Justizpalast: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Justizpalast: Roman' von Petra Morsbach
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Inhaltsangabe zu "Justizpalast: Roman"

Petra Morsbachs großer Roman über Gerechtigkeit und jene, die sie schaffen sollen - realistisch und präzise, lakonisch und opulent, komisch und schonungslos

Thirza Zorniger stammt aus einer desaströsen Schauspielerehe und will für Gerechtigkeit sorgen. Sie wird Richterin im Münchner Justizpalast, doch auch hier ist die Wirklichkeit anders als die Theorie: Eine hochdifferenzierte Gerechtigkeitsmaschine muss das ganze Spektrum des Lebens verarbeiten, wobei sie sich gelegentlich verschluckt, und auch unter Richtern geht es gelegentlich zu wie in einer chaotischen Familie. "Justizpalast" ist ein Roman über die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, über erregte, zynische, unverschämte, verblendete, verrückte, verwirrte und verzweifelte Rechtssuchende sowie überlastete, mehr oder weniger skrupulöse, kauzige, weise, verknöcherte und leidenschaftliche Richter.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:480
EAN:9783813503739

Rezensionen zu "Justizpalast: Roman"

  1. "Na, junge Dame, interessiert an der Justiz?"

    "Na, junge Dame, interessiert an der Justiz? Und was möchten Sie werden? Protokollführerin?"
    "Richterin."

    Dass die kleine Thirza Zorniger Richterin geworden ist, muss man bei ihrem Hintergrund beinahe als Wunder ansehen. Die mütterliche Familie, die aus mehreren Großtanten und dem Opa besteht, ist ursprünglich aus Ostpreußen geflohen - alle weiblichen Familienmitglieder psychisch angeschlagen; der Opa war in der Heimat zwar selbst Strafrichter, ermutigte aber weder die Tochter (Thirzas Mutter) noch Thirza selbst zu jeglicher Art von Intellektualität. Und Thirzas Papa ist ein erfolgreicher Theaterschauspieler mit hohem Frauenverschleiß. "Tizzi" ist schon als Kind ein Arbeitstier, ihre Zeugnisse enthalten "mehr Einsen als Zweien" und ihr Jurastudium schließt sie mit zwei Prädikatsexamen ab. So kommt sie sofort in den begehrten Staatsdienst.

    Petra Morsbach erzählt Thirzas Laufbahn als Milieuroman, mit einer Fülle von Einzelpersonen, Schicksalen, beispielhaften Szenen, um das Justizmilieu so wirklichkeitsnah und verständlich wie möglich abzubilden - ähnlich wie im "Opernroman" mit dem Betrieb eines Opernhauses. Die deutlich schwierigere Aufgabe mit dem Dunstkreis des "Justizpalastes", dem Staatsgebäude des Münchner Justizministeriums, gelingt ihr ebenso bravourös. Wir begleiten Thirza beim Durchlaufen aller möglichen Dezernate: beim Amtsgericht, Familiengericht, selbst bei einem so exotischen Dezernat wie der "Gnadenstelle" und schließlich bei ihrem einstweiligen Karrierehöhepunkt, dem Kartellrecht. (Ein Ausflug in die Strafjustiz, die mancher Leser gespannt erwarten mag, fehlt auch nicht, ist aber kurz - dieser Zweig liegt Thirza nicht.) Nebenher ist Thirza in der Mediation tätig, was wohl der früher so genannten Schiedsstelle entspricht: ein Dezernat, in der Streitigkeiten beigelegt werden sollen, ohne dass es überhaupt zur Gerichtsverhandlung kommt. Aus allen genannten und etlichen hier nicht genannten Gebieten der Gerichtsbarkeit bekommen wir unzählige interessante, teils irrwitzige Beispiele geliefert. Bei Morsbach ist unsere Justiz fehlbar, obwohl sie als eine der besten der Welt gilt - ihre berühmte "Blindheit", im Kleinen wie im Großen, ist nicht nur ihre Stärke, sondern bisweilen auch der Grund für diese Fehlbarkeit. Die Fülle an Beispielen erschlägt den Leser fast, und ich habe ein wenig Zweifel, ob ohne juristisches Vorwissen wirklich alles so recht verständlich ist.

    Nebenher geht es natürlich auch um Thirzas Privatleben, und in ihrem unannachahmlich bildhaften und warmherzigen Stil erzählt Petra Morsbach von Freundschaften, Liebschaften, Selbstzweifeln und Enttäuschungen. Die kleine Thirza Zorniger, die anfangs mit "Fräulein" angeredet wird (was sich zum Glück später gibt) und bei der die Leihroben immer auf dem Boden schleifen, beißt sich mit Klugheit und entwaffnender Freundlichkeit gegen Vorurteile durch. Da ich etwa zur gleichen Zeit wie sie Jura studiert habe, wenn auch mit wesentlich geringerem Fleiß und Ehrgeiz, habe ich vieles wiedererkannt. Thirza ist weder eine Emanze noch ein "Fräulein", sondern eine facettenreich und ausdrucksstark geschilderte Person. Das gleiche gilt für die vielen Kolleginnen und Kollegen, die ihren Weg kreuzen. Wiederum wie im "Opernroman" gibt es auch hier gegen Ende eine tragische Wendung, aber auch einen Silberstreif von Trost und Hoffnung, der die Leserin aufatmend aus dem Buch entlässt. Leseempfehlung!

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