Gone Baby Gone

Buchseite und Rezensionen zu 'Gone Baby Gone' von Dennis Lehane
4.45
4.5 von 5 (7 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Gone Baby Gone"

Als die vierjährige Amanda entführt wird, beginnen Patrick Kenzie und Angela Gennaro ihre Suche in den einschlägigen Kreisen, was selbst die hartgesottenen Ermittler an ihre Grenzen bringt. Bis sich herausstellt, dass sie von gänzlich unerwarteter Seite auf eine falsche Fährte gelockt wurden und jemand wissentlich mit ihrem Leben gespielt hat. Kenzie und Gennaro müssen sich entscheiden: für Recht und Gesetz oder für ihre Menschlichkeit.

Format:Taschenbuch
Seiten:672
EAN:9783257300451

Rezensionen zu "Gone Baby Gone"

  1. Sie verschwinden. Einfach so.

    Autor
    Dennis Lehane

    Sie verschwinden. Einfach so.

    „Tag für Tag werden in den USA zweitausenddreihundert Kinder vermisst gemeldet. Ein Großteil wird von einem Elternteil entführt, das mit dem anderen zerstritten ist, und in über fünfzig Prozent der Fälle ist der Aufenthaltsort des Kindes bekannt. Die Mehrheit dieser Kinder kehrt innerhalb einer Woche zurück. Dann gibt es die Ausreißer. Auch hier bleibt der Großteil von ihnen nicht lange fort; meist findet man sie in kürzester Zeit – für gewöhnlich im Haus von Freunden. Anders ist es bei denen, die zu Hause vor die Tür gesetzt werden oder weglaufen, ohne dass die Eltern die Suche nach ihnen aufnehmen. Dies sind zumeist die Kinder, die die Notunterkünfte und Busbahnhöfe bevölkern, in Rotlichtbezirken an den Straßenecken herumlungern und schließlich im Gefängnis landen.“

    Die scheinbar lakonische Anfangsfeststellung, dass "von den täglich zweitausenddreihundert in diesem Land als vermisst gemeldeten Kindern ein Teil im Nichts verschwinden und vielleicht in Kellern von Pädophilen festgehalten werden", wird zum beklemmenden Thema dieses Lehane-Krimis.

    Inhalt
    Amanda McCready, vier Jahre alt, wird eines Nachts aus der Wohnung entführt, ohne dass ihre Mutter es bemerkt. Die Entführung erregt großes Aufsehen und der Bürgermeister verkündet auf einer Pressekonferenz, dass „alle Stadtangelegenheiten auf Eis liegen würden
    bis Amanda gefunden worden sei.“ Die Titelseiten der Zeitungen berichten jeden Morgen ausführlich und am Abend ist es Thema in den Hauptsendungen der Nachrichten. Verzweifelt suchen auch Tante und Onkel ihre Nichte zu finden. Schließlich sollen die Privatermittler Patrick Kenzie und Angela Gennaro ihnen helfen. Anfangs wollen beide diesen Fall nicht annehmen. Die Mutter Amandas ist drogensüchtig und dem White Trash zugehörig.

    „White Trash (englisch wörtlich „weißer Abfall“, sinngemäß etwa „weißer Abschaum“) ist eine pejorative Bezeichnung für Mitglieder der weißen Unterschicht vor allem in Appalachia, den Südstaaten und den ländlichen Teilen der Vereinigten Staaten. Dieser Begriff wurde in den Südstaaten geprägt, aber wird nun in den ganzen Vereinigten Staaten verwendet.“
    Quelle: Wikipedia

    Doch Kenzie&Gennaro übernehmen den Fall aus moralischer Verantwortung heraus. Sie geraten in einen Sumpf wie Treibsand und drohen selbst darin unterzugehen. Bei Ihrer weiteren Suche geraten sie in einschlägige Kreise von Pädophilen und Kinderschändern. Die Einblicke in der Pädophilen Szene, beschreibt der Autor sehr detailliert, was Kindern angetan werden kann. Kinder werden pervers zu egoistischer Befriedigung animalischster sexueller Bedürfnisse ausgenutzt, um die "Objekte" dann irgendwann vor lauter Überdruss wie ein defektes Spielzeug auf den Müll zu schmeißen. Das ist das Abartigste auf dieser Welt überhaupt.
    Nicht nur die beiden Ermittler gelangen in dieser Szene an ihre innerste Belastbarkeit und unter seelischen Druck, sondern zwingt auch den Leser an seine psychischen Grenzen.

