Kreiseziehen

Buchseite und Rezensionen zu 'Kreiseziehen' von Maggie Shipstead
4.25
4.3 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Kreiseziehen"

Marian Graves ist ein Wildfang von Kindesbeinen an. Im heimatlichen Montana sucht sie stets das nächste Abenteuer und scheut keine Gefahr. Besonders angetan hat es ihr das Fliegen – sie träumt davon, über den Wolken zu schweben. Aber um ihr Ziel zu erreichen, muss sie Hindernisse meistern und Opfer bringen. 1950 startet Marian den Versuch, als erste Person die Erde in der Längsachse zu umrunden. Doch in der Antarktis verschwindet sie und lässt nur ein Logbuch zurück. 2014 verkörpert die skandalerschütterte Hollywoodschauspielerin Hadley Baxter die Rolle der zum Mythos gewordenen Marian Graves und begibt sich auf die ganz eigene Spurensuche dieser ungewöhnlichen Frau.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:864
EAN:9783423290203

Rezensionen zu "Kreiseziehen"

  1. Der Traum vom Fliegen

    Marian Graves war schon als Kind anders als andere Mädchen; sie war wild und abenteuerlustig. Schon früh träumte sie davon zu fliegen. Um dieses Ziel zu erreichen, musste sie sich dann durchkämpfen und so manches Opfer bringen. Als sie 1950 die Erde in der Längsachse umrunden wollte, verschwand sie dann in der Antarktis.
    Im Jahr 2014 soll das Leben der Marian Graves verfilmt werden. Die Schauspielerin Hadley Baxter hofft mit der Rolle der Marian Graves die Skandale vergessen zu machen.
    Die Autorin Maggie Shipstead verknüpft die Geschichten dieser beiden Frauen in einem mit über 800 Seiten sehr umfangreichen Roman. Der Schreibstil ist angenehm zu lesen.
    Marian und Hadley leben zu unterschiedlichen Zeiten und sind auch sonst sehr verschieden und doch verbindet sie einiges. Beide Mädchen verloren schon sehr früh ihre Eltern und wuchsen beim jeweiligen Onkel auf, wo sie auf sich gestellt waren, denn die Onkel kämpften beide mit ihrer Sucht und hatten keine großen Ambitionen, sich um die Erziehung zu kümmern. Um ihre Ziele zu erreichen, müssen sie einen hohen Preis bezahlen, denn sie sind abhängig von Männern, die ihre höchsteigenen Vorstellungen haben.
    Während der Erzählstrang um die Schauspielerin Hadley relativ knapp ist, wird die Geschichte um Marian sehr ausführlich erzählt. Daher kam mir Marian auch viel näher. Sie ist ehrgeizig, kämpferisch und leidenschaftlich. Dagegen blieb Hadley blass, so dass ich auf ihren Part gerne verzichtet hätte.
    Dennoch hat mich das Buch gut unterhalten, denn ist eine interessante und spannende Geschichte.

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  1. 5
    16. Jun 2022 

    Ein literarischer Höhenflug

    Zwei Heldinnen hat Shipsteads 858 Seiten starker Roman: Der eine Erzählstrang schildert das Leben von Marian Graves, einer Pilotin in der Zeit vorm und im Zweiten Weltkrieg, verschollen 1950 in der Antarktis bei einer Erdumrundung entlang der Längengrade. Der andere erzählt die Geschichte einer sehr jetztzeitigen Figur. Hadley ist bekannt geworden durch eine Teenie-Soap (think Miley Cyrus) und berühmt durch eine Reihe von Spielfilmen in der Fantasywelt „Archangel“ (think Kristen Stewart). Als sie mit Oliver, ihrem Filmgespons, zusammenkommt, ist die Fangemeinde begeistert. Als sie ihn öffentlich betrügt, folgen Shitstorm und Rauswurf aus dem Cast. Da kommt die Arthouse-Verfilmung von Logbuch und Biographie von Marian gerade recht. Diese Rolle wird ihre größte Herausforderung.

