Feuerland: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Feuerland: Roman' von Michael Hugentobler
3.1
3.1 von 5 (10 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Feuerland: Roman"

Thomas Bridges wächst als Ziehsohn eines britischen Missionars am südlichen Ende Südamerikas auf, unter den Kindern der Yamana. Fasziniert von der reichen Welt und Sprache dieses Volkes, beginnt er, obsessiv ihre Wörter aufzuschreiben. Diese wertvolle Sammlung, sein Buch, wird ihm Jahrzehnte später gestohlen und fällt dem deutschen Völkerkundler Ferdinand Hestermann in die Hände. Hestermann spürt, dass er es mit einem einmaligen Schatz zu tun hat. Er verschreibt ihm sein Leben. Als in den 1930er Jahren die Nationalsozialisten beginnen, Bibliotheken zu plündern, begibt er sich auf eine gefährliche Reise, um das Buch in Sicherheit zu bringen.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:184
Verlag:
EAN:

Rezensionen zu "Feuerland: Roman"

  1. Wenn eine Sprache verloren geht, stirbt eine ganze Welt!

    Der deutsche Linguist und Völkerkundler Ferdinand Hestermann findet ein handgeschriebenes Wörterbuch über die Sprache der Yamana. Er ist völlig fasziniert von der Liebe zum Detail und der kulturellen bzw. sprachlichen Kenntnis des unbekannten Autors. Hestermann erschließt sich durch das Wörterbuch eine neue Welt und betrachtet es schon bald als seinen wichtigsten Schatz, den er kaum noch aus den Augen lässt. Als die Nazis mit den Plünderungen von Bibliotheken und Privatsammlungen beginnen, versucht Hestermann nicht nur sein Wörterbuch zu retten.
    In einem zweiten Erzählstrang geht es um den Verfasser des Wörterbuchs. Thomas Bridges wächst als Ziehsohn eines britischen Missionars in Feuerland bei den Yamana auf und bleibt dort sein ganzes Leben lang. Als Kind schließt er eine enge und lang anhaltende Freundschaft mit einem Yamana Jungen, von dem er auch die Sprache erlernt. Bridges arbeitet regelrecht besessen an der Vollendung seines Wörterbuchs. Immer wieder notiert er Bedeutungsnuancen und versucht die Vielfalt der Wortbedeutungen zu erfassen und zu dokumentieren.
    Im Roman werden unterschiedliche Themen von geschichtlicher Relevanz angesprochen. Kolonialismus und Christianisierung gehören dazu. Außerdem wird das Massensterben der Yamana thematisiert, das durch Krankheiten ausgelöst wurde, die durch die Kolonialmächte eingeschleppt wurden. Auch der schleichende Einfluss der Nazis auf die Lehre an den Universitäten und die Beseitigung kultureller Werte (in diesem Fall Bücher) durch die Nazis wird im Roman gut dargestellt.
    Hestermann und Bridges sind übrigens beide historische Persönlichkeiten. Hugentobler hat einige Eckdaten aus ihrem Leben übernommen, das meiste ist wohl Fiktion. Ich hatte mich sehr auf diese Geschichte gefreut. Leider kratzt das Buch, was die oben genannten Themen betrifft, sehr an der Oberfläche und auch die Hauptprotagonisten sind für mich irgendwie blass geblieben.

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  1. 2
    08. Mai 2021 

    Alles in allem: enttäuschend...

    Thomas Bridges wächst als Ziehsohn eines britischen Missionars am südlichen Ende Südamerikas auf, unter den Kindern der Yámana. Fasziniert von der reichen Welt und Sprache dieses Volkes, beginnt er, obsessiv ihre Wörter aufzuschreiben. Diese wertvolle Sammlung, sein Buch, wird ihm Jahrzehnte später gestohlen und fällt dem deutschen Völkerkundler Ferdinand Hestermann in die Hände. Hestermann spürt, dass er es mit einem einmaligen Schatz zu tun hat. Er verschreibt ihm sein Leben. Als in den 1930er Jahren die Nationalsozialisten beginnen, Bibliotheken zu plündern, begibt er sich auf eine gefährliche Reise, um das Buch in Sicherheit zu bringen.

    Erster Satz: Er sah den Mann auf der Bank sitzen, er näherte sich ihm von hinten, er streckte den Arm aus und wollte dem Mann die Hand auf die Schulter legen - aber kurz bevor seine Finger die Schulter berührten, tastete seine Hand ins Leere.

    Manche Romane schlage ich achselzuckend zu und sinniere darüber, was das denn jetzt wohl war. Hier erging es mir leider genau so, und auch Tage nach der Lektüre weiß ich nicht genau, weshalb dieser Roman wohl überhaupt geschrieben wurde.

    Gegliedert ist die Erzählung in drei Teile.

    Im ersten Teil wird geschildert, wie Ferdinand Hestermann, ein deutscher Ethnologe, Sprachwissenschaftler und Hochschullehrer, auf das Wörterbuch des Volkes der Yámana stößt, mitten in London in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Vermutlich muss man Sprachwissenschaftler sein oder eine sonstige Affinität zum Wesen von Sprache haben, um die nahezu manische Faszination Hestermanns für dieses Wörterbuch nachvollziehen zu können. Der Autor streut zum besseren Verständnis dieses eigenwilligen Charakters biografische Daten aus Hestermanns Lebenslauf und Werdegang ein, trotzdem erscheint dieser bis zum Schluss unnahbar und kaum greifbar.

