Jahre mit Martha: Roman

Rezensionen zu "Jahre mit Martha: Roman"

  1. 5
    06. Okt 2022 

    Eine Liebes- und Lebensgeschichte

    Željko wächst mit seiner Familie in Ludwigshafen auf und lebt das typische Leben eines Einwandererkindes in Deutschland – mit einem Unterschied: Als er 15 Jahre alt ist, tritt Martha, Professorin an der Universität in Heidelberg, in sein Leben und öffnet damit Türen, die ihm sonst verschlossen geblieben wären.
    Die Geschichte um Željko – oder „Jimmy“, wie er sich der Einfachheit halber rufen lässt – ist eigentlich eine eher leise und seine Lebenssituation entspricht vermutlich der vieler Einwandererkinder zu dieser Zeit. Trotzdem liest sie sich unglaublich spannend und ich fand die Perspektive des Protagonisten sehr ergreifend. Der sprachliche Aspekt, ein schlichter, aber sehr schöner Schreibstil, hat das für mich noch verstärkt.
    Die Beziehung zu Martha ist eine sehr besondere und wird mit sehr viel Gefühl, aber auch Feingefühl beschrieben. Es kommt definitiv kein Schema F zur Anwendung, so dass man als Leser keinerlei Möglichkeit hat, vorherzusehen, wie Jimmys Leben und seine Beziehung zu Martha sich weiterentwickeln werden – das hat mir wirklich sehr gefallen, und zwar bis zum Schluss.
    Ein Wohlfühlroman ist es nicht, und auch keine reine Liebesgeschichte, aber wenn man sich darauf einlässt, taucht man ein in eine teils fremde, teils bekannte Welt, die einen trotz allem optimistisch gestimmt zurücklässt. Mir wird dieses Buch auf jeden Fall noch lange im Gedächtnis bleiben und ich empfehle es unbedingt weiter.

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  1. Jahre der Veränderung...

    Der Klappentext hatte mich neugierig gemacht und so wollte ich mehr über Martha wissen.

    In der Geschichte geht es um Zeljko, den alle nur Jimmy nennen. Er ist in den 90ern 15 Jahre alt und verguckt sich in Frau Gruber, die 25 Jahre älter ist. Was verbindet sie? Kann sie ihm helfen? Und will er diese Hilfe überhaupt?

    Ich hatte kurz Angst, dass wir am Missbrauch eines Jungen teilhaben werden, aber der Autor macht das sehr geschickt, denn auch wenn die körperliche Anziehung enorm da ist, so hat sich Professorin Martha im Griff, was mich mehr als nur beruhigt hat.

    Spannend las sich für mich wie sie einfach immer wieder für ihn da ist in Notsituationen und ihm einen Weg weist, dass er vielleicht die Chance hat es einmal besser zu haben im Leben als seine fleißigen Eltern, die von der harten Arbeit und den vielen Jobs körperlich am Ende sind.

    Während mich der Beginn total fesseln konnte und ich auch die Sache an der Uni mit Alex Donelli spannend fand, so hat mich die Wende ab dem zweiten Drittel im Buch nicht mehr ganz so flüssig lesen lassen. Natürlich ist das Leben nie eitel Sonnenschein, aber der heftige Absturz hat mich doch sehr traurig gemacht und gemeine Vorurteile kamen in mir hoch. Ich weiß nicht ob das die Intension dahinter war.

    Jimmy war für mich als Figur nur schwer greifbar. Ich las gern über seine enorme Entwicklung, aber da sein Leben so gar nicht meiner Lebensrealität in den 90ern entsprach, konnte ich mich nicht wirklich in ihn hineinversetzen, was ich enorm schade fand. Bei Martha gelang mir das schon deutlich eher, vor allem weil ich doch irgendwo nachvollziehen konnte was sie an ihm faszinierend findet und ihr Wunsch zu helfen und zu unterstützen. Das harte Leben der Eltern hat mich berührt und ganz besonders die Beerdigung des Großvaters im Heimatland.

    Der Schluss hat mich dann wieder zufriedener gestimmt, da der Abschied das Ganze rund gemacht hat.

    Fazit: Eine durchaus berührende Geschichte, die mich gut unterhalten hat. Gern spreche ich eine Empfehlung aus.

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  1. Wie sehr kann man sich anpassen?

    Ein Junge von Einwanderern, der sich in eine Professorin verknallt, das klang für mich nach enorm spannenden Stoff und etwas musste ich an Bernhard Schlinks "Der Vorleser" denken, auch wenn natürlich Martha sich nichts hat zu Schulden kommen lassen, aber die Stimmung zwischen den beiden ist ähnlich.

    Mir gefiel wie der Autor das Leben zu fünft in einer Zweizimmerwohnung beschreibt, was für viele Menschen in Deutschland immer mehr Lebensrealität wird, weil in den großen Städten einfach nicht genug Wohnraum für alle existiert. Die Kids der Familie schienen trotz aller Einschränkungen zufrieden und machen etwas aus ihrem Leben.

    Was mich besonders berührt hat war der Familienzusammenhalt, was man besonders bei der Beerdigung des Opas gespürt hat, wo alle in die Heimat reisen.

    Die Beziehung zwischen Martha und Jimmy habe ich fast eher als sehr intensive Freundschaft empfunden und nicht als Liebschaft oder Affäre. Dass Jimmy bisexuell ist, passt in die heutige Zeit und empfand ich als authentisch.

    Jimmys Absturz hat mich etwas aus den Socken gehauen, weil ich es einfach nicht nachvollziehen konnte wie man sich mit einem Mal so gehen lassen kann. Zum Glück findet er später seinen Weg, aber wenn er jetzt das Klischee des vermeintlich "typischen Ausländers" gewesen wäre, das hätte mich doch sehr traurig gemacht.

    Das letzte Drittel des Buches zog sich etwas und hat mich nicht so enorm fesseln können wie der Beginn.

    Fazit: Interessante Einblicke in das Leben eines Gastarbeiterkindes der 90er. Das darf und sollte man lesen!

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