Im Wasser sind wir schwerelos

Rezensionen zu "Im Wasser sind wir schwerelos"

  1. Die schwierige Entscheidung zwischen Liebe und Karriere

    6 von 5 Sternen ;-)

    Unmögliche schwule Liebe im Nachkriegspolen – lebenswichtige Entscheidungen zwischen Liebe und Karriere – in poetisch-bildhafter Sprache

    Dieses Buch gehört für mich auf die Liste meiner Jahreshighlights. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen und wünsche ihm viele Leser. Eine Rezension muss ich eigentlich nicht schreiben, aber der Autor Tomasz Jedrowski hat es verdient. Es ist bemerkenswerterweise sein Debutroman. Themen sind Liebe und Homosexualität, aber auch die politische Lage in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg.

    Die Geschichte wird rückblickend aus der Sicht von Ludwik erzählt, der gerade sein Universitätsexamen im sowjetisch geprägten Polen bestanden hat und nun auf einen Zwangsernteeinsatz muss. Dort verlieben sich er und Janusz ineinander und verleben ein paar unvergessliche Sommertage an einem einsamen See. Wieder zurück in der Stadt geht das normale Leben weiter und es sind Entscheidungen für die Zukunft zu treffen, die bei den beiden leider sehr unterschiedlich und überhaupt nicht kompatibel sind. Im sozialistisch geprägten Polen haben Homosexuelle keine Chance, weder beruflich noch sonst – also ab in den Westen, in die Freiheit? Oder Heimlichkeit leben, sich anpassen, Karriere machen? Wie werden sich die beiden entscheiden? Welche Opfer werden sie bringen müssen? Wird ihre Liebe das aushalten? Eine Antwort hat man im Grunde schon von Anfang an, denn Ludwik erzählt rückblickend aus den USA.

    Zwei Aspekte haben mich besonders beeindruckt.

    Zum einen: die umwerfend poetisch geschilderten Liebes- und Sexszenen, fein und niveauvoll, leidenschaftlich und voller Seelenwärme. Dabei möchte ich davor warnen, dieses Buch in die 'Gay'-Schublade zu stecken, denn ich finde: Love is Love!! Hauptsache Liebe – die geschilderten Szenen sind universell und man kann jedem Menschen nur wünschen, solch ein Glück zu erleben.

    Das andere, was diesen Roman über den Aspekt 'Homosexualität' hinaushebt, ist die Frage, welche Entscheidung man zwischen Liebe und Karriere treffen muss, zwischen Lügen und einem Leben, in dem man zu sich selber steht und man selber sein darf. Das ist sicher ein universelles Dilemma, das viele Menschen auf die ein oder andere Weise betrifft.

    Das alles spielt auf dem Hintergrund eines sowjetisch geprägten Polen, in dem die Menschen unterdrückt werden und in Unfreiheit leben, gerade jetzt ein Aspekt, der noch mal ein erhellendes Schlaglicht auf das Heute wirft und für mich ein Plus in diesem Roman ist.

    In dieses Buch habe ich wegen einer Empfehlung kurz hineingelesen und konnte nicht mehr aufhören. Fesselnd, spannend, in poetisch-bildhafter Sprache. Ich bin restlos begeistert und wünsche dem jungen Autor viele Leser.

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  1. Liebe in Zeiten des Verbots

    „Ich weiß nicht, ob ich möchte, dass du all das irgendwann liest, aber ich weiß, dass ich es aufschreiben muss.“

    Vor einem Jahr hat Ludwik Glowacki Polen verlassen. Nun lebt er in den Vereinigten Staaten. Er verfolgt in den Nachrichten die beunruhigenden Ereignisse in seiner Heimat, nach dem das Kriegsrecht ausgerufen wurde. Ludwik beginnt über sein früheres Leben nachzudenken, über seine Kindheit mit Mutter und Großmutter, über seine Studentenzeit, und vor allem über seine große Liebe zu Janusz.

    Der Schriftsteller Tomasz Jedrowski ist ein Zauberer. Scheinbar mühelos liest sich die Geschichte von Ludwik und Janusz und doch berührt sie zutiefst. Die Erzählform ist wohl gewählt. Ludwik richtet sich direkt an seinen ehemaligen Geliebten, dieses „Du“ macht die Geschichte zu einem ganz intimen Einblick in Ludwiks Welt.

    Es sind die 1970er in Polen, als Ludwik erkennt, dass er anders ist. Mit neun Jahren hat er zum ersten Mal das Besondere an einer Kinderfreundschaft zu einem Nachbarsjungen verspürt. Vor allem aber spürt er Scham und Einsamkeit. Bei einem studentischen Ernteeinsatz lernt er Janusz kennen. Ludwik ist fasziniert von der Selbstsicherheit des Studienkollegen. Ihre aufkeimende Liebesbeziehung können Ludwik und Janusz aber nur im Verborgenen leben. Nicht nur weil Homosexualität nicht dem Wohl der sozialistischen Gesellschaft dient, vor allem auch weil Janusz damit seine aufstrebende Karriere nicht aufs Spiel setzen will.

    „Wir waren immer ein Geheimnis, Ludwik. Bisher mussten wir uns nur vor niemandem verstecken.“

    Tomasz Jedrowski zeichnet die Figur des Ludwik so zart und einfühlsam. Ludwik ist ein ruhiger, introvertierter Mann aus einfachen, aber gebildeten Verhältnissen. Mutter und Großmutter haben heimlich Westradio gehört. Ludwik zieht sich gerne in die Welt der Bücher zurückzieht. Heimlich liest er das in Polen verbotenen Buch von James Baldwin, Giovannis Zimmer, ein Buch, das ihn prägt und begleitet. Mit Janusz lernt er eine andere Welt kennen. Aus einer Arbeiterfamilie kommend hätte er ohne Partei nicht studieren können. Und Janusz hat Freunde, privilegierte, parteitreue Freunde. Ludwik lernt auf schmerzhafte Weise, das Liebe und Verlangen nicht dieselbe Seite einer Medaille sind.

    „….dass man nicht ….verlangen kann, uns so zu lieben, wie wir es wollen.“

    In diesem Buch geht es nicht nur um die Liebe, sondern auch um Freiheit, selbstbestimmtes Leben und den Zwiespalt eines Protagonisten, der sich entscheiden muss, wie er weiterleben kann.

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