Meer in den Fokus. Dabei geht er chronologisch vor und lässt aus einzelnen Romanfragmenten ein Lebensbild des Nobelpreisträgers entstehen.

    Ich hatte die Möglichkeit, in einer Diskussionsrunde über das Buch „Mann von Meer“ dem Autor die Frage zu stellen, wie er auf die Idee gekommen ist, die Biografie in Verbindung mit dem Meer zu schreiben:

    Frage
    Biografien über die „Manns“ gibt es viele. Insbesondere Thomas Mann. Die Thomas-Mann-Sammlung der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf ist eine der umfassendsten Gedächtniseinrichtungen zu Thomas Mann und seiner Familie weltweit. Sich da durchzuarbeiten, ist schon eine Lebensaufgabe. Interessant finde ich daher ihre Idee, obwohl auch dazu Lektüre besteht: „Heinrich Detering - Das Meer meiner Kindheit. Thomas Manns Lübecker Dämonen“, eine Verbindung seiner Werke zum Leben Thomas Mann aufzubauen. Wie ist bei Ihnen die Idee entstanden, seine Werke mit seinem Leben mit dem Fokus Meer zu einem Roman zu verarbeiten? Für mich persönlich wird diese Verbindung sehr deutlich in „Tod in Venedig“ hergestellt.

    Antwort
    Liebe Petra Ellen,
    es war eine Kombination aus verschiedenen Eindrücken und Ideen: zunächst mein erleben des „Urstrandes“ in Paraty, wo Julia aufwuchs. Ich fand es unglaublich, richtig ein Schock als ich dort stand: hier? liegen die Wurzeln oder ein wesentlicher Teil davon des Werkes des deutschesten Autors des letzten Jahrhunderts? Ich wollte alles darüber wissen. Dann: sein eigener Satz, dass „auf jeder Seite seines Werkes das Meer durchschimmert“. Dann: meine besondere Liebe zu allen expliziten meerestexten von ihm. Strandspaziergang! Kröger! Schnee! Mario! Ich merkte einfach, dass davon ein besonderer Sog ausgeht. Dann: meine eigene, ganz unliterarische liebe zum Meer. Dann: die Idee, einmal ein ganzes Werk und leben über ein einziges literarisches Motiv zu erzählen…

    Vielen Dank, Volker Weidermann!

    https://whatchareadin.de/community/threads/fragen-an-den-autor-volker-we..., Juli 2023

    Fazit
    Volker Weidermann gewährt einen besonderen Blick auf das Leben Thomas Manns. Er zeigt eine andere Perspektive auf, die eine literarische, romanhafte Interpretation zulässt. Ausgedacht hat der Autor sich aber nichts. In einem Nachwort und einer Bibliografie. Eine Auswahl werden seine Fakten und Daten nachgewiesen. Diese hat er romanhaft verpackt und daraus eine unterhaltsame Biografie geschrieben.
    Ob die Biografie nur für Thomas Mann-Kenner:innen oder für Einsteiger:innen sinnvoll ist, möchte ich offenlassen. Das soll jeder für sich selbst entscheiden.

    Ich meine: Unbedingt lesen!

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  1. Ein poetisches, literarisches Sachbuch

    „Die Größe, die Bedeutung und die lang währende Kraft und Wirkungsmacht von Thomas Manns Werk besteht darin, dass er einerseits schonungslos und radikal immer wieder sich selbst preisgab. Und – noch wichtiger – dass dieses Selbst auf, ja, magische Weise mit seiner Zeit, mit den Menschen seiner Zeit, der Politik, der Gesellschaft, den Ängsten, den Hoffnungen der Gegenwart verbunden war.“ (Zitat Seite 141)

    Thema und Inhalt
    Dieses Buch ist eine ungewöhnliche, sehr gut gelungene Mischung. Ein narratives, kreatives Sachbuch, welches die Geschichte des Lebens von Thomas Mann neu erzählt, ausgehend von seiner engen, sehnsuchtsvollen Bindung und Liebe zum Meer, welche sich durch sein Leben und seine Werke zieht.

