Just Kids: Die Geschichte einer Freundschaft

Rezensionen zu "Just Kids: Die Geschichte einer Freundschaft"

  1. 5
    10. Feb 2016 

    Patti Smith: Just Kids

    Für den Soundtrack zum Abrocken in meiner Jugend hat Patti Smith vor allem mit „Gloria“ und „Because the night“ ohne Frage erfolgreich beigetragen, aber gerade deshalb war ich auch eher skeptisch, ob ich das Wagnis eingehen sollte, mich auf Prosa von ihr und dann noch auf eine Autobiografie – sonst so gar nicht mein Genre - einlassen sollte. Aber mein Mann hat mich – glücklicherweise – durch ein undurchsichtiges Leuchten in den Augen nach der Lektüre dann doch zu dem Wagnis überzeugen können. Was ist rausgekommen? – Leuchten in den Augen auch bei mir. Eine echte Lese-Entdeckung
    Worum geht es?
    Patti Smith verlässt in jungen Jahren ihr Elternhaus in New Jersey und macht sich auf den Weg nach New York mit der vollkommen unkonkreten Vorstellung, Künstlerin zu werden. Mit Gelegenheitsjobs und kleinen Verkäufen von eher Kunsthandwerklichem schafft sie es, so gerade oberhalb des Existenzminimums zu bleiben, bald schon nicht mehr allein, sondern auf gemeinsamem, noch weitgehend ziellosem Weg mit ihrem lebenslangen Freund Robert Mapplethorp. Und so ist auch der Untertitel des Buches „Die Geschichte einer Freundschaft“ durchaus ernst zu nehmen, denn das unbedingte Zueinanderstehen, das gemeinsame Gehen durch Dünn und (selten) Dick, das eine wirkliche Freundschaft auszeichnet, ist wohl selten so eindringlich beschrieben worden wie in diesem Buch. Patti und Robert kreuzen gemeinsam den Weg vieler Künstler des New Yorks der 60er und 70er Jahre. Wir treffen mit ihnen in diesem Buch Jimi Hendrix, Sam Shepard, Janis Joplin, Andy Warhol und viele andere Künstler, die Bestand gehabt haben. In das Leben des ausgehenden Hippiezeitalters, der Protestgeneration gegen Vietnam, der Woodstock-Generation und der beginnenden Aids-Gefährdung zieht sie uns mit ihrer Erzählung hinein.
    Die Faszination rührt dabei von ihrer unbedingten Hingabe an das Künstlerdasein, für das sie alle anderen Wünsche an das Leben zurück drängt. Eindringlicher kann diese Hingabe wohl nicht geschildert werden. Und dabei ist es am Ende eher zufällig, dass sie eine Weltkarriere als Rockmusikerin macht. Musik spielt über die ganze Zeit gar keine Rolle. Viel stärker ist in der beschriebenen Zeit ihre Beschäftigung mit der Poesie, Fotografie und Malerei. Die persönliche Stärke für ihre Karriere aber hat sie sich genau aus dieser Hingabe an die Kunst – in welcher Form auch immer – geholt und aus der Gemeinsamkeit mit ihrem Freund Robert.
    Es war unsere erste und letzte gemeinsame Ausstellung. Die Arbeit mit meiner Band und Crew führte mich während der Siebziger weit weg von Robert und dem Universum, das wir geteilt hatten. Und während ich durch die Welt tourte, musste ich oft daran denken, dass Robert und ich nie gemeinsam verreist waren. Außer in Büchern sind wir nie gemeinsam über New York hinausgekommen, haben nie nebeneinander in einem Flugzeug gesessen und uns bei der Hand gehalten, sind nie zusammen in den Himmel gestartet und in einer anderen Welt gelandet.
    Aber dennoch, Robert und ich hatten die Grenzen unserer Kunst ausgelotet und einander Räume erschlossen. Wenn ich irgendwo auf der Welt auf die Bühne trat, schloss ich meine Augen und sah ihn vor mir, wie er sich seine Lederjacke abstreifte und mit mir das grenzenlose Land der tausend Tänze betrat.
    Mein Fazit:
    Nie wieder werde ich zu „Because the night“ tanzen – und das werde ich sehr gerne tun – ohne diese Stimmung des Buches und die Bilder, die es erzeugt vor mir zu sehen. Selten gelingt es einem Buch bei mir, so stark bleibende Bilder zu erzeugen. Das liegt vielleicht auch an der wenn auch eher spärlichen Illustration des Buches mit den Fotografien von Robert Mapplethorp und anderen Bildschnipseln aus diesem ärmlichen und doch so reichen Künstlerleben.
    Für den 10. März ist ein weiteres autobiografisches Buch von Patti Smith angekündigt: M Train im Kiepenheuer & Witsch-Verlag. Von mir fest gebucht auf die Liste der 2016 unbedingt zu lesenden Bücher!

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