Ermordung des Glücks

Buchseite und Rezensionen zu 'Ermordung des Glücks' von Friedrich Ani
4.25
4.3 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ermordung des Glücks"

Das Glück wird ermordet, als der 11-jährige Lennard Grabbe im kalten Novembermünchen nicht nach Hause kommt und 34 Tage später als Mordopfer aufgefunden wird. Exkommissar Jakob Franck, den man bereits aus Der namenlose Tag kennt, überbringt den Eltern die schrecklichste aller Nachrichten – das Glück verschwindet. Aber auch das Glück anderer, mit Lennard in Verbindung stehenden Personen endet abrupt oder wird ermordet. Während die Sonderkommission auf der Stelle tritt und die Familie keinen Weg findet, mit dem Verlust umzugehen, vergräbt Franck sich bis zur Erschöpfung in Zeugenaussagen und Protokollen, verbringt Stunden am Tatort und bedient sich seiner speziellen Technik der Gedankenfühligkeit – immer in der Hoffnung, das „Fossil“, den einen ausschlaggebenden Faktor zur Aufklärung des Falls, ans Licht zu bringen. Angetrieben wird er dabei nicht nur von dem Bedürfnis, der Familie zu Klarheit zu verhelfen und so ihre Trauer zu lindern, sondern auch von den schmerzhaften Erinnerungen an die ungelösten Mordfälle seiner Karriere.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:317
EAN:9783518427552

Rezensionen zu "Ermordung des Glücks"

  1. Melancholischer Krimi

    Der erste Teil der Reihe (den ich unbedingt noch lesen will!) um den pensionierten Kriminalkommissar Jakob Franck, Der namenlose Tag, wurde mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Dies ist nun der 2.Fall für den sympathischen Ermittler, der es sich auch in seinem Ruhestand zur Aufgabe gemacht hat, "Hinterbliebenen die Nachricht vom Tod eines Angehörigen zu überbringen." (S.16)

    Worum geht es in dem Mordfall?
    Nachdem der 11-jährige Lennard Grabbe an einem stürmischen und regnerischen Abend nicht Hause kommt, beginnt eine fieberhafte Suche. 34 Tage später wird die Leiche in der Nähe eines Gasthofes gefunden, Tatort ist jedoch ein Spielplatz in der Nähe der Schule.
    Jakob Franck sucht die Eltern auf, die ein Café betreiben, um ihnen die schreckliche Botschaft zu überbringen und "ermordet das Glück" dieser Familie.

    ">Ich habe Ihnen und Ihrem Mann eine schlimme Nachricht zu überbringen.<" Dann verschwand die Welt um sie herum.
    Als die Welt wieder da war, gehörte Tanga Grabbe nicht mehr dazu." (S.12)

    Tanja Grabbe, Lennards Mutter, zerbricht am Tod ihres Kindes, schließt sich in sein Zimmer ein. Auf der Beerdigung spricht sie sehr bewegend nur zu seinem Bild.

    "Sie senkte den Kopf und bemerkte, dass sie eine gerahmte Fotografie in den Händen hielt. Das bist doch du, sagtes sie und betrachtete das sonnige Gesicht, zu ihm allein hatte sie gesprochen, nicht über ihn, nicht zu den anderen, nur zu ihm, ihrem Sohn; wenn er in ihrer Nähe war, brauchte sie niemanden sonst. Als er auf die Welt kam, brachte er sie mit." (S.54)

    Sie weigert sich mit ihrem Mann Stephan und ihrem Bruder, Maximilian Hofmeister, zu sprechen, obwohl sie mit letzterem innig verbunden ist. Auch Max´ Glück, der seiner Schwester zuliebe den Friseursalon des Vaters übernommen hat, scheint verloren - ein dunkler Schatten aus der Vergangenheit bemächtigt sich seiner und will ans Licht.
    Während die Sonderkommission keinen Schritt bei der Tätersuche vorankommt, begibt sich Franck auf Spurensuche. Seine Ehe ist vor 20 Jahren gescheitert, da Francks Gedanken sich fast ausschließlich um seine Arbeit gedreht haben und vielleicht auch, weil die Ehe kinderlos geblieben ist. Doch immer noch ist er seiner Ex-Frau verbunden und trifft sie regelmäßig.
    In seiner Erinnerung tauchen die ungelösten Fälle seiner Vergangenheit auf und immer wieder seine Schwester, die ebenfalls ermordet worden ist.

