Junge mit schwarzem Hahn

Buchseite und Rezensionen zu 'Junge mit schwarzem Hahn' von Stefanie vor Schulte
4.6
4.6 von 5 (12 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Junge mit schwarzem Hahn"

Der elfjährige Martin besitzt nichts bis auf das Hemd auf dem Leib und seinen schwarzen Hahn, Behüter und Freund zugleich. Die Dorfbewohner meiden den Jungen, der zu ungewöhnlich ist. Viel zu klug und liebenswürdig. Sie behandeln ihn lieber schlecht, als seine Begabungen anzuerkennen. Als Martin die Chance ergreift und mit dem Maler zieht, führt dieser ihn in eine schauerliche Welt, in der er dank seines Mitgefühls und Verstandes widerstehen kann und zum Retter wird für jene, die noch unschuldiger sind als er.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:240
Verlag:
EAN:9783257071665

Rezensionen zu "Junge mit schwarzem Hahn"

  1. 4
    08. Mai 2022 

    Düsteres Mittelalter-Märchen um Gut und Böse...

    Der elfjährige Martin besitzt nichts bis auf das Hemd auf dem Leib und seinen schwarzen Hahn, Behüter und Freund zugleich. Die Dorfbewohner meiden den Jungen, der zu ungewöhnlich ist. Viel zu klug und liebenswürdig. Sie behandeln ihn lieber schlecht, als seine Begabungen anzuerkennen. Als Martin die Chance ergreift und mit dem Maler zieht, führt dieser ihn in eine schauerliche Welt, in der er dank seines Mitgefühls und Verstandes widerstehen kann und zum Retter wird für jene, die noch unschuldiger sind als er. (Klappentext)

    Gerade einmal 4 Stunden und 18 Minuten währt die ungekürzte Hörbuchfassung des Debütromans der Autorin, mit passender Intonation gelesen von Robert Stadlober, der das Märchenhafte der Erzählung in Stimme und Tonafall perfekt einfängt.

    Es ist schwierig, die Erzählung zeitlich und örtlich einzuordnen, aber am ehesten passen die Schilderungen der Gegebenheiten ins düstere Mittelalter, Kriege und Pest inbegriffen. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der elfjährige Martin, der seit seinem dritten Lebensjahr auf sich allein gestellt ist, nachdem sein Vater sich und die übrige Familie brutal umgebracht hat. Geblieben ist dem Jungen nur ein schwarzer Hahn, der nicht von seiner Seite weicht. Beschützer, Freund und Ratgeber ist das treue Tier, das für viele Dorfbewohner mit dem Teufel im Bunde scheint.

    Das Leben im Dorf ist hart. Martin ist mit einem wachen Verstand und einer besonderen Beobachtungsgabe gesegnet und durchschaut die zumeist tumben Dorfbewohner, denen das Kind unheimlich ist. Sie meiden den Jungen und kümmern sich nicht um ihn, allenfalls eine Zwiebel erhält er für seine Dienste, ansonsten eher Demütigungen und Schläge. So fristet er sein kümmerliches Dasein, verliert darüber aber sein reines, gütiges Wesen nicht, unschuldig und gut wie er ist. Auch das verstört die übrigen Dorfbewohner.

    „Seine Augen sind sehr schön. Das fällt gleich auf. Dunkel und geduldig. Alles an ihm wirkt ruhig und bedacht. Und das macht ihn den Leuten im Dorf unbequem. Sie haben es nicht gern, dass einer zu lebendig ist oder zu ruhig. Derb können sie verstehen. Verschlagen auch. Aber das Bedächtige im Gesicht eines Elfjährigen, das mögen sie nicht.“

    Als ein Maler ins Dorf kommt, um das Innere der Kirche auszuschmücken, erkennt er das Besondere in Martin. Er verhält sich als Einziger wohlwollend dem Jungen gegenüber, und so hat er auch nichts dagegen einzuwenden, als Martin schließlich mit ihm zusammen das Dorf verlässt. Auf der Wanderung erfährt Martin, wie es in der Welt zugeht, und auch da gibt es viel Not und Bosheit. Doch Martin hat eine Mission, ein Versprechen, das er sich selbst gegeben hat. Und das ist die größte Prüfung von allen...

    Ein sonderbar düsteres Märchen präsentiert Stefanie vor Schulte hier, geprägt von Leid, Grausamkeiten und auch gruselhaft-surrealen Elementen. Klassisch stehen sich hier Gut und Böse gegenüber, und nur dank Martins unbeirrbarer Güte und seines wachen Verstandes sowie mit Hilfe der Ratschläge des schwarzen Hahns hat das Gute in dieser dunklen Welt überhaupt eine Chance. Martin bleibt dabei als Hauptcharakter stets auf Distanz, was das Märchenhafte der Erzählung durchaus unterstreicht.

    Sprachlich ist der Roman einerseits in kurzen, einfachen Sätzen gehalten, andererseits aber auch sehr ausdrucksstark durch bildhafte Schilderungen und die Ausschmückung mit zahlreichen Metaphern.

    Ein sonderbar düsterer Roman, der mich nicht komplett fesseln konnte, dem ich aber fasziniert gelauscht habe.