    „Hestermann hatte bisweilen das Gefühl, dieses Buch sei nur als Wörterbuch getarnt, in Wahrheit sei es ein Bauplan, eine Anleitung zum Erschaffen eines Teils der Welt, für den Fall, dass diese Welt einst untergehen sollte. Es war eine Kopie der Wirklichkeit in Form von Wörtern, es war ein philosophischer Gral, nichts mehr und nichts weniger.“ (S. 18)

    Der zweite Teil des Romans stellt Thomas Bridges vor, der als Adoptivsohn eines britischen Missionars mit dessen Familie Mitte des 19. Jahrhunderts nach Südamerika gelangt und dort auf das Volk der Yámana stößt. Er sucht den Kontakt zu den Mitgliedern der ethnischen Gruppe, die auf Feuerland lebt, und beginnt, deren Sprache zu studieren und einzelne Wörter und deren (verschiedene) Bedeutungen in einem Buch festzuhalten. Am Ende seines Lebens befinden sich dort mehr als 30000 Einträge, und erst ein Diebstahl sorgt dafür, dass das Wörterbuch seinen Weg nach Europa findet.

    Als die Nationalsozialisten beginnen, Bücher aller Art zu beschlagnahmen, darunter eben auch völkerkundliche Bücher, setzt Hestermann alles daran zu verhindern, dass „sein“ Wörterbuch dasselbe Schicksal erleidet und damit das Wissen um das Volk der Yámana für immer verschwindet. Damit beschäftigt sich der dritte Teil des Romans, ebenso wie mit der omnipräsenten Bedrohung durch den Nationalsozialismus. Was kann ein Einzelner wie Hestermann dieser heranrollenden Macht entgegensetzen?

    Die Themen (Kolonialismus, Missionartum, Ethnologie, Nationalsozialismus und Verfolgung, Sprachwissenschaft u.a.m.) klingen vielversprechend, der Plot und seine Schauplätze ebenso. Doch leider…

    Die Hauptcharaktere Ferdinand Hestermann sowie Thomas Bridges gab es wirklich, der Roman bezieht sich auf reale Quellen und Hintergründe. Und doch bleiben die hier gezeichneten Charaktere blass, wirken oftmals nahezu skurril. So scheint sich Ferdinand Hestermann beispielsweise quasi nur von Zigaretten der Marke Lux zu ernähren, gelegentlich unterbrochen von einer Tasse Kaffee und einer Scheibe Zwieback. Diese Details finden in vielen Situationen Eingang, doch der Sinn dieser endlosen Wiederholung erschloss sich mir nicht.

    Hestermann erscheint fast misanthropisch, meidet im Allgemeinen den Kontakt zu anderen Menschen und widmet sich lieber seinen Studien. Wichtig für ihn ist nur das wenige, was in eine Aktentasche passt, er klammert sich nicht an irdische Güter - höchstens an eben jenes besondere Wörterbuch. Bei dem Gedanken daran, dass die Nationalsozialisten seine übrige Büchersammlung beschlagnahmen wollen, zuckt er im Grunde nur mit den Achseln. Die Rettung jenes Buches aber scheint sein (letztes und einziges) Lebensziel zu sein, ansonsten wirkt er recht resigniert, dazu naiv und im Grunde lebensuntüchtig. Ähnlich eigentümlich wird auch Thomas Bridges gezeichnet.

    „...und manchmal empfand er eine gewisse Leere, fast so, als existiere in ihm eine Erinnerungslücke jenes Lebens, das er zu leben verpasst hatte.“ (S. 38)

    Michael Hugentobler verwebt historische Fakten mit fiktiven Ereignissen, was für sich genommen ein legitimer Kniff ist. Hinzu kommen jedoch surreale Sequenzen, die sich im Verlauf steigern – Traumpassagen, Mythen, Schauergeschichten, kafkaesk anmutende Szenen… Mehrfach drängte sich mir beim Lesen der Gedanke „absurdes Theater“ auf, und mit einer derartigen Anhäufung surrealer Szenen konnte ich letztlich nichts anfangen.

    Die gesamte Erzählung blieb für mich trotz der angerissenen wichtigen Themen sehr oberflächlich, die Charaktere kamen mir nicht nahe, alles glitt wie in einem Traum an mir vorbei und ich schaute achselzuckend zu. Durch die Internetrecherche habe ich mehr erfahren als durch den Roman selbst, und ich habe bis zum Schluss nicht verstanden, weshalb der Autor das offenbar so wollte. Der Abschnitt über Feuerland hat mich zudem insgesamt enttäuscht - da erfährt man herzlich wenig über Land und Leute, das könnte auch irgendwo im Nirgendwo spielen. Da hatte ich – gerade im Hinblick auf das so zentrale Wörterbuch der Yámana – deutlich mehr erwartet.

