Liebesheirat: Roman

Rezensionen zu "Liebesheirat: Roman"

  1. Stolz und Scham

    Liebesheirat von Monica Ali habe ich mit großem Vergnügen gelesen und – tatsächlich – sogar einiges noch dabei gelernt. Zwar hätte ich mir ein anderes Ende gewünscht, möglicherweise ein weniger konventionelles Ende. Aber mehr zu meckern gibt es nicht.

    Ich bin vor längerer Zeit durch „Die gläserne Frau“ (OT Untold Story) auf Monica Ali aufmerksam geworden. Und weil dieser Roman immer noch zu meinen Highlights gehört, war ich dann sehr interessiert, als ich auf „Liebesheirat“ aufmerksam wurde. Oh, Monica Ali hat ein neues Buch rausgebracht, das muss ich unbedingt lesen! Neunzehn Tage habe ich dafür gebraucht. Macht immerhin über dreißig Seiten pro Tag, daran sieht man: langweilig ist dieser Stoff bestimmt nicht.

    Alis Idee, zwei völlig unterschiedliche Familien im noblen London durch eine Verlobung zusammenzupacken, die gefiel mir. Es gibt hier also Yasmin, die Assistenzärztin aus einer indischen Familie mit vier Personen: Ma, Baba und noch Arif, Yasmins jüngeren Bruder. Baba ist damals in Indien „den Klauen der Armut entkommen“. (Seite 101) Eben durch die titelgebende „Liebesheirat“.

    Joe, Yasmins Verlobter, stammt aus einer englischen Familie mit zwei Personen: Harriet und Joe. Mutter und Sohn, eine Konstellation, die durchaus Probleme aufwirft. „Joe wohnte bei seiner Mutter, weil er es leid gewesen war, in einer Mietwohnung zu leben und auch, weil Harriet sich über seine Gesellschaft freute.“ (Seite 32) Ein Ansatz, der vielen Leuten gut zu Gesicht stehen würde, aber heutzutage leider nicht mehr sehr populär ist.

    Und wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Ma (Anisah) sich so gut mit Harriet verstehen würde? Anisah, die erzkonservative Inderin, und Harriet, die emanzipierte Autorin, die auch gern am laufenden Band provoziert.

    Joe besucht ab und zu den Psychiater Sandor, diesen Besuchen sind einige Kapitel gewidmet. „Sandor wartete. Manchmal wurde die wichtigste Arbeit in den Momenten des Schweigens geleistet.“ (Seite 231) Warum Joe glaubt, eine Therapie zu benötigen, möchte ich hier nicht verraten.

    Bei den Protagonisten ist viel von Schuld und Schuldgefühlen die Rede. So hatte Harriet mal verkündet: „Schuld ist von allen Gefühlen eindeutig das nutzloseste. Das erbärmlichste und auch das egozentrischste.“ (Seite 267) Das sollten gerade wir Deutsche uns mal auf die Fahnen schreiben!

    Das Kapitel „Haram“, ab Seite 261, hat mir am allerbesten gefallen. Eine Wucht! Auf solche Ideen muss man erstmal kommen! Aber hier wird nichts verraten, das müsst ihr schon selbst lesen.

    Wir jedenfalls erleben die Protagonisten hautnah, ihre Beziehungen zueinander, ihre Jobs, ihre kleinen Kümmernisse, ihre großen Geheimnisse, ihr Leid, und auch ihre Freuden und ihren Zusammenhalt, wenn’s drauf ankommt.

    Fazit: Ein knapp 600-Seiten-Roman, der zwischen zwei Kulturen spielt und mit überraschenden Wendungen nie langweilig wird. Mit viel Humor und genauso viel Herz geschrieben. Wer schräge Familienromane gern mag, der ist hier genau richtig.