    © Parden

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  1. Märchen aus einer dunklen Zeit

    Stefanie vor Schultes Debüt „Junge mit schwarzem Hahn“ hat mich in ein dunkles, düsteres und grausames Zeitalter entführt.
    Obwohl dieser märchenhafte Roman weder zeitlich noch räumlich verortet werden kann, mutet die Szenerie mittelalterlich an. Die Pest wütet, es ist Krieg, die Menschen leiden Hunger.
    Der 11-jährige Martin lebt in einem kleinen Dorf. Er besitzt nichts bis auf die Kleidung, die er am Leibe trägt und einen schwarzen Hahn als ständigen Begleiter, Berater und Freund. Martin ist der einzige Überlebende seiner Familie, die einem Gewaltverbrechen zum Opfer fiel. Der Junge ist klug, verfügt über eine scharfsinnige Beobachtungsgabe und ist stets hilfsbereit. Seinen Lebensumständen zum Trotz konnte er sich sein überaus freundliches und hilfsbereites Wesen bewahren. Die Dorfbewohner meiden und misshandeln ihn - Liebenswürdigkeit ist ihnen suspekt; außerdem fürchten sie den Hahn, in dem sie den Teufel persönlich zu sehen glauben. Nach einem einschneidenden Erlebnis ist Martin von dem Wunsch getrieben, die entführten Kinder zu finden, die jedes Jahr von mysteriösen schwarzen Reitern entführt werden. Wohin weiß niemand, doch Martin möchte das herausfinden und dem Unrecht ein Ende setzen.
    Als ein Wandermaler das Dorf aufsucht, nutzt Martin die Chance fortzugehen und schließt sich dem Künstler an.
    Ich konnte mich dem Sog dieser ungewöhnlichen Geschichte nicht entziehen und musste das Buch an einem Stück lesen. Obwohl die Sätze sehr kurz, die Ausdrucksweise zeitweise naiv anmutet, strahlt der Text eine eigentümliche Poesie aus, die sehr gut in die beschriebene Welt und zu Martin passt. Die Charaktere und die Umgebung sind sehr lebendig gezeichnet. Die Autorin malt mit ihren Worten ein grausames, beklemmendes Bild des Elends und der Tyrannei, in dem nur wenige Menschen Mut, Freundlichkeit und Mitgefühl aufbringen - Martin ist in diesem Märchen eine seltene Lichtgestalt - ein Held, der die Welt retten könnte. Neben der spannende Geschichte bieten die Symbolik und die beschriebenen gesellschaftlichen Verhältnisse viel Stoff zum Nachdenken.
    Mir hat dieses hoffnungsvolle Buch aus einer dunklen Zeit mit den zuweilen skurrilen Charakteren und einigen sehr unterhaltsamen Szenen nach Art der Schildbürger ausgesprochen gut gefallen.

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  1. Träumen, als wäre es ein Leben

    Von der ersten Seite an konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, ich würde noch einmal so etwas Großartiges lesen wie Otfried Preußlers »Krabat«. Ein düsteres Märchen, das mich als Kind schon begeisterte, dann noch mal als Jugendliche, später als Erwachsene. Und wie ich im Internet sehe, bin ich beileibe nicht die Einzige, die sich an diesen Klassiker der Jugendliteratur erinnert fühlt!

    Die Atmosphäre ist mal malerisch, mal bedrückend, dann wieder gefriert einem das Blut in den Adern; doch immer entstehen vor dem inneren Auge Bilder, die man so schnell nicht vergisst. Der Autorin genügen kurze Sätze, um die Welt des Buches eindrucksvoll zum Leben zu erwecken, in all ihrer kindgerechten Schrecklichkeit. Doch das Märchenhafte sollte erwachsene Leser:innen nicht abschrecken, denn es hält sich die Waage mit durchaus realistischen Aspekten. Kurz gesagt: Die Geschichte ist keineswegs trivial oder ohne tiefere Bedeutung.

    Es ist eine harte Welt, in der Armut, Hunger und Krieg ihren Tribut fordern. Und im Zentrum der Geschichte steht Martin, ein kleiner Junge, der zu gut ist, zu reinen Herzens, zu tapfer und mitfühlend, um von seiner abergläubischen Dorfgemeinschaft akzeptiert zu werden. Soviel Güte ist ihnen nicht geheuer, denn ihre Wahrheit besteht darin, dass sich in Notzeiten jeder selbst der Nächste ist. Das Kind ist eine stete Erinnerung daran, wie schmerzlich sie selbst es an Mitgefühl und Menschlichkeit mangeln lassen.

    »Eines Tages«, flüstert der Hahn. »Eines Tages wirst du hier gewesen sein. Eines Tages wirst du wissen, wie alles ausgegangen sein wird. Eines Tages magst du Albträume haben, denn alles wird entsetzlich gewesen sein. Aber du wirst auch erzählen können, wie einfach es gewesen sein wird. Und dass nur du es konntest.«
    »Einfach«, flüstert Martin und kneift die brennenden Augen zusammen.
    (Zitat)

    Als der Junge noch sehr klein war, tötete sein Vater die ganze Familie, nur ihn nicht. Das war den Dörflern so unheimlich, dass sie dem Knirps stillschweigend jede Hilfe versagten; mit seinem Überleben rechnete im Grunde niemand. Das einzige Lebewesen, das ihm stets zur Seite stand, war der im Titel erwähnte schwarze Hahn, der kurzerhand zum Teufel oder Dämon erklärt wird, um die eigene Schuld notdürftig zu vertuschen.

    Warum muss er wissen, dass die Menschen selbst schlimmer sind als alle Dämonen, vor denen sie sich grausen?

    Es sind Aspekte wie diese, die den Sprung vom Märchenhaften in unsere Realität schaffen: Die Ablehnung all dessen, was nicht dem eigenen Lebensmodell entspricht ist Grundlage allzu vieler “-ismen”. Die Art und Weise, wie so mancher Mensch sich selber in die Tasche lügt, um die eigenen Fehler und Charakterschwächen nicht wahrnehmen zu müssen, ist vielleicht der hartnäckigste Selbstbetrug.