    Insgesamt wurden hier (zu viele) eigentlich bedeutsame Themen angerissenen, blieben jedoch zu sehr an der Oberfläche um wirklich von Interesse zu sein. Die surrealen Elemente waren für mich zunehmend verstörend, die Charaktere zu überzeichnet und wenig vorstellbar, und letztlich erschloss sich mir nicht einmal, weshalb dieser Roman geschrieben wurde. Alles in allem: enttäuschend…

    © Parden

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  1. Eine Leidenschaft, die Wahnsinn nährt⁣

    Auf einer Parkbank liegt ein vergessenes Buch: ein Wörterbuch der Sprache eines längst verlorenen Volkes. Für seinen Ersteller war es Lebensinhalt und größter Schatz, für seinen Finder wird es schnell zur Obsession. Die Leben zweier Männer, die sich auf verschiedene Art und Weise der Sprache und der Völkerkunde verschrieben haben, überlappen sich, ohne dass sie sich jemals persönlich begegnet wären.⁣

    Thomas Bridges gelangt in den 1850er Jahren als Adoptivsohn eines britischen Missionars nach Südamerika und verbringt dort einige Zeit beim Volk der Yámana. Er verliebt sich schon als Jugendlicher in deren Sprache und Kultur und macht sich daran, ein detailliertes Wörterbuch zu erstellen. 1859 wird der erst 17-Jährige mit der Leitung der Mission betraut. Jahrzehnte später, kurz vor seinem Tod, umfasst das Wörterbuch 32.000 Einträge – und wird ihm gestohlen.⁣

    Hier kommt Ferdinand Hestermann ins Spiel, ein deutscher Ethnologe, Sprachwissenschaftler und Hochschullehrer, der das Wörterbuch rein zufällig findet. Schnell ist er von seinem unverhofften Schatz genauso besessen wie Bridges es war. Als in den 1930er Jahren die Nationalsozialisten beginnen, Bibliotheken zu plündern, ist für ihn klar: er muss unbedingt verhindert, dass ihnen das Buch in die Hände fällt, und so begibt er sich auf eine abenteuerliche Reise.⁣

    Hinweis:⁣
    Beide Männer gab es wirklich, auch wenn viele der Ereignisse im Buch fiktiv sind und sich im realen Leben nicht so ereignet haben.⁣

    “Dies waren keine Einträge eines Wörterbuchs, Hestermann hatte bisweilen das Gefühl, dieses Buch sei nur als Wörterbuch getarnt, in Wahrheit sei es ein Bauplan, eine Anleitung zum Erschaffen eines Teils der Welt, für den Fall, dass diese Welt einst untergehen sollte. Es war eine Kopie der Wirklichkeit in Form von Wörtern, es war ein philosophischer Gral, nichts mehr und nichts weniger.”⁣
    (ZITAT)⁣

    Der Teil der Geschichte, der sich mit Thomas Bridges beschäftigt, beleuchtet sehr gut das Wesen und die Abgründe des Kolonialismus. Die Missionare haben in ihren eigenen Augen nur die besten Absichten, und doch bringen sie den Völkern, die sie bekehren wollen, Krankheit und Tod. Die Yámana, deren Sprache Thomas in seinem Wörterbuch festhält, sind dafür ein mahnendes Beispiel; die Missionare werden zu Auslösern für deren rasante und beinahe vollständige Ausrottung.⁣

    Hier eröffnet sich eine interessante Parallele, die von Michael Hugentobler sicher auch beabsichtigt ist. In Bridges’ Teil der Geschichte wird die Welt der Yámana durch äußere Einflüsse bedroht, der vollständige Zusammenbruch ist imminent. In Hestermanns Teil der Geschichte geht auch seine Welt in gewissem Sinne unter – zumindest muss es ihm, der die Entwicklungen machtlos mit ansehen muss, so scheinen.⁣

    Beim Lesen habe ich mir notiert: Ich bin rundum begeistert von diesem Buch. Diese Sprache, dieses Spiel mit Traum und Wirklichkeit! Der subtile Humor! Und natürlich die feine Betrachtung der dräuenden Dunkelheit des Nationalsozialismus. Großartig.⁣

    Die Geschichte verwebt historische Fakten mit fiktiven Elementen und sprüht dabei nur so vor schöpferischem Witz. Es geht um Ethnologie, um Kolonialismus, um Fanatismus, das ist alles nur zu real und wird auch realistisch beschrieben – doch lange (alb)traumhafte Sequenzen spielen immer wieder mit den Grenzen von Schein und Wirklichkeit.⁣

    Oft vermischen sich Innenwahrnehmung und Außenwahrnehmung des Protagonisten, und diese Passagen sagen immer sehr viel aus über sein Wesen und seinen Charakter. Begann das Buch im ersten Abschnitt noch mit wenigen sehr subtilen Traumsequenzen, begibt sich die Erzählung im letzten Drittel endgültig ins Reich der Mythen und der mündlich weitergereichten Schauergeschichten, sie wird zunehmend surreal.⁣

    Das sorgt für eine dichte Atmosphäre, eine mit Händen greifbare Stimmung. Die Geschichte befreit sich aus dem engen Käfig der reellen Ereignisse – und im Nachwort wird klar, dass das Sinn macht, weil die Grundidee dem Autor auch in der Grauzone zwischen Realität und Mythos begegnet ist.⁣

    Aber es polarisiert auch – ich habe den Roman im Rahmen einer Leserunde gelesen, und da gingen die Meinungen sehr stark auseinander, um es vorsichtig auszudrücken!⁣

    Die Charaktere finde ich auf spezielle, eigentümliche Art sehr gut gelungen. Viele sind stark überzeichnet, den ein oder anderen Nebencharakter fand ich geradezu kafkaesk, aber man hat immer direkt einen sehr deutlichen Eindruck von der jeweiligen Persönlichkeit.⁣