    "An diesem frostigen Montagnachmittag taumelte Franck, unbemerkt von seinem Begleiter, in seine eigene Welt; in dieser Welt hatte er seine Schwester verloren und nie aufgehört, sie zu vermissen; als läge ihr Tod nicht schon fast ein ganzes Leben zurück, sondern vielleicht erst drei Monate - so lange wie die Ermordung des elfjährigen Lennard." (S.177)

    In einer Art Meditation bündelt er seine Gedanken und begibt sich auf die Suche nach dem Fossil, dem Puzzleteilchen, das zur Aufklärung des Falls führt. Er verbringt Stunden am Tatort, geht alle Zeugenaussagen und Protokolle noch einmal durch, bis er endlich das entscheidende Detail entdeckt.

    Bewertung
    Eigentlich lese ich prinzipiell keine Kriminalromane, in deren Mittelpunkt die Ermordung eines Kindes steht und die Eltern in ihrer Trauer zurückbleiben, da es mir zu nahe geht. Doch mehrere Rezensionen haben mich auf den Roman neugierig gemacht, so dass ich eine Ausnahme gemacht habe.

    Friedrich Ani spart die Trauer der Mutter nicht aus, als Leser*in taucht man tief in ihre Gedanken hinein und kann die Ermordung des Glücks mit-fühlen. Dadurch, dass die Gedanken und Gefühle jedoch in der erlebten Rede (Sie-/Er-Perspektive) erzählt werden, entsteht eine Distanz, die es ermöglicht, die Trauer der Protagonisten zu ertragen. Trotzdem ist ein sehr melancholischer Krimi, in dem die fragile Familienkonstellation der Grabbes völlig zerbricht und der Bruder Tanjas für eine alte Schuld bezahlen kann. Menschliche Abgründe - überall.

    Natürlich ist der Kriminalroman auch spannend, die fast schon exzessive Suche Francks nach dem Mörder erzeugt einen Sog, dem ich mich nicht widersetzen konnte und fast glaubt man, das Fossil werde nie gefunden.

    Ein beeindruckender Roman, in dem die Suche nach dem Mörder ebenso im Vordergrund steht wie die trauernden und verzweifelten Hinterbliebenen und der beharrliche, empathische Ermittler, von dem es hoffentlich noch weitere Fälle geben wird.

    Teilen
  1. Poetische Verzweiflung

    Inhalt:
    Das Glück wird ermordet, als der 11-jährige Lennard an einem kalten Novembertag nicht nach Hause kommt und 34 Tage später als Mordopfer aufgefunden wird. Exkommissar Jakob Franck überbringt den Eltern diese schrecklichste aller Nachrichten – das Glück verschwindet. Während die Sonderkommission auf der Stelle tritt und die Familie keinen Weg findet, mit dem Verlust umzugehen, vergräbt Franck sich bis zur Erschöpfung in Zeugenaussagen und Protokollen – immer in der Hoffnung, den einen ausschlaggebenden Faktor zur Aufklärung des Falls ans Licht zu bringen.

    Mein Fazit:
    Ein zweiter Fall für einen eher unspektakulären Ermittler. Mir fehlt hier im Buch etwas die Hintergrundinformation zum Ermittler - man hat das Gefühl es gibt nur den Job.
    Der Einstieg in die Geschichte war großartig, aber leider fand ich die zweite Hälfte des Buches nicht überzeugend. Der Autor verirrt sich zusehr in Abgründe, anstatt sich auf die Auflösung zu fokussieren.
    Im Fokus steht eher das Zerbrechen - und dieses wird mit einem sehr poetischen Schreibstil geschildert.
    Mich konnte das Buch nicht ganz überzeugen - kein Fall der typischen Art.