    Teilen
  1. Liebesheirat

    Joe Sangster und Yasmin Ghorami wollen heiraten. Es soll eine kleine Feier im engsten Kreis werden. Voller Sorge blickt Yasmin dem erste Treffen ihrer Eltern mit Joes Mutter entgegen. Die Elternhäuser könnten kaum unterschiedlicher sein: Während in Yasmins Familie eher konservative Werte hochgehalten werden, der Fernseher bereits bei einer Kussszene verschämt ausgeschaltet wird, geht Joes Mutter Harriet freizügig mit den Themen Körper und Sexualität um und hat sich als Feministin, Aktivistin und Autorin einen Namen gemacht. Das Treffen verläuft anders als geplant, anfängliche Befürchtungen bewahrheiten sich nicht, dafür zeichnen sich überraschend neue Probleme für Joe und Yasmin ab. Monica Ali fokussiert die unterschiedlichen Beziehungsgeflechte innerhalb der einzelnen Familien, nimmt die Paarbeziehung von Joe und Yasmin unter die Lupe und erkundet auch die neu entstandenen Beziehungen zwischen Mitgliedern beider Familien. Ängste, unausgesprochene Erwartungen und mangelnde Kommunikation führen im Verlauf der Geschichte zu einer komplizierten, konfliktreichen Dynamik zwischen den Protagonist:innen.

    „Liebesheirat“ liest sich trotz der dramatischen Geschehnisse leicht und unterhaltsam. Leider gab es mehrere Abschnitte, bei denen ich mich über die Figurenzeichnung geärgert habe. So hatte ich an einigen Stellen den Eindruck, die Autorin lege ihren Protagonist:innen Sätze in den Mund, um noch schnell auf ein Thema von gesellschaftlicher Relevanz aufmerksam zu machen. Für mich wirkte das aufgesetzt, ging zu Lasten der Authentizität und führte dazu, dass mich die Tragik der Ereignisse nicht immer erreichte. Außerdem gab es einige Nebenhandlungen, die für den Verlauf der Geschichte bedeutungslos waren. Hier hätte ich mir mehr Konzentration auf das Wesentliche gewünscht. Insgesamt war der Roman für mich ein gemischtes Lesevergnügen mit Stärken und Schwächen, der mich aber immerhin neugierig auf andere Werke der Autorin gemacht hat.

    Teilen
  1. Liebesheirat

    Joe Sangster und Yasmin Ghorami wollen heiraten. Es soll eine kleine Feier im engsten Kreis werden. Voller Sorge blickt Yasmin dem erste Treffen ihrer Eltern mit Joes Mutter entgegen. Die Elternhäuser könnten kaum unterschiedlicher sein: Während in Yasmins Familie eher konservative Werte hochgehalten werden, der Fernseher bereits bei einer Kussszene verschämt ausgeschaltet wird, geht Joes Mutter Harriet freizügig mit den Themen Körper und Sexualität um und hat sich als Feministin, Aktivistin und Autorin einen Namen gemacht. Das Treffen verläuft anders als geplant, anfängliche Befürchtungen bewahrheiten sich nicht, dafür zeichnen sich überraschend neue Probleme für Joe und Yasmin ab. Monica Ali fokussiert auf die unterschiedlichen Beziehungsgeflechte innerhalb der einzelnen Familien, nimmt die Paarbeziehung von Joe und Yasmin unter die Lupe und erkundet auch die neu entstandenen Beziehungen zwischen Mitgliedern beider Familien. Ängste, unausgesprochene Erwartungen und mangelnde Kommunikation führen im Verlauf der Geschichte zu einer komplizierten, konfliktreichen Dynamik zwischen den Protagonist:innen.
    „Liebesheirat“ liest sich trotz der dramatischen Geschehnisse leicht und unterhaltsam. Leider gab es mehrere Abschnitte, bei denen ich mich über die Figurenzeichnung geärgert habe. So hatte ich an einigen Stellen den Eindruck, die Autorin lege ihren Protagonist:innen Sätze in den Mund, um noch schnell auf ein Thema von gesellschaftlicher Relevanz aufmerksam zu machen. Für mich wirkte das aufgesetzt, ging zu Lasten der Authentizität und führte dazu, dass mich die Tragik der Ereignisse nicht immer erreichte. Außerdem gab es einige Nebenhandlungen, die für den Verlauf der Geschichte bedeutungslos waren. Hier hätte ich mir mehr Konzentration auf das Wesentliche gewünscht. Insgesamt war der Roman für mich ein gemischtes Lesevergnügen mit Stärken und Schwächen, der mich aber immerhin neugierig auf andere Werke der Autorin gemacht hat.

    Teilen
  1. Was bedeutet Liebe?

    Auf dieses Buch war ich so unglaublich gespannt, weil ich gern etwas über komplizierte Beziehungen lese und auch Kulturunterschiede mich begeistern können.