    Man sollte sich meines Erachtens von der Vorstellung lösen, dass Thomas Bridges und Ferdinand Hestermann ihren realen Vorbildern genau entsprechen; der Roman nimmt sich hier und dort die Freiheit, sie eher als fiktive, wenn auch vom realen Leben inspirierte Charaktere zu behandeln.⁣

    Beide sind keine klassischen Helden, sondern Menschen mit Schwächen und Fehlern, deren Leben unabhängig voneinander Parallelen aufweisen. Beide haben es mit Konflikten zu tun, die sie nicht aufhalten können, beide klammern sich an das Buch, weil sie ansonsten die Kontrolle verlieren.⁣

    Die Sprache ist ein Fest, da will ich mich reinknien: wunderbar aussagekräftig und bildlich, außergewöhnlich, aber nicht gekünstelt… Sehr passend für einen Roman, in dem das Thema Sprache durch seine Protagonisten immer wieder im Fokus steht.⁣

    Für mich ist das Buch ein klitzekleiner Einblick in die für den Laien fremdartige Welt wenig bekannter Sprachen – oder zumindest in die Welt der Menschen, die diese Sprachen erforschen. Beim Lesen kam in mir der Wunsch auf, ich hätte etwas studiert, bei dem ich mich auch so mit der Sprache hätte befassen können.⁣

    Dem Autor gelingt eine feine Balance: er spart nicht mit Details, wo sie einer Szene oder einem Thema Würze und Leben geben, kann aber auch auf das Notwendigste reduzieren, wenn es um etwas geht, das für die Geschichte nicht näher erklärt werden muss.⁣

    Fazit⁣

    Thomas Bridges kommt in den 1850er Jahren als Adoptivsohn eines britischen Missionars ins Gebiet der Yámanas in Südamerika. Er beginnt schon bald damit, ein Wörterbuch der Sprache dieses sterbenden Volkes zu erstellen. Jahrzehnte später umfasst es 32.000 Wörter und gelangt in den Besitz des Ethnologen und Sprachwissenschaftlers Ferdinand Hestermann, für den es schnell Fix- und Angelpunkt seines ganzen Lebens wird. Um zu verhindern, dass das Buch den Nationalsozialisten in die Hände fällt, verlässt er in den 30er Jahren das Land und begibt sich auf eine Reise, die zunehmend unwirklicher und bedrohlicher erscheint.⁣

    Der Roman ist durch und durch originell, beschäftigt sich in einzigartigem Stil mit Kolonialismus, Fanatismus, Ethnologie und Sprache. Die Handlung weicht in vielem von der Realität ab, verliert sich hier und dort sogar in Traumsequenzen und sehr sonderbaren Episoden – aber wenn man sich darauf einlässt, ist das auf absurd-geniale Weise großartig. Schreibstil und Charaktere fand ich phänomenal.

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  1. Dieses Buch konnte mich nicht fesseln

    Thomas Bridges, Ziehsohn eines Missionars in Südamerika, wächst unter den Kindern der Yamana auf. Er beginnt, ihre faszinierende Sprache und Wörter aufzuschreiben, und so entsteht ein wertvolles Buch. Doch dieses Buch wird ihm Jahrzehnte später gestohlen und fällt dem Völkerkundler Ferdinand Hestermann in die Hände. Als die Nationalsozialisten in den 1930ern die Bibliotheken plündern, will er das Buch in Sicherheit bringen.

    Die Beschreibung dieses Romans hat mich sehr neugierig gemacht. Ein Wörterbuch des Stammes Yamana, das klang sehr spannend.
    Der Einstieg in das Buch ist mir leider sehr schwer gefallen. Ich musste es erstmal wieder beiseite legen und etwas später nochmal beginnen. Aber leicht fiel mir das Lesen dennoch nicht, obwohl sich der Schreibstil grundsätzlich gut lesen ließ.
    Das Buch ist in drei Teile gegliedert, was rückblickend gut gewählt ist. Als Leser lernt man Hestermann kennen und erfährt, wie er an das Wörterbuch gelangt ist, was es mit ihm machte und wie er es zu schützen versuchte. Und man lernt Bridges und die Entstehung des Wörterbuches kennen. 
    Ich bin davon ausgegangen, dass dieses Wörterbuch der Yamana eine große, präsente Rolle spielt, was leider nur bedingt der Fall war. Das Wörterbuch ist zwar der zentrale Mittelpunkt, nimmt mir aber viel zu wenig Raum ein. Gefühlt nur im Mittelteil gab es mehr Infos und Wissen zu den Wörter und deren Bedeutung, was interessant war. Ich empfand zwei Drittel des Buches mehr wie eine Erzählung rund um Hestermanns Leben, ein Ausschnitt seiner Biografie. Das hat mich leider nicht gefesselt. Nur einzelne Aspekte fand ich gelungen.
    Rückblickend muss ich leider sagen, dass mir von dem Buch nicht viel in Erinnerung geblieben ist. Sowohl die Protagonisten als auch das Wörterbuch wurden zu oberflächlich dargestellt, als dass ich gefesselt davon hätte sein können. Ich hätte das Buch jederzeit abbrechen können und hätte keinen Drang verspürt, es weiterlesen zu wollen. 

    Leider hat mich dieses Buch nicht erreicht, so dass ich nur 2 von 5 Sternen vergebe.

