Eine Zierde in ihrem Hause

Rezensionen zu "Eine Zierde in ihrem Hause"

  1. Ein Überraschungsbuch

    Die Biografie der Ottilie von Faber Castell hätte ich wahrscheinlich nie gelesen wenn nicht eine Freundin sie mir dringend empfohlen hätte.
    Gleich vorneweg: ich habe es nicht bereut.
    In Romanform und durchaus ansprechend erzählt Asta Scheib das Leben der Ottilie von Faber Castell, die sehr jung vom Großvater in Ermangelung männlicher Erbnachfolger als Universalerbin des florierenden Familienunternehmens A.W.Faber eingesetzt wird.
    Beginnend mit der Schilderung der Schulzeit im renommierten Max-Josef-Stift in München, über ihre Ehe mit Graf Alexander von Castel Rüdinghausen bis hin zur reifen Ottilie, die sich plötzlich von allen Zwängen befreit und dadurch alles verliert.
    Die Biografie lässt nichts aus. Sehr detailliert werden die Zeit, die familiären Umstände, das Familienleben, das Engagement, die Entwicklung und Geschichte der Bleistftfabrik und nicht zuletzt der Zeitgeist geschildert. Hier bedient sich Asta Scheib des Perspektivewechsels indem sie das aus armen Verhältnissen stammende Arbeitermädchen Anna Vasbender mit ins Spiel bringt. Anna wird zur treuen Gefährtin Ottiliens, ihre Näherin und später Kindermädchen. Durch ihre Augen und die Ihres Gefährten Johann Bürge,r dessen Charakter an den des Nürnberger Arbeiterdichters Karl Bröger angelehnt ist, erhält man Einblicke in die sozialen Spannungen dieser Zeit.
    Während der Lektüre wird bald klar Ottilie ist nicht glücklich, nicht in ihrer Ehe und nicht mit ihrem Stand. Sie fühlt sich nicht ernst genommen und hat das Gefühl von Ihrem Mann systematisch aus dem Unternehmen verdrängt zu werden. Die Reduzierung ihrer Aufgaben auf Haushalt und Kinder gibt ihr ein Gefühl von Unzufriedenheit. Hinzu kommt die Zuneigung zu einem langjährigen Freund der Familie Philip von Brand, ebenfalls verheiratet. Im Geheimen sind beide sich ihrer gegenseitigen Liebe gewiss, können aber aus Rücksicht auf die jeweiligen Familien nicht offen dazu stehen.
    Obwohl Ottilie scheinbar ein Leben voller Glanz und Pomp führt, entscheiden Sie und Philip sich schliesslich dazu ihre Familien zu verlassen und zusammen zu leben.
    Diese stößt auf vollkommenes Unverständnis und Ottilie verliert Ansehen und nicht zuletzt auch den Kontakt zu ihren Kindern. Sie findet einerseits ihr großes Glück und bekennt sich dazu, verliert andererseits sehr viel und leidet sehr darunter.

    Asta Scheib gelingt es ein interessantes Gesellschaftsportät vor allem auch der Frau in der Zeit der Jahrhundertwende und vor dem ersten Weltkrieg, zu erstellen. Immer wieder fließen zahlreiche Details mit in die Schilderungen ein, wie z.B. die genaue Beschreibung der Räumlichkeiten des neu erbauten Schlosses in Stein oder aber Auszüge aus einem Aufklärungsbuch einer Münchner Ärztin aus dieser Zeit.

    So muss es sich anfühlen wenn man ein Buch liest, das man sich eigentlich nie ausgesucht hätte. Sich überraschen lassen, etwas dazu lernen. Die Geschichte der Familie kennenlernen, die die Stifte produziert mit denen man schon seit der Kindheit schreibt und malt. Eine unerwartete Bereicherung nicht zuletzt wegen der schönen leichten und informativen Art wie Asta Scheib uns die Menschen und deren Zeit näher bringt.
    4 gute Sterne( aufgrund einiger Längen nur 4)

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