Faber oder Die verlorenen Jahre: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Faber oder Die verlorenen Jahre: Roman' von Jakob Wassermann
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5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Faber oder Die verlorenen Jahre: Roman"

Als Eugen Faber nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in seine Heimatstadt zurückkehrt, liegt seine Welt in Trümmern: Er ist zum Außenseiter geworden, zum Fremden in seiner eigenen Familie. Jakob Wassermanns wiederentdeckter Roman ist ein erschütterndes und bewegendes Zeugnis der Entwurzelung einer ganzen Generation. Sechs Jahre hat sich der junge Architekt Eugen Faber in russischer Gefangenschaft nach seiner Frau, seiner großen Liebe und Seelenverwandten, gesehnt und schließlich eine gefährliche Flucht auf sich genommen. Doch das Leben ist inzwischen weitergegangen. Seine Frau erkennt er kaum wieder, sein kleiner Sohn kann sich nicht an ihn erinnern. In seinem Beruf wird er nicht mehr gebraucht, und auch Ideologien bieten ihm keinen Halt. Zunehmend verzweifelt versucht er, sich in eine Welt einzufügen, die nicht mehr die seine ist. Mit außerordentlichem Einfühlungsvermögen erkundet Jakob Wassermann das quälende Ringen um Nähe und Verständnis. In den 1920er-Jahren war er einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller. 1933 sollten seine Werke den Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten zum Opfer fallen, doch schon 1924, als er den vorliegenden Roman veröffentlichte, ahnte er das nahende Unheil voraus. In einer Zeit des brüchigen Friedens und des drohenden Zerfalls Europas stellt der Roman existenzielle Fragen, die uns auch heute noch beschäftigen: nach dem Wert von Menschlichkeit, Respekt und gegenseitiger Achtung.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:416
EAN:9783717524168

Rezensionen zu "Faber oder Die verlorenen Jahre: Roman"

  1. 5
    26. Apr 2017 

    Faber oder die verlorenen Jahre

    Mir hat das Buch sehr gut gefallen, wenn es auch meine Erwartungen nicht ganz erfüllt hat. Ich dachte erst, nachdem ich den Klappentext gelesen habe, das Buch behandelt thematisch einen traumatisierten Kriegsheimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg.

    Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:

    "Als Eugen Faber nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in seine Heimatstadt zurückkehrt, liegt seine Welt in Trümmern: Er ist zum Außenseiter geworden, zum Fremden in seiner eigenen Familie. Jakob Wassermanns wiederentdeckter Roman ist ein erschütterndes und bewegendes Zeugnis der Entwurzelung einer ganzen Generation.Sechs Jahre hat sich der junge Architekt Eugen Faber in russischer Gefangenschaft nach seiner Frau, seiner großen Liebe und Seelenverwandten, gesehnt und schließlich eine gefährliche Flucht auf sich genommen. Doch das Leben ist inzwischen weitergegangen. Seine Frau erkennt er kaum wieder, sein kleiner Sohn kann sich nicht an ihn erinnern. In seinem Beruf wird er nicht mehr gebraucht, und auch Ideologien bieten ihm keinen Halt. Zunehmend verzweifelt versucht er, sich in eine Welt einzufügen, die nicht mehr die seine ist."

    Ich finde schon, dass der Klappentext einen dazu einlädt, diese Erwartung in sich aufzubauen ...

    Das Buch ist sehr tiefgründig, dass ich fast auf jeder Seite Klebeblättchen haften habe, obwohl mir von Anfang an bewusst ist, dass ich die meisten Blättchen nicht bearbeiten kann. Mich haben die Gedanken des Protagonisten Eugen Faber so sehr fasziniert, dass ich nicht anders konnte, als sie mit den Blättchen festzuhalten.

    Eugen Faber lernt man als einen sehr ernsten Menschen kennen, der später sogar misanthropische Züge entwickelt. Aber mit dem Hintergrund, den Faber mitbringt, ist das eher menschlich, obwohl man sehr wenig erfahren hat, welche Erlebnisse er in seiner russischen Gefangenschaft erlitten hat. Wie konnte seine Flucht von Sibirien nach China gelingen? Wie hat er es geschafft, wieder nach Hause zu kommen? Dieses und anderes hätte mich interessiert und es wunderte mich, dass meine Fragen so unbeantwortet geblieben sind. Erst im Anhang entnahm ich schließlich, dass der Roman kein (traumatisierter) Heimkehrroman darstellen würde.

    Es werden in dem Buch viele Themen behandelt, wie z. B. die Ehe, Politisches, Pädagogisches, Gesellschaftliches. Aber von den Kriegserfahrungen erfährt man nur am Rande etwas ...

    Als Faber sich wieder in seiner Heimatstadt befindet, geht er nicht nach Hause zu seiner Frau und zu seinem Kind, nein, er sucht seinen Freund Jakob Fleming auf, ein guter Onkel der Familie, und bittet um Asyl für ein paar Tage. Eine zerrissene Persönlichkeit, die am liebsten vor sich selbst fliehen würde, so kommt er mir vor. Sehr ernst und nachdenklich wirkt er auf mich. Seine Gedanken, seine Verstimmtheit nehmen sogar krankhafte Züge an ... Und so erfährt Faber von Fleming über die kriegsbedingten Veränderungen innerhalb seiner eigenen Familie und über seine Herkunftsfamilie ...