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  1. Ein Buch über ein Buch

    Feuerland ist ein Buch über ein Buch. Der Autor erzählt die Geschichte eines Wörterbuchs der Sprache der Yamana, die er während eines Aufenthalts in Argentinien von seinem Reiseführer erfahren hat. Anfangs hielt der Autor die Geschichte über Thomas Bridges und Ferdinand Herstermann für erfunden. Doch sie ist wahr. Seine Recherchen haben ihn bis in die British Library und zu dem Wörterbuch geführt.

    Eigentlich ist das ein interessanter Aufhänger für eine Geschichte. Und in der Tat: Der erste Teil des Buches, der sich mit dem Sprachforscher Ferdinand Herstermann beschäftigt, hat mir sehr gut gefallen. In einem ausfeilten und sehr bildhaften Sprachstil wird zunächst die Geschichte von Ferdinand Herstermann erzählt. Er stammte aus einfachsten Verhältnissen und wird von seinen Eltern als Kind in eine ordenseigne Schule abgeschoben. Dort trifft er auf Pater Schmidt, der die Begabung Herstermanns für Sprachen erkennt und sein Mentor wird. Ferdinand Herstermann tritt zunächst in die Fußstapfen von Pater Schmidt, geht dann aber eigene Wege. Der Zufall sorgt dafür, dass Ferdinand Herstermann das Wörterbuch der Yamana in die Hände fällt. Er studiert es und ist fasziniert von der Vielfalt dieser Sprache einer offenbar nicht mehr existierenden Kultur. Als die Nazis in den 1930er Jahren beginnen, völkerkundlichen Bücher zu beschlag-nahmen, setzt Ferdinand Hestermann sich dafür ein, dass möglichst viele Bücher (einschließlich seines Schatzes) vor dem Zugriff der Nazis gerettet werden.

    Im zweiten Teil des Buches wird dann die Geschichte von Thomas Bridges, dem Verfasser des Wörterbuchs erzählt. Thomas Bridges kommt als Teil einer Missionarsfamilie nach Feuerland. Der Versuch, die Yamana zu missionieren, misslingt indes. Statt geistlicher Erlösung bringt die Eroberung und Missionierung den Ureinwohnern nur tödliche Krankheiten und rottet sie schließlich aus.

    Der dritte Teil kehrt dann zu Ferdinand Herstermann zurück und beschreibt seine Rettungsmission. Leider ist dem Autor hier offensichtlich die Puste ausgegangen. Denn nach einigen langatmigen Kapiteln über Herstermanns Reise in die Schweiz und skurrilen Episoden (die mit der Geschichte an sich nichts zu tun haben) wird die eigentliche Rettungsmission dann in ein paar kurzen Briefwechseln abgehandelt und schnell zu Ende gebracht. Dass der Schluss so zu Ende geschnurrt wurde, hinterließ bei mir einen schalen Nachgeschmack. Die Liebe zum Detail, die noch im ersten und zweiten Teil deutlich zu lesen war, ging hier völlig verloren. Als ob der Autor keine Lust mehr gehabt hätte und die Geschichte einfach habe beenden wollen. Leider leidet dadurch der Gesamteindruck erheblich, sodass ich mich nicht zu mehr als drei Sternen hinreißen lassen kann.

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  1. Brillant am Thema vorbei geschrieben

    Ich bin ja durchaus ein überaus toleranter Leser und Sternezücker *hust*. Allerdings muss mich dafür ein Buch packen. Das war – so viel als Fazit voraus – leider bei „Feuerland“ von Michael Hugentobler nicht der Fall.

    Dabei hatte ich mich so auf die Geschichte um ein Wörterbuch eines indigenen Stammes (den Yamana) gefreut, welches tatsächlich existiert (hat). Auch die beiden (Haupt-)Protagonisten Ferdinand Hestermann und Thomas Bridges sind bzw. waren reale Personen; Hestermann war ein Ethnologe und Hochschullehrer, Bridges Verfasser des Wörterbuchs. Die gemeinsame Besessenheit bzgl. des Wörterbuchs entspringt jedoch der Fantasie des Autors, wie im kurzen Nachwort zu lesen ist.

    Die Geschichte hätte spannend werden können – die Betonung liegt auf KÖNNEN. Leider habe ich mich fast über die komplette Distanz von gut 220 Seiten gelangweilt. Ein sicheres Zeichen, dass ich mich langweile, ist, wenn ich (egal wie früh oder spät ich ins Bett gehe) über einem 4-seitigen Kapitel einschlafe. Wenn mich ein Buch packt, kann ich noch so müde sein – ich muss wissen, wie es weitergeht. Nun gut…

    Ich habe als Kafka-Fan nichts gegen groteske Situationen, surreale Begebenheiten etc. Aber selbst Kafka hätte beispielsweise nie einen Protagonisten vor einer „Holzhütte mit Grasdach“ stranden und ihn ein paar Seiten später in eben jener Hütte mit einem Fahrstuhl! in eine Suite bringen lassen. Es gab noch mehr Situationen, aber die stach heraus. Außerdem kann ich es als ernsthafter und interessierter Leser nicht „hinnehmen“, dass ein Roman über ein Wörterbuch zu einer Dauerwerbebroschüre für eine bestimmte Zigarettenmarke verkommt.

    Habt ihr schon mal jemanden getroffen, der ein „silbernes Hüsteln“ hüstelt? Ich auch nicht.