    Marian und Hadley haben vieles gemeinsam: Beide verloren früh ihre Eltern, beide wuchsen bei suchtgeplagten Onkeln auf, deren pädagogischer Ehrgeiz begrenzt war. Beide kämpfen mit den Beschränkungen des Patriarchats. Bei Marian ist es ihre erste und einzige Ehe, die ihr das Fliegen ermöglicht, sie aber gleichzeitig an ihre Grenzen bringt. Bei Hadley ist es die Casting Couch und die sehr unterschiedliche Bewertung männlichen und weiblichen Sexualverhaltens. Beider Weg hat einen Preis, den nur Frauen zahlen müssen.

    Die Ereignisdichte des Romans schon auf den ersten 80 Seiten ist so hoch, dass man sich fragt, wie die Autorin diese Flughöhe halten will. Aber die Befürchtung, die über 800 Seiten könnten sich als weitschweifig oder langweilig erweisen, verfliegt mit fortschreitender Lektüre. Es mag absurd klingen, dies von einem Roman dieses Umfangs zu sagen, aber: Maggie Shipsteads neuer Roman „Kreiseziehen“ ist ein sehr dichter Text. Der Roman ist so subtil konstruiert, sein Stoff ist so reich, seine Fäden verweben sich scheinbar so zwingend, dass die Geschichte einem nicht wie ein Konstrukt vorkommt (was jeder Roman zwangsläufig ist), sondern wie etwas organisch Gewachsenes. Kreiseziehen ist der seltene Fall einer großartigen Sprache mit einer absolut fesselnden Handlung. Es gibt so viele kluge Sätze, so viele großartige Bilder und ungewöhnliche Metaphern – und immer will man wissen, wie es weiter geht.

    Fast noch wichtiger: Shipsteads Charaktere sind originell, authentisch und glaubwürdig bis in die letzte Nebenfigur. Deren wichtigste ist Jamie, Marians Bruder. Sie sind Zwillinge - ein kluger Schachzug der Autorin, um die unterschiedlichen Voraussetzungen von Frauen und Männern zu zeigen: Gleicher Ausgangspunkt, einziger Unterschied das Geschlecht. Eine literarische Versuchsanordnung. Zudem erhält der Roman durch Jamie noch eine weitere Dimension: den des Künstlerromans. Auch das sehr feinfühlig und sachkundig dargestellt.

    Marians Erzählstrang nimmt weit mehr Raum ein als Hadleys, sie ist die interessantere Figur, sie gibt der Autorin Gelegenheit, uns in die Arktis und in das freie Reich der Lüfte zu entführen. Ihre Welt um 1914 ist noch farbiger und dichter als Hadleys Hollywood im Jahr 2014. Die Schwierigkeiten des Fliegens und der Navigation vor den Zeiten des Autopiloten und Instrumentenflugs beschreibt Shipstead so plastisch, dass ich phasenweise überzeugt war, ich könnte ein Flugzeug führen, nur mit den Beschreibungen ihres Romans. Marian ist dessen eigentliche Heldin, ihre Geschichte ermöglicht Hadley, abzuheben, als es so aussieht, als käme sie nie wieder hoch.

    Auf den Titel, Kreise ziehen, im Original Great Circle, Großer Kreis, bezieht der Text sich immer wieder. Es geht um das große kosmische Werden und Vergehen und vor allem um das Dazwischen: Das Leben an sich. Marian wird uns als Vorbild gezeigt: Sie ist sich immer, unter allen, auch den widrigsten Umständen, treu geblieben. Selten glücklich, nicht ohne Fehler, Schuld und Reue, aber immer leidenschaftlich sie selbst. So sollte man leben.

    Fazit: Großartig. Ein literarischer Höhenflug.

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  1. Man nehme und mische und bediene den Zeitgeist.

    Kurzmeinung: Es kommt darauf an, was man erwartet. Ich habe E-Literatur erwartet und U-Literatur bekommen.

