Ich komme nicht zurück: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Ich komme nicht zurück: Roman' von Rasha Khayat
3.5
3.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ich komme nicht zurück: Roman"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:176
EAN:9783832168124

Rezensionen zu "Ich komme nicht zurück: Roman"

  1. 3
    13. Aug 2024 

    Wirkt leider kaum nach

    In ihrem aktuellen Roman "Ich komme nicht zurück" entwirft Rasha Khayat eine Geschichte, die sich um die Freundschaft von drei Personen dreht, die so manche Ähnlichkeit aber auch so manches Trennendes ausmacht. Die Ich-Erzählerin Hanna sowie ihre beiden Freund:innen Zeyna und Cem wachsen im äußersten Westen des Ruhrgebiets auf. Einem Hinweis im Buch folgend sollte es sich um Bochum handeln. Das verbindet alle drei. Was sie trennt ist der Umstand, dass Hanna und Zeyna beide ihre Mutter auf tragische Weise verloren haben, Hanna sogar nie ihren Vater kannte, Cems Eltern aber noch leben und ihn unterstützen können. Hanna passt allerdings dahingehend nicht zu Zeyna und Cem, da diese Muslime sind und deren Eltern bzw. bei Zeyna auch sie selbst nicht in Deutschland geboren sind. Der Anschlag in Mölln macht schon deutlich, dass sie mit unterschiedlichen Ängsten zu kämpfen haben. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die folgende Islamophobie macht den Unterschied zwischen den mittlerweile Jugendlichen noch deutlicher.

    Nun setzt die Handlung mit Hanna ein, die nach dem Tod ihrer Großmutter in ihre Heimatstadt zurückgekehrt ist und wieder intensiveren Kontakt zu Cem sucht und versucht nach einigen Jahren überhaupt wieder Kontakt zu Zeyna aufzubauen. Diese ist nicht auffindbar, zumindest möchte sie von Hanna nicht gefunden werden. Was der Auslöser für diesen massiven Bruch trotz intensiver Freundschaft war, werden wir bis kurz vor Ende des Romans nicht erfahren. Darauf läuft die Entwicklung einer sich immer wieder verändernden Freundschaft zu.

    Grundsätzlich reizt mich die Thematik des Romans sehr, leider muss ich festhalten, dass mich das Buch im Gesamten nicht überzeugen konnte. Das liegt zum einen an der Geschichte, die sich entwickelt, an sich. In den letzten Jahren habe ich sehr viele Roman ähnlichen Inhalts gelesen und das vorliegende Buch konnte mich leider nicht so mitreißen, wie das anderen gelungen ist. Zum anderen hat mir der Spannungsbogen nicht gefallen. Durch Rückblenden erfahren wir bröckchenweise mehr über die Freundschaft der drei sowie über Hannas aktuelle Lebensumstände. Immer wieder wird "der Grund für den Bruch" angeteasert und man fragt sich, welches großes Geheimnis, welcher Vorfall wohl diese innige Freundschaft hat zerbrechen lassen können. Man denkt sich wer weiß was und dann wird die Geschichte aufgelöst und verpufft irgendwie auf den letzten Seiten. Das hat mich einfach nicht mitgenommen bzw. erreichen können, auch wenn ich einige Einzelszenen im Buch durchaus als intensiv empfand.

    Zuletzt und das stört mich am meisten am Roman: der Schreibstil. Hatte ich während der Lektüre der Leseprobe noch gedacht, die Art von Hannas Gedankengängen hänge mit der Einstiegsszene zusammen, musste ich genervt feststellen, dass es sich doch durch den gesamten Roman zieht. Die Autorin lässt ihre Ich-Erzählerin sehr häufig in stichpunktartigen Sätzen denken, denen einfach nur das "Ich" zu Beginn des Satzes fehlt. Zunächst dachte ich noch, es handle sich um ein gezieltes Vorgehen. Dass vielleicht über den gesamten Text hinweg das "Ich" der Erzählerin fehlt. Oder dass erst zum Ende hin das "Ich" wieder zurückkehrt in die Gedanken der Protagonistin und damit auch eine inhaltliche Aussage mit der Form zusammenhängt. Dem ist leider nicht so. Die Autorin wechselt wild zwischen langen Passagen, in denen abgehakte Stichpunkte in Satzform stehen und dann aber doch immer wieder ganz normale Sätze auftauchen. Sodass ich hier keine Strategie dahinter vermuten kann. Zumindest keine, die für mich stimmig ist. So ging mir der gesamte Roman sprachlich wirklich unglaublich auf die Nerven. Zur Verdeutlichung habe ich mal eine beliebige Textstelle von Seite 31 aufgegriffen:

    "Presse meine Lippen aufeinander, schnaufe durch die Nase. Hatte wohl doch gehofft. Stecke das Telefon wieder ein und den Handbesen zurück in die Friedhofstasche, streiche noch einmal über den Stein. 'Bis morgen', flüstere ich, deute ein Winken an und drehe mich um."