    Umsetzung
    Ihre frühen Kindheitsjahre verbrachte die Mutter von Thomas Mann in Brasilien, in einem Haus direkt am Meer. Für Thomas Mann, der in Lübeck aufwächst, wird das Meer zum Sehnsuchtsort, einerseits Begriff von endloser Weite und Freiheit, andererseits Sinnbild für einen geheimnisvollen Sog in die ebenfalls endlose Tiefe.
    In vielen Textbeispielen aus Thomas Manns Werken folgt Volker Weidermann dem Menschen Thomas Mann, der die Vorbilder für seine Romanfiguren vor allem in sich selbst findet, aber auch in den Menschen in seinem Umfeld, beginnend mit dem großen Roman seiner Familie, den Buddenbrooks. „Er war ein Seelenkenner, nicht nur seiner selbst. Sondern auch ein Seelenkenner der Welt, die ihn umgab.“ (Zitat Seite 141)
    „Mann vom Meer“ ist keine verklärte oder verklärende Biografie des berühmten deutschen Schriftstellers und Nobelpreisträgers, sondern es zeigt einen lebenslang mit seinen Gefühlen ringenden Menschen, der sich selbst und sein Leben in seinen Romanen schonungslos offenlegt, den Ehemann und Familienvater, an dessen Seite es niemand leicht hat, der seine Frau Katia liebt, sich aber auch immer wieder in junge Männer verliebt. Volker Weidermann schildert offen, aber nicht wertend, die sich mit den Jahren und Erfahrungen stark verändernden politischen Überzeugungen von Thomas Mann, vom patriotischen Optimisten zum überzeugten Demokraten. Im Nachwort geht es um Thomas Manns Tochter Elisabeth Mann Borgese, eine beeindruckende, selbstbewusste Frau, eine Wissenschaftlerin mit Ansichten, Ideen und Anliegen, die ihrer Zeit weit voraus waren und bis heute zeitlos aktuell sind. Mit einer ausführlichen Bibliographie schließt das Buch.

    Fazit
    Diese Geschichte vom Mann vom Meer birgt eine Fülle an neuem oder ergänzendem Wissen, nicht nur für interessierte Lesende, die Thomas Mann bisher vielleicht von der Schullektüre her kennen, sondern auch für Menschen, die sich schon lange und intensiv mit Thomas Mann und seinem Werk beschäftigt haben. Die Sprache sorgt für Lesevergnügen und das Buch selbst schlägt auch nach der Lektüre Wellen, die einen langen, stetigen Sog entwickeln und dazu anregen, die Romane von Thomas Mann nun wieder, oder aber auch zum ersten Mal, zu lesen.

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  1. Thomas Mann: ein weiteres Denkmal.

    Kurzmeinung: Zu gefällig - um nicht zu sagen, etwas mutlos.

    Interessiert man sich in Deutschland eigentlich noch immer für Thomas Mann (1875 in Lübeck geboren – 1955, Zürich), dem Mann, der sich selber so sehr mit Deutschland identifizierte, dass er „der repräsentative Dichter“ für sein Land sein wollte?
    Immmerhin ist der Roman „Buddenbrooks“ für den Thomas Mann 1929 den Literatur-Nobelpreis bekam, der Roman, von dem Volker Weidermann mit Fug und Recht schreibt „ihn kannte eine Weile lang die ganze Welt“. Aber aller Ruhm vergeht. Auch der von Thomas Mann. Heute, fast hundert Jahre später, sind seine Werke natürlich immer noch bekannt in der Literaturwissenschaft und unter Literaturfreaks, aber beim breiten Publikum nicht mehr beliebt. Und auch kaum mehr belesen.
    Volker Weidermann versucht beides dem breiten Publikum wieder nahezubringen. Autor und Werk. Ob ihm das so richtig gelungen ist, muss der geneigte Leser selber beurteilen.

