Lebenssekunden: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Lebenssekunden: Roman' von Katharina Fuchs
4.4
4.4 von 5 (5 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Lebenssekunden: Roman"

Der große Traum von Angelika Stein scheint geplatzt, als sie mit 15 von der Schule fliegt: Kein Fotograf in Kassel will einem Mädchen, noch dazu ohne Schulabschluss, eine Lehrstelle geben. Doch Angelika gibt nicht auf – und bekommt schließlich eine Chance von einem Fotografen, der vor Kurzem aus der DDR gekommen ist. Zur selben Zeit wird in Ostberlin die junge Leistungsturnerin Christine Magold darauf gedrillt, die DDR bei den Olympischen Spielen zu vertreten. Doch ist das wirklich ihr Traum? Beim Bau der Berliner Mauer 1961 treffen die beiden jungen Frauen unter dramatischen Umständen aufeinander. Mit viel Liebe zum Detail und großem Einfühlungsvermögen erzählt Katharina Fuchs die Geschichte zweier ebenso eigensinniger wie mutiger junger Frauen in Westdeutschland und der DDR. Zeitgeschichte wird dabei ebenso lebendig wie zwei bewegende Frauen-Schicksale.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:416
Verlag: Droemer HC
EAN:9783426282649

Rezensionen zu "Lebenssekunden: Roman"

  1. Lebenswege von zwei unterschiedlichen Frauen

    Die Autorin Katharina Fuchs erzählt in diesem Roman die Geschichte von zwei Mädchen in der Zeit kurz vor dem Mauerbau. Beide wurden im Sommer 1940 geboren. Auch wenn sie die Kriegsjahre noch miterlebt haben, so haben sie erst die Nachkriegszeit bewusst erlebt.
    Angelika Stein lebt mit ihrer Familie in Kassel und träumt davon Fotografin zu werden. Doch dann fliegt sie von der Schule und niemand will ihr eine Lehrstelle geben. Doch zum Glück trifft sie einen Fotografen, der kürzlich aus der DDR gekommen ist und der ihr eine Chance gibt. Zeitgleich bereitet sich in Ostberlin die Leistungsturnerin Christine Magold auf die Olympischen Spiele vor. Sie wird auf dieses Ziel hin gedrillt und hat keine Möglichkeit zu entscheiden, was sie wirklich will. Dann treffen die beiden jungen Frauen unter dramatischen Umständen aufeinander.
    Die Autorin erzählt eindringlich über die damalige Zeit und das Leben der jungen Frauen. Abwechselnd wird mal aus der Sicht von Angelika und mal aus der Perspektive von Christine erzählt. Die Verbindung zwischen den beiden handlungssträngen ergibt sich erst ziemlich zum Schluss.
    Angelikas Vater ist ein Künstler und hat daher einige Freiheiten, die zu der Zeit nicht unbedingt normal waren. In der Schule läuft es für Angelika nicht so gut und dann erfolgt sogar der Rauswurf. Es ist aber auch nicht leicht, wenn die kleine Schwester fast schon ein Streber ist. Angelikas Mutter sieht vieles wesentlich enger als der Vater. Natürlich möchte sie das Beste für ihre Tochter, aber bitte in einem für Frauen angemessenen Beruf. Für sie ist Fotografieren brotlose Kunst.
    Aber auch Christine hat es nicht leicht. Für sie gibt es neben der Schule nur den Sport. Ihre Mutter erhofft sich Vorteile, wenn ihre Tochter erfolgreich ist. Aber auch der Trainer macht Druck. Dann lernt Christine Thomas aus Westdeutschland kennen und sie verliebt sich. Doch wie soll das gehen?
    Ich konnte mich gut in beide Protagonistinnen hineinversetzen und habe ihnen gewünscht, dass sich ihre Träume erfüllen, denn beide hatten es nicht leicht.
    Mir hat dieser Roman gut gefallen.