    Nein, mit „Feuerland“ habe ich wohl meinen (bisherigen) Flop des Jahres gelesen.
    Eigentlich 1,5*. Da ich in der Schule im Matheunterricht aber mitbekommen habe, dass ab 5 aufgerundet wird, werden es 2*.

    ©kingofmusic

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  1. 4
    08. Apr 2021 

    Roman der verpassten Möglichkeiten

    Mit dem Titel “Feuerland” seines neuen Romans lockt uns Michael Hugentobler nur scheinbar in eine ganz besondere Region am Rand unserer Landkarten.
    Er berichtet uns zunächst von dem Ethnologen Hestermann, der anlässlich eines Kongresses in London weilt, sich dort mit Kollegen trifft und ganz zufällig den Fund seines Lebens macht. Auf einer Parkbank hat ein Mann ein Buch liegen lassen, das sich als ganz besonderer Schatz für Hestermann erweist: eine handschriftliche Sammlung von Wörtern aus der Sprache der Yamana, einem Volk, das im fernen Feuerland um sein Überleben bangen muss. Für Hestermann ist dieses Buch eins dieser Schätze, die auf keinen Fall dem Zugriff der in seiner Heimat Deutschland immer mächtiger werdenden Nationalsozialisten übergeben werden darf. Diese Nationalsozialisten erweitern immer mehr ihren Einfluss im Lande und das schließt auch Hestermanns universitäre Arbeit in Münster ein. Themen und Aufgabengebiete an der ethnologischen Fakultät werden immer mehr den politischen Zielen und Anschauungen unterworfen. So muss Hestermann, den Sprache als Teilbereich der Ethnologie schon immer am meisten interessiert hat, plötzlich zunächst Italienisch und dann Japanisch lehren, da hier die potentiell Verbündeten des Reiches verortet sind. Die Archive sind bedroht und sollen so umfunktioniert werden, dass sie die nationalozialistische Doktrin zu untermauern wissen und alles davon Abweichende daraus zu verbannen ist. Hestermann sieht die einzige Chance, dagegen etwas zu bewirken, in der Flucht außer Landes und begibt sich in die Schweiz.
    Im zweiten Teil des Buches erfährt der Leser dann mehr über den Ursprung dieses so besonderen Buches. Thomas Bridges, ein Waisenjunge, den es mit seinem Adoptivvater, einem Missionar, nach Feuerland verschlagen hat, hat die Sammlung der so besonderen Wörter angelegt und hütet sie wie einem Schatz. Er hat eine ganz besondere Beziehung zu dem Stamm der Yamana aufgebaut und verlässt sie auch nicht, als sein Vater von seinem Posten abberufen wird. Den Yamana hat die Anwesenheit der Missionarsfamilie dagegen nicht wirklich gut getan. Krankheit und weitere Armut sowie Verringerung der Nahrungsoptionen sind die wesentlichen Konsequenzen. Das Christentum ist für sie wenig verlockend und attraktiv. Bridges unternimmt in London und Argentinien verschiedene Versuche, den Wörterschatz der Yamana an die Öffentlichkeit zu bringen und für die Yamana ein Refugium (oder besser gesagt ein Reservat) aufzubauen. Über all diese Bemühungen arbeitet er weiter an seiner Wörtersammlung, die so poetische Wörter bzw. Übersetzungen enthält wie etwa: "Herumwandern ohne Ziel, aus reiner Neugierde" oder "etwas beißen und dabei erstaunt feststellen, dass die Konsistenz anders ist als erwartet". Auf der anderen Seite haben die Yamana aber kein Wort für für uns so simpel und selbstverständlich erscheinende Dinge wie Tisch oder Tür. Sprache ist hier Wiederspiegelung und Ausdruck einer so vollkommen anderen Lebens- und auch Denkweise und die Aussichtslosigkeit bzw. auch der Widersinn der Missionierung wird dadurch sehr stark verdeutlicht. Die Faszination Bridges an dieser Sprache hat sich mir in diesem Teil sehr erschlossen. Er klammert sich daran, bis er das Buch erst bei seinem Tod aus der Hand geben muss an einen Hallodri, der ein unglaubwürdiger Forschungsreisender zu sein scheint und sich von den fernen Welten, Völkern, Sprachen nicht wirklich beeindrucken zu lassen scheint. An dieser Stelle freute ich mich: Welch ein Glück, dass dieser Hallodri das Buch verloren hat und es dann genau den richtigen Finder mit Hestermann und seiner Begeisterungsfähigkeit gefunden hat.
    Im dritten Teil kehren wir dann zu Hestermann auf seiner schon im ersten Teil begonnenen Flucht zurück. Mit dem Buch immer in Griffnähe verschlägt es ihn nach Zürich, was ihn vom Regen in die Traufe gebracht hat. Der Professor dort erscheint zumindest als gerade so große Bedrohung für das wissenschaftliche Wirken Hestermanns und seine Bücher wie es sein Chef bzw. das System in Münster war. Hestermann versucht dann – aufgeschrieben/ausgedacht durch den Autoren Hugentobler - auf irrwitzigen Wegen und nicht immer mit gesundem Maß an Realitätssinn Archive abseits des Zugriffs der Nationalsozialisten zu erschließen und zu sichern. Die Geschichte wird in vielfacher Hinsicht etwas hanebüchen. Das Yamana-Buch ist dabei immer wichtiger Teil des Schatzes, den es für Hestermann zu retten gilt, ohne dass es aber inhaltlich nochmal für den Roman wirklich eine Rolle spielt. Der dritte Teil bleibt deshalb viele Antworten auf in Teil 1 und 2 sehr interessant aufgeworfene Fragen schuldig und verirrt sich stattdessen in einer Handlung, die mir weder interessant noch erleuchtend erschien.
    Und so hat der Roman für mich eine Wendung genommen, die mich sehr traurig gemacht hat. Wie gern hätte ich – gerade bei dem Titel des Romans – mehr erfahren über das ferne Feuerland. Wie gern hätte ich mehr erfahren über die Yamana und vor allem über deren so besondere Sprache. Wie gern hätte ich etwas erfahren über wissenschaftliche Arbeit und Schlussfolgerungen über diese Sprache. Und auch der nationalsozialistische Einfluss auf so exotische Wissenschaftsbereiche wäre ein Thema gewesen, das es verdient hätte, näher beleuchtet zu werden. All dies hat der Roman angerissen und blieb es im dritten Teil dann aber komplett schuldig. Ein Roman der verpassten Möglichkeiten. Schade!
    Für die Freude, die er mir in den Teilen Eins und Zwei gebracht hat, gebe ich 5 Sterne. Für die Enttäuschung des Dritten Teils werden es nur 2,5. Und so kommen noch 4 Sterne als Gesamtbewertung heraus. Sehr schade! Eigentlich müsste man das Buch noch einmal zu Ende schreiben.

