Feldpost: Roman

Rezensionen zu "Feldpost: Roman"

  1. 4
    20. Jan 2023 

    Historie wird lebendig

    Von Mechtild Borrmann kenne ich fast all ihre Bücher, angefangen von ihren Krimis. Für „ Wer das Schweigen bricht“ erhielt sie 2012 den Deutschen Krimipreis.
    Ihre weiteren Romane waren allesamt Bestseller. Gekonnt verknüpft sie darin Zeitgeschichte mit einer packenden fiktiven Rahmenhandlung. Führt uns der ebenfalls preisgekrönte Roman „ Der Geiger“ in das Russland der 1940er Jahre, so ist der Ausgangspunkt in „ Die andere Seite der Hoffnung“ die Katastrophe von Tschernobyl. „ Trümmerkind“ und „ Grenzgänger“ spielen in den unruhigen Nachkriegsjahren.
    Etwas weiter zurück liegen die dramatischen Geschehnisse von ihrem neuesten Roman „ Feldpost“.
    Die Geschichte beginnt allerdings kurz vor Weihnachten 2020. Die Kassler Anwältin Cara Russo sitzt in einem Café und schreibt Weihnachtskarten. Da setzt sich eine fremde Frau zu ihr, verwickelt sie in ein Gespräch über eine vermisste Frau namens Adele und hinterlässt dann einen alten braunen Aktenkoffer. Darin befinden sich einige Feldpost- Briefe aus dem Zweiten Weltkrieg und ein paar beinahe unleserliche Dokumente. Die Neugierde der Anwältin ist geweckt und sie beginnt Nachforschungen anzustellen.
    Der zweite Erzählstrang führt zurück ins Jahr 1935. Die beiden Familien Kuhn und Martens sind befreundet, ihre Kinder Albert und Adele sowie Richard und Dietlinde verbringen viel Zeit miteinander. Das Verhältnis beginnt mit dem Aufkommen der Nazis merklich abzukühlen. Während der Apotheker Martens ein Parteigenosse der ersten Stunde ist, hält der Speditionsunternehmer Kuhn nichts von den neuen Machthabern. Er kommt wegen staatsfeindlichen Äußerungen für zwei Jahre ins Gefängnis, sein Geschäft wird beschlagnahmt. Danach flüchtet das Ehepaar ins Ausland . Zuvor verkaufen sie ihre Villa auf Wilhelmshöhe zu einem symbolischen Preis an den früheren Freund Martens, mit dem Recht auf einen späteren Rückkauf.
    Die mittlerweile erwachsenen Kinder Adele und Albert bleiben in Deutschland zurück.
    Adele ist schon länger verliebt in den Jugendfreund Richard, doch irgendwann muss sie sich eingestehen, dass diese Liebe nie erwidert werden wird. Denn Richard liebt ihren Bruder Albert. Eine Liebe, die verboten ist und die schreckliche Konsequenzen bei ihrer Entdeckung nach sich ziehen wird. Als Albert untertauchen muss, ist Adele die Botin, die die Liebesbriefe Richards von der Front an ihren Bruder weiterleitet.
    Mechtild Borrmann entwickelt ihre Geschichte auf zwei Zeitebenen und aus der Perspektive verschiedener Figuren. Abwechselnd begleitet der Leser Cara Russo bei ihren Recherchen, dann wieder geht es zurück in die Vergangenheit. Dabei hält sie gleichbleibend die Spannung.
    Für diesen Roman hat die Autorin im Tagebuch- Archiv Emmendingen recherchiert. Briefe und Aufzeichnungen aus der Nazi-Zeit sind die Grundlage für diesen Roman. Dabei ist Mechtild Borrmann eine eindrückliche und glaubhafte Schilderung jener Zeit gelungen. Sie zeigt, wie die aufkommende Nazi- Ideologie Freundschaften zerstört, welche verheerenden Auswirkungen der Nazi- Terror auf alle Anders- Denkenden hatte. Themen wie Homosexualität, Flucht und Vertreibung, Freundschaft und Verrat werden ganz konkret an den Figuren erlebbar gemacht. Die Sprache ist schnörkellos und trotzdem einfühlsam.
    Die „ Auflösung“ am Ende hat mich sprachlos zurückgelassen.
    Mit „ Feldpost“ hat Mechtild Borrmann erneut ihr Können bewiesen. Wieder ist es ihr gelungen, in einem spannenden und unterhaltsamen Roman Historie lebendig werden zu lassen.

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  1. Berührende Chronik einer verbotenen Liebe

    Cara Russo ist Anwältin in Kassel. Sie freut sich gerade auf ihren wohlverdienten Weihnachtsurlaub, als ihr eine fremde Frau einen Aktenkoffer mit Feldpostbriefen hinterlässt. Zunächst will sie einfach nur den Koffer wieder loswerden und versucht seinen Besitzer zu ermitteln, doch während der Recherchen wird ihr immer mehr bewusst, auf welch tragische Liebesgeschichte sie gestoßen ist. Sie kommt einem Verbrechen aus vergangen Tagen auf die Spur.

