Fremd
Inhaltsangabe zu "Fremd"
Vertrau oder stirbStell dir vor, du bist allein zu Haus. Plötzlich steht ein Mann vor dir. Er behauptet, dein Lebensgefährte zu sein. Aber du hast keine Ahnung, wer er ist. Und nichts in deinem Zuhause deutet darauf hin, dass jemand bei dir wohnt. Er redet auf dich ein, dass du doch bitte zur Vernunft kommen sollst. Du hast Angst. Und du verspürst diesen unwiderstehlichen Drang, dich zu wehren. Ein Messer zu nehmen. Bist du verrückt geworden?
Stell dir vor, du kommst nach Hause, und deine Frau erkennt dich nicht. Sie hält dich für einen Einbrecher. Schlimmer noch, für einen Vergewaltiger. Dabei willst du sie doch nur beschützen. Aber sie wehrt sich, sie verbarrikadiert sich. Behauptet, dich niemals zuvor gesehen zu haben. Sie hält dich offensichtlich für verrückt. Bist du es womöglich?
Eine Frau. Ein Mann. Je mehr sie die Situation zu verstehen versuchen, desto verwirrender wird sie. Bald müssen sie erkennen, dass sie in Gefahr sind. In tödlicher Gefahr. Und es gibt nur eine Rettung: Sie müssen einander vertrauen …
Och nö...
Was ist hier eigentlich los?! Dieser Gedanke fliegt einem beim Lesen der ersten Kapitel durch den Kopf - und sicher auch durch den Kopf der Hauptcharaktere, denn schließlich ist die Situation ja auch mehr als verwirrend. Joanna will sich nach Feierabend frisch geduscht nur noch mit Buch und Tee auf die Couch lümmeln, da steht plötzlich ein Fremder vor ihr. Doch der will sie weder bestehlen noch vergewaltigen, wie sie zunächst befürchtet, sondern - behauptet, ihr Verlobter zu sein?! Erik freut sich nach einem anstrengenden Tag, endlich nach Hause zu kommen - und pötzlich erkennt ihn seine Freundin nicht mehr, hat sogar Angst vor ihm! Ein rascher Blick lässt ihn erkennen, dass es im gesamten Haus nichts gibt, was ihm gehört. Wie kann das sein?! Tatsache ist: nur eine Version kann stimmen.
Ich wusste nicht, dass es so viele Abstufungen von Angst gibt. Wilde, unmittelbare, ungestüme Todesangst wie die von gestern Abend (...) Das war schlimm, aber besser zu ertragen als das, was ich jetzt empfinde - eine schleichende, kriechende Angst, die jeden Winkel meines Körpers ausfüllt. Denn ganz egal, was hinter der unfassbaren Situation steckt, in der ich mich befinde - es ist mit Sicherheit nichts Harmloses. (S. 65)
Ein interessantes Experiment haben hier zwei hochkarätige Thrillerautoren gewagt. Sie haben eine Geschichte erzählt, indem sie in kurzen Kapiteln abwechselnd zwei verschiedene Perspektiven präsentieren und dem Leser dadurch die Sichtweisen beider Hauptcharaktere zukommen lassen. Jemand in der Leserunde wusste zu berichten, dass Ursual Poznanski den Part von Joanne geschrieben hat, Arno Strobel entsprechend den von Erik. Obwohl ich darauf geachtet habe, konnte ich keine großartigen Unterschiede im Schreibstil feststellen, so dass es hier gelungenermaßen keine Stolpersteine gab.
Es hat ungefährt 70 Seiten gedauert, bis ich wirklich in der Geschichte angekommen war - es beginnt mäßig spannend, zu Anfang herrscht die Verwirrung vor - dann aber richtig. Ich wollte das Buch kaum noch aus der Hand legen, und Müdigkeit oder sonstige Störungen waren da einfach nur lästig. Trotz zunehmender Spannung ahnte ich allerdings etwa ab der Hälfte des Buches, was in etwa hinter dem ganzen stecken könnte, und befürchtete auch, den Grund für die Problematik von Joanne und Erik zu kennen. Leider bewahrheitete sich dies, worüber ich zugegebenermaßen doch etwas enttäuscht bin.
***Achtung: Spoiler!!!***
Hypnose ist in dem geschilderten Zusammenhang für mich leider nicht überzeugend. Das ist Stoff für Hollywood-Filme, hält aber keiner Prüfung stand. So gilt es als nicht möglich, einen Menschen unter Hypnose zu Taten zu zwingen, die seinen Ich-Idealen und seinem Wesen widersprechen. Und so wie Jo beschrieben ist, glaube ich nicht, dass 'Mordlust' ein Teil ihres Wesens ist.
***Spoiler Ende***
Also insgesamt ein wirklich spannender Pageturner, dessen Auflösung mich allerdings nicht ganz überzeugen konnte, auch wenn sie im Grunde vorhersehbar war. 3,5 Sterne, die ich gerne auf 4 aufrunde, weil das Buch mir unterhaltsame Lesestunden beschert hat.
© Parden