Heartland (detebe)

Buchseite und Rezensionen zu 'Heartland (detebe)' von Joey Goebel
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5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Heartland (detebe)"

Was haben Biertrinker und Wrestlingfans mit der großen Politik in Washington zu tun? Antwort: alles – Stimmen entscheiden, wer gewählt wird. John Mapother, Sohn der mächtigsten Familie im Provinznest Bashford, will in den amerikanischen Kongress, er hat nur keine Ahnung von der Welt seiner Wähler. Die hat aber sein jüngerer Bruder Blue Gene, das schwarze Schaf der Familie.

Autor:
Format:Broschiert
Seiten:720
Verlag: Diogenes
EAN:9783257240375

Rezensionen zu "Heartland (detebe)"

  1. 5
    13. Jul 2016 

    Wahlkampf im „großartigsten Land der Welt“

    Joey Goebel, ein junger amerikanischer Autor aus Kentucky, der aus einer Familie von Sozialarbeitern stammt und auch als Musiker in einer Punkband aktiv ist, führt uns mit „Heartland“ tatsächlich in das Herz der amerikanischen Gesellschaft. Um mit seinen Lesern dorthin zu gelangen, verfolgt er den Lebensweg seines Helden – Blue Gene Mapother – über mehrere Monate und stürzt sich und uns mit ihm mitten hinein in den Wahlkampf um einen Kongressplatz für den Bruder seines Helden.
    Mit Blue Gene, einem Aussteiger aus gutem Hause, vereint er für den Leser das Oben und Unten in der amerikanischen Gesellschaft in einer Person und verschafft dem Leser damit sehr vielfältige und unterschiedliche Einblicke. Es ist ein ungemein stark gebrochenes Bild, das sich so ergibt. er Glaubenssatz der unbedingten Chancengleichheit in der amerikanischen Gesellschaft, der im Wahlkampf für das Team um John Mapother eine so große Rolle spielt, wird in „Heartland“ immer wieder an seine harten Grenzen geführt.

    „Ich wollte dir zeigen, dass jeder, sogar jemand wie ich, sein gerüttelt Maß an Leid erfährt. Doch manche von uns sind stark genug, um solches Leid zu überstehen und sogar darüber hinauszuwachsen, andere nicht. Es tut mir leid, dass es Bernice so schlecht geht, aber sie hatte die gleiche Chance wie wir alle, sich ein sicheres Leben aufzubauen.“

    Da ist der absolute Patriotismus, der Amerika zum „großartigsten Land der Welt“ aus allen kritischen Betrachtungen herauszunehmen versucht und dabei jeden ins Abseits stellt, der diese Großartigkeit nicht sieht oder nicht sehen will. Und sogar der Aussteiger Blue Gene, der sich aus dem reichsten Elternhaus der Stadt ganz bewusst verabschiedet hat, um sein eigenes Leben zu führen und schließlich in einer Trailersiedlung lebt, folgt dem Patriotismusgebot uneingeschränkt und akzeptiert lange Zeit viele seiner sozial harten Folgen nicht nur, sondern setzt sich aktiv für den Wahlerfolg seines Bruders ein, der in seinem Amt diese sozial harten Folgen sicher nicht aufzulösen versuchen wird.

    “Glaubst du, dass die Vereinigten Staaten das großartigste Land der Welt sind?“
    „Ja, verdammt“
    „Endlich etwas, bei dem wir einer Meinung sind. Wenn du sagst, wir würden nur das Geld sehen und es anbeten, beziehst du dich auf etwas, das man Gewinnmotiv nennt, und eben dieses Gewinnmotiv macht die Vereinigten Staaten zu dem großartigsten Land der Welt. Die Aussicht auf Gewinn ist die Triebfeder, die unser Land groß macht. Gewinn lässt dieses Land so florieren, dass du und alle sich daran erfreuen können. „

    Blue Gene lässt sich in den Wahlkampf seines Bruders mit einspannen, da er genau diese recht simplen Werte Amerikas – Patriotismus, Chancengleichheit, Stärke, Gottesfurcht – mit unterstützen möchte. Doch er zerbricht letztlich an der Doppelzüngigkeit dieser Werte und geht – nachdem er ein lange gehütetes Familiengeheimnis um seine Person aufdecken konnte - bald wieder seinen eigenen Weg, auf dem er sein geerbtes Geld in ein zutiefst altruistisches Projekt steckt und allen ohne Unterschied Essen, Wohnraum und medizinische Versorgung zur Verfügung stellt. Im Roman muss der Leser erkennen, dass dieses Projekt und dieses Handeln als zutiefst antiamerikanisch angesehen werden. Dass es den Wertekanon über den Haufen zu werfen versucht, denn Chancengleichheit gibt es in diesem Kanon nur für den, der eine ganz bestimmt Art von Kampf darum führt.
    Wenn Blue Gene die Welt seiner Familie wieder verlässt, lebt er wieder eine „Einfache-Leute-Utopie“ und stürzt sich später sogar selbst in den politischen Wahlkampf, wodurch in „Heartland“ Verlogenheit und der Schmutz des politischen Geschäftes dem Leser sehr anschaulich vor Augen geführt wird.

    „Hör mir zu, Blue Gene. Eines Tages WERDE ich Menschen helfen. Doch ehe ich ihre Träume verwirklichen kann, muss ich erst meine Träume wahr werden lassen. Ich muss meine Stellung sichern, doch sobald ich für uns alles geregelt habe, werde ich meine Stellung und meine Macht dazu benutzen, um allen anderen zu helfen .“

    Das soll dann zu nichts weniger führen als zur Errichtung des „Reiches Gottes auf Erden“. Aber wird es dazu jemals kommen? Blue Gene zweifelt immer stärker daran und entscheidet sich so für einen alternativen Weg. Seine „Partei der Habenichtse“, angeführt von seiner Freundin Jackie, stellt dann auch den amerikanischen Wertekanon einmal komplett auf den Kopf. Die gleichen Begriffe benutzend – Glaube, Patriotismus, Freiheit –, sprechen Blue Gene und Jackie aber in Wirklichkeit von etwas ganz anderem als das Wahlkampfteam von John Mapother.

    „Trotz allem bin ich der Meinung, dass die Vereinigten Staaten das großartigste Land der Erde sind. Ich glaube aber auch, dass es die Nation ist, die ihr Potential am wenigsten ausschöpft. “

    Nicht erst beim Schreiben der Rezension wird mir durchaus bewusst, dass Vieles im Handlungsverlauf von Joey Goebels Roman klischeehaft und etwas platt daherkommt, und doch hat die Geschichte es geschafft, mich sehr in ihren Bann zu ziehen. Der Autor versteht es, sehr glaubwürdig aus der Mitte der Gesellschaft zu berichten. Dass er sich dafür einen Helden schafft, der sowohl Teil des Oben als auch des Unten der amerikanischen Gesellschaft ist, liefert dafür sicher einen Beitrag. Die Aktualität des Buches gerade im derzeitigen Rennen um die Präsidentschaftskandidatur in den USA war mir vor dessen Lektüre gar nicht bewusst, gibt dem Roman aber noch einen weiteren Pluspunkt in meiner Leseempfehlung.
    Von mir gerade im Jahr 2016 5 Sterne für Joey Goebels Heartland.

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