Herkunft

Buchseite und Rezensionen zu 'Herkunft' von Botho Strauß
4.2
4.2 von 5 (5 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Herkunft"

Botho Strauß erzählt, wovon er noch nie erzählt hat: Von seiner Kindheit und Jugend, von den Orten und Landschaften, in denen er aufgewachsen ist, von seinen Erinnerungen an die prägenden, frühen Jahre, von seinem Vater. Botho Strauß erzählt die Geschichte seiner Herkunft.

Botho Strauß wurde im Dezember 1944 in Naumburg geboren. Der Vater verließ in den 1950er Jahren Hab und Gut, ging in den Westen, nach Bad Ems, fing mit sechzig Jahren wieder von vorn an: "Wir sind weggegangen, weil wir nicht wollten, dass du dort zum Kommunisten erzogen wirst."

Mit seinem neuen, überraschenden Buch findet Botho Strauß noch einmal zu einer ganz neuen Seite seines Schreibens, zu einem ganz anderen Rhythmus: Zum Ton des Erinnerns, der Vergewisserung über die eigenen Ursprünge. Die Jugend ist die Zeit, da die Zukunft einem noch bevorsteht; jetzt lässt Strauß eine lang zurückliegende Gegenwart wiedererstehen. Vor allem ist es der Vater, dessen Bild immer deutlicher hervortritt, liebevoll gezeichnet, doch ohne Selbsttäuschung. Botho Strauß' Herkunft ist das konzentrierte, reiche Werk eines großen Erzählers.

Format:Hörbuch-Download
Seiten:0
EAN:

Rezensionen zu "Herkunft"

  1. Von der Herkunft – von was sonst?

    „Herkunft“ ist das dritte Buch, das ich von der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019 ablese und das erste Buch, das ich von Saša Stanišić lese. Ich mag seine lakonische Art.

    An verschiedenen Orten aufgeschrieben, nämlich in Hamburg, Višegrad, Zürich und Split erinnert Saša seine „Herkunft“ aus dem Damals. Damals als die Balkanstaaten noch ein einziges Jugoslawien bildeten, die meiste Zeit unter Tito. Und wo die Großeltern väterlicherseits und mütterlicherseits lebten. Natürlich an verschiedenen Orten. Višegrad und Oskoruša.

    Als Saša zwölf ist (oder vierzehn) kommen die Eltern nach Heidelberg, sie sind Geflüchtete. Migranten. Es ist schwierig, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Die Eltern müssen einige Jahre später in die USA ausweichen. Saša aber bleibt vorort und studiert in Heidelberg. Wir wissen, dass er irgendwann die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hat, aber darüber wird nichts weiter berichtet (oder ich habe es überlesen). Allerdings nimmt der Autor es übel, dass er für den Nachweis der Spachfähigkeit etwas aufschreiben soll, und nimmt dieses unerhörte und ungebührliche Ansinnen (von seiner Seite her gesehen) als Anlaß, dieses Buch zu schreiben. Ich begreife wirklich nicht, warum Migranten glauben, man müsste ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit nachwerfen.

    Was macht „Herkunft“ so besonders, dass die oft literarisch eingefärbte, beziehungsweise verfremdete, Autobiografie von allgemeinem öffentlichen Interesse wäre?

    Zwischen Eichendorf, einer Trauma-Schlange, einer dementen Großmutter, Haushalt, Arbeit und Sohn, in einer nicht chronologischen Anordnung, versteht der Leser nicht unbedingt immer, was erfunden und was gelebt ist, ja sogar nicht einmal immer, was gemeint ist.

    Was der Heimatverlust für die Eltern bedeutet haben mag, wird an den Jobs deutlich, die sie, mit geringen Sprachkenntnissen ausgestattet, annehmen mussten und die deutlich unter ihren intellektuellen Möglichkeiten lagen. Jedoch nicht an ihren Emotionen. Der Roman ist emotionssparsam. Er ist gut geschrieben, keine Frage. Und erhält durch die Flucht vor den Balkankriegen eine gewisse Brisanz. Allerdings nimmt dieser Teil nur sehr wenig Raum ein.

