Girl A: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Girl A: Roman' von Abigail Dean
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Girl A: Roman"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:416
EAN:9783365000816

Rezensionen zu "Girl A: Roman"

  1. Vergessene Kinder

    "Girl A" handelt von einer Familie , in der nichts so ist , wie es für die Außenwelt scheint. Vergessen von den Mitmenschen, fristen die Kinder ein trostloses Dasein. Angekettet, hungernd und ohne jegliche Fürsorge aufgewachsen, beschreibt das Buch nun aus der Perspektive von Lex, die damals fliehen konnte, den Werdegang der sieben Geschwister.

    Das Buch zieht seine Spannung aus der Ungeheuerlichkeit der Lebensumstände und den psychologischen Effekten, die alle Beteiligten aufweisen. Die Protagonisten bestehen fast ausschließlich aus den Familienmitgliedern und einigen , wenigen Nebencharakteren. Bezeichnend ist auch hier wieder" das Wegschauen", aller nicht direkt Beteiligten. Niemand hinterfragt, niemand schaut nach und Gesetze zum Pflichtbesuch einer Schule können umgangen werden.
    Aus der Sicht von Lex werden alle Geschwister charakterisiert und beschrieben, sowohl in der Jetztzeit, als auch in der Vergangenheit, wobei ich es sehr verwirrend fand, dass alle Zeiten durcheinander geschrieben waren. Hier hätten kleine Überschriften Wunder gewirkt. Außerdem wirkt Lex seltsam farblos, was ein wenig daran liegt, dass sie selber von niemandem charakterisiert wird, sie ist ja beschreibende Person für alle anderen. So hat man auch nur den subjektiven Einblick in alle anderen Charaktere, viel effektvoller und tiefgründiger hätte ich es gefunden, wenn die Autorin durch kleine kursive Einschübe z. B. aus der Sicht der anderen Protagonisten auf Lex geschrieben hätte.

    Der Schreibstil ist durchgängig spannend und erzeugt über die erzählte Geschichte eine Gänsehaut nach der anderen. Ja, solche Fälle gibt es tatsächlich, man denke nur an die Familien Turpin ( USA ) oder Fritzl ( AUT). Erschreckend , beklemmend und auf jeden Fall Mitleid erregend.

    Fazit: Ein tolles Buch, dass ein brisantes und trauriges Thema aufgreift, leider fehlt ein wenig Tiefgang durch den fehlenden Wechsel in der Erzählperspektive, und die unangekündigten Zeitreisen, ohne Vorwarnung quer durch die Kapitel.
    Aber definitiv vier wundervolle Sterne und eine klare Leseempfehlung.

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  1. Das Erbe einer Mutter, die ihre Kinder nicht beschützte

    Sechs Kinder und Jugendliche werden von ihren Eltern in abgedunkelten Zimmern gefangen gehalten. Angekettet und halb verhungert fristen sie ihr Dasein, bis eines der Mädchen sich von seinen Fesseln befreit und aus purer Verzweiflung aus dem Fenster springt. Sie wird schwer verletzt gefunden, die anderen Kinder werden sofort befreit.

    Die Presse nennt sie »Girl A«.

    Viele Jahre später stirbt die Mutter im Gefängnis, und die Geschwister sind gezwungen, sich in mehr als einem Sinne mit ihrem Erbe auseinanderzusetzen.

    Hier geht es nicht um das Verbrechen an sich, sondern darum, wie die Opfer nach den reißerischen Schlagzeilen weiterleben. Wie definierst du dich neu, wenn die ganze Welt dich nur kennt als Girl A oder Boy D? Wie findest du einen Platz im Leben, den nur du bestimmst?

    Abigail Dean zeichnet dieses psychologische Drama mit Feingefühl und in eindringlichen Worten, die heimlich, still und leise ihre Widerhaken in dich bohren.

    Erzählerin Lex, alias “Girl A”, erinnert mich an die gebrochenen, schwierigen Protagonistinnen von Gillian Flynn. Die Begegnung mit ihren Geschwistern löst zwiespältige Gefühle bei ihr aus, denn der schiere Selbsterhaltungstrieb machte zwei von ihnen damals zu Handlangern oder zumindest Schmeichlern der Eltern.

    Die Autorin setzt das zersplitterte Mosaik dieser Familie nach und nach zusammen, was uns einen tieferen Einblick in die Persönlichkeiten der Geschwister gibt. Dabei geht sie sehr differenziert mit der Schuldfrage um und vermeidet eine plumpe Täter-Opfer-Umkehr (‘victim blaming’).

    Dies ist kein handlungsgetriebener Roman. Es sind die Charaktere, die mit all ihrem emotionalen Ballast den Takt und das Tempo bestimmen, und das folgt weder einer chronologischen noch einer thematischen Ordnung. Nur langsam und schwelend entfaltet sich eine beklemmende Spannung.

    Eine unerwartete Enthüllung am Schluss lässt im Rückblick viele Szenen ganz anders erscheinen. Somit wäre es sicher interessant, das Buch mit diesem Wissen noch einmal zu lesen!

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