    Der Kommentar:
    Mein Leseerlebnis ist nicht durchweg positiv. Zwar ist nachzuvollziehen, dass Volker Weidermann davon ausgehend, dass Werk und Autor nicht mehr präsent sind, seitenlang aus entsprechenden Werken des Autors und damit ihn selber zitiert und Thomas Mann sozusagen über Thomas Mann referieren lässt. Es ist jedoch fraglich, ob eine Celebrity – und das war Thomas Mann zu Lebzeiten – genug Abstand von seiner Person aufbauen kann, um sich selbst gehörig zu porträtieren. Wohl nicht, es fehlt Objektivität. Und die Zitate aus Thomas Manns Werken mögen hilfreich sein für denjenigen, der noch nichts von Thomas Mann gelesen hat und mit seinen Protagonisten nicht vertraut ist, mich haben sie sträflich gelangweilt.
    Über Thomas Mann und die Familie Mann ist so viel geschrieben worden, dass es nicht ganz einfach ist, eine neue, interessante Schau zu eröffnen. Mit der Wahl Weidermanns, den Fokus auf Manns Liebe zum Meer zu legen, trifft er auf einen Sehnsuchtsnerv. Wer liebt das Meer nicht? Es ist nichts Besonderes, das Meer zu lieben; das ist ganz natürlich. Die Todessehnsucht, die Thomas Mann mit dem Meer verbindet, ist es nicht.
    Selbstverliebtheit, Überhöhung der eigenen Person und seiner Bedeutung, Despotismus im Familienverband, ein Mann, der seine Kinder seelisch misshandelte, indem er eins gegen das andere ausspielte, ein Mann, der sich in einer Opferrolle suhlte, politischer Opportunismus, all dies muss man im Buch mit der Lupe suchen. Aber es ist da, allerdings kleinkörnig. Seelenschau und Familengeschichte hat Thomas Mann sublimiert und literarisch verarbeitet. Thomas Mann hat Weltruhm erlangt. Volker Weidermann setzt ihm ein weiteres literarisches Denkmal. Eines, das da und dort vielleicht zu respektvoll ausfällt. An einer Krone/Ikone zu kratzen wäre natürlich anstößig. Oder mutig.

    Fazit: Ich mag den Text immer dann, wenn Volker Weidermann eigenständige Gedanken über Werk, Umfeld und die Persönlicheit von Thomas Mann zum Besten gibt, also, wenn er interpretiert. Allerdings geschieht dies viel zu selten.
    Insgesamt honoriere ich „Mann vom Meer“ mit guten drei Sternen.

    Kategorie: Sachbuch: Literaturgeschichte.
    Verlag: Kiwi, 2023

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  1. "An diesem erschütternden Meere habe ich tief gelebt..." (Mann)

    !ein Lesehighlight 2023!

    Klappentext:

    „Das Meer war für Thomas Mann sein Leben lang der Ort der Sehnsucht und des verheißungsvollen Sogs in die Tiefe. Deutsche Romantik und Todessehnsucht – und Ort der Befreiung von den Konventionen, den politischen, literarischen, erotischen Zwängen des bürgerlichen Lebens. Ort der Freiheit und des wahren Ich.

    Vielleicht fängt alles dort an, wo seine Mutter das Glück der Kindheit erlebt: im brasilianischen Urwald, in einem großen, hellen Haus am Meer. Mit sieben kommt sie nach Travemünde, in die deutsche dunkle Kälte, mit einer Sehnsucht, die bleibt. Ihr Sohn Thomas wächst an der Ostsee auf, in Lübeck, aber sobald er kann, geht er in den Süden, reist nach Italien, ans Mittelmeer, verliebt sich in junge Männer, folgt aber den Konventionen der Zeit und heiratet Katia. Jahre später: Der Gang ins Exil. In Kalifornien, am Pazifik, wird er noch einmal ein anderer: Er kämpft gegen Hitler, für die Demokratie, für die Freiheit und nimmt die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Nach seinem Tod lebt seine Lieblingstochter Elisabeth sein Vermächtnis als weltweit gefeierte Meeresforscherin in ihrer utopischen ozeanischen Politik fort.

