Hund, Wolf, Schakal: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Hund, Wolf, Schakal: Roman' von Behzad Karim Khani
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Inhaltsangabe zu "Hund, Wolf, Schakal: Roman"

Nach der Hinrichtung der Mutter im Tumult der Iranischen Revolution fliehen der elfjährige Saam und sein kleiner Bruder Nima mit ihrem Vater nach Deutschland. Doppelt fremd im arabisch dominierten Neukölln, fristet der Vater ein Leben zwischen Taxifahren, Backgammon und Scham, während Saam versucht, die Rolle des Familienoberhaupts auszufüllen. Mit allen Mitteln erkämpft er sich Respekt unter den brutalen Straßengangs, um seinen Bruder Nima zu beschützen. Bis er eines Tages zu weit geht. In seinem spektakulären Debüt schreibt Behzad Karim Khani über die komplizierten Schicksale von Revolutionären, Kleindealern und Messerstechern und entwickelt dabei einen ganz eigenen Sound, in dem sowohl die Melancholie iranischer Prosa als auch die Härte afroamerikanischen Raps anklingen.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:288
Verlag: Hanser Berlin
EAN:9783446273788

Rezensionen zu "Hund, Wolf, Schakal: Roman"

  1. Ein großartiges Debüt mit einem eigenen Sound

    Jamshid, Intellektueller und überzeugter Kommunist, kämpft während der iranischen Revolution gegen das Shah-Regime für Freiheit und Demokratie. Doch der Machtwechsel bringt nicht die ersehnte Freiheit, sondern ebenfalls Unterdrückung, Folter und Tod für diejenigen, die die Entwicklung zu einem islamistischen Staat nicht mittragen wollen. Jamshids Frau wird erst eingesperrt, gefoltert und schließlich hingerichtet. Dem Familienvater bleibt nichts anderes übrig als mit seinen Söhnen Saam und Nima zu fliehen. Die drei landen in Berlin Neukölln, versuchen dort irgendwie zurechtzukommen. Jamshid arbeitet als Taxifahrer und bemerkt, wie ihm vor allem sein ältester Sohn über die Jahre hinweg immer mehr entgleitet, er „immer mehr zum Minenfeld wurde“ (S. 75). Es fehlen ihm die Kraft und die Möglichkeiten, diesem Prozess irgendetwas entgegenzusetzen.

    Behzad Karim Khani schreibt über das Aufwachsen in in einer harten Welt, die ihren ganz eigenen Gesetzen folgt.

    „Hier umarmten und erschlugen sie einander beiläufig. Ohne Ursache. Ohne Wirkung“ (S. 47). Saam schlittert über seine Bekanntschaft mit Heydar, einem libanesischen Schulkameraden, der ständig irgendwelche Geschäfte am Laufen hat und im Viertel bereits als Jugendlicher Respekt und Ansehen genießt, zunächst eher widerwillig auf die schiefe Bahn. Er lernt, sich körperlich durchzusetzen, beteiligt sich an kriminellen Aktionen, gibt sich nach außen hart, obwohl auch er Angst hat, in brenzligen Situationen einen Kloß im Hals verspürt, das alles eigentlich nicht will, aber in diesem Umfeld kaum anders kann.

    „Ein Spiel, das einfach nur ein Spiel blieb, befand sich nicht im Rahmen des Vorstellbaren. Spaß in Kombination mit Respekt gab es nicht. Immer hatte alles mit diesen Millimetern der Machtverschiebung zu tun“ (S. 60). Auch Saams jüngerer Bruder Nima erlebt die Härte der Straße, gerät aber nicht wie Saam in eine Abwärtsspirale der Gewalttätigkeit und Kriminalität. Früh begeistert er sich für das Skateboardfahren, findet einen Freund, der seine Leidenschaft teilt und verbringt nach der Schule viel Zeit auf dem Board. Er begnügt sich mit kleineren Delikten und lernt, als er sich in eine Schulkameradin verliebt, die für ihn sehr fremde Welt eines deutschen Akademikerhaushaltes kennen. Trotzdem bleibt auch er letztendlich in der „Parallelwelt“ Neukölln stecken.