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  1. Ein persönlicher Blick in die neuere Geschichte

    Ein schönes Gefühl das Buch in den Händen zu halten. Das Cover ist sehr ansprechend und man entdeckt sofort im Hintergrund Details, die nachdenklich machen. Das Strassenschild Bernauer Strasse angedeutet, der Stacheldraht, die schemenhaft zu erkennenden Menschen hinter der Mauer.
    Der Rahmen des Buches wird erkennbar. Der Aufkleber "Von der Autorin von... " stört das ein wenig. Zuviel Werbung.
    Sehr einprägsam das Bild der zwei Frauen auf dem kleinen Motorrad, Christina und Angelika. Modisch zeitgemäss gekleidet und in Aufbruchstimmung.
    In dem Buch werden beide abwechselnd vorgestellt. Auf der einen Seite die im Westen aufwachsende Angelika, die mit den eigenen Dämonen zu kämpfen hat, der Fokus liegt auf ihrer Sicht der Dinge und ihrem Kampf den eigenen Weg zu finden. Auf der anderen Seite, auch der hinter der Mauer, das Leben von Christine, die zeitweise als Kunsturnerin der DDR quasi zusätzlich in einer Blase innehalb eines eh schon kontrollierendem System lebt. Nicht nur jede Kalorie die sie essen darf wird unter vielem anderen durch den Trainingsplan bestimmt, auch welche Informationen sie erreichen. Besonders geht mir nicht mehr aus dem Kopf, dass in dieser Zeit für sie ein Highlight war, dass sich die jungen Frauen sonntags die Haare toupierten.

    Ein tiefer Einblick in das Leben dieser Zeit, wie es war als Jugendliche mit der Mauer und in unterschiedlichen Systemen aufzuwachsen. Gleiche Probleme, gleiche Sehnsüchte, unterschiedliche Plattformen und Möglichkeiten. Und das alles in einem eher lockeren unterhaltendem Schreibstil präsentiert.
    Manchmal kam mir beim Lesen der Gedanke: wie kommt das Buch bei jemandem an, der in dem anderen Teil von Deutschland aufgewachsen ist. Lesen Ossis und Wessis es anders?

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  1. tiefgründiger Roman

    Ein sehr tiefgründiger Roman, der mich fesseln konnte - ich werde die Autorin im Auge behalten, und sicher noch etwas von ihr lesen.

    Der Roman beginnt, als die beide Protagonistinnen erst 15 Jahre sind. Das Schicksal bzw. die Geschichte der beiden ist sehr ergreifend: Angelika hat Probleme eine Lehrstelle zu finden - kein Fotograf will ihr eine Chance geben - doch sie gibt nicht auf. Christine ist Leistungsturnerin, und wird darauf gedrillt zu siegen. Die Maßnahmen des Trainers sind erschreckend - ich war beim Lesen teilweise sehr betroffen.
    Und dann treffend die jungen Frauen eines Tages aufeinander... Man erlebt die Anfänge der DDR - das Buch ist politisch ausgerichtet, neben der Geschichte der beiden Protagonistinnen.

    Das Buch ist sehr ergreifend - und geht unter die Haut. Ich war gefesselt, bis auf einige Stellen, wo nebensächliche Themen zu detailliert ausgeführt waren - zB die Fotografie an sich. Das hat nicht zum Buch in diesem Detailgrad gepasst.

    Das Buch ist sehr ergreifend - und geht unter die Haut. Ich war gefesselt, bis auf einige Stellen, wo nebensächliche Themen zu detailliert ausgeführt waren - zB die Fotografie an sich. Das hat nicht zum Buch in diesem Detailgrad gepasst.

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  1. Zwei Frauen und das besondere Foto...

    Die im Klappentext angedeutete Thematik klang spannend und das pfiffige Cover hat mich angesprochen, weshalb ich gebannt zu lesen begann. Und ich wurde überrascht.

    In der Geschichte geht es um zwei junge Frauen, die gar nicht so viel unterscheidet, nur eins: eine lebt in der frisch gegründeten BRD, die andere in der DDR. Während die eine von der Fotografie fasziniert ist, lebt die andere für Kunstturnen. Wird es eine Zeit geben, in der die Frauen sich jemals begegnen?

    Ein beobachtender Erzähler führt durch die Handlung und lässt uns mal Angelika, das Mädel aus Kassel, und mal Christine, das Mädel aus Ostberlin, begleiten.

    Mir hat sehr gefallen, dass es der Autorin gelingt die jeweiligen Leidenschaften der Mädchen authentisch rüber zu bringen, denn bei den Beschreibungen zu Fotografie und zum Kunstturnen hätte man meinen können, dass Frau Fuchs beides selbst mit großer Leidenschaft praktiziert. Mich hat besonders das Kunstturnen begeistert im Roman, da es sehr majestätisch beschrieben wurde. Dort vereinen sich Leichtigkeit und Schmerz.