    Stil und Sprache
    Die Charaktere sind gelungen, der gesamte Verlauf der Story ist rund und sinnvoll. Die Handlung ist actionreich und verschachtelt. Die Suche nach dem Mädchen schildert Dennis Lehane als raue Polizeigeschichte mit Blut, Schweiß und Tränen.
    Lehane verwebt die Drehungen und Wendungen der Erzählung unterbrochen mit sporadischen Momenten trockenen Humors. Im Gegensatz dazu stehen Gewaltszenen von allseitiger Brutalität.
    Die Charaktere werden mitunter etwas unübersichtlich, dass durch ein Personenregister sehr gut ausgeglichen werden könnte.
    Dennis Lehane kann nicht nur harte Szenen beschreiben, sondern ganz ruhig und poetisch mit seinen Figuren über die Schlechtigkeit der Welt trauern. Souveräne Dialoge könnte man unverändert in einen Film übernehmen. Eine sehr bildhafte Sprache lockert das Geschehen auf und lässt gelungene Vergleiche zu.

    "In der Kneipe war es so still wie in einer Kirche vor dem Jawort."

    Die komplizierte Konstruktion des Falles auf 576 Seiten wirkt manchmal etwas verloren und dann lässt die Spannung schnell etwas nach.

    Fazit
    Amanda steht für viele Kinder. Egal in welchem Alter. Sie verschwinden. Einfach so. Über Nacht. Keiner hat etwas mitbekommen.

    Der Fall endet in einer bitteren Schlusspointe. Der Leser bleibt nachdenklich zurück mit der ethischen Fragestellung: Ist der Sieg der Gerechtigkeit immer für alle die beste Lösung?

    „Dieses Schweigen ist achtzig bis hundert Zentimeter groß, man spürt es an der Hüfte, hört es von den Dielen heraufsteigen, und es schreit einen aus Ecken und Spalten und dem ausdruckslosen Gesicht einer Puppe an, die auf dem Boden neben dem Bett liegt. Dieses Schweigen ist anders als die Stille bei Beerdigungen und Totenwachen. Die Stille der Toten verbreitet ein Gefühl von Endgültigkeit; eine Stille, von der man weiß, dass man sich damit abfinden muss. Das Schweigen eines vermissten Kindes ist nichts, womit man sich abfinden möchte; man weigert sich, es zu akzeptieren, deshalb schreit es einen ja so laut an.“

    Teilen
  1. Recht oder Gerechtigkeit?

    ,,Gone, Baby, Gone" ist schon 1998 in den USA erschienen, die Thematik ist aber - leider - immer noch äußerst aktuell. Für das Bostoner Ermittlerpaar Patrick Kenzie und Angela Gennaro ist dies der 4. Fall.
    Die beiden Privatdetektive werden zu einem Fall in der Nachbarschaft gebeten. Die vierjährige Amanda ist aus ihrem Kinderzimmer verschwunden und Helene, ihre drogenabhängige Mutter, ist mehr mit sich und ihren eigenen Problemen beschäftigt. Sie hat offenbar auch das kleine Mädchen in der Nacht ihres Verschwindens unbeaufsichtigt zu Hause gelassen, um mit einer Freundin eine Bar zu besuchen. Da die Polizei auch nach Tagen noch völlig im Dunkeln tappt, bitten Amandas Tante Beatrice und deren Mann Lionel die beiden Privatermittler um Hilfe.
    Obwohl sie den Fall zunächst nicht annehmen wollen, geben sie schließlich Beatrices Drängen nach. Schon bald ergeben sich Spuren ins Drogen- und Kinderschändermilieu, und in Zusammenarbeit mit den zwei Polizisten Broussard und Poole kommt es zu einer Lösegeldübergabe. Diese endet allerdings in einer Katastrophe. Amanda wird schließlich für tot erklärt. Doch Angelo Gennaro lässt das mysteriöse Verschwinden des kleinen Mädchens auch Monate später noch nicht los. Als dann erneut ein Kind verschwindet, verbeißt Gennaro sich regelrecht in den Fall, sodass auch ihre Beziehung zu Kenzie darunter leidet. Als die beiden ihre Recherchen wieder aufnehmen, dämmert ihnen allmählich, dass so mancher Beteiligte eine ganz andere Rolle spielte, als zunächst vermutet.
    Der Fall geht mit seiner Thematik unter die Haut. Die detaillierte Beschreibung so mancher Situation ist bedrückend und erschreckend. Allerdings gibt es auch witzige Dialoge und charakterstarke Protagonisten, sodass der Autor den Leser mit einem wichtigen Thema packen und gleichzeitig spannend unterhalten kann.