    Aber wie es im Märchen eben so ist, muss der Held in die Welt hinausziehen und sich Prüfungen stellen. In Martins Dorf erzählt man sich schon seit langem von einem schwarzen Reiter, der Kinder entführt. Als er selber eine solche Entführung beobachtet, aber nicht verhindern kann, beschließt er, die Rettung der entführten Kinder zu seinem Lebenssinn zu machen – obwohl er selber noch ein kleiner Junge ist.

    »Alle gilt es zu retten, aber alle sind verloren. Doch Martin denkt anders. Ein gerettetes Leben ist alle Leben.«
    (Zitat)

    Schon bald bewegt sich Martin durch eine gnadenlose, vom Krieg gebeutelte Welt, in der fast niemand sich Mitgefühl erlauben kann. Dennoch blitzt durchaus immer wieder ein wenig Humor durch, der mal an die Schildbürger, mal an Till Eulenspiegel erinnert.

    Martin ist eine Lichtgestalt, die im Kontrast menschliche Abgründe nur umso deutlicher erkennen lässt, aber gleichzeitig auch für genug Hoffnung, Freude und Menschlichkeit sorgt, um zu zeigen: Es kann auch anders gehen.

    »Und da fragt sich [der Maler], ob er damit leben könnte, wenn es nichts Grausames mehr gäbe, was sich mit Farbe auf Leinwand abbilden ließe. Dann würde er wohl für immer den Jungen malen. Nur mehr ihn, und er bräuchte dafür keine andere Farbe mehr als Gold.«
    (Zitat)

    Die märchenhaften Eigenschaften des Romans wirken sich sowohl auf den Aufbau der Handlung als auch auf die Charakterzeichnung aus. Die Geschichte folgt der archetypischen Struktur einer klassischen Heldenreise, mit den dazugehörigen Leitmotiven und Figuren; unter den Charakteren finden sich Variationen des weisen Narren, des Hüters der Schwelle, der bösen Hexe. Doch trotz einer gewissen zwangsläufigen Klischeehaftigkeit, zeigt sich bei den wichtigsten Charakteren eine unerwartete Tiefe – wann man bereit ist, zwischen den Zeilen zu lesen.

    Lediglich der “bösen Hexe” (nicht im wörtlichen Sinne) hätte ich etwas mehr Realismus gewünscht, ihre Motivation wird nur oberflächlich präsentiert, auf das “Böse” reduziert. Obwohl Leser:innen erahnen können, dass dahinter durchaus eine persönlich Tragödie stecken könnte, wird aus der Hexe kein Mensch, mit dem mensch wenigstens ansatzweise mitfühlen könnte.

    Aber das Gesamtpaket dieses großartigen Märchens, das sich jetzt schon wie ein Klassiker liest, konnte mich voll und ganz überzeugen.

    Fazit

    Stefanie vor Schulte erzählt ein bildgewaltiges, düsteres Märchen, das wie aus der Zeit gefallen wirkt und mich dennoch auch als moderne Leserin begeistern konnte. Wie die alten Märchen, die die Jahrhunderte überdauert haben, ist es eine Geschichte voller Abgründe, voller Grausamkeit, deren Schatten man mit leisem Unbehagen in der eigenen Realität erahnt. Für nötige Balance sorgt ein kindlicher Held, der dem Elend und Leid seiner Welt mutig Liebe und Hoffnung entgegensetzt.

    Die Sprache ist großartig, intensiv und beschwörend, die Geschichte verwebt ihre Spannungsfelder und Schlüsselcharaktere in den einfachen Rahmen einer Völksmär. Die Atmosphäre erinnerte mich streckenweise an »Krabat« von Otfried Preußler, doch »Junge mit schwarzem Hahn« ist beileibe kein Abklatsch, sondern etwas ganz Eigenes.

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  1. 4
    05. Nov 2021 

    Gut gegen Böse

    Der Debütroman "Junge mit schwarzem Hahn" von Stefanie vor Schulte ist ein düsteres Märchen, in dem die Autorin ein Szenario kreiert, das eine gehörige Portion Grusel mitbringt.

    Der Inhalt der Geschichte ist in einem Satz zusammengefasst: Es werden Kinder entführt und ein Held, der keiner ist, macht sich auf den Weg, diese Kinder zu befreien.

    Der Schauplatz erinnert dabei an einen Sündenpfuhl biblischen Ausmaßes und lässt sich nur in etwa lokalisieren: deutschsprachiger Raum, ländliche Gegend. Die Zeit der Handlung könnte im düsteren Mittelalter spielen, technische Errungenschaften existieren nicht. Keine Elektrizität, man ist zu Fuß oder zu Pferd unterwegs. Seuchen und Kriege überziehen das Land.
    Dummheit, Hass und Niedertracht regieren diese Welt. Der größte Teil der erwachsenen Charaktere dieses Romans verkörpert dabei das Böse. In all dieser apokalyptischen Düsterkeit gibt es eine Lichtgestalt: Martin, ein 11-Jähriger und Verkörperung des Guten. Denn das Kind Martin hat ein reines Herz. Die Menschen misstrauen Martin. Denn Martin trägt den "Teufel" mit sich herum: einen schwarzen Hahn. Dieser ist sein einziger Freund. Nur wenige Menschen, denen Martin begegnet, zeigen Menschlichkeit und sind es wert, seine Zuneigung zu gewinnen.