    „Hund, Wolf, Schakal“ ist eines meiner Jahreshighlights. Ich liebe die Sprache des Autors. Auf fast jeder Seite musste ich kurz innehalten, weil mich die Sätze mitten ins Herz, oft auch in die Magengrube getroffen haben und ich von der feinen Beobachtungsgabe des Autors ergriffen war. Kurz und präzise findet Behzad Karim Khani ausdrucksstarke Bilder für diese harte Welt und der in ihr verlorenen Protagonisten. Seine Art zu schreiben überwindet Distanz: Ich habe mich Saam, Nima, aber auch Jamshid nah gefühlt, habe die Welt ein Stück weit durch ihre Augen gesehen. Der Autor beschönigt nichts, tastet aber nie an der Würde seiner Hauptfiguren. Bei aller Tragik und Brutalität gibt es im Roman neben zarten und schönen Szenen auch sehr witzige Passagen und Gedanken, die mich schmunzeln, manchmal auch laut auflachen ließen. Gerade letzteres passiert mir fast nie in Romanen. Auch Elemente des magischen Realismus haben Eingang in den Roman gefunden. Der Autor verwendet diese sparsam; die Wirkung ist dabei umso kraftvoller und gerade die Figurenzeichnung von Saam erreicht dadurch eine große Tiefe.

    „Hund, Wolf, Schakal“ hat mich bewegt, in seiner Glaubwürdigkeit überzeugt, sprachlich und inhaltlich begeistert. Gerne würde ich 10 Sterne für dieses beeindruckende, großartige Debüt vergeben.

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  1. Von arabischer und iranischer Diaspora

    Kurzmeinung: Minimalistisch und stark!

    Jamal kommt mit seinen beiden Söhnen Saam und Nima auf einigen Umwegen nach Berlin. Jamal ist Kommunist und Revolutionär, er kämpfte gegen das Shahregime und verlor dabei ein Bein, seine Frau wurde im staatlichen Evingefängnis von Teheran umgebracht. Dies alles erfährt man auf den allerersten Seiten, es ist kein Geheimnis, das kann jeder wissen.

    Behzad Kari Kahni beschreibt wie Saam quasi von Anfang an chancenlos ist, denn er gerät schon in der Grundschule in die Fänge der arabischen Mafia, die von da an sein Leben bestimmt. Die Araber leben nach Gesetzen, die schwer zu durchschauen sind. Saam gehört nie ganz dazu, kann sich aber auch nicht entziehen, denn die eigene Diaspora findet er nicht; Jamal schon. Aber Jamal und seine Söhne sind nicht fähig, miteinander zu kommunizieren. Die Araber (in der Story) erkennen keine Gesetze an, die sie nicht selber machen. Was sie wollen, nehmen sie sich. Saam hat noch Glück, dass er nicht in ihrem Fadenkreuz steht, sondern unter der Vormundschaft seines Freundes Heydar lebt. Mit ihm zusammen schlittert er von einem Gesetzesbruch zum nächsten, von der Kleinkriminalität in die große, dann ins Gefängnis. Die Spirale der Gewalt hält ihn auch dort fest im Griff.

    Der Kommentar:
    Die ganze Zeit über frage ich mich, ob Saams Schicksal unausweichlich gewesen ist. Ich kann keine Antwort finden. Behzad Karim Khanis Geschichte ist fiktional, sicher, aber andererseits überaus real. In knappen Kapiteln schmeißt er dir Saams Leben ins Gesicht. Seine Erzählart ist kraftvoll, minimalistisch und nüchtern. Die verwendeten Bilder sind auf den Punkt. Man ist im Milieu und nirgendwo anders. Die Dialoge sind Slang und karg. Das Ende folgerichtig und erschütternd. „Hund, Wolf, Schakal“ ist dennoch kein brutaler Roman. Das Übliche „ich beklage mich, ich klage an“ gibt es nicht. Nur harte Fakten.

    Fazit: Ein Debüt, das seinesgleichen sucht. Hund, Wolf, Schakal, ist der beste „Migrantenroman“, den ich je gelesen habe.

    Kategorie: Anspruchsvoller Roman
    Hanser Verlag, 2022

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