    Der Roman von Mechtild Borrmann hält mal wieder, für was die Autorin steht. Spannung mit Zeitgeschichtevermischt. Man wird mit tragischen Schicksalen aus dem vergangen Jahrhundert konfrontiert. Immer weiter dringt man in die beteiligten Familien ein und könnte vor Wut in das Buch beißen, wenn man von dem Unrecht ließt, was den Protagonisten widerfährt. Das Buch liest sich wirklich sehr gut und der Wechsel zwischen den Zeitebenen passt einfach mal wieder super. Die Geschichte entwickelt so einen Sog, dass man immer weiter lesen muss. Mich hat der Roman mit dem Schicksal seiner Protagonisten wirklich sehr berührt und ich werde noch lange daran denken. Klare Leseempfehlung.

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  1. Post aus schlimmen Zeiten

    Im Kassel der 30er Jahre sind die Familien Kuhn und Martens miteinander befreundet – die Eltern ebenso wie die Kinder. Gerhard Kuhn äußerst sich in der Öffentlichkeit kritisch über die Nazis und muss schließlich mit seiner Frau das Land verlassen. Die Kinder Adele und Albert bleiben in Deutschland zurück. Gerhard Kuhn lebt zunächst in Frankreich und baut sich schließlich in Portugal eine neue Existenz auf. Hermann Martens hat es als Anhänger des Regimes leichter und nutzt seine Verbindungen, um seinen Sohn Richard vor dem Gefängnis zu schützen, als der sich durch seine verbotene Liebe in Schwierigkeiten bringt. Adele liebt Richard, aber ihre Liebe wird nicht erwidert. Dafür stehen sich Albert und Richard umso näher. Später wird Adele die an sie gerichteten Briefe Richards von der Front weiterleiten. 6o Jahre später überlässt eine fremde Frau diese Briefe zusammen mit Dokumenten über den Verkauf der Kuhn-Villa an die Familie Martens der Anwältin Cara Russo in einem Aktenkoffer in einem Kasseler Café. Caras Neugier ist geweckt. Sie geht der Sache nach, trifft Überlebende und rekonstruiert die Ereignisse von damals. Die letzten fehlenden Informationen bekommt der Leser in einem Epilog.
    Mechtild Borrmann versetzt uns in eine finstere Epoche der deutschen Geschichte und erzählt von einer verbotenen Liebe, aber auch von Habgier, Verrat und Mord. Der Roman ist auch sprachlich hervorragend gelungen. Ich war schon vorher ein Fan der Autorin, und werde es mit Sicherheit auch bleiben. Eine uneingeschränkte Empfehlung für diese spannende Mischung aus Zeit- und Familiengeschichte.

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  1. Eine tragische Geschichte

    Die Anwältin Cara Russo gönnt sich eine kleine Auszeit in einem Café, als sich an alte Dame zu ihr an den Tisch setzt und ihr erzählt, dass sie eigentlich jemanden besuchen wollte. Aber „Adele ist verschwunden.“ Dann geht die Frau zur Toilette und ist ebenfalls verschwunden. Zurückbleibt eine Tasche mit Dokumenten. Cara möchte die Tasche an den rechtmäßigen Besitzer zurückgeben und beginnt zu recherchieren. Sie stößt auf eine tragische Geschichte, die sich in der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges ereignet und die mit großer Liebe, Schuld und Verrat zu tun hat.
    Die Autorin Mechtild Borrmann wurde durch eine wahre Lebensgeschichte zu diesem Roman inspiriert. Sie erzählt einfühlsam und lebendig. Da die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven berichtet wird, ist man immer sehr nahe am Geschehen.
    Die Charaktere sind authentisch dargestellt und ihre Handlungen sind nachvollziehbar. Es ist eine schlimme Zeit und schnell gerät man ins Visier der Machthaber, was schreckliche Folgen haben kann.
    Die Familien Kuhn und Mertens sind befreundet. Doch Kuhn kann seinen Mund nicht halten, landet im Gefängnis und als er herauskommt, muss er feststellen, dass sein Betrieb ihm nicht mehr gehört. Es dauert nicht lange, bis er mit seiner Frau fliehen muss. Vorher verkauft Kuhn Mertens seine Villa auf der Wilhelmshöhe in Kassel zu einem symbolischen Betrag mit der Zusage, dass er sie nach seiner Rückkehr zurückkaufen kann. Adele und Albert Kuhn bleiben in Deutschland. Dass Albert Kuhn und Richard Mertens mehr als Freunde sind, weiß da noch niemand. Doch jede Entscheidung hat auch Einfluss auf die Zukunft und so wird eine Kettenreaktion von tragischen Ereignissen ausgelöst, die Einfluss auf beide Familien hat und bis in die Gegenwart reicht. Ich kann gut nachvollziehen, dass die Geschichte Cara keine Ruhe lässt und sie beginnt nachzuforschen. Was sich dann am Ende zeigt, ist wirklich tragisch und berührend.
    Es ist eine Geschichte, die einen nicht loslässt und die manch überraschende Wendung zeigt. Ich kann diesen Roman nur empfehlen!

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