    Die Frage, ob Recht und Gesetz oder Gerechtigkeit und Menschlichkeit wichtiger sind, wird nicht nur für das Ermittlerpaar zu einer harten Zerreißprobe. Auch der Leser muss sich am Ende diesem Konflikt stellen.

    Teilen
  1. Dennis Lehane versteht sein Handwerk

    Dennis Lehane versteht sein Handwerk

    In Gone Baby Gone schickt Dennis Lehane erneut seine beiden Privatermittler Patrick Kenzie und Angela Gennaro ins Rennen.

    Die vierjährige Amanda Mc Cready ist verschwunden, trotz großem Polizeiaufgebot gibt es keine Spur des Mädchens, das aus der unverschlossenen Wohnung ihrer Mutter entführt wurde. Helene, Amandas Mutter, scheint sich nicht sonderlich um die Kleine gekümmert zu haben, so ist auch nicht verwunderlich, dass Beatrice, die Schwägerin von Helene die beiden Ermittler hinzuzieht, da die Polizei keine Erfolge erzielt hat bisher. Auch Patrick und Angie würden den Fall am liebsten ablehnen, da auch sie wenig Hoffnung haben weiterzukommen und der Familie die enormen Kosten deshalb nicht zumuten wollen. Angie zerreißt es aber förmlich das Herz, dieses kleine schutzlose Kind, dass von der eigenen Mutter nur spärlich versorgt wurde, im Stich zu lassen, so dass sie mit ihrem Freund und Partner beginnt zu ermitteln.
    Die Ermittlungen bringen die zwei bald darauf, dass Helene Drogen genommen und gelegentlich gedealt hat. Da die zwei sich in diesem Stadtteil Bostons selbst gut auskennen, wissen Sie mit wem sie sprechen müssen, und wohin sie gehen müssen, um wichtige Details zu erfahren. Und diese Details haben es in sich, sie reichen von Drogenschmuggel bis hin zur der Tatsache, dass Helene und ein Verbrecher Geld eines hohen Drogenbosses gestohlen und versteckt haben. Liegt da das Motiv für die Entführung? Ging es ums Geld?

    Unterstützung bekommen Patrick und Angie von den beiden alten Hasen der Bostoner Polizei Poole und Broussard. Gemeinsam kommen sie der Sache ein Stückchen näher, soweit, dass die Spurensuche nach Amanda in einem Steinbruch im großen Stil abgezogen wird. Doch was die beiden nach erfolgloser Suche nach und nach entdecken, lässt den Leser an allem zweifeln was man sich nur vorstellen kann, vor allem an der Moral von Menschen, denen man eigentlich vertrauen sollte. Mehr kann und werde ich an dieser Stelle nicht verraten, denn für Fans des Genres, sollten die überraschenden Wendungen natürlich erhalten bleiben. Genau dies beobachte ich nicht zum ersten Mal bei Büchern dieses Autors, er schafft es den Leser zu fesseln und ihm einige spannende und nicht vorhergesehene Wendungen zu präsentieren. Die beiden Hauptcharaktere waren mir sympathisch, glänzen aber mit einem fast schon übertriebenen Geschick und Spürsinn. Alles in allem machen die beiden aber einen hervorragenden Job, und es macht Spaß ihnen bei ihrer Ermittlung zu folgen.

