Englischer Harem
Englischer Harem ist eine mit zartfühlender Ironie erzählte Geschichte über das Schicksal des muslimischen Wahllondoners Saaman Sahar aus dem Iran, der sich britischer fühlt, als seine Umgebung sich vorzustellen vermag. Im Gegensatz zu seinem Vater, der in Teheran Metzger ist, betreibt Sam in London ein gutgehendes Restaurant für Vegetarier. Spätestens als die junge Tracy Pringle als dritte Frau bei ihm einzieht, interessieren sich die Behörden dafür, was sich hinter den vier Wänden seines Privathaushaltes abspielt, weil sie von Tracys eifersüchtigem Ex-Freund angestachelt wurden.
Da man als Leser Einblick in Sams Motive hat, kommt man nicht umhin sich für eine Gesellschaft zu schämen, die leben und leben lassen nach wie vor nicht zum obersten Prinzip erhoben hat. Die keinerlei Gespür dafür entwickeln möchte, welche Angelegenheiten sie nichts angehen und was plumpdreistes Einmischen für unnötigen Stress und Leid hervorrufen kann. Ich las den umfangreichen Roman mit einem lachenden und einem tränenden Auge.
Wo die Liebe hinfällt
Tracy Pringle ist eine ganz besondere junge Frau. Das Zusammenleben mit den Eltern, der Vater arbeitslos, die Mutter Vorschullehrerin, gestaltet sich als schwierig. Ihr Zimmer darf schon jahrelang niemand mehr betreten. Um dem Leben im tristen Wohnturmghetto zu entfliehen, träumt sie sich oft in Parallelwelten. So kann es durchaus vorkommen, dass die Queen an ihrer Supermarktkasse ansteht. Und da sie Her Royal Majesty einen Ladendiebstahl nicht zutraut, verliert sie kurzer Hand Ihren Job. Doch als sie sich als Kellnerin in einem persischen Lokal vorstellt, unterliegt sie dem Zauber des Orients und vor allem dem Charme von Samaan Sahar, dem iranischen Inhaber. Bald eröffnet sie ihren Eltern, dass sie Sam heiraten möchte. Die Sache hat nur einen Haken: Sam hat schon zwei Frauen.
Englischer Harem ist eine Geschichte über die Liebe, alternative Lebensmodelle, Diskriminierung, Neid und dem Unvermögen, über den eigenen Tellerrand schauen zu können. Auch wenn der Roman schon 2001 erstveröffentlicht wurde, scheint er zeitlos. Anthony McCarten verpackt Gesellschaftskritik in herrliche spitzfindige Ironie, spielt mit den Vorurteilen der Menschen und schreibt doch so hinreißend über die Romantik der Liebe. Das Buch berührt, macht betroffen und brachte dennoch immer wieder ein Lächeln auf meine Lippen. Man merkt dem Autor seine Erfahrung als Drehbuchautor an, seine Erzählfreude und Begabung, den Leser mitten in die Szene zu setzen, haben mich begeistert.