    Der Sprachstil der Autorin ist anfangs nicht leicht zu lesen: sehr kurze, abgehackte Sätze,und einer stellenweise archaische Ausdrucksweise. Doch nach ein paar Seiten ist man in der Welt, die Stefanie vor Schulte in ihrem Roman heraufbeschwört, eingetaucht. Martin ist der Sympathieträger in diesem Roman, keiner ist wie er. In seiner Kindlichkeit und naiven Aufrichtigkeit hat man ihn schnell ins Herz geschlossen. Demgegenüber stehen die dummen Erwachsenen, die in ihrer Schlechtigkeit und Idiotie häufig für Entsetzen aber auch für Schadenfreude sorgen.

    Bei solch einem ungewöhnlichen Roman liegt die Frage nach der Symbolik und den Parallelen zur heutigen Zeit nahe. Man könnte sich daher in Interpretationsversuchen verlieren, was sicherlich zu Verknotungen in den Hirnwindungen führen würde. Daher sollte man diesen Roman einfach als das nehmen, was er auf den ersten Blick ist: eine märchenhafte Geschichte über das Gute und das Böse, mit einem Helden, den man einfach mögen muss.

    Leseempfehlung!
    © Renie

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  1. Düsteres Märchen in zärtlich-morbider Sprache

    In einer nicht näher benannten Zeit lebt der elfjährige Waisenjunge Martin in einem Dorf als Ausgestoßener. Die Menschen fürchten seine Klugheit mindestens genauso sehr wie seinen ewigen Begleiter: einen schwarzen Hahn. Erst als ein Maler das Dorf betritt, wittert der Junge die Möglichkeit, seine Heimat zu verlassen - und sich auf die Suche nach den verlorenen Kindern zu machen, die jedes Jahr von einem mysteriösen Reiter entführt werden...

    "Junge mit schwarzem Hahn" ist der in jeder Hinsicht überraschende und aufregende Debütroman von Stefanie vor Schulte. In so kurzen wie poetischen Sätzen entführt uns die Autorin in eine dunkelromantische Welt voller skurriler Figuren, düsterer Vorboten und tyrannischer Herrscher. Während die Handlung in einer spannenden, doch recht klassischen Mischung aus Schauergeschichte, Dystopie und Märchen voranschreitet, ist es vor allem die Sprache, die das Besondere dieses Buches ausmacht. Mal schaurig-morbide, im nächsten Moment mit lakonischem Witz findet vor Schulte eine wirklich innovative Mischung, die wunderbar funktioniert. Dadurch entwickelt "Junge mit schwarzem Hahn" eine ganz eigene Atmosphäre, die ich so zuvor tatsächlich noch nicht kennengelernt hatte.

    Ein "Frauenbaum", der Leichen an seinen Ästen trägt, eine unerträgliche kinderliebe (?) Gewaltherrscherin und nicht zuletzt - ein sprechender schwarzer Hahn, der Martin nicht von der Seite weicht und gleichzeitig seine Rettung und sein Verderben ist. Der Fantasie der Autorin sind keine Grenzen gesetzt und so fliegt die Lektüre dahin wie die Kraniche, die den Herbst ankündigen - und eine grauenvolle Zeit des Hungers.

    Auch die Figuren sind der Autorin hervorragend gelungen. Einzig Martin, ein ganz und gar reines und liebevolles Kind, nimmt die klassische Heldenrolle ein. Doch auch die ambivalenten Nebenfiguren sind bis ins Kleinste durchdacht und überraschend, wanken irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn. Ein Gaukler, der gleichzeitig Henker ist, repräsentiert die Beschaffenheit dieses Romans vielleicht am besten, denn genau wie diese Figur chargiert auch das Buch zwischen morbider Todesromantik und wahrlich komischen Momenten hin und her. Und auch ein "grässlicher Junge", der wie ein Engel singt und erstaunlich schnell altert, der mysteriöse reitende Kindesentführer und der Maler mit seiner Empathie für den Jungen machen in diesem bunten Potpourri die Stärke des Romans aus.

    Einerseits wirkt "Junge mit schwarzem Hahn" ein wenig wie aus der Zeit gefallen, andererseits sehr modern, denn bei aller Vergangenheit und Vergänglichkeit lassen sich durchaus Parallelen zur Gegenwart erkennen. Der Umgang mit gesellschaftlichen Außenseitern, mit Gewaltherrschern, Kriege, Morde - blickt man in die Welt, so könnte man in irgendeinem Land vielleicht auch gerade einen Martin entdecken.

    Stefanie vor Schulte schafft es, mit ihrem Debütroman ganz neue Akzente in der deutschsprachigen Literatur zu setzen. Ein in jeder Hinsicht bemerkenswertes Buch mit einem äußerst liebenswerten Protagonisten und einer schier unglaublichen Kreativität.

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  1. Mit innerer Stärke souverän das Böse überwinden

    Zu Beginn dieses wunderbaren Märchens ist Martin elf Jahre alt. Er ist der einzige Überlebende in seiner Familie, denn sein Vater brachte die Mutter und die Geschwister um. Und sich im Anschluss.

    Aber Martin ist nicht allein, er hat einen einzigartigen Freund: den schwarzen Hahn. Der Hahn fand ihn schon als Baby, zwischen all den Körnern im Hühnerstall und ab da waren sie unzertrennlich. Und Martins Eltern ließen sie, zu dem Zeitpunkt lebten sie ja noch.

