Ich und meine Mutter

Buchseite und Rezensionen zu 'Ich und meine Mutter' von Vivian Gornick
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ich und meine Mutter"

Gebundenes Buch
Vivian Gornick ist eine Entdeckung!

Mütter sind anstrengend und bleiben es ein Leben lang. Schon als Kind spürt Vivian Gornick bei ihrer Mutter eine blinde Wut über deren Schicksal als Hausfrau. Begleitet von der trotzigen Behauptung, die wichtigste Rolle einer Frau sei die der Ehefrau und Mutter. Darüber, dass die Tochter Unabhängigkeit und Schriftstellerei wählt, können die beiden Frauen endlos streiten, zugleich sind sie unzertrennlich. In diesem biografischen Roman, der noch nie auf Deutsch erschienen ist und gerade in mehreren Ländern neu entdeckt wird, zerlegen Mutter und Tochter auf kilometerlangen Fußmärschen durch New York weibliche Lebensentwürfe und führen ein furioses und komödiantisches Defilee verschiedenster Charaktere, ihrer Liebhaber, Träume und Enttäuschungen auf.

"Kaum mit Worten zu sagen, wie überragend gut dieses Buch ist." Washington Post

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:224
EAN:9783328600305

Rezensionen zu "Ich und meine Mutter"

  1. Ich und meine Mutter

    Die Protagonistin beschreibt in diesem Buch ihre Kindheit in den Nachkriegsjahren in der Bronx in New York City und das Verhältnis zu ihrer Mutter. Auch wie sie mit ihren Wurzeln und den frühen Prägungen in der Kindheit umgegangen ist und dass sie sich im Endeffekt nicht so ganz von diesen lösen konnte.

    Darüber hinaus ist es auch ein Proträt von jüdischen Bewohnern in diesem Häuserblock. Wie diese mit dem Verlust der Familie (frühe Tod des Vaters) umgegangen sind. Und natürlich ist es auch ein Porträt von ihrer Mutter, dem schwierigem Verhältnis und die Entwicklung der Protagonistin.

    Dieses Porträt wird untermauert durch die gemeinsamen Spaziergängen der beiden. Als Leser spürt man die New Yorker Atmospjhäre.

    Eigene Meinung:

    Am Anfang fiel es mir etwas schwer ins Buch zu kommen, da die Mutter sehr schwierig, dominant, mit wenig Empathie beschrieben. Darüber hinaus zeigt die Mutter das Bedürfnis hat immer recht haben zu wollen. Die Tochter reagierte dann immer sehr emotional und liess sich von ihr provoziieren. Das Buch entwickelte für mich einen starken Lesesog. Die Autorin versteht es sehr gut Personen nah und lebendig zu beschreiben. Auch konnte sie eine gewisse Distanz zu der Geschichte wahren, so dass man als Leser keine Anklage gegenüber ihrer Kindheit / Mutter spürt.

    Alles in allem kann ich das Buch allen empfehlen, die New Yorker Geschichten mit jüdischem Einschlag interessant finden!

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  1. Archiv zweier Leben

    Mütter und Töchter, ein wohl Bände füllendes Thema. Vivian Gornick hat in ihrem autobiografischen Roman „Ich und meine Mutter“ nicht nur ihre Kindheit und Jugend in den 1940ern bis 50ern aufgerollt, sondern auch ihrer Mutter literarisch ein Denkmal gesetzt. Schon vor dreißig Jahren ist der Roman in den USA erschienen, 2019 liegt er nun auch in deutscher Übersetzung vor. Vivian wächst in einem jüdischen Arbeiterviertel New Yorks auf. Sie ist 13 Jahre alt, als ihr Vater 50-jährig verstirbt. Die Mutter verfällt in eine lebenslange Depression. Wir begegnen den beiden Protagonistinnen auf zwei Zeitebenen, in der Vergangenheit und im New York Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre, wenn Vivian mit der mittlerweile hochbetagten Mutter durch die Straßen Manhattans spaziert.
    „Ich bin jetzt das Archiv deines Lebens, Ma.“
    Es ist eine komplizierte Beziehung zwischen Mutter und Tochter, beide können die Erwartungen der anderen nicht erfüllen. Die Mutter, die all ihre Liebe auf den Vater ausgerichtet hat, verliert ihren Lebensmittelpunkt, die Tochter kann und will der Mutter nicht alles recht machen. Vivian studiert, heiratet trotzig einen Nichtjuden, den sie nicht liebt und der sie nicht versteht. Später hat sie Affären, die die Mutter nicht billigt. Vivians Leben passt nicht in das Schubladendenken der Mutter, und diese hatte viele Laden. Es ist nahezu ein Wunder, dass Vivian als Kind von den Glaubenssätzen der Mutter unbeeindruckt Freundschaften pflegen konnte, mit Marilyn, der Mutter eine „Verrückte“ war, mit der Nachbarin Nettie, eine „Schlampe“ und „unkultiviert“. Nicht so zu werden, wie die Mutter, frei von der Abhängigkeit zu einem Mann, selbstbestimmt zu leben und zu lieben, sind Vivians Ziele. Dabei sind sich die Frauen viel ähnlicher als sie wahrhaben möchten. Sie waren sich die längsten Vertrauten und im Alter beginnt die Mutter, sich von ihrem Denken zu befreien.
    In einem Interview sagt Vivian Gornick über ihre Mutter: „Im Alter hat meine Mutter ihre Meinung dazu aber noch mal geändert. Generell hatte ich den Eindruck, dass sie ihr Leben nie richtig verstehen konnte. Dabei habe ich lange mit ihr darüber geredet, dass das Frausein sie mehr festgeschrieben hat als alles andere. Am Ende hat sie verstanden, was ich damit meine. Sie ist mit 94 Jahren gestorben, zu dem Zeitpunkt war sie selbst Feministin.“
    Ich und meine Mutter ist ein kluges und reflektiertes Memoir und zu Recht ein Klassiker der US-amerikanischen feministischen Literatur.

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