Germany 2064 (detebe)

Buchseite und Rezensionen zu 'Germany 2064 (detebe)' von Martin Walker
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Germany 2064 (detebe)"

Format:Taschenbuch
Seiten:432
Verlag: Diogenes
EAN:9783257243642

Rezensionen zu "Germany 2064 (detebe)"

  1. 5
    10. Apr 2018 

    Deutschland in 50 Jahren

    Martin Walker, den man vor allem als Krimiautoren einer Reihe mit Krimis aus dem schönen Périgord kennt, ist 2014 mit dem Roman „Germany 2064“ von seinem normalen Schreibformat deutlich abgewichen und hat einen Zukunftsthriller geschrieben, in dem er eine Kriminalhandlung in der fiktiven Lebenswirklichkeit des Deutschlands im Jahr 2064 angesiedelt hat. Ein Schreibexperiment, das mich sehr neugierig gemacht und mich bei der Lektüre auch nicht enttäuscht hat.
    Martin Walker schildert uns dabei ein Deutschland, in dem die heute schon angelegten und bekannten Zukunftstrends in einer spezifischen Ausprägung und Weiterentwicklung veränderte Lebensformen in einem irgendwie bekannten, aber doch so anderen Land ausmachen.
    Das erforderte eine ungemein intensive, oftmals auch tief wissenschaftliche Recherche über die unterschiedlichsten Ansätze und deren Potentiale für die Zukunft.
    Wie kommt Martin Walker zu der Möglichkeit einer so tiefen Recherche? Das erklärt er uns im Nachwort zu dem Roman:
    Er ist nicht nur Romancier, sondern arbeitet parallel auch in der Unternehmensberatung A.T. Kearney, die 2014 anlässlich eines runden Jubiläums ihre Denkfabrik anschmiss und eine ganze Reihe hochrangiger Mitarbeiter damit beauftragte, sich mit langfristigen sozialen, ökonomischen, finanziellen, technologischen und demografischen Trends zu beschäftigen. Das gesammelte Wissen dieser Gruppe wurde dann gebündelt, analysiert und auch auf die Frage hin bewertet, inwieweit diese Trends sich in ihren Auswirkungen wechselseitig beeinflussen und potenzieren können. Die Frage, was bedeuten diese Trends für die Weltwirtschaft, für Unternehmen und den Arbeitsmarkt und vor allem für die Hoffnungen und Träume von Milliarden Zeitgenossen, wurde gestellt.
    Martin Walker konnte für sein Romanprojekt auf dieses komplette gebündelte Wissen und die Analysen zurückgreifen und für die Gestaltung seiner fiktiven Wirklichkeit des Jahres 2064 zurückgreifen.
    Wie sieht diese nun aus?
    Nachdem es 2048 eine Art Revolution nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen entwickelten Ländern gegeben hat, besteht das Deutschland, wie wir es kennen, in einer in 2 Sektionen aufgeteilten Art und Weise weiter. Es gibt die regulierten Städte und das freie Land. In den regulierten Städten haben sich dabei all die technologischen Trends weiterentwickelt und finden da ihren Niederschlag, an die wir heute schon in Zukunftsprojektionen denken:
    - Der Transport findet vorrangig in selbstfahrenden Autos statt.
    - Roboter immer weiter verbesserter Generationen übernehmen immer mehr Aufgaben.
    - Die Kommunikation findet allüberall und allgegenwärtig so statt, dass letztlich eine Komplettüberwachung realisiert ist.
    - Polizei und Verwaltung sorgen weitgehend für Recht und Ordnung.
    In den freien Gebieten dagegen sammelt sich im weitgehend doch erstaunlich friedlichen und unkomplizierten Miteinander und Nebeneinander zu den regulierten Gebieten die ökologische und kreative Szene in ländlicher Atmosphäre, wird allerdings immer mehr auch durchsetzt von kriminellen Elementen, die den Frieden in diesen Gebieten gefährden.
    Zwischen beiden Welten sind die Grenzen offen und der Austausch findet in vielfältiger Form statt.
    Zusammenfassend ist diese entworfene Zukunftsversion von Walker für meinen Geschmack doch erstaunlich „kuschelig“. Man merkt ihr den Ursprung einer Unternehmensberatung dann doch deutlich an. Denn von einer solchen die Wirtschaft unterstützenden Organisation ist wohl verständlicherweise eher wenig Diskontinuierliches, sondern eher konstruktives Weiter-So zu erwarten. Gleichwohl: das Zukunftsbild das hier entworfen wird, enthält genug Denkanstöße und -ansätze, die die Lektüre zu einer spannenden gedanklichen Zeitreise machen.
    Nun zur Handlung, die den Krimistoff des Thrillers ausmacht:
    Ermittelnder Kommissar ist Bernd Aguilar und sein Assistent, der Roboter Roberto, der nach einem neuen Update wie aus einer Rehamaßnahme gerade zu Bernd zurückgekehrt ist. Dieser beobachtet ihn mit seinen Neuerungen und Veränderungen mit großen Interesse, immer aber auch mit der skeptischen Sorge, dass Roberto nicht nur zu menschenähnlich wird, sondern den Menschen (ihn) letztlich überflügeln wird. Dennoch ist das Verhältnis der beiden eingespielt, konstruktiv und positiv.
    Sie ermitteln gemeinsam den Fall des Verschwindens der Sängerin Hati Boran in einem Szenerestaurant in den freien Gebieten. Als Verdächtige werden einerseits ein hochmoderner Roboter der Baureihe, der auch Roberto entspringt, und andererseits Vertreter der freien Gesellschaft ausgemacht. Da Hatis Familie sowohl hochrangig in der Politik als auch in der Wirtschaft der regulierten Welt vertreten ist, wirbelt der Fall sehr viel Wind auf und hat Potential, das einigermaßen funktionierende Nebeneinander von Menschen und Robotern bzw. von regulierten und freien Menschen erheblich zu stören. Am Ende kommt noch ein gerüttelt Maß an Wirtschaftsspionage hinzu. Und so ist ein äußerst komplexer Kriminalfall und seine Lösung durch den Roman zu verfolgen – immer parallel und durchmixt von den Darstellungen einer neuen, weiterentwickelten Welt und Gesellschaft.
    Ich muss sagen, dass für mich der Kriminalfall von Beginn an sehr stark in den Hintergrund gedrängt war, weil eben das Drumherum der Zukunftsvision einfach enorm viel Stoff für mich als Leserin und für meine Gedankenwelt geboten hat.
    FAZIT:
    Ein lohnender Ausflug in eine deutsche Zukunft, die keine Angst macht, sondern den Menschen auch in 50 Jahren noch eine bunte Auswahl von Möglichkeiten für ihr Leben bietet.
    Von mir bekommt „Germany 2064“ eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

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