    Nach dem Attentat lebt Martin mehr schlecht als recht in der Hütte. Die meisten Leute im Dorf sind misstrauisch, sie sind böse und dumm, wollen mit ihren Fehlern in Frieden leben. (S. 53) Und Martin ist klug und gut und das passt nun mal nicht zusammen. Und das nervt sie gewaltig.

    Als ein Maler ins Dorf kommt, um ein großes Altarbild zu malen, gehen Martin und der Hahn mit ihm fort, als dieses Werk vollendet ist.

    Im Land herrscht Krieg, Elend und Hunger. S. 168: „Weil nur die niedrigste Gesinnung in solchen Zeiten überlebt, denn Güte und Ehre brauchen genug zu fressen.“ Dazu werden in jedem Jahr zwei Kinder geraubt. Ein Junge und ein Mädchen. Die werden später dauer-betäubt und leiden. Und tauchen in der Regel danach nicht wieder auf.

    Das Büchlein hat nur 223 Seiten, aber wir alle können viel daraus lernen. Denn Martin meistert seine Lebensaufgabe mit Bravour, Feingefühl und gewaltiger innerer Stärke. Er kann sogar Leben einhauchen. Gottgleich? Er hilft bei einer Geburt, als die Dorfhebamme sich weigert, zu erscheinen. Seite 172: „Sie [gemeint ist hier die Hebamme] kommt nicht, sagt Martin, als er wieder bei Frau und Reiter ist. Und so müssen sie es allein schaffen. Martin voller Mut. Mit diesem Vertrauen in eine Welt, die es nur in ihm gibt. Die er dem Kind einhaucht, das sich mit dem ersten Atemzug schwertut.“

    Ich möchte noch den Beginn des Kapitels 22 auf Seite 144 erwähnen: "Nach und nach offenbaren sich die Regeln für das Leben auf der Burg. Wobei beliebig Regeln hinzuwachsen oder verschärft werden, aber nie aufgekündigt. Es gibt ein schwammiges Grundsätzliches, der Rest ist Glück oder Pech, man fährt wohl am besten mit Angst und Misstrauen ..." Hier mag jeder selbst überlegen, ob ihm das irgendwie bekannt vorkommt?

    Fazit: Dieses feine Büchlein möchte ich jedem ans Herz legen, denn es macht Mut – gerade in dieser schwierigen Zeit. Es ist wirklich ein außergewöhnlicher Debütroman, eine literarische Entdeckung, wie schon im Klappentext vermerkt und verdient unsere höchste Anerkennung. Glanzvoll verdiente 5 Sterne dafür.

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  1. Schöne Abwechslung

    Nach der vielen Gegenwartsliteratur und den Kriegsromanen, die ich in letzter Zeit gelesen habe, musste für mich mal wieder etwas anderes her. Warum nicht etwas märchenhaftes, vielleicht auch ein wenig sagenhaftes. Stefanie vor Schultes Roman mit dem etwas sperrigen Titel Junge mit schwarzem Hahn, hat ein bisschen von beidem.

    Der elfjährige Martin, ein seltsamer Junge, hat nichts als die Kleider, die er am Körper trägt und einen eigenartigen schwarzen Hahn, zu dem er eine freundschaftliche Beziehung pflegt. Es war die Zeit der Tyrannei und des Aberglaubens. Die Bewohner des kleinen Heimatdorfes halten Martin auf Abstand. Der Junge ist klug und liebenswürdig, aber er macht den Menschen Angst und die Angst bringt die Menschen dazu das Waisenkind schlecht zu behandeln.

    Martin erhält die Gelegenheit sein Heimatdorf zu verlassen. Gemeinsam mit einem Maler zieht er in die weite Welt hinaus. Dank seines Mitgefühls und seiner Klugheit wird er zum Retter derjenigen, die noch unschuldiger sind als er selbst.

    Wir begleiten Martin durch viele Abenteuer und Prüfungen, die der Junge bestehen muss. Seine zentrale Aufgabe ist es allerdings, die von Schwarzen Reitern entführte Kinder, zu befreien. Diese Aufgabe bringt Martin an seine Grenzen, aber wird von Seite zu Seite selbstbewusster und erwachsener.

    Obwohl die Zeit, in der dieser Roman spielt, nicht erwähnt wurde, spielte die Geschichte für mich im Mittelalter. Einige Schilderungen haben mich unweigerlich in diese Zeit versetzt. Die Grundstimmung in diesem Buch ist düster, eine Geschichte voller böser Menschen mit nur ganz wenigen Ausnahmen. Eine Geschichte mit düsteren schwarzen Reitern und einer Fürstin, die einer Hexe gleicht.

    Etwas gehadert habe ich anfangs mit den kurzen prägnanten Sätzen, doch mit Fortdauer des Buches, passte der Schreibstil zu der märchenhaften Erzählung. Ich bin aber auch der Meinung, dass der Schreibstil nicht ganz konsequent durchgezogen wurde, teilweise empfand ich den Stil fast schon modern.

    Dieses Buch hat Abwechslung in meinen Lesealltag gebracht, ich konnte wunderbar mit dem gutmütigen Jungen in dieser grausamen Umgebung mitleiden und mich an seinen Fortschritten erfreuen. Gelegentlich tut es gut der realen Welt zu entfliehen und sich auf etwas phantasievolles einzulassen, doch mein bevorzugtes Genre wird es wohl nicht werden.

    Alles im Allem ein gelungener Auftaktroman von Stefanie vor Schulte. Bleibt nur abzuwarten, ob die Autorin bei den kommenden Büchern diesem Genre treu bleibt, oder ob es sie in eine ganz andere Richtung treibt. Bleiben wir gespannt.