    Mehr Raum ist der dement gewordenen Großmutter gewidmet und ihrem langsamen Tod. Die Trauer darüber wird im Buch literarisch gemildert, in dem der Autor nach vier Fünfteln aus seinem Buch einen „Wähle-das-Ende-aus-Roman“ macht: Je nachdem, welche Option der Leser wählt, liest er auf Seite x oder y weiter und so fort. Solche Bücher hat der Saša in seiner Jugend geliebt. Mir hat dieser Teil allerdings am wenigsten zugesagt. Sollte er an ein Märchen erinnern? Es ist albern.

    Der beste Satz: „Ich verstehe nicht, dass Herkunft Eigenschaften mit sich bringen soll, und vestehe nicht, dass manche bereit sind, in ihrem Namen in Schlachten zu ziehen.“ Ja, ich auch nicht. Aber darüber hat der Roman eben wenig gesagt. Überhaupt hat er wenig gedacht und kaum etwas reflektiert. Er hat von Privatem erzählt. Das wars aber auch.

    Erinnerung und Erinnerungsorte sind in Ordnung. Aber sie sind etwas Privates. Sofern nicht etwas Bedeutendes, Prägnantes sie heraushebt aus den Erinnerungen aller anderer Menschen, sind sie eben nichts weiter als das: ein privates, für die Allgemeinheit nicht relevantes Erinnern.

    Fazit: „Herkunft“ ist eine literarisch verfremdete und aufgeputzte Biografie von mäßigem allgemeinen Interesse. Emotionsarm. Der Roman ist eine Teil-Autobiografie, die auch nichts anderes zu berichten weiß als das, was alle anderen Menschen so erleben. Mehr oder weniger. Demente Angehörige haben viele. Das Buch ist nett zu lesen, aber ich konnte zu keiner Zeit "das Besondere" an ihm erkennen.

    Kategorie: Longlist Deutscher Buchpreis, 2019
    Autobiografie.
    Verlag: Luchterhand, 2019

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  1. 4
    16. Jul 2021 

    Viele kleine Geschichten

    Wer bei diesem Buch einen Roman erwartet, eine fortlaufende Geschichte über einen Menschen oder eine Familie, wird gleich zu Beginn irritiert sein. Denn 'Herkunft' erzählt zwar von einem Menschen und seiner Familie, springt dabei jedoch hin und her zwischen Zeiten, Welten, Personen. In vergleichsweise kurzen Kapiteln (meist nur 2, 3 Seiten lang) lernen wir den Herkunftsort der Stanišić' kennen, einen Großteil der Verwandtschaft sowie der Vorfahren, um gleich danach im Jahre 2018 zu landen und wieder zurück im früheren Jugoslawien.
    Berichtet wird von Alltäglichem, zum Beispiel der Art des Lebens im früheren Jugoslawien, aber auch von den Schwierigkeiten, die die Familie Stanišić bewältigen musste: Flucht vor dem Bosnienkrieg, Ankunft in einem fremden Land (Deutschland) und das Zurechtfinden dort, der Versuch eines Neuanfangs. Nicht immer wird einfach erzählt, manchmal werden ganz sachlich nur Dinge aufgezählt, beispielsweise um den Großvater zu beschreiben.
    Gemeinsam mit dem Autor kommt man mit jeder Seite seiner Herkunft näher, seinem Verständnis von Heimat, was sich nicht nur im früheren Jugoslawien festmachen lässt. Es ist die Verbundenheit zu Menschen und Orten zu verschiedenen Zeiten, wo man sich sicher und willkommen fühlt(e). "Fragt mich jemand, was mir Heimat bedeutet, erzähle ich vom freundlichen Grüßen eines Nachbarn über die Straße hinweg."
    Durch die vielen Wechsel von Ort und Zeit lässt sich das Buch nicht so einfach lesen wie zum Beispiel 'Wie der Soldat das Grammofon repariert', aber Saša Stanišić' humorvoller Grundtenor machen es einem auch nicht allzu schwer. "Rike (seine erste Liebe) mochte kein Fleisch (ich leider schon), also wurde ich irgendwann Vegetarier. Mutter hätte mich dafür wahrscheinlich am liebsten mit Frühlingslauch erwürgt."
    Es ist ein gutes Buch nicht nur über Herkunft, sondern ebenso darüber was es bedeutet, fremd zu sein, nicht dazuzugehören. Und wie wenig es im Grunde genommen braucht, eine Heimat zu haben.

