Leere Herzen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Leere Herzen: Roman' von Juli Zeh
4.15
4.2 von 5 (6 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Leere Herzen: Roman"

Sie sind desillusioniert und pragmatisch, und wohl gerade deshalb haben sie sich ‎erfolgreich in der Gesellschaft eingerichtet: Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi. Sie haben sich damit abgefunden, wie die Welt beschaffen ist, und wollen nicht länger verantwortlich sein für das, was schief läuft. Stattdessen haben sie gemeinsam eine kleine Firma aufgezogen, "Die Brücke", die sie beide reich gemacht hat. Was genau hinter der "Brücke" steckt, weiß glücklicherweise niemand so genau. Denn hinter der Fassade ihrer unscheinbaren Büroräume betreiben Britta und Babak ein lukratives Geschäft mit dem Tod. Als die "Brücke " unliebsame Konkurrenz zu bekommen droht, setzt Britta alles daran, die unbekannten Trittbrettfahrer auszuschalten. Doch sie hat ihre Gegner unterschätzt. Bald sind nicht nur Brittas und Babaks Firma, sondern auch beider Leben in Gefahr... "Leere Herzen" ist ein provokanter, packender und brandaktueller Politthriller aus einem Deutschland der nahen Zukunft. Es ist ein Lehrstück über die Grundlagen und die Gefährdungen der Demokratie. Und es ist zugleich ein verstörender‎ Psychothriller über eine Generation, die im Herzen leer und ohne Glauben und Überzeugungen ist.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:352
EAN:9783630875231

Rezensionen zu "Leere Herzen: Roman"

  1. Selbstmörder für lukrative Aufträge gesucht!

    Eigentlich wurde mir geraten, doch etwas anderes, wie gerade dieses Buch der Autorin zu lesen, aber ich habe Zeh als eine geschliffene Schriftstellerin kennengelernt, mit ungewöhnlichen Plots, die kritisch gegenwärtige Stimmungen in Politik und Gesellschaft aufgreifen und überspitzen. Damit daraus keine Satire wird, siedelt sie das Geschehen, wie schon in Corpus Delicti, in der mittelbaren Zukunft an. Im Text also lesen wir von Trump und Merkels Rückkehr auf die politische Bühne.

    Vordergründig geht es um Brittas einzigartige Geschäftsidee, lebensmüde Kunden in einem psychologischen Programm zu testen, bis sie entweder ihre Freude am Dasein wiederfinden, oder nach 12 "erfolgreichen" Stufen als Selbstmordkandidaten an Terrorvereinigungen für Anschläge vermittelt werden. Alle Seiten zahlen gut, sowohl die Patienten, wenn sie vermeintlich echte Hilfe erhalten haben, als auch die Kunden, denen es bei bedingungslosem Grundeinkommen und steigender Ignoranz für gesellschaftliche Aufgaben und Pflichten, mehr und mehr am idealistischen Personal für die Durchführung ihrer Attentate fehlt.

    Doch wo das Geld zu holen ist, taucht auch bald die Konkurrenz auf. Britta ahnt, dass mehr dahinter steckt. Die Anschläge waren dilletantisch, die Kandidaten eine schlechte Wahl. Britta und ihr Geschäftspartner kennen sie. Sie stammen aus ihrer eigenen Patientenkartei. Kopflos tappen sie in die gestellte Falle und entschließen sich, unterzutauchen.

    Nun wird Britta das ganze Ausmaß ihrer Lebenseinstellung und die Gefährdung ihrer Familie bewusst. Sie ist dem Druck nicht gewachsen und nimmt Psychopharmaka, die sie auf ihren ganz eigenen Trip schicken.

    Neben diesem rasanten Plot wird die eigentliche Botschaft gesendet, nämlich die Frage, wo uns unsere gegenwärtige Strategie, die Probleme in den Griff zu bekommen, hinführen könnte. Nebenschauplätze sind die technisierte Zukunft, der Verdruss der Gesellschaft und das Emporkommen radikaler Parteien im Rausch der Ignoranz.

    Zeh schreibt mit wenigen Worten und viel Kontext, mit diffusem Ende, aber klarer Mission! Ich mag ihre Bücher.

