Klasse und Kampf

Buchseite und Rezensionen zu 'Klasse und Kampf' von Christian Baron
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Inhaltsangabe zu "Klasse und Kampf"

Was bedeutet es, in einem reichen Land in Armut aufzuwachsen? Zur „Unterschicht“ zu gehören und dafür ausgelacht und ausgegrenzt zu werden? Sich von seinem Herkunftsmilieu zu entfernen, aber die eigenen Wurzeln nicht verraten zu wollen? Und dennoch im neuen Milieu nie wirklich anzukommen? Deutschland gibt sich gerne als ein Land, in dem Klasse unsichtbar ist. In dem die Chancen auf Bildung und Wohlstand für alle gleich sind. Klasse und Kampf räumt mit diesem Mythos auf. 14 Autor*innen schreiben in persönlichen Essays über Herkunft und Scham, über Privilegien und strukturelle Diskriminierung, über den Aufstieg und das Unwohlsein im neuen Milieu. Zusammen ergeben ihre Stimmen ein vielschichtiges Manifest von großer politischer Kraft.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:224
Verlag:
EAN:9783546100250

Rezensionen zu "Klasse und Kampf"

  1. Von Ausbeutung und Ausgrenzung

    Kurzmeinung: Lohnt sich auf jeden Fall.

    Vllt wäre es mal wieder Zeit, auf dem Gebiet "Klassenunterschiede - Klassenschäden" politisch sich weiterzubewegen. Was heiß vielleicht, sogar ganz bestimmt!

    Im Vorwort der Anthologie „Kampf und Klasse“ wird gesagt „Der Kapitalismus ist eine Modernisierungsmaschine, die den absoluten Wohlstand mehrt, aber ihr Güter systematisch ungleich verteilt“. Darum geht’s also, sagt man sich und fängt frohgemut an zu lesen. Na ja, nicht ganz, merkt man früh und blättert in das Vorwort zurück. Dort findet man andere erhellende Zitate, die erklären, warum man textlich nicht nur den reinen Klassenkampf bekommt.

    „…. ist es angesagt, über Themen wie Race und Gender zu sprechen; das weniger coole Thema ist Klasse“ (Bell Hooks) und

    „Die Kategorien Race, Gender und Class sind eng miteinander verbunden.“ (Das stimmt).

    Aha. Jeder der vierzehn Autoren und Autorinnen schreibt über seine Sache, die entweder mit Gender, Race oder mit Class zu tun hat. Ja, man muss Vorworte auch lesen, damit man keine falschen Erwartungen hat!

    Die vierzehn Autoren Arno Frank, Lucy Fricke, Christian Baron, Francis Seeck, Pinar Karabulut, Anke Stelling, Sharon Dodua Otoo, Bov Bjerg, Katja Oskamp, Martin Becker, Oliva Wenzel, Clemens Meyer, Schorsch Kamerun und Kübra Gümüşay, in der Reihenfolge wie die Stories auftreten, haben mich ganz unterschiedlich angesprochen.

    Es gab nur wenige Kurzgeschichten, die mir richtig unter die Haut gingen, und das waren diejenigen, die sich einwandfrei mit dem Thema Klasse beschäftigten.

    Ob man davon erzählt, wie man sich auf dem Bau krumm und kaputt schuftet oder darum Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, weil man das Studium nur mit Hilfe von Nebenjobs finanziert bekommt, ob Kinder im Kinderheim nicht genug Fürsorge bekommen, nicht genug Geld da ist, den Vater anständig zu begraben, darum auf dem Amt rumgeschubst zu werden oder in anderer Weise eher eine zu verwaltende Nummer zu sein als ein Schicksal, etc. – immer geht es um Unterschiede, die allein deshalb gemacht werden, weil jemand nicht genug Geld hat, um mitzuhalten. Man ist abgeschrieben.

    Selbst wenn man es „geschafft“ hat und finanziell aufgestiegen ist, riecht man nicht richtig, redet nicht richtig, kennt die gesellschaftlichen Codes nicht. Sind nicht die richtigen Bilder an der Wand, treibt man nicht den richtigen Sport, isst falsche Dinge und trägt nicht die richtigen Klamotten.

    Immer geht es darum, nicht dazuzugehören. Zu den Gewinnern. Es geht darum, dass du ein Verlierer bist. Und dass du einer bleiben sollst. Und das treibt mir die Tränen in die Augen.

    „Die aber unten sind, werden unten gehalten
    Damit die oben sind, oben bleiben
    Und der Oberen Niedrigkeit ist ohne Maß
    Und auch wenn sie besser werden, so hülfe es
    doch nichts, denn ohnegleichen ist
    Das System, das sie gemacht haben
    Ausbeutung und Unordnung,
    tierisch und also unverständlich.“

    Solches schreibt Bert Brecht in der Heiligen Johanna der Schlachthöfe.

    Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. (Es hat sich nichts daran geändert, gar nichts!).

    Doch weil wir hier nicht Brecht, sondern die vorgestellte Anthologie rezensieren, ein letztes Zitat aus „Kampf und Klasse“:

    „Ein Arbeiter sieht deine Bücher und erkennt, dass du dich für etwas Besseres hältst. Ein Akademiker sieht deine Bücher und erkennt, dass du es nicht bist.“

    Mein Highlight ist die Story vom Bau „Antihelden“ von Clemens Meyer, dessen Schreibe ich hiermit auch einmal kennenlernen durfte. (begeistert).

    FAZIT: Obwohl ich nicht alle diese Geschichten gleich gern mochte und auch nicht alle gleich gut geschrieben sind, ist die Begegnung mit dem Schmerz, den der Kapitalismus verursacht, vielleicht verursachen muss? - so extrem wichtig, dass ich keineswegs unter fünf Sterne bei meiner Beurteilung gehen möchte.

    Kategorie: Politik. Kurzgeschichten.
    Verlag: Claassen, 2021

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