    Inhalt: Aufgrund eines frühen prägenden Erlebnisses lebt die junge Marian Graves nur für eines, sie will fliegen lernen. Ihr Geburtsjahr (1914) lädt jedoch nicht dazu ein, dass sie als Mädchen mehr lernen und erleben sollte als die obligatorischen drei K, Küche, Kirche, Kinder. Doch Marian lebt allein mit ihrem Zwillingsbruder James und einem Alkoholikeronkel Wallace irgendwo in den Weiten von Montana eine wilde und freie Jugend, die sie innerlich unabhängig machte. Einige Zufälle und viel Willsenskraft und Opferwillen bringen sie erst zum Fliegen, nach weiteren tausend Zufällen, glücklichen und unglücklichen Fügungen in ihrem Leben kommt es schließlich zum Abenteuer ihres Lebens: der Weltumrundung in Längsrichtung. Wie so viele Piloten vor ihr und nach ihr, gilt sie seit ihrem Lebensprojekt als verschollen.

    Der Kommetar:
    Aber das ist erst viel, viel später, 1950 um exakt zu sein, nach dem Zweiten Weltkrieg. Und viele hundert Seiten später ... . Bis dahin erlebt Marian in wenigen Jahren, wofür zwei oder drei Leben nicht ausreichen würden. Und mit ihr, die, die ihr die Liebsten sind

    Der Roman ist ein erstklassiger und sehr unterhaltsamer Schmöker, in dem es alles gibt, wundervolle Anmerkungen zu den Anfängen der Luftfahrt, Kurzbiographien von Amelia Earheart und Jacqueline Cochran, beides Flugpionierinnen der ersten Stunde, das sind die herausragenden Passagen des Romans. Shipheart versucht die Faszination des in der Luft sein darzustellen, kritisiert Lindberg, alles fein.

    Es gibt aber auch Schmuddelsex und tausenderlei Anleihen und Ideen aus anderen Romanen, von denen man weiß, dass sie meistens funktionieren: Waisen. Schiffsuntergang. Allein im Wald. Allein in der Stadt. Alkoholsucht. Männer, die allein nicht klar kommen, Männer, die ihre Machtpositionen gnadenlos ausnützen, Krieg und Tod, Verlust, Leid, Identätssuche, diverse obskure Verwicklungen, Verkleidungen, unbekannte Väter, Kunst und verkannte Künstler, Familiengeheimnisse, etc. etc. Dieses Konglomerat von allem, findet bei mir keinen Anklang: zu viel von allem!

    Auch im zweiten Handlungsstrang, der in der Moderne spielt mit der Handlungsträgerin Hadley Baxter, die als Schauspielerin einen Film über die verschollene Marian Graves drehen soll, spielen abgedroschene Elemente der Romankunst die Hauptrolle: das verwöhnte und glamouröse junge Filmsternchen, das ein Filmstar werden will, aber zu viel trinkt und ein promiskuitives Leben führt. Natürlich muss das Diskriminierungsthema, das uns ja stets beschäftigt, auch mit verwurstet werden, und Geheimnisse! Ohne Geheimnisse, kein echter Schmöker.

    Man kann nicht sagen, dass die Autorin ihre Fäden nicht geschickt verknüpfen würde, denn das tut sie ohne jeden Zweifel oder Abstrich, kein Faden bleibt lose in der Luft hängen und ihre Sprache hat durchaus Ausreißer nach oben. Aber. Aber. Aber. „Kreiseziehen“ ist ein Abenteuerroman, nicht mehr und nicht weniger. Nur aufgrund des Zeitgeistes, nur weil er sich dem Thema, Frauen als Pionierinnen der Luftfahrt widmet, nur deshalb ist er auf der Shortlist des Man Booker Prize 2021 gelandet und befindet sich zur Zeit sogar auf der Shortlist des Women’s Prize for Fiction 2022, wo er eher hingehört.

    Denn mehr als einen Abenteuerroman habe ich nicht gelesen. Und noch dazu einen, wo ich mich öfters fragte "das (Element) kenne ich doch irgendwoher", Steinbeck hat eine sich entfremdete Frau entworfen, Twain das wilde, freie, sich selbst überlassene Kind, aus der Serie "Ausgerechnet Alasca" wurde eine Sentenz übernommen ... etc, etc.