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  1. 5
    12. Nov 2019 

    Der große Zufall, der sich Herkunft nennt

    Sasa Stanisic hat für sein autobiografisches Buch „Herkunft“ in diesem Jahr den Deutschen Buchpreis erhalten und mich aufgrund des so hochaktuellen Themas auch für dessen Lektüre eingenommen. Ich habe es nicht bereut.
    Sasa kommt nach einer Jugend in einem ländlichen Teil Jugoslawiens im Jugendalter nach Deutschland, nachdem zu Hause ein Staat zusammengebrochen ist und sich ehemals Zusammengehörige grausam bekriegen. Seine Jugend verlebt er mit vielen Stigmata beschwert (zB Sprache, merkwürdige Häkchen im Namen, fehlender Wohlstand) in Heidelberg, wo eine Tankstelle zu seinem Lebensmittelpunkt wird. Stark damit beschäftigt, den Integrations- und Anpassungsprozess zu stemmen, verliert die Heimat für ihn immer mehr an Kontur und Bedeutung.

    „Meine Rebellion war die Anpassung. Nicht an eine Erwartung, wie man in Deutschland als Migrant zu sein hat, aber auch nicht bewusst dagegen. Mein Widerstreben richtete sich gegen die Fetischisierung von Herkunft und gegen das Phantasma nationaler Identität. Ich war für das Dazugehören.“

    Er schafft mit viel Engagement dann nicht nur diese Integration, sondern wird – das wissen wir als seine Leser heute – zum herausragenden Literaten in einer ihm nicht von Geburt an eingegebenen Sprache. Dieser gewagte und gelungene Sprung in der Biografie des Autoren schwang bei der Lektüre für mich permanent mit und hat mir eine Menge Respekt abgerungen.

    „Bevor ich den Friedhof von Oskorusa sah, hatte ich mir aus Herkunft im Sinne familiärer Abstammung nichts gemacht. Meine Großeltern waren einfach da.“

    Doch irgendwann packt ihn dieses Thema irgendwann doch. Er reist zu seiner immer älter werdenden, in Bosnien zurückgebliebenen Familie und versucht nun, weitestgehend zu spät, die Familienbanden zu ergründen. Da ist vor allem die dement werdende Großmutter, die ihm wegen ihrer Krankheit nur noch unzureichend bei der Ergründung der Vergangenheit behilflich sein kann.
    Und so wird aus dem Buch kein authentischer Bericht über eine Reise in die eigene Vergangenheit, sondern es bleibt immer und an jeder Stelle Fiktion,

    „Fiktion, wie ich sie mir denke, …, ist ein offenes System aus Erfindung, Wahrnehmung und Erinnerung, das sich am wirklich Geschehenen reibt –„

    auch wenn es dem Autoren hier deutlich schwer fällt, die persönliche Distanz immer einzuhalten. Aber was ihm nicht schwer fällt, ist grundlegendes Empfinden zum Thema Herkunft aus der Sicht eines aus der Heimat Vertriebenen und für eine neue Heimat Kämpfenden zu schildern. Die Heimat von Sasa Stanisic liegt irgendwo zwischen dem Friedhof von Oskorusa, einer dunklen Tankstelle in einem unschönen Heidelberger Vorort und der Sprache, in der er seine Gefühle und Stimmungen auszudrücken vermag.

    „Dass ich diese Geschichte überhaupt schreiben kann und schreiben will, verdanke ich nicht Grenzen, sondern ihrer Durchlässigkeit, verdanke ich Menschen, die sich nicht abgeschottet, sondern zugehört haben.“

    Mit seiner Geschichte und wie er sie aufschreibt entlarvt Stanisic Herkunft als etwas, was eben nicht von Blut und Boden durchdrungen ist. Es ist viel mehr das Ergebnis einerseits eines reinen Zufalls und andererseits einer aktiven Lebensgestaltung.

    Mein Fazit:
    Ein ungemein wichtiges und dabei gleichzeitig sowohl wortgewaltiges als auch empfindsames Buch über ein Thema, das heute bedauerlicherweise eine neue große Aktualität gewonnen hat.