    In der Geschichte geht es um Joe und Yasmin, die gern heiraten wollen. Die Eltern sollen sich kennenlernen, doch davor haben beide große Angst, denn während Joes Mutter Harriet sehr offen ist, sind Yasmins Eltern regelrecht verklemmt und sehr religiös noch dazu. Wird das gut gehen?

    Im Buch gibt es sehr viele Personen, wo man gut aufpassen muss wer zu wem gehört und in welcher Verbindung sie zueinander stehen. Meine persönliche Lieblingsfigur waren die alte Zlata im Krankenhaus, die trotz allem Stärke beweist und immer einen guten Rat parat hat. Und natürlich hat mich Pepperdine mit seinem Charme verzaubert.

    Die Hauptfiguren sind mit enormen Problemen und Geheimnissen behaftet. Jeder möchte den Schein wahren und macht es dadurch noch schlimmer. Man wartet regelrecht auf den großen Knall, der entweder wieder alles ins Lot bringt oder alles zerstört.

    An den Figuren Yasmin und Harriet habe ich mich emotional enorm gerieben, denn sie haben mir einiges abgefordert. Zwar habe ich Yasmin mit ihren Problemen gut verstehen können, aber ich hätte ihr gern öfter einen Schubs in die richtige Richtung geben wollen. Nachdem sie vieles verdirbt, gelingt ihr zum Ende hin der Wandel und sie macht enorme Fortschritte. Harriet, die Schwiegermutter in spe, liebt es Grenzen zu überschreiten und zu provozieren. Oft denkt man, dass sie das jetzt nicht wirklich macht und dann kommt es noch viel schlimmer.

    Monica Alis Schreibe hat mich sehr in ihren Bann gezogen, denn sie weiß mit besonderer Wortwahl und interessanten Figuren zu bezaubern. Man blickt in die Abgründe der Menschlichkeit und wenn man ehrlich zu sich selbst ist, dann weiß man dass das eigene Umfeld auch oft so tickt.

    Das einzige Manko an der Handlung waren die Szenen, in denen es um medizinische Details und die Klärung von Krankheiten geht. Das fand ich persönlich etwas fad. Zum Glück gibt es das nicht zu oft.

    Das Ende war für mich schlüssig und nachvollziehbar. Es wird nicht alles geklärt, man kann weiter fantasieren, was den Figuren noch passieren könnte und es gibt kein kitschiges Happyend, wo ich sehr froh drüber war.

    Fazit: Tiefe Einblicke in menschliche Beziehungen, die teils kompliziert sind wie verknotete Wollknäule und dennoch rettbar, wenn man sich einfach ausführlich damit beschäftigt. Ich habe mich enorm gut unterhalten gefühlt und spreche gern eine Empfehlung aus. Gelungen!

    Teilen
  1. Familien und ihre Hintergründe

    Kurzmeinung: Mein erstes Buch von Monica Ali hat mich noch nicht überzeugt.

    Die Familie Ghorami und Frau Sangster treffen bezüglich der bevorstehenden Heirat ihrer Kinder Yasmin und Joe aufeinander. Man will sich kennenlernen und gemeinsam die Hochzeit planen. Wird dieses Treffen deshalb ein Desaster, weil unterschiedliche Kulturen und Werte aufeinanderprallen, eine liberale, freizügige Alleinerziehende trifft konservative und prüde Familie? Zum Erstaunen des Paares verstehen sich Joes Mutter und Yasmins Mutter auf Anhieb. Anisah erzählt Harriet, was sie ihren Kindern nie erzählt hätte.

    Der Kommentar.
    Beim Lesen drängt sich mir leider zuerst auf, was dieser Roman alles nicht ist. Er ist kein Lehrstück in punkto unterschiedlicher Kulturen. Gar nicht. Wie schade!

    Dass es Halal und Haram im Islam gibt (to do and not to do) ist jetzt keine neue, tiefschürfende und umwerfende Erkenntnis (wissen wir schon) und dass sexuelle Freizügigkeit im Westen seit den Hibbies und Flowers in den 60ern und 70ern propagiert wird, auch nicht (wissen wir schon). Dass indisches Essen sich vom englischen unterscheidet: Binse. Die Unterschiedlichkeit der Kulturen wird an Oberflächlichkeiten buchstabiert.