    Die beiden jungen Frauen waren mir auf Anhieb sympathisch. Ich mochte, dass Katharina Fuchs eher die Gemeinsamkeiten beschreibt und nicht die Unterschiede. Während man um Angelika Angst hat, weil diese etwas Schlimmes erleben muss und als Frau ohne Schulabschluss nicht ernst genommen wird, hat man bei Christine bei jeder Trainingseinheit mitgelitten.

    Der Autorin gelingt es sehr feinfühlig und realistisch die damalige Zeit und die dort herrschenden Systeme zu beleuchten, ohne etwas zu beschönigen. Man glaubt das Geschriebene und kann sich damit identifizieren.

    Einzig musste ich über bestimmte Begrifflichkeiten schmunzeln. Das sind eben die Schnitzer, die einer westdeutschen Autorin passieren können. Ich kenne nicht einen DDR- Bürger, der jemals "Jahresendfigur" gesagt hätte und bei der Betrachtung einer NVA- Uniform würde jeder diese auch genauso benennen, keiner davon hätte Ost- Uniform gesagt. Dabei wäre es wirklich cool gewesen, in den Ost- Berlin- Parts von Nickis, Manchesterhosen, Polylux, Kollektiv, Kaufhalle und Co zu lesen.

    Fazit: Ein toller Roman mit geschichtlichem Einschlag, der mich gut unterhalten hat. Nur zu gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.

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  1. Zwei junge Frauen, zwei deutsche Staaten

    Ende der 50iger Jahre wachsen zwei fast gleichaltrige Mädchen den zwei Teilen Deutschlands auf, deren Lebensweg sich später auf dramatische Weise kreuzen wird.

    Angelika Stein in Kassel, Tochter aus gutbürgerlichem Haus, hat die Schule satt, seit sie aus dem Lyzeum in normales Gymnasium wechseln musste. Sie möchte eine Lehre zur Fotografin machen, aber findet nur mit Schwierigkeiten eine Lehrstelle.

    Christine Mangold wächst in Berlin auf, ihr Talent als Turnerin wird entdeckt und sie wird in einen Elite-Kader gesteckt. Anfangs noch voller Stolz für diese Auszeichnung, unterwirft sich Christine bedingungslos dem Drill, der mehrfach die Grenze zur Körperverletzung übersteigt. Vor allem Christines Mutter ist stolz, seit ihr Mann sie verlassen hat um in den Westen zu gehen, ist sie überzeugter vom Staatsmodell der jungen DDR als je zuvor. Zweifel erlaubt sie sich erst, als es fast zu spät ist.

    Beide Mädchen müssen auf ihrem Weg zur Frau jede Menge Rückschläge einstecken und bittere Erfahrungen, bis sie ihren Lebensweg gehen können.

    Ich habe die Autorin erst mit diesem Buch kennengelernt und sie hat mich gleich begeistert. Der farbige, bildreiche Stil hat mich sofort mitgenommen. Gerade in den Details hat mich die Geschichte überzeugt, die Autorin hat so ihren beiden jungen Hauptfiguren Leben eingehaucht. Gefallen hat mir auch die unterschiedliche Entwicklung der beiden deutschen Staaten, die ganz aus dem privaten Blickwinkel gezeigt werden und damit noch realer werden. Historische Figuren und Ereignisse geben dem Buch auch noch eine zeitgeschichtliche Dimension. Die Auftritte Willy Brandts als Berliner Bürgermeister haben mir sofort Bilder in Erinnerung gerufen.

    Es ist ein eindrucksvoller Entwicklungsroman, der viele Erinnerungen weckte. Auch wenn meine Jugend ein gutes Jahrzehnt später war, habe ich vieles noch selbst so erlebt. Vielleicht hat mich das Buch auch deshalb so angesprochen und überzeugt.

    Statt eines Epilogs gibt es eine „Nachlese“ am Ende des Romans, die für mich die ganze Geschichte abgerundet hat.

    In der Menge der Romane mit den 50iger/60iger Jahren als zeitgeschichtlichem Hintergrund nehmen die „Lebenssekunden“ einen Platz ganz vorne ein.

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