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  1. Preisträger des Deutschen Buchpreises 2019

    „Herkunft“ klingt nach Heimat, klingt vertraut und einfach, und ist dennoch ein unglaublich komplexes Konzept. „Herkunft“ ist ein Begriff, der dicht verwoben ist mit persönlichen Erfahrungen, Erwartungen, Wünschen und Ängsten, mit dem ureigensten Selbstbild, mit familiärer Historie und dem eigenen geographischen Ursprung, mit Heimat oder deren Verlust. „Herkunft“ ist ein zutiefst subjektives Bedeutungsgeflecht – und dennoch ein Begriff mit politischen Dimensionen, der auch missbraucht wird.

    Saša Stanišićs Erinnerungen spiegeln diese Vielfalt perfekt wider.

    Ihm gelingt immer aufs Neue die Gratwanderung zwischen der einen und der anderen Facette der Wahrheit. Trauer, Sehnsucht, Wut und Schmerz haben ihren Platz neben Freude und augenzwinkerndem Witz. Mal unheimlich lustig, mal unsäglich tragisch, manchmal beides auf einmal. Er erzählt mit leichtfüßiger Fantasie und viel Humor, ohne die Tragik seiner eigenen Geschichte, untrennbar verbunden mit der Geschichte seines Geburtsorts Višegrad, im geringsten zu schmälern.

    Dort kam es im Jahr 1992 zu „ethischen Säuberungen“, in deren Verlauf die beiden Moscheen der Stadt zerstört und etwa 3.000 Menschen der bosnischen Zivilbevölkerung ermordet wurden. Seine bosnisch-muslimische Mutter musste mit dem 14-jährigen Saša über viele Grenzen zu seinem in Deutschland lebendem Onkel fliehen, der serbische Vater kam später nach.

    „Wir waren Kriminalität, Jugendarbeitslosigkeit, Ausländeranteil.“

    Zu Krieg und Vertreibung gesellten sich in Deutschland neue Herausforderungen: Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit, die Tankstelle als einziger Jugendtreffpunkt, Schule ohne echte Integration. Auch das erzählt Stanišić nicht ohne Humor, aber ungeschönt.

    Dass ihm der Deutsche Buchpreis nur wenige Tage zuteil wird, nachdem Peter Handke den Literaturnobelpreis erhielt, wirkt wie eine schrille Dissonanz.

    Die Trennung von Autor und Werk ist einerseits unverzichtbar für die Autonomie der Literatur – andererseits besteht die berechtigte Frage, bis zu welchem Grad das umsetzbar ist. Ob man wirklich Peter Handke, der jahrelang genau die Kriegsverbrechen beschönigt und kleingeredet hat, die in Višegrad begangen wurden, mit diesem Preis adeln muss.

    Dass Saša Stanišić seine Erschütterung in seiner Dankesrede nicht verschweigen konnte und wollte, ist so verständlich wie der unüberhörbare Kloß in seiner Kehle.

    Aber zurück zu „Herkunft“ – zurück zu einem Buch, das zurecht gefeiert wird.

    Die Sprache ist wunderbar: mal kindlich naiv, mal geradezu weise, mal voller Zärtlichkeit, wenn er zum Beispiel von der Großmutter erzählt, die Stück für Stück an die Demenz verloren geht und mit der das Buch beginnt und endet. Immer treffen seine Worte genau den Nerv der beschriebenen Szene; nie wird es pathetisch, denn wo er Gefühl ausdrückt, wirkt es auch echt.

    Die Geschichte hat zunächst scheinbar kein übergreifendes Konzept, setzt sich zusammen aus unzähligen Fragmenten und Momentaufnahmen, aus Lebenswichtigem und scheinbar Banalem – Autobiographie und Heldenreise, Gesellschaftskritik und Migration und ’neulich beim Rollenspiel‘. Daraus entsteht erstaunlicherweise das homogene Gesamtbild einer Familie, für die Herkunft und Heimat keine Einheit mehr sind.

    Das ist so authentisch, dass man an so etwas wie ein Konzept oder einen Handlungsbogen gar nicht mehr denkt.
    Dass nicht alles wahr ist, dass hier auch Fiktives eingebunden wurde, das es sogar ein Kapitel gibt, in dem der Leser spielerisch zwischen verschiedenen fantastischen Handlungssträngen entscheiden soll, tut dem keinen Abbruch.

