Heute fahre ich nach Morgen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Heute fahre ich nach Morgen: Roman' von Kateryna Babkina
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Heute fahre ich nach Morgen: Roman"

In der flirrenden Hitze eines ukrainischen Sommers Jung, kreativ, unbeschwert: Die selbstbewusste und abenteuerlustige Künstlerin Sonja genießt ihr Leben in vollen Zügen. An morgen muss sie nicht denken - jeder Tag bringt ohnehin etwas Neues. Warum sich also festlegen? Doch inmitten der langsam dahinfließenden Sommertagen nimmt die Sorglosigkeit ein abruptes Ende: Über Nacht von ihrem Freund verlassen und von einer ungeplanten Schwangerschaft überrumpelt, wird sie mit ganz neuen Fragen konfrontiert ... Hunger nach Leben und Antworten: Die Welt ruft! Die ungewohnte Situation ist für Sonja ein grober Einschnitt, aber auch eine neue Perspektive: Bisher unbekannte Wege und Horizonte eröffnen sich ihr. Hinter dem Steuer eines alten Lada macht sie sich auf die Reise - und auf die Suche nach sich selbst. Auf nächtlichen Straßen begegnen ihr skurrile Gesichter und mit noch skurrileren Geschichten. Wohin führt sie ihr Abenteuer? Wird sie finden, was sie sucht? Und welche Rolle spielt der geheimnisvolle Kai, der mit seiner ungewöhnlichen Geschäftsidee, Wunder zu verkaufen, durch Europa zieht?

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:160
Verlag: Haymon Verlag
EAN:9783709972274

Rezensionen zu "Heute fahre ich nach Morgen: Roman"

  1. Eine Reise, die man so schnell nicht wieder vergisst

    Der Klappentext:

    Die junge und selbstbewusste Künstlerin Sonja genießt ihr unbeschwertes Leben in vollen Zügen. Doch die Sorglosigkeit nimmt ein abruptes Ende. Über Nacht wird sie von ihrem Freund verlassen und von einer ungeplanten Schwangerschaft überrumpelt - ein grober Einschnitt, aber auch der Startschuss für eine Reise ins Unbekannte. Hinter dem Steuer eines alten Lada macht sie sich auf den Weg - und auf die Suche nach sich selbst ...

    Meine Meinung:

    Kateryna Babkina hat mit »Heute fahre ich nach Morgen« einen Roman geschaffen, der mit einem wundervollen und leicht verständlichen Schreibstil bezaubert. Die Geschichte selbst hat irgendwie auch etwas Magisches, ohne jedoch ins Fantasy-Genre abzurutschen. Es ist von Zeit zu Zeit die Rede von Wundern und Dingen, die man sich nicht logisch erklären kann.
    Die Protagonistin Sonja ist eine junge Frau, die herausfindet, dass sie schwanger ist und diese Tatsache zum Anlass nimmt, ihren Vater, den sie nie kennengelernt hat, aufzusuchen, um eine Beziehung zu ihm herzustellen.
    Sonja war für mich nicht ganz greifbar auf der Gefühlsebene, dafür waren mir die 164 Seiten einfach zu knapp. Dennoch war sie mir sympathisch, vor allem, weil sie hin und wieder ihren Kopf in den Wolken hatte, also ein wenig verträumt war, und weil sie trotz ihrer Angst vor dem Baby in ihrem Bauch, von dem sie auch nicht wusste, wer der Papa ist, auf Reisen geht, um den verlorenen Part ihrer Familie zu finden.

    ~ »Man kann niemandem vertrauen. Aber manchmal lässt es sich nicht vermeiden.« ~
    (S. 28)

    Und so kam Sonja mir zeitweise auch vor: verloren und sich nach dem Lebenssinn fragend. Dieses Buch ist auf jeden Fall eines, in dem viel herumgereist wird: von der Ukraine nach Polen, nach Deutschland, nach Griechenland und schlussendlich noch einmal nach Deutschland. Sonja trifft auf ihrer Reise allerhand Menschen, die sie komischerweise fast alle kennt und die sie auf ihren verschiedenen Stationen auch immer wieder trifft. - Was für mich etwas eigenartig war, da mir irgendwie der Zusammenhang gefehlt hat. Mir kamen all die wiederholten Treffen der Buchfiguren sehr zufällig und unwahrscheinlich vor.

    Die Suche nach Sonjas Vater hat sich für mich nicht wirklich als Suche entpuppt, sondern mehr als "ich-reise-einfach-mit-den-Menschen-mit,-die-mir-begegnen-und-schaue,-wer-oder-was-mir-sonst-noch-so-über-den-Weg-läuft".
    Im Grunde war genau das aber ja auch das Spannende an der ganzen Geschichte: man wusste nie, wer oder was als nächstes auf Sonjas Reise auftauchen würde.

    ~ Sonja fühlte sich unsichtbar wie eine umherirrende Seele. Vielleicht passierte genau das mit Menschen, wenn sie etwas Derartiges ereilte? ~
    (S. 151)

    Die letzten Seiten des Buches fand ich sehr überraschend, da ich so überhaupt nicht damit gerechnet habe, was die Protagonistin über den Mann, mit dem sie gereist ist, herausfindet. Aber ob das Schockierende, was Sonja herausgefunden hat, überhaupt der Wahrheit entspricht, hat man als Leser am Ende leider nicht mehr erfahren, da Sonja eine in meinen Augen ziemlich überstürzte Handlung getätigt hat. Ich persönlich fand diese Ungewissheit nach dem Lesen des letzten Satzes etwas unbefriedigend, aber wenn ich mir die Art der Protagonistin jetzt noch einmal ins Gedächtnis rufe, war diese Reaktion am Ende eh zu ihr passend.