    Der Roman kommt zwar nicht an den Erfolgsroman Shutter Island heran, ist aber mehr als lesenswert. Die Reihe um Kenzie und Gennaro hat mit mir einen weiteren Fan gefunden!

    Teilen
  1. Kinder brauchen verlässliche, liebevolle Eltern

    "Kinder brauchen Wurzeln, die sie festigen, ihnen sicheren Halt geben und Flügel, die sie in die Welt hinaustragen, um Erfahrungen zu sammeln um sich selbst erleben zu können." (Buch Vernachlässigung der Vernachlässigung)
    Eines Abends wird die vierjährige Amanda McCready vermisst. Helene die Mutter hat sie unbeaufsichtigt gelassen, während sie bei einer Freundin war. Die Polizei geht jeder Spur nach, doch Amanda bleibt weiter verschwunden. Aus Verzweiflung werden von der Familie die Privatdetektive Patrick Kenzie und Angela Gennaro angeheuert. Nach einer Lösegeldforderung vermuten sie einen Erpressungsfall im Drogenmilieu. Doch nach der geplatzten Übergabe verdichtet es sich für Patrick und Angie immer mehr, dass man sie an der Nase herumführt und man mit Ihrem Leben spielt. Bei Ihrer weiteren Suche kommen sie in einschlägige Kreise von Pädophilen und Kinderschändern, was den beiden sonst eher robusten Detektiven zusetzt. Bis sie am Ende sogar selbst entscheiden müssen, ob sie für Recht und Gesetz oder für die Menschlichkeit sind.

    Meine Meinung:
    Mit einem wichtigen Thema befasst sich hier der inzwischen vierte Fall der beiden Privatdetektive. Der Schreibstil unterhaltsam, spannend, überaus detailliert, manchmal sogar für mich konfus und verwirrend, was sicher daran lag, dass es mein erstes Buch von dem Autor ist. Zu Beginn lernt man Amandas Mutter näher kennen und ich bin entsetzt, was für eine Mutter sie ist, sichtlich durch Drogenmissbrauch gezeichnet. Den Amanda fällt in der Schule auf, dass sie ruhig manchmal sogar regelrecht apathisch ist. Die beiden Detektive stellen fest, dass Amanda von Ihr vernachlässigt wird. Der Bezug zum Drogenmilieu macht den Fall noch verwirrender, den der Täter könnte aus diesem sein oder jemand, der für Amanda eine besser Zukunft möchte. Hart dagegen waren die Einblicke in Pädophilen Szene, wo der Autor kein Blatt vor den Mund nimmt und alles recht detailliert beschreibt, was sie einem Kind angetan haben. Da musste ich schon wirklich schlucken, als ich das las. Mitunter war mir jedoch gerade die Detailverliebtheit des Autors schon ein bisschen zu viel. Hier hätte man durchaus die eine oder andere Seite kürzen können. So ist es also auch kein Wunder, wenn dieses Buch fast 600 Seiten hat. Doch die Thematik lässt mich nicht los, den es ist schon etwas, worüber wir als Gesellschaft nachdenken sollten. Die Charaktere waren mir mitunter auch ein bisschen zu viel, da hätte ein Personenregister sicher gutgetan. Patrick Kenzie mit seinem Ehrgeiz und Engagement, sowie seine sympathische, einfühlsame aber auch durchaus toughe Partnerin Angela Gennaro (Angie) haben mir sehr gut gefallen. So das mich dieses Buch neugierig auf weitere Fälle von ihnen gemacht hat. Unfassbar fand ich das häufige Verwirrspiel in diesem Buch. Wer denkt, dies ist der Täter, der hat sich schnell geirrt, den Lehane hat bis zum Schuss noch weitere Wendungen. So war ich am Ende total überrascht, den dies hätte ich so gar nicht erwartet. Lassen Sie sich auf krasse Ermittlungen, ein Thema das immer aktuell ist und auf Detektive mit einem unfassbaren Spürsinn ein. Weil es für mich doch ein wenig zu viele Längen hatte, gibt es 4 von 5 Sterne.