    Teilen
  1. Ein besonderer Kriminalroman

    34 Tage ist her, dass der kleine Sohn der Familie Grabbe verschwunden ist, 34 Tage des Hoffens und Bangens für die Eltern. Dann steht Jakob Franck vor ihnen. Sie wissen sofort, was er ihnen zu sagen hat.
    Jakob Franck ist ein pensionierter Kriminalkommissar, immer wieder wird er gebraucht, wenn es darum geht, die letzte Nachricht zu überbringen. Feinfühlig, wie kein zweiter, weiß er welche Worte er sagen muss. Aber als sich die Ermittlungen im Kreis drehen, die Eltern nicht mit Lennards Tod abschließen können, kann auch er nicht ruhen und beginnt aktiv zu ermitteln.
    Die Ermordung des Glücks ist ein Kriminalroman, der aus dem Rahmen fällt. Sehr viel Raum nehmen die Personen mit ihren Gedanken und Gefühlen ein. Friedrich Ani gibt ihnen Tiefe, lässt den Leser unmittelbar an Trauer, Verzweiflung und Wut teilhaben. Franck vergräbt sich immer tiefer in den Fall, wälzt alte Akten und dabei kommt ihm auch seine eigene Unzulänglichkeit in den Sinn. Auch er muss mit vier ungelösten Mordfällen leben, das Versagen nagt an ihm.
    Der Grundton des Buches ist düster und melancholisch. Aber trotzdem konnte ich in innere Beziehung zu den Figuren aufbauen. Das ist die Besonderheit des Autors, er bringt seine Figuren den Lesern ganz nahe. Wie sich Tanja Grabbe in ihrer Trauer verliert, wie sich der Vater und der Onkel verändern, wie Jakob Franck immer mehr zu zweifeln beginnt, hat mich sehr berührt.
    Anis Kriminalromane sind immer etwas Besonderes, aber mit der neuen Figur des Jakob Franck, der hier zum zweiten Mal zum Einsatz kommt, hat er eine ganz eigene Form gefunden. Tiefgründig und kritisch, menschlich – das Buch hat mich sehr beschäftigt.

    Teilen
  1. 4
    30. Aug 2017 

    Aus dem Leben gefallen

    Jakob Franck, pensionierter Kommissar, muss die Nachricht überbringen. Der elfjährige Sohn von Tanja und Stephan Grabbe wurde tot aufgefunden. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Beinahe sieben Wochen war der Junge spurlos verschwunden. Solange jemand verschwunden ist, gibt es noch einen Funken Hoffnung, nun aber ist alles vorbei. Das Leben wie es war gibt es nicht mehr. Es lässt Jakob Franck nicht los, eine zerbrochene Familie, ein auf ewig verlorenes Kind. Auf eine Art ermittelt er gemeinsam mit seinen ehemaligen Kollegen, andererseits ist er freier, da er keine offiziellen Vernehmungen mehr vornimmt, darf er das erfragen, was unter anderen Umständen nicht ins Protokoll gehören würde.

    Hilft es bei den Ermittlungen? Der Junge wurde so spät gefunden, dass es kaum noch Spuren gibt. Die Familie kann nichts beitragen, sie ist in Trauer erstarrt. Es scheint kein Weitermachen zu geben, nur noch Stillstand, Agonie, unendliche Trauer und Erstarrung. Viele, viele Zeugen und keine Spur, keine heiße, keine lauwarme, keine kalte. Und doch ist es Jakob Francks Anliegen die Hinterbliebenen zweimal zu besuchen, einmal um die Nachricht über den Tod zu bringen und einmal um mitzuteilen, wer der Täter ist. Wird Ex-Kommissar Franck auch der Familie Grabbe seinen zweiten Besuch abstatten können?

    Mit bekannter Schwermut lässt Friedrich Ani seine Personen agieren, er lässt einen versinken in der Trauer von Tanja und Stephan Grabbe. Man fragt sich, warum ausgerechnet in der Tatnacht niemand etwas beobachtet hat. Man spürt die Schwere der Welt, die auf den Überlebenden dieser sehr privaten Katastrophe lastet. Das Schwerste ist es wohl, wenn die Jungen vor den Alten gehen müssen. Das Allerschwerste, wenn sie mit einem Gewaltverbrechen konfrontiert werden, mit einem sinnlosen Tod, mit der Auslöschung eines vielversprechenden jungen Lebens, eines Lebens, das nicht mehr gelebt werden darf. Tief atmet man und fragt sich, ob es zu ertragen ist. Tief atmet man, und denkt, es muss doch weitergehen, es muss doch eine Lösung geben. Eine Lösung gibt es, aber kein Aufatmen, denn ein Junge von elf Jahren bleibt für immer tot.

    4,5 Sterne

    Teilen