    Volker Weidermann schreibt mit Leichtigkeit und Humor, mit Wärme und großer Klarheit über den Nobelpreisträger, über seine Sehnsucht und seine Lieben. Sein Buch ist die Geschichte eines deutschen Jahrhunderts, es ist die Biografie eines großen Schriftstellers und seiner Familie, vor allem aber ist es ein Roman über das Dunkle, Glänzende, Bedrohliche, Verlockende, Befreiende – über Thomas Mann und das Meer.“

    Im Gästebuch des Hauses „Kliffende“ in Kampen an eben jenen Punkt auf der Insel Sylt schrieb einst Thomas Mann diese Worte: "Nicht Glück oder Unglück, der Tiefgang des Lebens ist es, worauf es ankommt. An diesem erschütternden Meere habe ich tief gelebt und was es aufregte, das wird, gebe es Gott, irgendwie einmal ehrenhaft fruchtbar werden.". Genau diese Worte sind auch auf einer Kunststele an einem Rundweg nahe des Hauses Kliffende heute zu lesen. Man blickt einerseits auf die wunderschöne Landschaft Sylts aber auch andererseits auf die raue Nordsee. Man hört sie, man sieht sie, man riecht sie und man träumt sich in sie hinein. Thomas Mann hatte einerseits mit der Insel Sylt selbst eine besondere Beziehung aber schlussendlich war es, egal wo er war, immer das Meer selbst, welches ihn einnahm. Im Buch von Autor Volker Weidermann, der sich der großen Literatur und deren bekanntesten deutschen Autoren verschrieben hat, erzählt uns dieser nicht einfach so stumpf Manns Biografie, nein, hier geht es tiefsinnig und auch auf gewisse Weise emotional und gefühlvoll um eben Manns große Liebe und Verbundenheit: das Meer. Beim lesen der Zeilen vermag man fast die Theorie aufzustellen, dass diese Liebe zum Meer ihm in die Wiege, oder gar in die Gene gelegt wurde. Er reiste gewollt aber auch gezwungener Weise um die ganze Welt, immer eingekesselt vom Meer selbst. Er lernte alle Gegebenheiten des Meeres kennen und machte sich daraus seine eigene Verbindung. Das Meer ist so wechselhaft wie Manns Leben selbst. Es gibt ein Auf und Ab, es gibt Liebkosungen aber auch Wutausbrüche, es gibt Umarmungen aber auch Entbehrungen. Thomas Mann hat stets seine eigene Meinung vertreten und sich mehr als oft die Zunge dabei verbrannt. Sein Kampf gegen Hitler beispielsweise war wohl der gefährlichste Sog, der gefährlichste Strudel in seinem Leben. Thomas Mann schwamm aber selbst da gegen den Strom der Nazis, er schwamm aber auch gegen den Strom seiner Gefühle und manchmal gar gegen die unerfüllte Liebe. Dennoch blieb die Verbundenheit mit dem nassen Element immer und immer wieder fest bei ihm verankert. Selbst in seinen Gene hat er es weitergetragen und seine große Liebe, die See, lebt in seiner Tochter weiter. Weidermann erzählt hier nicht nur gekonnt große Auszüge aus Manns umfangreicher Biografie, er behält stets den Blick auf das Thema Meer. Seine Erzählweise ist konstant unterhaltsam und kurzweilig. Man folgt dem Autor gern auf seinen Wegen und seinen Erkenntnissen die er zu Thomas Mann und der See erkannt hat. Seine bildhafte Sprache ist mehr als oft zweideutig und jenes mochte ich wahrlich sehr. Man könnte abschließend, nach beenden des Buches, sagen, Thomas Mann und das Meer hatten mehr gemeinsam als viele andere Menschen es wohl je hatten. 5 Sterne für dieses Buch!

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