    Er entnahm die traurige Notiz, dass sein Vater, von Beruf war er Arzt, nicht mehr am Leben sei, und seine selbstbewusste Mutter namens Anna, die sich für die Frauenrechte einsetzte, auch nicht mehr dieselbe war. "Auch sie hat ihren Tribut an die Zeit bezahlt wie wir alle", so Fleming. (2016,39)

    Jakob Fleming war mir total sympathisch. Nicht nur weil seine Wohnung bis zur Wohnungsdecke voller Bücher ist, nein, auch weil er der Familie Faber, speziell Martina, Eugen Fabers Frau, seelsorgerisch zur Verfügung stand. Auch Fleming ist von Beruf Arzt.

    Seine Frau Martina schließt sich während des Krieges, in der Zeit als Eugen einberufen wurde und nicht mehr zu Hause lebte, einer sozialpädagogischen Organisation an, die heimatlose und seelisch-körperlich vernachlässigten Kindern ein Zuhause bietet. Gegner dieser Einrichtung bezeichnen diese als eine Krüppelfabrik. Martina wollte lernen, von ihrem Mann unabhängig zu leben, weshalb sie diese Herausforderung mit den misshandelten Kindern auf sich nahm.

    Als sich Faber wieder nach Hause begibt, sind ihm seine Frau und auch sein kleiner Sohn Christoph fremd. Und vor allem mit seinem Sohn zeigte Faber Schwierigkeiten, sich mit ihm zu beschäftigen ... Zudem versteht er Martinas berufliche Veränderung nicht wirklich einzuordnen, als sie versucht hatte, es ihm zu erklären, dass ihr die Zeit zu lang schien, um auf Fabers Rückkehr zu warten. Sie hatte das dringende Bedürfnis, sich in der Gesellschaft nützlich zu machen und sie wollte aufhören, wirtschaftlich von ihrem Mann abhängig zu sein. Mit emanzipierten Frauen hat Eugen keine wirklichen Erfahrungen …

    Ebenso Fabers Schwester Clara wundert sich über Fabers Rückzug von der Familie. Auch sie nimmt eine Wesensveränderung wahr und bespricht diese mit ihrem Mann Hergesell:

    >>Es zieht ihn ja auch nicht zu uns, zu mir oder zu Mutter. Es treibt ihn nur weg von daheim. Am liebsten ginge er von sich selber weg.<< Daraufhin Hergesell:

    >>Das mag wohl wahr sein, (…), er ist eine entwurzelte Existenz. Wohin gehört er? Er weiß es nicht. Was erstrebt er? Er weiß es nicht. Wo sind seine tieferen Verpflichtungen? Er hat keine. Von solchen Menschen wimmelt unsere Welt jetzt, und bei den meisten bedarf es nur des Stichworts, und sie werden… nun, sie werden was sie eben sind. (…) Und ich glaube, bei Eugen rächt sich das am bittersten. Er steht nicht. Er ist kein Mensch, der steht. Er ist ein Mensch, der flieht.<< (115f)

    Auch wenn man das dem Buch und der Thematik nicht wirklich ansieht, verbirgt es doch auch eine kleine und komplizierte Liebesgeschichte. Der unglückliche Eugen Faber verliebt sich in eine andere Frau namens Fides und Fides verliebt sich in Eugen … Eugen glaubt, diese Frau sei viel feinfühliger als seine Martina, und er fühlt sich zu Fides seelisch sogar hingezogen ... Aber mehr ist dem Buch zu entnehmen.

    Mein Fazit zu dem Buch?

    Ich habe nicht nur das Buch mit großem Interesse gelesen, sondern auch das Nachwort fand ich äußerst interessant, aus dem zu entnehmen ist, wie andere bekannte Autoren literarisch zu Jakob Wassermann standen. Thomas Mann z. B. vermisste mehrfach den Humor. Ja, das stimmt, das kann ich selbst auch bestätigen, aber gestört hat mich das nicht. Arthur Schnitzler empfand Wassermanns Werke als nicht besonders intellektuell tiefgründig, während Stefan Zweig Wassermann eher lobend gegenüberstand. Wassermanns Schreibstil hätte tiefes, psychologisches Potenzial. (409)

    Ich schließe mich Stefan Zweigs Meinung an. Den psychologischen Tiefgang findet man auch in diesem Buch. Wie ich eingangs schon beschrieben habe, ist Faber ein Mensch, der starke innere Nöte erlitten hat, und er gezwungen ist, sich ihnen zu stellen, bzw. sich mit diesen Nöten auseinanderzusetzen, bis er, das hoffe ich, seinen inneren Frieden wieder gefunden hat, und wieder gesellschaftsfähig wird. Ob er das schafft, dies lässt der Autor Jakob Wassermann offen.

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