Heidelbeerfrau: Historischer Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Heidelbeerfrau: Historischer Roman' von Marion Bischoff
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Inhaltsangabe zu "Heidelbeerfrau: Historischer Roman"

Format:Taschenbuch
Seiten:234
EAN:9783898014045

Rezensionen zu "Heidelbeerfrau: Historischer Roman"

  1. Fortsetzung von Heidelbeerkind

    "Heidelbeerfrau" ist die Fortsetzung von "Heidelbeerkind" und erzählt die Geschichte Elises, die in Clausen während des 2.Weltkrieges einen Deserteur - Julius- gesund gepflegt hat und sich in ihn verliebte, weiter. Julius musste, da sie verraten wurden, fliehen, so dass er nicht weiß, dass er Vater eines kleinen Jungen, Reinhard, ist.

    Im Prolog erfahren wir, dass Julius auf der Flucht in französische Kriegsgefangenschaft geraten ist, in der er von einem Bauer misshandelt wird. Er traut sich nicht Elise von seinen Sorgen zu schreiben, so dass diese in Ungewissheit lebt, ob er noch am Leben ist.

    Die Handlung, die aus der personalen Perspektive Elises erzählt wird, setzt am 20. August 1945 ein. Elise arbeitet inzwischen in Heimarbeit für einen Schuhfabrikanten in Pirmasens, dessen Fabrik zwar in Schutt und Asche liegt, der aber sein Material hatte retten können. Aus dem Leder, das sie von ihm erhält, nähen sie und ihre Mutter Schuhe. Gleichzeitig versorgt sie Ferdinands Hof samt dessen Kühe. Als ehemaliger Nationalsozialist, der sich hat blenden lassen, ist er auf der Flucht vor den französischen Machthabern. Von der Milch ernährt sie ihren kleinen Reinhard und stößt heimlich Butter, obwohl sie die gesamte Milch eigentlich abgeben müsste. Die Butter wiederum tauscht sie gegen zusätzliches Leder, die Schuhe dienen als Tauschmittel auf dem Schwarzmarkt.
    Obwohl der Krieg zu Ende ist, geht es den Menschen in der Pfalz weiterhin schlecht.

    "Mutter kam einfach nicht darüber hinweg, dass sie es nach wie vor kaum schafften, den Hunger der ganzen Familie zu stillen" (14),

    zu der noch Elises kleiner Bruder Hans sowie der Großvater gehören. Hinzu kommen die Verleumdungen gegenüber der jungen Frau, die das uneheliche Kind eines Deserteurs groß zieht.

    Auf Ferdinands Hof, der im Krieg einen Holzhandel betrieben hatte, findet Elise plötzlich einen Brief, in dem er sie auffordert, die Kühe zu verkaufen, damit er neue Papiere bekommt.
    Wie soll sie dann ihren Sohn ernähren? Da scheint das Angebot des Schuhfabrikanten Weber verlockend, der Schuhe an die Franzosen liefern will und dafür jemanden braucht, der die Schuhe übergibt. Eine gefährliche Aufgabe, da dies verboten ist - allerdings könnte Elise neue Aufträge gut gebrauchen.

    Ein weiteres Problem taucht in Gestalt ihrer ehemaligen Freundin Gerda auf, die Elise am Felsen bei den Heidelbeerbüschen völlig aufgelöst findet.

    "Vor Elises innerem Auge tauchten verstörende Bilder auf, als Gerdas Vater zu ihnen nach Hause gekommen war und Elise hatte verhaften wollen. Weil sie einen Deserteur versteckte. [...] Unwillkürlich verkrampften sich ihre Muskeln, wenn sie daran dachte, dass dieser Nazi völlig unbehelligt geblieben war. Sogar als Bürgermeister tat er jetzt seinen Dienst." (40)

    Dass überzeugte Nationalsozialisten auch nach dem Krieg Karriere gemacht haben, ist inzwischen hinreichend untersucht und belegt. Bischoff zeigt jedoch eindrucksvoll auf, wie auch im Kleinen die Einstellung bewahrt wird, der verlorene Krieg nicht automatisch zur Läuterung geführt hat. So äußert ein ehemaliger Frontsoldat, der früher für Ferdinand gearbeitet hat:

    "Wir haben alle Dinge getan, die wir besser nicht getan hätten. Aber es war ja auch nicht alles schlecht" (198),

    und verweist darauf, man habe sich ja gegen die Polen wehren müssen. Damit übernimmt er die Lügen des nationalsozialistischen Regimes und trägt sie auch nach dessen Untergang weiter.

    Bischoff deckt diese Verdrängungsmechanismen auf und zeigt eindrücklich die desolaten Lebensbedingungen in Clausen nach dem Krieg, die Verdrängung dessen, was der Nationalsozialmus in Deutschland angerichtet hat und am Beispiel von Gerdas Vater auch, die mangelnde Aufarbeitung bzw. Bestrafung derer, die aktiv daran beteiligt waren.
    Dass die Autorin für ihre Recherche mit vielen Zeitzeugen gesprochen hat, wie sie im Nachwort verrät, wird in der authentischen Schilderung des Alltags in der harten Nachkriegszeit deutlich. Darin liegt meines Erachtens die Stärke des Romans, wobei die sympathische Protagonistin als Identifikationsfigur und moralischer Kompass dient und viele Schicksalsschläge hinnehmen muss.

    Wird sie ihren Julius wiedersehen und ihrer Freundin Gerda, die in einer ähnlichen Situation ist wie Elise im "Heidelbeerkind" helfen können?

    Eine gelungene Fortsetzung, die die Alltags-Geschichte in den Vordergrund stellt und sie spannend, wenn auch sehr konventionell, erzählt.

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