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  1. 4
    24. Jul 2018 

    Brücke

    Zusammen mit ihrem Geschäftspartner Babak erbringt Britta erfolgreich ganz besondere Dienstleistungen. In einer Art Praxis führen sie einen 12-Stufen-Plan mit Menschen durch, die selbstmordgefährdet sind. Da Britta und Babak mit ihrer Tätigkeit sehr erfolgreich sind, hat Brittas Mann die Möglichkeit sein Start-up zu lancieren. Gemeinsam mit ihrer Tochter leben sie in ihrem Familienidyll in Braunschweig. Der Politik haben sie schon längst abgeschworen. Ganz anders ist da der Lebensplan von Brittas Freundin Janine und ihrer Familie. Ihr größter Wunsch ist ein Haus auf dem Land, wo sie sich wenigstens teilweise selbst versorgen können.

    In einer nahen Zukunft angesiedelt ist der aktuelle Roman von Juli Zeh. Eine Zukunft, die erschreckend realistisch wirkt, in der die Menschen lieber eine Waschmaschine haben wollen als wählen zu gehen. Eigentlich eine blöde Umfrage, aber mit was für einem katastrophalen Ergebnis. Man hat die Freiheit zu wählen, wer einen regieren soll, und man nutzt sie nicht. Kein Wunder, dass das Land in dieser Zukunft von recht seltsamen Gestalten regiert wird. Es scheint als wolle das Volk einen sicheren Rahmen und ansonsten von der Politik nicht behelligt werden. Die Auswüchse in politischen Zielen, zu denen das führt, sind der Menge egal. Noch nicht einmal ein kleiner Anschlag vermag die Leute aufzurütteln. Britta und Babak sind allerdings alarmiert.

    Eine schauderhafte Zukunftsversion, die hier vorgestellt wird, ausgehend von den heutigen Tagen, könnte man den Eindruck gewinnen, wir stünden tatsächlich vor einem Wechsel in die Richtung, die eigentlich nur der Phantasie der Autorin entspringen sollte. Allerdings hat sich diese anscheinend eingehend mit der Lage beschäftigt und sich tiefgreifende Gedanken gemacht, wohin das führen könnte. Die schweigende Mehrheit hat geschwiegen und die anderen sind wählen gegangen. Vielleicht aber haben auch die arrivierten Politiker sich unwählbar gemacht, sich zu weit von den wirklichen Problemen des Volkes entfernt. Kann dann eine Britta, mit ihrem Hintergrund, etwas zur Änderung beitragen? Und wäre es eine Änderung zum Besseren? Wird sie alles glauben, was ihr dargelegt wird? Welche Entscheidung wird sie treffen. Was man von diesem Roman mitnehmen kann, muss jeder für sich entscheiden. Doch sollte es sich jeder normal denkende Mensch zur Aufgabe machen, sich über das Mindeste in der Welt zu informieren und sich zu überlegen, ob er die freie Wahl wirklich aufs Spiel setzen möchte.

