Hey guten Morgen, wie geht es dir?: Roman
Worum geht es ?
Juno und Jupiter leben in Leipzig. Juno heißt eigentlich Isabella Flock, ist Mitte fünfzig und Performancekünstlerin mit Schwerpunkt Tanz. Jupiter, Junos Mann, hat eine schwere Krankheit, wird von Juno versorgt und ist Schriftsteller. Mit den Einnahmen aus Junos Auftritten als Tänzerin und dem Pflegegeld für Jupiter kommen die beiden finanziell knapp über die Runden.
Juno ist schlaflos und vertreibt sich die Nächte zum Spaß mit Tinder. Hier gerät sie an den Love-Scammer Owen_Wilson223, ein 32jähriger Afrikaner, dessen richtiger Name Benu ist und der von Nigeria aus mit ihr chattet. Juno will zunächst "nur mit Benu spielen", sie nennt das "lügen nach Mitternacht". Aber der Chat wird bald persönlicher, auch wenn Juno nicht offenbart, wo sie wirklich wohnt und dass sie mit Jupiter verheiratet ist.
meine Meinung:
Dieser Roman hat mir sehr gefallen. Die erwartete Love-Scamming Geschichte, in der ältere, einsame Frauen von Betrügern, meistens von in Afrika in prekären Verhältnissen lebenden jungen Männern finanziell ausgebeutet werden, nimmt hier nicht den erwarteten Verlauf. Zum Einen ist Juno insofern kein typisches Opfer, vielmehr eine attraktive, durchtrainierte Tänzerin und finanziell weniger gut gestellt. Zum Anderen öffnet sich der junge Benu ihr gegenüber, indem er seine wahre wahre Identität preisgibt und zugibt, ein Love-Scammer zu sein.
Diese Gegenüberstellung zweier Leben, eines im "reichen" Deutschland, das andere im Entwicklungsland Nigeria, ist m. E. gelungen. Das Leben an so verschiedenen Orten dieser Welt ist für die Protagonisten schwierig, in Nigeria und in Deutschland. Hier wird nicht bloß eine "Sugar Mom" trifft auf "loverboy" Geschichte erzählt, anhand der die unbestreitbar ungerechte Diskrepanz der allgemeinen Lebensverhältnisse zwischen beiden Ländern verdeutlicht werden soll. Es geht um die Seelen zweier Menschen, die irgendwann eine Übereinstimmung finden, trotz der höchst unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der beiden.
mythologischer und astronomischer Hintergrund:
Junos Kosmos ist Jupiter. Nicht zufällig steht der Name Jupiter in der römischen Mythologie für die oberste römische Gottheit, der Name seiner Gattin Juno für die höchst römische Göttin. Die Romanfigur Juno liebt die Astronomie, also die Sternenkunde, liebt das Weltall. Sie schaut nachts in den Sternenhimmel, ist fasziniert von Sternenbildern am Himmel, stellt sich vor, wie diese in Nigeria erscheinen mögen. Der Name Juno steht auch für einen Asteroiden, einer der größten des Asteroidengürtels.
Jupiter ist der größte Planet im Sonnensystem, versehen mit 95 Monden. Benu ist in der ägyptischen Mythologie ein altägyptischer Totengott, der als Purpurreiher neugeboren aus seinem Überwinterungsgebiet nach Ägypten zurückkehrt.
Fazit:
Was und ob das alles mit den Romanfiguren Juno, Benu und Jupiter zu tun hat, möge jeder, der sich jetzt für diesen Roman interessiert, selbst herausfinden. Es ist eine anrührend erzählte Geschichte um menschliche Beziehungen, die mich am Ende mit einem wehmütig, wohligen Gefühl zurückgelassen hat. Der Roman ist auf der Longlist 2024 des Deutschen Buchpreises und ich wünsche es der Autorin, dass sie es auch auf die Shortlist schafft.
5 Sterne, sehr lesenswert.
Fast romantisch
Die Tänzerin Juno lebt in Leipzig zusammen mit ihrem Mann. Dieser, Jupiter, ist schwer krank und braucht Junos Unterstützung. Das Geld ist knapp und der Zerstreuung wenig. Juno kann nicht gut schlafen. Also hängt sie spät abends oft am Computer und scrollt so vor sich hin. Immer häufiger stößt sie auf Love-Scammer und zum Glück kennt sie die Mache und das Wort. Sie wird auf keinen von ihnen hereinfallen. Ein wenig dreht Juno den Spieß um und lügt was das Zeug hält bis sie blockiert wird. Bis da einer ist, der nett antwortet, dem sie ein wenig von der Wahrheit erzählt.
Möchte man in Junos Haut stecken? Sie ist nicht mehr ganz jung, aber Tänzerinnen müssen ihren Körper fit halten und so bekommt sie hin und wieder Auftritte. Jupiter ist Autor, aber krank. Manchmal müssen sie vom Pflegegeld leben, doch machmal gibt es einen unerwarteten Geldsegen. Dann wieder flüchtet Juno für ein paar Tage in ihr Elternhaus, um mal rauszukommen, um das Schlafen wieder zu lernen. Ihr und Jupiter geht es nicht schlecht, es könnte nur einfacher sein. Da sind die Nachrichten, die sie mit dem Unbekannten austauscht wie eine Insel.
Auf der Shortlist der Nominierungen für den Deutschen Buchpreis ist dieses Buch zu finden. Und genau darüber hat man selbst es auch gefunden, sonst wäre es leicht zu übersehen gewesen. Doch dieser kleine Roman besticht mit seiner Leichtigkeit, in der doch einiges an Tiefgang verborgen ist. Vor Love-Scammern wird gewarnt, die Schicksale einiger Frauen, von denen Juno erfährt, sind mitunter herzzerreißend. Schön, wenn es mal eine einen Scam mit den Scammern wagt. Und doch handelt Juno auch aus einer Not heraus. Obwohl sie und Jupiter sich einander zugetan sind, leben sie doch nebeneinander her. Da bekommt der Nachrichtenaustausch etwas von einem Ersatz und auch etwas Bittersüßes. Man möchte sie wie Juno auf den Boden legen und die Decke betrachten. Ein Roman, der richtig auf der Shortlist tanzt.