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  1. Die innere Stimme

    Autor
    Der Roman „Junge mit schwarzem Hahn“ ist das Debüt von Stefanie vor Schulte.

    Inhalt
    Am Rand des kleinen Dorfs lebt Martin für sich allein mit seinem schwarzen Hahn. Er war drei, als sein Vater die Familie mit einem Beil erschlug. Nur Martin hat überlebt. Mit ihm der schwarze Hahn, der für ihn Behüter und Freund zugleich ist. Martin ist trotz der erlebten fürchterlichen Tat ein vom Gemüt her freundliches und aufgeschlossenes Kind. Er ist mit wenig zufrieden und sein Hahn ist immer bei ihm. Die Dorfbewohner meiden ihn zwar, aber geben ihm zumindest einen Lohn in Form eine Zwiebel, wenn er ihr Vieh hütet. Der Hahn macht ihnen Angst. Sie sehen in ihm den Teufel. Doch dann kommt der Maler ins Dorf und Martin ergreift seine Chance mit ihm zugehen.

    Sprache und Stil

    „Als der Maler kommt, um ein Altarbild für die Kirche zu fertigen, weiß Martin, dass er am Ende des Winters mit ihm fortgehen wird. Mit ihm gehen und sich nicht mehr umdrehen.“ (S. 5)

    Martins Leben ist trostlos. Er ist überzeugt, keine Zukunft in seinem Dorf zu haben. Erst der Maler, der zu einem Auftrag ins Dorf kommt, erkennt die Besonderheit des Jungen, die darin besteht, dass er über eine sehr gute Beobachtungsgabe verfügt und Zusammenhänge schnell erfassen kann. Er begleitet den Maler auf seinem weiteren Weg nach Beendigung dessen Auftrags.

    Sein größter Wunsch besteht unter anderem darin bestehen, das Rätsel einer Kindesentführung zu lösen und den Grund für das Massaker in seiner Familie zu finden. Diese feste Idee bildet den roten Faden und durchzieht die gesamte Geschichte.

    Dabei lässt die Autorin in eine grausame Welt blicken, in die der Junge Martin hineingeboren wurde. Man fühlt sich direkt ins Mittelalter versetzt. Der Leser erlebt die Macht der Kirche, die den Aberglauben der Menschen fest im Griff hat. Die Angst vor dem Teufel ist immer präsent. Martins Hahn ist der Teufel in den Augen der Dorfbewohner. Denn der Hahn kann sprechen.

    „»Denn alle sagen ich sei der Teufel«.“ (S. 117)

    Es gibt Reiter, Grafen, eine Fürstin und Gaukler. Das scheinbare Glück der Adligen, der Fürstin, die alles hat und Martin nichts, wird als falsches Glück aufgedeckt.

    Stefanie vor Schulte nutzt eine einfache, reduzierte Sprache mit kurzen Sätzen. Durch diese einfache Sprache entsteht ein Bild, dass das Mittelalter greifbar macht. Wie in einem Gemälde scheint die Geschichte sich abzuspielen. So wie der Kontrast zwischen Gut und Böse, so wird das Gemälde ohne Zwischentöne gezeigt.

    Das Cover passt zum Roman. Das Covermotiv ist „Junge mit Pfeife“ (Originaltitel: Garçon à la pipe) ist ein 1905 entstandenes Ölgemälde von Pablo Picasso.

    Vor einem floralen Motiv sitzt ein nachdenklich schauender Jungen im blauen Anzug.
    Auch im Roman erleben wir einen Jungen mit außergewöhnlichem Charakter. Er unterscheidet sich von den anderen Figuren durch seine aufgeschlossen nachdenkliche, kluge Art. Charaktereigenschaften, die ihm nie beigebracht wurden.

    Fazit
    Stefanie vor Schulte ist ein absolut eindrucksvoller, lesenswerter Debütroman gelungen.
    Sie hat mit Martin eine Figur geschaffen, die sich in andere hineinversetzen kann, trotz aller
    Ungerechtigkeiten in der Welt. Martin beweist Mut und Mitgefühl, obwohl er Demütigungen ertragen muss. Er hat Verstand und genau das unterscheidet ihn von den andern. Er bleibt seinen Idealen treu in einer dunklen Umgebung, in der Hoffnung nur schwer entstehen kann.
    Treu zur Seite steht ihm der schwarze Hahn, der ihm immer wieder Mut macht. Die Frage bleibt offen: ist der schwarze Hahn seine innere Stimme? Die Stimme, die der braucht, um zu leben?

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  1. Sonderbar, wunderlich und einfach nur genial!

    !ein Lesehighlight 2021!

    Klappentext:

    „Der elfjährige Martin besitzt nichts bis auf das Hemd auf dem Leib und seinen schwarzen Hahn, Behüter und Freund zugleich. Die Dorfbewohner meiden den Jungen, der zu ungewöhnlich ist. Viel zu klug und liebenswürdig. Sie behandeln ihn lieber schlecht, als seine Begabungen anzuerkennen. Als Martin die Chance ergreift und mit dem Maler zieht, führt dieser ihn in eine schauerliche Welt, in der er dank seines Mitgefühls und Verstandes widerstehen kann und zum Retter wird für jene, die noch unschuldiger sind als er.“

