Jeder Mensch

Buchseite und Rezensionen zu 'Jeder Mensch' von Ferdinand von Schirach
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Inhaltsangabe zu "Jeder Mensch"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:32
EAN:9783630876719

Rezensionen zu "Jeder Mensch"

  1. 5
    07. Feb 2022 

    Ein Plädoyer für neue Menschenrechte...

    Mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung 1776 und der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789 in Frankreich wurden die Grundsteine für unsere moderne Gesellschaft gelegt, für unsere Freiheit und unsere unveräußerlichen Rechte. Das Erstaunliche an diesen Deklarationen ist, dass sie nicht die Wirklichkeit widerspiegelten. Die großen Manifeste der Menschheit verlangten eine Ordnung der Gesellschaft, die es noch nicht gab. Es waren Utopien. Heute stehen wir vor ganz neuen Herausforderungen. Globalisierung, Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Klimawandel: Die Gefahren, denen wir heute ausgesetzt sind, waren vor 200 Jahren noch nicht einmal vorstellbar. Wir brauchen deshalb neue, zusätzliche Menschenrechte. Heute müssen wir wieder über unsere Gesellschaft entscheiden – nicht wie sie ist, sondern so, wie wir sie uns wünschen. Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Ist das nicht die eigentliche Aufgabe unserer Zeit? (Klappentext)

    Diese schmale Büchlein ist mitnichten ein Roman. Es ist vielmehr ein Essay, verbunden mit einem Plädoyer für die Einführung neuer Menschenrechte. Von Schirach weist darauf hin, dass auch die amerikanische Unabhängigkeitserklärung (1776) sowie die Menschen- und Bürgerrechte Frankreichs (1789) im Grunde utopische Forderung waren - der gesellschaftliche Status Quo der damaligen Zeit sah jedoch ganz anders aus.

    Unsere moderne Gesellschaft fußt immer noch auf jenen damals festgelegten Rechten und Richtlinien, doch der Wandel der Zeit macht dringend Erweiterungen notwendig.

    "Die Unterzeichner der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und der Erklärung der Menschenrechte, die Mütter und Väter der alten Verfassungen in Europa kannten das Internet und die sogenannten Sozialen Medien nicht, sie wussten nichts von der Globalisierung, der Macht von Algorithmen, der künstlichen Intelligenz und dem Klimawandel. Die Gefahren, denen wir heute ausgesetzt sind, waren damals noch nicht einmal zu erahnen." (S. 16)

    Deshalb formuliert Ferdinand von Schirach sechs neue Grundrechte, knapp auf den Punkt gebracht. Darin ist die Rede

    vom Recht auf das Leben in einer gesunden und geschützten Umwelt,
    vom Recht auf digitale Selbstbestimmung,
    vom Recht auf die Transparenz von und die Entscheidungsgewalt über belastende Algorithmen,
    vom Recht auf wahrheitsgemäße Äußerungen von Amtsträgern,
    vom Recht auf Waren und Dienstleistungen, die unter Wahrung der universellen Menschenrechte hergestellt und erbracht werden und schließlich
    vom Recht auf das Einklagen dieser Grundrechte vor Europäischen Gerichten.

    Damit will der Autor nicht die Grundrechte in Europa kritisieren, sondern auf eine dringende Notwendigkeit zur Ergänzung dieser Rechte hinweisen. Und er zeigt einen Weg auf, wie sich jede:r Leser:in daran beteiligen kann: per QR-Code gelangt man auf eine Webseite, wo man sich dem Plädoyer für die neuen Menschenrechte anschließen kann - über 250.000 Stimmen sind bereits gesammelt. Wer mag, kann hier nachschauen:

    https://you.wemove.eu/campaigns/fur-neue-grundrechte-in-europa

    Dort stehen die geforderten neuen Grundrechte noch einmal ausformuliert.

    Dieses Büchlein bietet einen wichtigen Denkanstoß, der jeden Menschen in unserer modernen Gesellschaft betrifft. Auch wenn es nicht alle lesen werden, viele Entscheidungsträger darüber hinwegsehen mögen - jede Stimme zählt. Und irgendwann wird man sich mit der Thematik doch beschäftigen müssen.

    Lesenswert, interessant, überzeugend.

    © Parden

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