    Das Anliegen verstehe ich wohl: da die weiblichen Dichter, Künstler, Pioniere in der Geschichte oft nicht mehr als eine Randnotiz (gewesen) sind, warum nicht einfach eine fiktive Fliegerin erschaffen, die es allen mal so richtig zeigt. Aber da es Marian Graves nicht gegeben hat, wird niemandem irgendetwas gezeigt.

    Unterm Strich ist die Zusammenmischung von bekannten Romanelementen, von denen man weiß, dass sie „ziehen“, dermaßen offensichtlich, dass mir der Lesespaß schnell vergangen ist.

    Fazit: „Kreiseziehen“ ist ein Spiel mit „was wäre gewesen, wenn“, bzw. „es hätte gut sein können“. Insofern ist der Roman durchaus reizvoll; wenngleich da und dort durchschaubar seicht - ein Urlaubsschmöker mit vielen Wendungen und Kreisen, dem Titel entsprechend. Doch mit anspruchsvoller Literatur, mit etwas, was Literturpreise rechtfertigen würde, hat der Roman nicht viel zu tun. Die Unterhaltung hat ihre Berechtigung und Unterhaltung darf auch etwas anspruchsvollere Elemente enthalten sowohl thematisch wie inhaltlich wie weibliche Flugpioniere, aber die Unterhaltung hat auch ihren Platz auf der Leiter, nämlich etwas weiter unten.

    Kategorie: Belletristik: 2 Punkte, Unterhaltung: 4 Punkte
    Verlag: dtv, 2022

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  1. Wenn du deinen Traum lebst...

    Dieses Buch ist mir mehr oder weniger zufällig vor die Füße gefallen und es hat mich einfach mega geflasht. Wenn fast 900 Seiten gern mehr sein dürften, dann weißt du, dass ein Roman dich verzaubert hat.

    In der Geschichte geht es um Marian Graves, die bereits als kleines Mädchen nach Abenteuer und Nervenkitzel sucht. Als sie das erste Mal jemanden mit einem Flugzeug fliegen sieht, ist ihr Traum geboren: sie möchte Pilotin werden. Doch wie soll das gehen, wo keiner Frauen im Fliegen unterrichten will?

    Der Roman besteht aus einem Vergangenheitspart, der eine Zeit von 1909 bis 1950 umfasst, und sich rund um Marian dreht. Im Gegenwartspart, der deutlich weniger Raum einnimmt, begleitet der neugierige Leser die Schauspielerin Hadley Baxter. Während ich mich in der Vergangenheit regelrecht verloren habe, weil mich das Erzählte so gefesselt hat, habe ich mich lange gefragt wozu die Parts um Hadley eigentlich da sind, da sie sehr kurz und für mich nicht greifbar waren.

    Die große Kunst des Romans sind eindeutig die Figuren der Vergangenheit, denn nicht nur Marian wird uns intensiv geschildert, sondern die Autorin nimmt sich auch die Zeit ihren Bruder Jamie, Freund Caleb, Onkel Wallace und viele mehr darzustellen. Die Schicksale der Figuren sind sehr vielfältig und haben mich emotional sehr mitgenommen. Oft fragte ich mich wieviel ein einzelner Mensch ertragen kann und dann warf Maggie Shipstead eine Schippe mehr drauf.

    Normalerweise habe ich sehr großen Respekt und vielleicht auch etwas Angst vor sehr seitenstarken Büchern, aber hier war ich enorm froh, dass die Autorin wortreich erzählt. Gefühlt hätte ich ewig weiterlesen können.

    Das Ende ist schlüssig und dort wird auch klar welche Rolle Hadley einnimmt. Dennoch hätte ich die Erzählstränge rund um sie irgendwie nicht gebraucht, da die Lösung dieselbe hätte sein können ohne ihr vorher überhaupt Raum zu geben, zumindest fühlte es sich für mich so an.

    Fazit: Ein wundervoller Roman, der mich verzaubert hat und der mich trotz des kleinen Makels vollends verzaubert hat. Klare Leseempfehlung!

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