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  1. It’s a Suicide World

    Deutschland im Jahr 2025: die BBB – Besorgte-Bürger-Bewegung unter Regula Freyer hat schon vor Jahren Angela Merkel abgelöst. Das ,,bedingungslose Grundeinkommen“ und verschiedene Effizienzpakete stellen die Menschen zufrieden und ruhig.
    Trump und Putin haben den Syrienkrieg beendet, außer Brexit gibts noch den Frexit und den Spexit.... Doch Polititk interessiert eigentlich sowieso niemanden mehr. Politik findet statt, wie das Wetter, egal ob man zusieht, etwas tut oder nicht. Diese illusionslose, gleichgültige Haltung vertritt auch Britta. Sie hat das Interesse an Politik und generell an Diskussionen schon vor langer Zeit verloren, privat möchte sie sich über solche Themen nicht mehr unterhalten müssen. Sie wohnt mit ihrem Mann Richard und der siebenjährigen Tochter Vera in Braunschweig in einem Betonwürfel mit viel Glas, praktisch, geräumig, geradlinig. So emotionslos, wie Britta ihre Wohnsituation sieht, erscheint sie auch dem Leser. Der zu Beginn der Handlung geschilderte Abend mit einer befreundeten Familie wirkt ebenso nüchtern und distanziert. Janina und Kurt, die auf dem Land ein altes Haus, ihr Traumhaus, gefunden haben, werden von Britta als naiv und anachronistisch empfunden. Dennoch überlegt sie sich, den beiden eine finanzielle Anschubhilfe für den Hauskauf zu geben. Immerhin verdient Britta mit ihrer Arbeit bei der ,,Brücke“ so viel Geld, dass sie sich hin und wieder auch um die Finanzhygiene kümmern muss.
    Die ,,Brücke“ ist vordergründig eine Psychotherapiepraxis, die sich vor allem um suizidgefährdete Patienten kümmert. Tatsächlich rekrutieren Britta und ihr Geschäftspartner Babak aber Selbstmordattentäter und vermitteln diese an Organisationen, die sich die Anschläge für ihre Zwecke einiges kosten lassen. Als plötzlich Konkurrenz auf dem ,,Markt“ auftaucht, bekommen Britta und Babak es mit einem sehr gefährlichen Gegner zu tun.
    Die Idee des Buches ist originell, die Handlung beklemmend und stellenweise auch wirklich spannend. Dennoch bleibt man als Leser immer in einer distanzierten Beobachterrolle. Zu keiner der Figuren findet man wirklich einen Zugang. Selbst Britta, aus deren Sicht das Geschehen geschildert wird, bleibt zynisch, fremd und unnahbar. Auch keine der anderen Personen wirkt sympathisch. Selbst die Figuren untereinander verbindet, trotz langjähriger Freundschaft, keine tiefergehende Beziehung. Sogar zwischen Britta und ihr Ehemann Richard herrscht eine sehr nüchterne Atmosphäre. Richard weiß erstaunlich wenig über die ,,Tätigkeit“ seiner Frau, es scheint ihn aber auch nicht weiter zu interessieren. Nicht einmal, als sie für mehrere Tage ,,geschäftlich“ verreisen muss, fragt er nach, sei es aus Respekt oder aus Gleichgültigkeit.
    Vermutlich ist das von der Autorin so gewollt, mich lässt es allerdings unzufrieden und etwas ratlos zurück.

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  1. Gesellschaftskritischer Roman nah am Puls der Zeit

    Die Welt im Jahr 2025: Die EU zerbricht immer mehr. In Deutschland ist eine nationalistisch geprägte Partei an der Macht, die demokratische Rechte immer weiter einschränkt. Das bedingungslose Grundeinkommen wurde eingeführt und es gibt eine Bundeszentrale für Leitkultur.

    In diesem rauen politischen Klima führen Britta und Babak ihre psychologische Praxis „Die Brücke“, die mit selbstmordgefährdeten Menschen arbeitet. Britta rationalisiert ihre Arbeit als nützlich für die Gesellschaft und sieht sich ganz pragmatisch und gefühllos als einfache Dienstleisterin. Dass einige Aspekte der Brücke dabei höchst unethisch sind, lässt sie kalt. Erst als sie selbst in Gefahr ist, beginnt Britta sich selbst zu hinterfragen.

    Juli Zeh entwirft ein schockierendes Szenario, das in der nahen Zukunft spielt und sich teilweise sehr real anfühlt. Sie zeigt, wie wenig demokratische Prinzipien garantiert sein können, die wir eigentlich als selbstverständlich wahrnehmen. Damit wird der Roman hochaktuell. All das packt sie in eine fesselnde Handlung, wobei sie einen dichten Erzählstil verwendet.

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  1. Eine düstere Zukunftsvision

    Braunschweig im Jahr 2025: Die Besorgte-Bürger-Bewegung hat die Wahlen gewonnen und beschließt ein Effizienzpaket nach dem anderen, das zulasten der Grundrechte geht. Das Bedingungslose Grundeinkommen wurde eingeführt. Viele haben sich mit den Umständen abgefunden und den Glauben an eine bessere Zukunft verloren. So auch Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi, beide desillusioniert und pragmatisch. In der Zeit der Perspektivenlosigkeit haben die beiden gemeinsam eine kleine Firma, „Die Brücke“, aufgebaut, die sie unter dem Deckmantel einer Heilpraxis betreiben. In Wahrheit floriert in den unscheinbaren Büroräumen aber das Geschäft mit dem Tod. Alles läuft gut, bis unliebsame Konkurrenz auftaucht. Britta und Babak setzen alles daran, die unbekannten Trittbrettfahrer skrupellos auszuschalten…

    Juli Zehs dystopischer Roman „Leere Herzen“ ist Polit- und Psychothriller zugleich.

    Meine Meinung:
    Erzählt wird die Geschichte in 29 Kapiteln, deren Länge ich als angenehm empfunden habe. Sprachlich konnte mich der Roman absolut überzeugen. Der flüssige Schreibstil wirkt zunächst einfach und nüchtern, ist aber auf den zweiten Blick wesentlich detailreicher und raffinierter.