    Der Roman ist leider auch keine große Erzählkunst. Zwar. Immerhin. Kommt er floskelfrei daher. Aber vor allem die beschreibenden Passagen der Umgebung, der Landschaft sind fade. Wenn man zum Vergleich Houellebecqs Roman „Vernichten“ hinzuzieht, dann merkt man, dass Alis Beschreibungen Füllsel sind, bloße Auspolsterung ihres Buchs, es sind blutleere Schilderungen von Belanglosigkeiten, die man gar nicht bräuchte und die die Handlung unnötig verzögern (über 500 Seiten). Sie haben weder eine Funktion noch sind sie stilistisch gelungen. Sie sind nicht hinreißend. Der Sprache fehlt dafür das Timbre, das Runde, das Tiefe, die Melodie.

    Wie anders Houellebecq, der sich in seinem neuen Roman ebenfalls ausführlichsten Landschaftsbeschreibungen hingibt. Aber diese Beschreibungen französischer Provinz haben dort eine Funktion! Sie drücken Sehnsucht, Verlust, Trauer, Nostalgie und Heimatverbundenheit aus und noch vieles mehr. Und der Ton unterscheidet sich gewaltig. Bei Houellebecq sitzt jedes Wort und aus der Wortfülle ergibt sich wohlklingende Musik, eine Symphonie wird gehört! Nun denn. Schon meine Deutschlehrerin annodunno sagte, „daran wie Landschaft eingepflegt wird in den Roman, erkennt man den Kitsch“. Sagen wir hier nicht Kitsch, sondern gepflegte Langeweile. Keine Musik. Kein Klang. Keine Funktion. Keine Fanfare.

    Was der Roman auch nicht ist, ist eine Charakterstudie. Weder eine Charakterstudie einzelner noch die einer oder mehrerer Familien. Die Handlungsträger sind kaum fassbar. Sie werden nicht mit jedem Federstrich, jeder neuen Handlung, klarer, greifbarer, akzentuierter, sie verschwimmen vor meinen Augen. Ich kann sie nicht kennenlernen. Sie sind keine Individuen. Was auch daran liegt, dass sie nicht reflektieren, keine inneren Monologe führen, nichts. Gerade mal ein Gespräch mit einer Freundin beim Cocktail. Hier wird zu wenig Innenansicht angeboten.

    Die unbestimmten, wenig geschärften Protagonisten erzählen auch die meiste Zeit, sie plappern, aber sie erleben wenig. Das ist der Roman also auch nicht. Lebendig. Die Protagonisten erzählen, was man wissen muss, insofern sind sie nur Informationsträger. Aber die Dialoge sind wiederum nicht umwerfend. Die Protagonisten fühlen auch kaum etwas. Natürlich wird gesagt, dass sie etwas fühlen, aber nicht gezeigt. Ich kann nicht mitgehen, sie lassen mich kalt. Insofern funktionieren sie auch nicht als Empathieträger. Show, don’t tell.

    Was unter den Begriff „Ballast“ des Romans fallen dürfte, sind die Szenen im Krankenhaus. Zugegeben, Yasmin ist Ärztin. Manches von ihrem Alltag darf also in den Roman einfließen. Aber medizinische Fälle wie in TV-Serien? Immerhin kann man hier die Absicht erkennen, einiges im Gesundheitswesen zu kritisieren. Personalmangel zum Beispiel. Oder die Willkürherrschaft von Chefärzten. Oder Misswirtschaft. Oder Einsparungspolitik an den Schwächsten. Trotzdem hat man das Gefühl, kaum wird man von der Autorin ins Krankenhaus geführt, ist Spot an, es wird eine Serie gedreht! Einmal, lustig, schickt Ali sogar wirklich ein Kamerateam ins Krankenhaus.

    Natürlich hat der Roman auch Positives zu bieten: ich mag nämlich seine Message. Die Message lautet, man kennt seinen Eltern viel weniger als man denkt. Als einzelnes Plus gilt zudem die Therapie Joes bei einem Sexualtherapeuten. Diesen Strang kann man als gelungen bezeichnen.

    Fazit: Der Roman weist im Plot Stärken auf. Es gibt Überraschungen. Einfälle. Wendungen. Deshalb ist er keine ganze Pleite. Allerdings ist er ganz im Bereich der Unterhaltungsliteratur anzusiedeln und hätte merklich gekürzt gehört. Sprachlich leider eine Enttäuschung, weil es nicht gelingt, ein mittleres Niveau zu überschreiten.

    Kategorie: Unterhaltung
    Verlag: Klett Cotta.

    Teilen