    Besonders prägnant sind Stanišićs Gedanken über die Kraft der Sprache: über die Türen, die sie öffnet, über die Möglichkeiten, die sie bietet. Besonders für den, der in der Fremde leben muss.

    Das Hörbuch, vom Autor selber gesprochen, ist übrigens eine wunderbare Ergänzung zur Lektüre, wenn auch meines Erachtens kein Ersatz, da das Hörbuch leicht gekürzt ist! Aber man kann das Buch wunderbar erst lesen, dann hören – oder umgekehrt.

    Fazit:

    „Herkunft“ ist weder hunderprozentig Autobiographie noch hunderprozentig Roman. Der Held heißt Saša Stanišic, die Handlung beruht zweifelsohne auf der Familiengeschichte des Autors, doch er erlaubt sich gewisse Freiheiten – wobei man nie so genau weiß, was nicht doch wahr ist.

    Auf jeden Fall habe ich selten so oft gelacht wie beim Lesen dieses Buches, obwohl es hier um Krieg und Vertreibung, Verlust der Heimat, Unverständnis und Fremdenhass geht. Der Humor lässt die ernsten Elemente der Erzählung nur umso deutlicher hervortreten.

    Dass einem Autor aus Višegrad dieser Preis nur wenige Tage überreicht wird, nachdem ein anderer Autor, der die Massaker in Višegrad lange beschönigte, den Literaturnobelpreis erhielt, wirkt da fast wie ein absurder Epilog.

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  1. 4
    08. Sep 2019 

    Lieblingsoma

    Als der Autor das Mal davor seine Großmutter in Višegrad besucht hat, war sie noch gesund. Energiegeladen ist sie mit ihm in das Heimatdorf des Großvaters gefahren, auf den Berg, wo etliche Stanišićs lebten und etliche auf dem Friedhof liegen. Doch den Lebenslauf zu seinem Einbürgerungsantrag beginnt er nach vielen Versuchen mit einer Schlittenfahrt. Und eine Erinnerung führt zur nächsten, eine Geschichte zur anderen. Geburt, Flucht, ein Leben als Flüchtling in den 1990ern als aus dem Vielvölkerstaat Jugoslawien viele kleine Staaten wurden.

    Irgendwie wiederholen sich die Einwanderungs- und Flüchtlingswellen und leider auch die Reaktionen der Alteingesessenen. Die Fremden sind eben fremd und nicht unbedingt willkommen. Ein Fünkchen Hoffnung könnte der Gedanke geben, dass es doch viele immer wieder geschafft haben. Und jeder eingedenk der wiederholten Wellen, sollte sich jeder erinnern, so wie es der Autor beschreibt, wo seine Herkunft liegt. Nun, so bildhaft und eindringlich wie der Autor wird es einem vielleicht nicht gelingen, aber der Gedanke zählt. Und häufig wird man in der eigenen Vergangenheit oder der der Vorfahren eine Wanderungsbewegung finden. Der Migrationshintergrund ist manchmal alles andere als weit weg. Es könnte ein Anreiz sein, es den Neuankömmlingen etwas leichter zu machen.

    Die Schilderungen von Saša Stanišević berühren. Sie pendeln zwischen Humor und Ernsthaftigkeit. Sie beinhalten eine Familiengeschichte wie sie war oder wie sie ungefähr war. Leicht hat es der Junge nicht gehabt, aber er hat sich durchgekämpft, er hat es geschafft. Und irgendwann war die Herkunft irgendwie zweigeteilt. Die Wurzeln der Geburt werden nicht vergessen und doch wird neu verwurzelt. Beim Lesen fühlt man mit. Die Eltern opfern viel für ihren Sohn, er soll es einmal besser haben. Die Oma erdet ihn, sie bleibt die Verbindung in die Geburtsheimat.

    Man wird zum Nachdenken angeregt, über die eigene Herkunft. Das Schicksal der eigenen Eltern und Großeltern. Der Schluss liegt mehr als nahe, dass Krieg und Vertreibung nun wahrlich nicht erstrebenswert sind. Doch gibt die Lektüre viel Positives an Kraft und Hoffnung. Und ein Gedenken an die eigene Lieblingsoma.

    4,5 Sterne

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