    Schon ab dem ersten Kapitel war die Neugier auf die Geschichte geweckt und Spannung erzeugt, die dafür gesorgt hat, dass ich das Buch kaum zur Seite legen konnte. Das Bild, das von der nicht allzu ferner Zukunft gezeichnet wird, ist provokant und etwas überspitzt, aber grundsätzlich durchaus vorstellbar. Dabei geht es um heute schon aktuelle Themen. Immer wieder kommt die Kritik an der Gesellschaft und deren Politikverdrossenheit durch. Dadurch ist der Roman mehr als nur bloße Unterhaltung. Er hat mich sowohl zum Nachdenken angeregt als auch schockiert. Einen Spiegel will uns die Autorin vorhalten, denn schon ganz am Anfang heißt es: „Da. So seid ihr.“

    Mit Britta dreht sich die Geschichte um eine interessante Hauptprotagonistin. Authentisch und facettenreich werden auch die Personen der Geschichte beschrieben. Dargestellt wird eine Generation, deren Herzen leer sind und die ihre Überzeugungen verloren. Sie gibt dem Roman den treffenden, ansprechenden Titel. Inhaltlich passend dazu ist auch das reduzierte Cover, das ich sehr gelungen finde.

    Mein Fazit:
    Mit „Leere Herzen“ ist Juli Zeh in mehrfacher Hinsicht ein sehr lesenswerter Roman gelungen, der mich absolut überzeugen konnte.

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  1. 3
    10. Nov 2017 

    Eine Lehrstunde von Frau Zeh in Sozialkunde und Politik

    2025, Deutschland lebt in Sicherheit und Wohlstand, es gibt das bedingungslose Grundeinkommen. Dass die regierende BBB (BesorgteBürgerBewegung)-Partei währenddessen den demokratischen Staat sukzessive zurückfährt, immer mehr Freiheitsrechte beschneidet und die Überwachung auch im Privaten praktisch lückenlos ist, scheint nur wenige zu stören. "Die Leute wurden gefragt, was sie tun würden, wenn sie sich zwischen dem Wahlrecht und ihrer Waschmaschine entscheiden müssten. ... 67% wählten die Waschmaschine. 15% waren unentschieden."
    Britta Söldner (!) hat sich in dieser Welt eingerichtet und mit einem Freund und Partner ein perfides Geschäft aufgebaut, mit dem sich gutes Geld verdienen lässt. Doch sie bekommen Konkurrenz und bald schon scheinen sie verfolgt zu werden.
    Es ist ein düsteres Bild, was Juli Zeh in diesem Buch entwirft. Und erschreckenderweise nicht sooo weit entfernt von unserer Welt. 'Wehret den Anfängen' soll uns wohl deutlich gemacht werden - doch das leider in einer Intensität, dass es anfing mir auf die Nerven zu gehen. Ja, mir ist bewusst, dass das Wahlrecht ein wichtiges ist; dass Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte auf allen Ebenen relevant sind für unser Zusammenleben, auch wenn sie umständlich und zeitraubend wirken und manchmal vielleicht sogar sind; dass es etwas geben muss FÜR das man lebt - und dass das nächste Shoppingerlebnis bestimmt nicht dafür ausreicht; dass Überzeugungen, Prinzipien, Standpunkte überholt klingen mögen (kann man sich doch nix für kaufen) - aber ob 1.587 Likes ausreichen, um dem Leben einen Sinn zu geben? Auch wenn Frau Zehs Anliegen mehr als gerechtfertigt ist, hat mich 'Leere Herzen' nicht überzeugt. Den erinnernden Zeigefinger sah ich ständig im Hintergrund und die Figuren waren (was sie wohl auch sein sollten) weitestgehend gleichgültig - was sich dann aber bedauerlicherweise auch auf die Geschichte auswirkte (hach, wenn ich da an 'Unterleuten' zurückdenke; was für ein Buch!). Zudem blieben diverse Fragen offen: Was machte beispielsweise Hatz anschließend? Und die Beteiligung? Wo kam die eigentlich her?
    So bleibt es trotz der eigentlich guten Idee bei einem durchschnittlichen Krimi in einer nahen Zukunft, wie sie uns hoffentlich erspart bleiben wird. Ob dieses Buch dann mit dazubeigetragen haben wird, wage ich allerdings zu bezweifeln ;-)

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