    Ich weiß bei diesem Buch gar nicht wo ich anfangen soll, denn es ist so extrem außergewöhnlich, das es schon perfekt ist und lange im Gedächtnis bleiben wird. Die Geschichte rund um Martin liest sich einerseits flüssig aber andererseits muss man die Worte sowie die Situationen über ihn erstmal sortieren - dieses Buch liest man mal nicht so schnell weg. Wir erleben Situationen, die einen verstören, die einen emotional berühren und die einen fesseln. Alles wirkt dennoch so unglaubwürdig, dass man meinen könnte, man steckt in einem Märchen und bekommt die Geschichte vorgelesen. Der schwarze Hahn wird zum Symbol und wer sich ein wenig in der Symboldeutung auskennt, wird hier viel mehr Fakten zusammenknüpfen können als Unwissende. Dieser Roman erfordert etwas Wissen, etwas Fantasie und etwas an eigenem Wahnsinn um ihn zu verstehen und dabei sei ganz groß angemerkt: dieser Roman rund um Martin ist nicht verrückt oder gar Schwachsinn, nein, er ist sonderbar und wunderlich aber genau so entzückend und grausam zugleich. Nur wie schätzen wir die Grausamkeit in dieser Geschichte genau ein? Ist es denn grausam was hier geschieht? Fragen über Fragen die den Leser fordern und genau das liebe ich an diesem Roman. Wie auch immer man ihn persönlich einordnen mag, ich wüsste nicht genau wo und in welche Sparte - ich schiebe ihn in die Kategorie: „Muss man lesen“ und „Sonderbar genial“ - reicht gewaltig für 5 von 5 Sterne und wird deshalb zu einem Lesehighlight 2021!

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  1. Archaisches Märchen in schöner Sprache

    Der 11-jährige Martin ist in seinem Dorf ein Außenseiter. Seine Familie ist unter dramatischen Umständen ums Leben gekommen, er ist der einzige Überlebende – allein das weckt den Argwohn der Dorfbewohner, die sich von Aberglauben leiten lassen. Hinzu kommt, dass der Junge permanent einen schwarzen Hahn dabei hat, der als Sinnbild des Teufels gilt… Martin ist klug, er beobachtet viel und durchschaut dadurch verborgene Zusammenhänge und Lügengeschichten der Erwachsenen. Auch das mögen jene nicht: „Seine Augen sind sehr schön. Das fällt gleich auf. Dunkel und geduldig. Alles an ihm wirkt ruhig und bedacht. Und das macht ihn den Leuten im Dorf unbequem. Sie haben es nicht gern, dass einer zu lebendig ist oder zu ruhig. Derb können sie verstehen. Verschlagen auch. Aber das Bedächtige im Gesicht eines Elfjährigen, das mögen sie nicht.“ (S. 11)

    Die Welt, in der Martin lebt, wirkt fast mittelalterlich, auf alle Fälle archaisch, es gilt das Gesetz des Stärkeren. Die Kulisse wird ideal als trostlos wirkende Märchenwelt mit vielen entsprechenden Motiven dargestellt. Tod, Verderbnis und Gewalt sind omnipräsent. Man hat Angst vor dem Teufel, den Herrschenden, das Dorf ist umgeben von verwunschenen Feldern und Wäldern, in denen sagenumwobene Gestalten hausen sollen. Immer wieder werden Kinder von geheimnisvollen schwarzen Reitern verschleppt, um die sich gleichfalls dunkle Mythen ranken. Martin hat auf sich allein gestellt die Angewohnheit, hinter das Offensichtliche zu blicken. Er hinterfragt, entdeckt, kann aber auch darüber schweigen. Er verlässt sein Dorf gemeinsam mit einem wandernden Maler, dessen Bilder Martin bewundert. Er verfolgt das feste Ziel, die schwarzen Reiter zu finden, um die Kinder zu retten. Unterstützung oder Zuwendung von Erwachsenen erfährt Martin nur temporär, immer muss er auf der Hut sein. Seine Abenteuer passen in die skizzierte Zeit, deren konkrete Verortung die Autorin jedoch schuldig bleibt. Einzig der sprechende Hahn steht ihm treu zur Seite, erinnert ihn an seine Bestimmung, appelliert an seine Tapferkeit und hilft bei akuter Gefahr.

    Dieses moderne Märchen mit einem durch und durch sympathischen Helden liest sich interessant und spannend. Auf seiner Reise durchs Land begegnet Martin allerlei skurrilen Gestalten und auch viel sinnloser Brutalität. Insofern würde ich als Zielgruppe dieses Buches keinesfalls Kinder ansehen. Es gibt jedoch auch humorvolle Szenen während der abenteuerlichen Reise, die sich aus Martins überlegter Klugheit und seinem unverbrüchlichen Mut ergeben. Darin kann man Elemente eines Schelmenromans erkennen, doch das Dunkle, Böse dominiert eindeutig die Handlung. Die Guten kann man an einer Hand abzählen und auch sie haben, von Martin abgesehen, ihre Schattenseiten.

    Beeindruckend ist die Sprache, mit der authentisch Martins Perspektive verkörpert wird. Die Autorin nutzt einfache, zumeist kurze und klare Sätze, aus denen sie einen ausdrucksstarken Fließtext entwickelt, der treffsicher Bilder im Kopf entstehen lässt und Stimmungen transportiert. „Es regnet, aber sie haben nichts damit zu tun. Sie haben ein Dach über dem Kopf. Es gibt Arbeit und Essen. Der Hahn schläft in Martins Schoß, Gloria summt eine Melodie für das Baby, die Zeichenkohle schabt über das Blatt. Der Junge empfindet Geborgenheit.“ (S.70)

    Märchen kann man immer lesen. „Junge mit schwarzem Hahn“ ist eine Auffrischung in Sachen Freundschaft, Vertrauen und Menschlichkeit sowie ein Plädoyer gegen Hass und Unrecht. Das Gute im Menschen stirbt auch in schweren Zeiten nicht restlos aus, Hoffnung gibt es immer irgendwo. Martin ist ein Held, der sich reinen Herzens trotz aller Gefahren für die Wahrheit und gegen das Böse einsetzt.