    Teilen
  1. Kenzie & Gennaro ermitteln in einem Fall von Kindesentführung

    Bei diesem Roman handelt es sich um die Fortsetzung einer Reihe von Ermittlungsfällen der Privatdetektive Patrick Kenzie und Angie Gennaro. Ich kannte die Reihe vorher nicht und wurde daher durch die recht detailreichen Schilderungen zu den früheren Fällen überrascht. Wer Interesse an der Reihe hat, sollte daher mit dem ersten Fall beginnen, um etwaige Spoiler-Enttäuschungen zu vermeiden.

    Zum Inhalt: Patrick und Angie werden gebeten, im Fall der Entführung der vierjährigen Amanda zu ermitteln. Amanda wurde nachts aus der unverschlossenen Wohnung entführt, während ihre Mutter Helene privaten Vergnügungen nachging. Die Privatdetektive wollen den Fall zunächst nicht annehmen, da der Fall eine hohe Öffentlichkeitswirkung hat und die Polizei scheinbar mit allen Kräften ermittelt. Sie werden allerdings von der Tante und dem Onkel des Mädchens mit viel Hingabe überredet und schließlich von den Polizeibeamten Poole und Broussard eng in die Ermittlungen einbezogen.

    Die Spuren und Ermittlungen führen Kenzie und Gennaro ins Drogen- und Junckimilieu sowie die Pädophilenszene. Dabei kommt es zu geplatzten Geldübergaben und Schießereien. Doch Amanda bleibt verschwunden und die Spuren passen nicht zusammen. Dann verschwindet ein weiteres Kind.

    Der Roman hat eigentlich alles, was einen handelsüblichen Thriller ausmacht. Ein spannender Plot, jede Menge Action und eine gekonnte Auflösung. Für meinen Geschmack war es etwas zu viel Geballer, gepaart mit markigen Sprüchen. Irgendwie hatte ich mir mehr erhofft. Bisher hatte ich von dem Autor nur Shutter Island gelesen, wovon ich restlos begeistert war. Diese Begeisterung ist hier nicht erreicht worden, wenn das Buch auch handwerklich sicherlich gut gemacht ist. Insgesamt daher gute vier Sterne.

    Teilen
  1. Let's twist, Lehane!

    Mitten in der Nacht wird die vierjährige Amanda aus ihrem Kinderzimmer entführt. Noch während der polizeilichen Ermittlungen werden die Privatdetektive Patrick Kenzie und Angela Gennaro von der Familie des Mädchens engagiert, das kleine Mädchen zu suchen. Sie geraten in einen Fall, der wohl die hartgesottensten Ermittler an ihre Grenzen bringen kann. Als sie der Wahrheit im Fall Amanda auf den Grund gehen müssen sie eine grundlegende Entscheidung treffen.
    „Gone Baby Gone“ ist der vierte Fall für Kenzie und Gennaro und er ist wahrlich „Kein Kinderspiel“, wie dieser Kriminalroman aus der Feder von Dennis Lehane in einer früheren Auflage hieß. Kenzie und Gennaro verbindet eine langjährige berufliche und mittlerweile auch private Partnerschaft. Sie stammen beide aus dem üblen Bostoner Viertel Dorchester, wo auch der aktuelle Fall handelt.
    Anders als die Polizei müssen sich die beiden Privatermittler nicht immer ganz so streng ans Protokoll halten. Erstaunlicherweise funktioniert die Zusammenarbeit der „Schnüffler“ mit den Cops Poole und Broussard gut, nachdem sie ihre Reviere ordentlich abgesteckt haben.
    Denn das Revier kennen Patrick und Gennaro, kennen die guten, die bösen und die ganz bösen Jungs im Viertel, haben beste Verbindungen in die heimische Unterwelt und auch selbst so manche sprichwörtliche Leiche im Keller. Die raubeinigen „hardboiled“ Helden des amerikanischen Detektiv- und Kriminalromans finden mit Angie Gennaro ein weibliches Gegengewicht. Anlegen sollte man(n) sich mit Angie aber trotzdem nicht.
    Genaugenommen müssten Kenzie und Gennaro den Fall nicht annehmen, finanziell stehen sie gerade gut da. Nur der Hartnäckigkeit von Beatrice, der äußerst besorgten Tante des entführten Kindes, ist zu verdanken, dass sie sich überreden lassen. Amandas Mutter Helene ist da ein ganz anderes Kaliber und trotz größter Bemühungen lässt sich an ihr kein einziger sympathischer Zug feststellen. Sie hat Amanda wiederholt vernachlässigt, trinkt, treibt sich mit Kriminellen herum. Sie ist dumm, verschlagen, empathielos. Geradezu ein Paradebeispiel an White Trash, die dafür sorgten, dass Amerika jemanden wie Trump groß machen konnte. Helenes Verbindung zu einem örtlichen Drogendealer bietet bald die heißeste Spur. Doch es wäre nicht Dennis Lehane, der Meister der Wendungen, wenn er hier nicht mit uns einen ganz ganz heißen Twist hinlegen würde. Und wieder einmal schafft es der Autor, der die Bostoner Unterwelt wie kein zweiter erzählt (selbst sein Autorenfoto wirkt auf mich wie ein Mugshot), mehrfach zu überraschen. Gone Baby Gone ist nicht nur ein actionreicher Abstecher in eine kriminelle und niederträchtige Welt menschlichen Abschaums. Lehane stellt sich auch gesellschaftskritischen Fragen, wenn das System gegenüber der Menschlichkeit versagt. Er öffnet die Grenzen zwischen Gut und Böse, richtig und falsch und lässt mich lange nachdenken.