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  1. Worte - die Schweizer Messer der menschlichen Interaktionen

    Worte können schmeicheln, verletzen, verständlich, aber auch fremd sein. Sie beschreiben Welten, können manipulieren, fabulieren, aber auch schonungslos offenbaren. Ein Werkzeug, wenn man es geschickt benutzt, das alles vollbringen kann.

    Seine ganz eigene Beweisführung dafür, ist dem Schweizer Michael Hugentobler mit seinem Buch Feuerland gelungen. Hugentoblers Sekundanten (special thanks to Wanda) sind der Ethnologe und Hochschullehrer Ferdinand Hestermann (1878 - 1959) und der Missionar und Sprachwissenschaftler Thomas Bridges (1842 - 1898), die er in ihrer Leidenschaft um ein Yamana-Wörterbuch brennen lässt.

    Bridges erstellt dieses Buch in seiner Zeit bei den Yamana-Indianern im argentinischen Feuerland auf einer aufgegebenen Missionsstation. Er taucht tief in die Sprache der aussterbenden Indianer ein, schleppt seinen vermeintlichen Wortschatz auf eine beschwerliche Reise bis nach England, in dem Versuch, Kapital für den Ankauf von Land für seine Schützlinge zu bekommen. Ohne Geld, Respekt für seine Arbeit, aber mit allerlei Tand für die Eingeborenen, wohlwollend gespendet für die Zivilisierung der Rückständigen, kehrt er heim und sich ab, von Freunden, Arbeit und Lebensgeist.
    Das Wörterbuch gelangt über erfolglose Diebeshände nach London und wird dort auf einer Sitzbank vergessen.

    Hestermann ist der Finder und entflammt sogleich für diese Wortsammlung und bringt sie zuächst nach Münster. Es ist 1938, die Deutschen bereiten sich auf den Krieg vor, sammeln allerlei Beweise für "lebensunwertes Leben" und die Hervorhebung der nordischen Rasse. Dazu gehören auch Worte in all ihren Erscheinungsformen, Schriften, Zeitungen, wissenschaftliche Abhandlungen und Bücher. Sie werden eingefordert, bewertet und zensiert.

    Hestermann durchschaut diese Vereinnahmung und verteidigt seinen Schatz mit allen Mitteln. Ein Angebot aus London, dort ein sicheres Versteck zu finden, behagt ihm nicht. Die Rettung der Bücher aus Deutschland gestaltet sich immer schwieriger, die Überzeugungen der Menschen werden zusehends radikaler. Halb verrückt und am Ende seiner Kräfte landet Hestermann schließlich in der Schweiz.

    Dem Autoren gelingt es auf wenigen Seiten zwei so unterschiedliche Themen, wie gescheiterte Kolonial-/Missionspolitik und den daraus resultierenden Feindschaftpakt zwischen Großbritannien und Argentinien und dem Großmachtsanspruch der Deutschen im Zweiten Weltkrieg, unterlegt mit "wissenschaftlichen" Beweisen für die richtigen Verbündetetn , aber auch für die "überlegene" Rasse, in das vergleichsweise unspektakuläre Wirkungsfeld eines Wörterbuchs zu vereinen. Im zugeklappten Zustand unscheinbar, ja vielleicht sogar irreführend, aber aufgeklappt entfaltet es seine volle Wirkkraft, als Buch und als Messer!

    Eine volle Abhandlung über Feuerland, dem Zweiten Weltkrieg, der Arbeit eines Linguisten, oder dem allzeit stattfindenden Kunstraub darf man hier nicht erwarten, dafür aber ein Feuerwerk, an dem sich die eigenen Gedanken entzünden können und fabulierte Brücken, die dem Leser einen Wanderweg bieten, dem ich mit meiner Vorliebe für die menschliche Sprache in jeder Hinsicht gern gefolgt bin.

    Keine exakten Biografien der beiden Protagonisten, dafür aber auch kein erhobener Zeigefinger lassen Raum für romantische Träumerein eines Bibliophilen, fest verankert auf dem Boden der Tat-sachen menschlicher Entwicklung. Sehr geschickt und sehr anregend.

