Kleinstadtfarben: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Kleinstadtfarben: Roman' von Martin Becker
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4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Kleinstadtfarben: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:288
Verlag:
EAN:9783630876375

Rezensionen zu "Kleinstadtfarben: Roman"

  1. 4
    15. Nov 2021 

    Pinscher, Mutti und das Kleinstadtleben

    Peter Pinscher, Dr. Seltsam, Glotzen-Elsbeth. Charaktere mit klangvollen Namen begegnen uns in Martin Beckers Roman "Kleinstadtfarben". Schauplatz ist Mündendorf, eine idyllische Kleinstadt im Sauerland, die zwar fiktiv ist, aber dennoch bekannt vorkommt. Denn das Leben in einer Kleinstadt ist doch irgendwie überall gleich.

    Peterle Pinscher (bleiben wir bei Pinscher, denn nur seine Mutter darf ihn Peterle nennen) hat es nicht freiwillig nach Mündendorf verschlagen. Leider wurde er strafversetzt. Eigentlich lebt Pinscher in der Großstadt. Er ist Kriminalbeamter, der darauf spezialisiert ist, "Erstbeschauungen bei Leichen" durchzuführen - ein unangenehmer Job, den nur sehr wenige außer Pinscher machen möchten, doch Pinscher fühlt sich berufen. Mit Toten kann er also, mit den Lebenden weniger. Ein "Vorfall" mit einem Rollstuhlfahrer ist der Grund, dass Pinscher von der Großstadt nach Mündendorf ins Sauerland versetzt wird. Der Ort ist ihm bestens bekannt, denn hier hat er seine Kindheit verbracht. Mutti lebt immer noch hier, wenn auch im Pflegeheim und wird alle paar Tage von ihrem Peterle besucht. Die Beiden sind ein Herz und eine Seele. Peterle ist alles, was die alte und schwerkranke Dame noch hat. Und Mutti ist alles, was Peter Pinscher hat - abgesehen von seinem Berufsleben, das sich aber, seit er wieder in Mündendorf ist, anders entwickelt als er sich das vorgestellt hat.

    Pinscher ist ein spezieller Mensch, der am liebsten andere meidet, obwohl er dank seiner imposanten Erscheinung auffällt.

    "Der Mann, etwa um die vierzig, sieht aus wie ein kleiner sehr dicker Junge, wiegt hundertdreißig Kilogramm bei einer Körpergröße von eins siebzig, wobei das um fünf Zentimeter geschummelt ist. Er achtet auf sich, seine Kleidung ist ordentlich, ein wenig ungebügelt, ein wenig aus der Mode, Kleinstadtfarben, ..."

    Nach anfänglichem Widerwillen beginnt Pinscher, sich mit seinem Leben in Mündendorf zu arrangieren und macht das Beste aus der Situation. Er, der sich schwer tut, sich auf Andere einzulassen, entdeckt plötzlich ungeahnte Talente im Umgang mit anderen Menschen. Er mutiert zum "Dorfpolizisten", dem "Freund und Helfer", der ein Gefühl für die Befindlichkeiten seiner Mitmenschen entwickelt.

    Sein kriminalistischer Spürsinn bleibt ihm jedoch erhalten. Denn Kleinstadidyll hin oder her, auch in Mündendorf ist die Welt nicht immer in Ordnung.

    "Kleinstadtfarben" ist ein Entwicklungsroman, den man mit einem Lächeln liest. Der Protagonist, der auf den ersten Blick ein unansehnliches Müttersöhnchen ist, das am liebsten für sich ist und andere Menschen meidet, steht sich am Ende nicht mehr selbst im Weg. Beginnt man diesen Roman entsteht schnell der Eindruck, dass sich der Autor Martin Becker einen Spaß in der skurrilen Darstellung seines Protagonisten macht. Doch das ist ein erster Eindruck, der sich im weiteren Verlauf der Handlung ausnahmsweise nicht bestätigt. Je tiefer man in die Geschichte von Pinscher einsteigt, umso mehr Verständnis gewinnt man für die Marotten des Mannes. Und selbst die Rolle des ewigen Muttersöhnchens nimmt man ihm nicht krumm. Ganz im Gegenteil. Pinscher bleibt in dieser Rolle, die eine von vielen ist, die seine Persönlichkeit hinterher ausmachen. Und tatsächlich ist seine extreme Fürsorge und Liebe Mutti gegenüber eher erfreulich als lächerlich. Er tut Mutti gut und sie ihm, und das ist gut so.

    Fazit:
    Ein Kleinstadtroman, der die Geschichte eines anfangs verkannten Protagonisten erzählt, der im Verlauf der Handlung über sich hinauswächst und viele Sympathiepunkte erhält, nicht nur vom Leser. Am Ende wird man den eigenwilligen Mann schätzen lernen. "Kleinstadtfarben" ist ein Buch, das mich zum Schmunzeln und Nachdenken gebracht hat.

    © Renie

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