    Teilen
  1. 4
    08. Mai 2020 

    Vergessenes Kind

    Angie Gennaro und Patrick Kenzie sind ein Paar. Gleichzeitig sind sie auch im Job ein Team. Als Privatdetektive haben sie sich einen Namen gemacht. Dennoch zögern sie, den neuen Fall anzunehmen. Die vierjährige Amanda wurde entführt und sie ist schon so lange verschwunden, dass die Hoffnung langsam schwindet. Ihre Tante Beatrice und deren Mann Lionel sehen bei den Ermittlungen der Polizei nicht, dass es vorangeht, deshalb bitten sie die Detektive inständig, sich des Falles anzunehmen. Angie und Patrick haben ein schlechtes Gefühl bei dem Fall. Nicht die Mutter hat sie beauftragt, sondern die Verwandten. Doch es geht um Amanda.

    Zum Wohle des kleinen Mädchens übernehmen die Detektive die Suche. Amandas Mutter scheint nicht viel im Kopf zu haben, besonders keine Sorge um ihr kleines Kind. Hat sie die Kleine überhaupt richtig beaufsichtigt? Und viel wichtiger noch, hat sie sich im rechten Maß um ihr Kind gesorgt? Je mehr Angie und Patrick über die Mutter erfahren, desto mehr fragen sie sich, ob Amanda woanders nicht besser aufgehoben wäre. Wurde sie allerdings von schlechten Menschen entführt, muss sie möglichst schnell gefunden werden. Zum Glück finden Angie und Patrick einen guten Draht zu den Polizisten, die für den Fall zuständig sind.

    Man braucht bei manchen Szenen und Entwicklungen in diesem Thriller schon gute Nerven und man muss die deutlichen Beschreibungen einiger Ereignisse ertragen können, dann hat man einen sehr guten Roman, in dem eine Lanze für die vernachlässigten Kinder gebrochen wird. Sie erhalten normalerweise sicher nicht genug Aufmerksamkeit. Es ist ein Fall, der an die Nieren geht. Da geht es dem Leser nicht anders als den Ermittlern. Man fragt sich, womit den Kindern am besten geholfen wäre und fühlt sich hilflos, weil man nicht wirklich etwas tun kann. Dabei schafft es der Autor mehrfach, falsche Fährten zu legen und mit Überraschungen aufzuwarten. Deutlich wird dabei, auch wenn ein Fall durchdrungen ist, bleibt nicht immer ein Ergebnis, dass alle zufrieden stellt. Dennoch bietet dieser Thriller eine sehr packende Story.

    Teilen