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  1. Wahn und Wörterbuch.

    Kurzmeinung: Einer der Romane, mit denen ich absolut nichts anfangen kann. Tut mir ja leid, aber das ist die Wahrheit.

    In dem Roman „Feuerland“ läßt der Autor Michael Hugentobler das Bild eines irren Professors für Linguistik und das eines halb besessenen Missionars, der auf verschlungenen Wegen nach Patagonien, ins Land der Yamana kam und von deren Sprache ein Wörterbuch erstellte, auferstehen.

    Ihre gegenseitige Verbindung durch die Leidenschaft für „das Wörterbuch“ indes ist frei erfunden. Einerseits real, einerseits märchenhaft, heißt es im Nachwort.

    Die Rettung des kostbaren alten Buches vor den Nationalsozialisten, das hätte eine spannende Geschichte geben können. Wenn nicht Ferdinand Hestermann als völlig unglaubhaft zusammengeschusterte Person konstruiert wäre, er verhält sich abstrus, irr- und aberwitzig, wahnhaft. Ihm passieren Wunder. Er ist nie ganz bei Sinnen. Er kämmt sich und raucht Lux. Anhand seiner Person versucht der Autor eine Aura des Geheimnisvollen, aber an einem Wörterbuch ist nichts Geheimnisvolles. Es ist eben das, ein Wörterbuch. Auch wenn es alt und insofern kostbar ist, bleibt es nur ein Wörterbuch. Eine geheimnisvolle Aura zu stricken und die surrealistisch anmutenden Bilder des Romans kommen mir fehl am Platz vor.

    Immerhin sind die handelnden Personen historisch. Es hat sie gegeben. Der Professor schien mir nach den Informationen aus Wikipedia allerdings recht zielstrebig zu sein. Keineswegs durch den Wind. Im Gegenteil, um das ständige Ringen um seinen Job zu ertragen, einschließlich einiger anstrengender Ortswechsel, muss er sogar von recht stabiler Psyche und ein Mann von Charakter gewesen sein.

    Das Changieren zwischen Märchen und Realität hat meiner Meinung nach dem Roman nicht gutgetan. Vermutlich hätte ich mich mit dem durchgeknallten Professor arrangiert, wenn auf die schlimmsten Absurditäten verzichtet worden wäre. So wandert der Professor in einer Szene, nur mit dem Pyjama bekleidet einen Berg hinauf und auf der anderen Seite wieder herunter und landet mit traumwandlerischer Sicherheit auf einem Anwesen, das er kaufen wird. Unterwegs passieren Wunder.

    Fazit: Es ist in meinen Augen bei diesem Roman einfach alles missglückt. Die Personen, die Handlung, die Verflechtung von Realität und Märchen. Dem Roman ist zusätzlich Weitschweifigkeit anzukreiden! So dass ich mich gründlich gelangweilt habe. Von Spannung keine Spur. Bleibt das Wörterbuch. Es scheint wirklich zu existieren. Und verhilft dem Roman zu seinem zweiten Stern.

    Kategorie: Legende
    Verlag: dtv, 2021

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  1. Die Biografie eines Wörterbuches

    Zwei Männer verbindet dasselbe Ziel, die Rettung des Wortschatzes der Yamanas, ein Stamm in Patagonien, Südamerika, in Form eines Wörterbuches.

    Thomas Bridges, Ziehsohn eines britischen Missionars, lernt das Volk aus nächster Nähe kennen. Er entwickelt eine regelrechte Obsession für die Wörter der Yamanas, sodass er diese in einem alten Kassabuch festhält.

    Jahrzehnte später wird sein Schatz gestohlen und fällt dem deutschen Ethnologen Ferdinand Hestermann in die Arme. Auch er verschreibt sich besessen diesem Buch. Er möchte es vor der Zerstörung der Nazis retten und begibt sich dadurch selbst in Gefahr.

    Fiktion und Realität verschmelzt in diesem Buch. Die handelnden Personen Thomas Bridges, Ferdinand Hestermann, ja sogar das ominöse Wörterbuch der Yamana, gab es wirklich. Rund um die belegten historischen Tatsachen schmiedete der Autor einen interessanten Plot.

    Die Sprache die er hierfür verwendet, würde ich als poetisch bezeichnen, ist aber dennoch leicht lesbar. In einem Buch, dass von Sprachen handelt, muss der verwendete Schreibstil auch dementsprechend angemessen sein, dies gelang Micheal Hugentobel hier sehr gut. Mit der bildhaften Sprache kann man sich als Leser jederzeit in die dargestellten Szenen hineinversetzen.

    Das Thema selbst, die Biografie eines Wörterbuches eines Stammes in Patagonien, konnte mich leider nicht fesseln. Leider erfuhr ich aus meiner Sicht zu wenig über Patagonien, zu wenig über das Volk der Yamanas, die dem Kultivierungsdrang der Missionare zum Opfer fielen. Auch das Thema der Büchervernichtung der Nazis wurde mir zu oberflächlich behandelt. Die Faszination von Thomas Bridges und Ferdinand Hestermann, hinsichtlich der Sprache, aber auch in Bezug auf das Wörterbuch, konnte ich nicht teilen.

    Ein Buch das an vielen Oberflächen kratzt, dass mir wenig neues Wissen vermittelte, aber dennoch anspruchsvoll geschrieben wurde.

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