    Alles in allem hatte ich meine Freude beim Lesen. Auch, wenn die Handlung an manchen Stellen für mich nicht immer ganz glaubhaft war und das Ende mich nicht völlig zufriedengestellt hat, so fand ich wenigstens den Schreibstil besonders und irgendwie magisch, zum Träumen einladend. Die Autorin hat es damit geschafft, mich zeitweilig komplett in eine andere Welt zu entführen!

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  1. Unkonventionell, bilderreich, fantasievoll

    Inhalt
    Sonja ist eine lebenslustige junge Frau, eine Malerin, die von allen gemocht wird, in den Tag hineinlebt und die Wahrheit liebt:

    "Sonja wollte niemanden belügen und wenn sie doch jemanden belog -was immer mal wieder passierte-, ging sie danach hin und sagte die Wahrheit." (S.8)

    Sie lebt in der Ukraine, hat drei guten Freundinnen - Eteri, Nastja und Katja - und einen französischen Lebensgefährten Louis. Doch dieser verlässt sie, da er sie nicht mehr liebt. Dies zerreißt der optimistischen jungen Frau das Herz:

    "Erst bei Louis hatte Sonja verstanden, wovor sie sich wirklich fürchten musste: vor dieser Leere, die kam, wenn alles vorbei war. Vor der inneren Taubheit...vor dieser völligen inneren Taubheit." (S.100)

    Von Selbstzweifeln geplagt, wagt sie ein nächtliches Abenteuer in einem verlassenen Taubenschlag, das mit fantasievollen Bildern erzählt wird:

    "Der Mann war warm, es war schön, ihn zu umarmen. Grünlich, spärliches Licht brach durch die Ritzen in den Brettern, es zitterte vor den kleinen Fenstern. Die unsichtbaren Tauben stöhnten irgendwo auf dem Dach, schlugen mit ihren Flügeln, schmiegten sich aneinander und rückten in die schrägen Morgenstrahlen. Sonja spitzte ihre Lippen und küsste den Mann auf den Bart und neben den Mund - was blieb auch sonst zu tun?" (S.23)

    Sie stellt danach fest, dass sie schwanger ist. Doch sie kann keine Beziehung zu dem kleinen Wesen in ihr aufbauen. So kommt sie auf die Idee ihren Vater aufzusuchen, der ihre Mutter und sie verlassen hat, als sie noch ganz klein war. Auf der Reise mit ihrem altersschwachen Lada in ihre Heimatstadt und ihre Vergangenheit begegnet sie einer Frau, die mit den Toten spricht, dem Zigeunerclan der Likarenkos, der immer wieder ihren Weg kreuzen wird, sowie ihren alten Schulfreund Sascha Wertipu, Pu genannt. Dieser lebt mit Zhenja Wertipo, Po genannt, zusammen.

    Da die beiden Männer als homosexuelles Paar Anfeindungen ertragen müssen und Sonjas Vater sich wahrscheinlich in Polen aufhält, beschließen sie gemeinsam mit Sonjas Auto dorthin zu reisen. Nach einem Unfall direkt hinter der Grenze, begegnet Sonja Kai, einem gut aussehenden, aber dubiosen Geschäftemacher, der mit "Wundern" handelt, und vor dem sie ihre Freundinnen telefonisch eindringlich warnen und dem sie nichts von dem Kind erzählen möchte:

    "Sonja, sagte Eteri, dein leichtes Leben hatte Charme. Alles, was du erlebt hast, ist ohne dein aktives Zutun geschehen, und das war gut. Aber alles zu seiner Zeit. Diese Zeit ist zu Ende. Du bist schwanger. Das vergeht nicht einfach so, das hast du selbst gesagt, und wenn doch, wird es davon nicht besser." (S.102)

    So muss sich Sonja auf die Suche nach ihrer Identität als Mutter machen, ihre Gefühlswelt ordnen und neue Wege gehen. Dabei durchläuft sie "Irrungen und Wirrungen", die teilweise recht fantasievoll, aber auch humorvoll anmuten und im Morgen enden.

    Bewertung
    Ein ganz ungewöhnlicher Roman, der durch seine unkonventionelle Bildersprache überzeugt.
    Die Geschichte ist teilweise etwas skurril und von vielen Träumen Sonjas durchzogen. So erscheinen ihr vor dem Unfall Elche und in Griechenland am Strand ein jüdischer Junge, der im realen Leben im Konzentrationslager vergast wurde und nun behauptet, er wolle mit ihrer Hilfe wieder geboren werden. Nach dieser "Erscheinung" spürt sie ein zweites Herz in sich schlagen und sie kann das Kind annehmen. Es sind fast märchenhafte Szenen innerhalb des Romans, die so leicht daher kommen, als wäre es selbstverständlich, dass die Seele eines Verstorbenen mit Sonja redet. Zeugt es von ihrer reichen Fantasie und Gefühlswelt, von ihren verzweifelten Wunsch, das Kind zu spüren und ihrer Angst, es könne sie nicht lieben? Oder ist es Sonjas kindlicher Glaube, ihr Wille, nicht erwachsen werden zu wollen und Verantwortung zu übernehmen, die ihr diese Traumbilder eingeben? Die Fragen bleiben offen und lassen den Leser/innen die Freiheit, diese Szenen selbst zu deuten.
    Mit einem Augenzwinkern wird auch der Aberglaube und die Leichtgläubigkeit einiger Menschen am Beispiel der Wunder, die Kai "verkauft", aufgedeckt.

    Ein unkonventionelles Debüt mit einer unbändigen Lust bilderreich zu erzählen, der Lust auf weitere Romane der jungen Autorin macht.

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