    Ich habe den Roman mit Freude gelesen, allerdings keine nennenswerten Bezüge in die Gegenwart gefunden. Natürlich muss nicht jedes Buch aktuelle Anlehnungen haben, es wäre für mich hier jedoch „das Tüpfelchen auf dem i“ und damit auch den fünften Stern wert gewesen. Wer sich gerne mal wieder in einer klassischen Märchenwelt verlieren will, dem sei dieses zeitlose Buch herzlich empfohlen!

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  1. Kann das Gute immer siegen?

    Dieser unscheinbar wirkende Roman fiel mir eher zufällig in die Hände und ich muss gestehen: er hat so viel mehr Aufmerksamkeit verdient. Ich habe mich regelrecht in dem Stoff verloren.

    In der Geschichte geht es um den jungen Martin, der mit seinem Hahn als sonderbar gilt. Der Junge scheint für sein Alter viel zu klug. Dieser kann nur mit dem Teufel im Bunde stehen. Tut er dies wirklich? Als ein schwarzer Reiter ein Dorfkind entführt, beschließt er diesem Mysterium nachzugehen. Was wird es bringen durch die Lande zu ziehen und kann er das Geheimnis um den Reiter lüften?

    Selten habe ich einen so liebenswerten und guten Charakter erlebt wie Martin. Ihn muss man einfach gern haben, da er fast schon zu gut für diese Welt ist. Schlau und mit reinem Herzen betrachtet er seine Umwelt, hilft wo er kann und ist nie bösartig. Ich glaube solche Menschen sind sehr rar. Gern möchte man selbst etwas mehr wie er sein.

    Der Roman spielt im Mittelalter, wo Krieg, Hunger, Armut und Co das Leben der meisten Menschen bestimmt. Das raue Leben schildert die Autorin schonungslos und für den Leser sehr eindrücklich. Fast kann man die miesen Gerüche wahrnehmen oder den eigenen Magen schmerzen spüren. In diesem düsteren Setting wirkt Martin wie ein heller Sonnenstrahl.

    Die Freundschaft zum Hahn ist so speziell, dass sie mich als Leser nachdenklich gestimmt hat. Nie war mir bewusst, dass natürlich Mensch und Tier auch für einander einstehen können und nicht nur Menschen unter einander. Eine sehr kluge Idee, wie ich finde, diese Verbindung immer wieder zu beleuchten.

    Die Begegnungen, die Martin auf seiner Reise mit Gauklern, Adeligen, dem Maler und vielen mehr hat, zeigen wie das Leben einem übel mitspielen kann und dass man stets mit Bedacht handeln sollte.

    Fazit: Ein düsterer Roman mit einer so strahlenden Hauptfigur, die mich magisch in ihren Bann gezogen hat. Bitte lest dieses Buch! Es ist wie ein fesselndes Märchen, welches lange nachwirkt. Klasse!

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  1. Zwischen Märchen und Legende.

    Kurzmeinung: Eine Sprache wie naive Kunst: wunderschön.

    „Junge mit schwarzem Hahn“, dieser Titel klingt wie der Titel eines Gemäldes und so muss man den Roman auch lesen, inspiriert irgendwie. Die Assoziation zu einem Gemälde wird durch die Figur des Malers unterstützt. Die Handlung ist nicht leicht zu erzählen, darum lasse ich es, man würde sowieso zu viel vorwegnehmen. Es ist ja nicht viel Speck an den circa 200 Seiten im Kleinformat. Das ist kein Vorwurf, die Länge ist für ein modernes Märchen genau richtig.

    Was die Autorin gemacht hat, ist originell, aber nicht originell genug, um auch innovativ zu sein, denn das haben schon andere vor ihr gemacht. Sie nimmt diverse Märchenelemente, böse Königin, sprechende Tiere, verschwundene Kinder, böse Ritter und den Guten, der den Fluch löst, dafür leiden muss und eine Probe bestehen muss, die zu meistern aussichtslos erscheint und schließlich belohnt wird.

    Stefanie vor der Schulte setzt ihre Geschichte in ein vermeintlich historisches Setting, unwillkürlich denkt man, man sei in die Wirren des Dreißigjährigen Krieges geraten. Aber es gibt keine Zeitangaben. Das Lokal- und Zeitkolorit ist wunderbar gelungen, mit all seinem Elend und den Willkürlichkeiten der Herrschenden. Die Sprache ist poetisch, sehr einfach aussehend, aber sie ist nicht einfach, sondern scheint nur schlicht und diese Schlichtheit widerum ist höchst kunstvoll, die Sprache ist es, die den Roman auszeichnet. Ich habe mich sofort in diese Märchensätze verliebt.

    Die Märchenelemente, neu arrangiert, ergeben eine neue stimmige Geschichte, bleiben aber halt diverse zusammengesetzte Märchenelemente. Das Innovative ist allein die Sprache.

    Fazit: Setting und Sprache ergeben für einen Debütroman erstaunliche vier Sterne. Für einen fünften Stern hätten wir ein anderes Ende gebraucht. Auch wenn Märchen in aller Regel gut ausgehen.

    Kategorie: Legende/Märchen/Mythos
    Verlag: Diogenes, 2021

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