    Dadurch, dass dann zwischendurch immer wieder ganz normale Sätze auftauchen, konnte sich bei mir nie ein richtiger Lesefluss einstellen. Erst stolperte ich über die Stichpunktsätze, hatte ich mich daran gewöhnt, taucht ein normaler Satz auf, der mich aus dem Rhythmus brachte, nur um dann beim nächsten Stichpunktsatz wieder zu stolpern. Vor allem zu stolpern, wenn durch die Deklination der Verben und die Anwesenheit anderer Personen nicht gleich deutlich wurde, welche Person jetzt eigentlich gemeint ist. Denn im Verlauf des Romans fehlen auch andere Personalpronomen. Aber nur ganz selten. Auch wieder so, dass man sich nicht darauf einstellen kann. Das mag alles Kalkül der Autorin sein. Mich hat es aber eben sehr gestört.

    Letztlich läge ich rein inhaltlich bei einer Bewertung von 3,5 Sternen für das Buch. Aufgrund des Schreibstils lande ich dann aber doch nur bei 3 Sternen.

    3/5 Sterne

  1. Was eine Freundschaft ausmacht

    Deutschland, im Jahre 2020: Hanna befindet sich in einer Midlife-Crisis. Neben ihrer alltäglichen Einsamkeit drückt ihr vor allem die Corona-Krise aufs Gemüt. Seit einigen Tagen spielt nun auch noch der Verstand verrückt. Bei jeder Gelegenheit sieht sie eine Frau mit dunklen, kurzen Haaren, die ihrer Kindheitsfreundin Zeyna wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Doch zu Zeyna hat sie seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr. Was ist damals eigentlich vorgefallen, das die jahrelange unerschütterliche Freundschaft zwischen den beiden Mädchen und Cem ins Wanken gebracht hat? Hanna erinnert sich und taucht tief ein in die Bochumer Kindheit der 1980er-Jahre...

    "Ich komme nicht zurück" ist der zweite Roman von Rasha Khayat, der bei Dumont erschienen ist. Ein Corona-Roman im Jahre 2024? Möchte man über das Thema eigentlich noch etwas lesen? Ja, denn das Buch behandelt neben Corona auch noch andere gesellschaftlich zentrale Ereignisse, wie beispielsweise den 11. September und die Kindheit von Migrant:innen in den 1980er-Jahren. Zudem ist die Sprache ohnehin ein Ereignis. Auf jeden Fall ist es ein Wagnis, das Khayat eingeht, denn für einige Leser:innen mag die - dringend benötigte - kulturelle Aufarbeitung der Krise noch ein wenig zu früh kommen.

    Wobei Khayat ohnehin von Beginn an ihr Selbstbewusstsein deutlich macht, das sich auf den Roman und dessen Sprache unmittelbar überträgt. Wo andere Autor:innen in der Widmung weit ausholen, begnügt sich Rasha Khayat mit einem koketten "Für: Mich." Sympathisch und ehrlich!

    Das große Plus von "Ich komme nicht zurück" sind in jedem Fall Sprache und Atmosphäre. Khayat wirft die Leser:innen unmittelbar hinein in Hannas Einsamkeit. Der gesamte Text verströmt eine fast schmerzhafte Melancholie, die sich nicht nur aus dem Lockdown speist, sondern auch aus der 80er-Jahre-Kindheit. Der Soundtrack der Jugend, zeitgemäß als Playlist angefügt als "Mixtape für Hanna, Zeyna und Cem", lässt einen selbst zurückblicken auf die 80er-Kindheit, als das Leben noch überwiegend unbeschwert schien. Brillant eingesetzt sind außerdem die Zitate der libanesisch-amerikanischen Schriftstellerin Etel Adnan und des palästinensischen Dichters Mahmoud Darwisch, die dem Roman eine poetische Tiefe geben.

    Das Zentrum der Erzählung ist Zeyna, was Khayat durch einen gelungenen Perspektivwechsel deutlich macht. Immer, wenn es um die verlorene Freundin geht, wechselt Ich-Erzählerin Hanna ins unmittelbare Du. Problematisch daran ist, dass über weite Strecken des Buches die Tiefe der Freundschaft nur behauptet wird. Im Gegenteil hat man eher das Gefühl, als bestünde eine dauerhafte Konkurrenz im Buhlen der beiden Mädchen um die Gunst von Hannas geliebter Großmutter Felizia.

    Ohnehin weist "Ich komme nicht zurück" Schwächen in der Figurenkonzeption auf. Die Großeltern Felizia und Theo sind ausschließlich herzensgut und zu süß gezeichnet. Zeyna ist die vergötterte Freundin, die erst im Rahmen der Attentate vom 11. September ein wenig an Profil gewinnt. Und Cem ist im Grunde nur eine Art Puffer zwischen den Mädchen, ein liebenswerter Junge bzw. Kerl, der niemandem weh tut.

    Khayat setzt sprachlich nach einiger Zeit manchmal zu sehr auf Wiederholungen. So stellt sich Hanna in einigen Szenen beispielsweise selbst Fragen, ehe sie diese nahezu wortgleich an ihr Gegenüber richtet. Falls das für Intensität sorgen soll, erreicht es in Wahrheit eher das Gegenteil. Die Sprache von "Ich komme nicht zurück" ist stark genug, um auf solche Spielereien verzichten zu können.

    Insgesamt ist "Ich komme nicht zurück" aber ein lesenswerter, melancholischer kleiner Roman, der auf seinen 170 Seiten zentrale Themen wie Freundschaft, Einsamkeit, Rassismus und Liebe auf poetische Weise zu einem gelungenen Potpourri vermischt und am Ende inhaltlich mit einer echten Überraschung aufwartet.