Eine Räuberballade

Buchseite und Rezensionen zu 'Eine Räuberballade' von Annegret Held
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5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Eine Räuberballade"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:320
EAN:9783847900559

Rezensionen zu "Eine Räuberballade"

  1. Im Wald da sind die Räuber

    Der Westerwald im 18. Jahrhundert: In dem kleinen Dorf Scholmerbach wird es dem jungen Burschen Hannes zu eng. Die Mutter Line schwer krank, der Vater Wilhelm nicht zu ertragen mit seiner Frömmigkeit. Nachdem Wilhelm seinem Sohn die Flausen ausprügeln wollte, verlässt Hannes sein zu Hause, Vater, Mutter und die kleine Schwester Liesel. Er trifft auf eine Räuberbande, der er sich anschließt. Auch die lebenslustige Gertraud will nichts wie fort und wird Magd beim Schorrenberger Müller. Währenddessen geht Willhelm auf Wallfahrt und danach geht in Scholmerbach nichts mehr seinen ganz so gewohnten Gang.

    Der wilde Westerwald, geografisch und literarisch für mich nicht wirklich am Schirm. Dennoch ist „Eine Räuberballade“ schon der dritte Teil der Westerwald Trilogie der deutschen Schriftstellerin Annegret Held, bei der sie immer den Ort Scholmerbach in den Mittelpunkt stellt und dabei in der Zeit rückwärtsgeht. So kann man die Räubergeschichte sehr gut lesen, ohne die Vorgängerbände zu kennen. Herausstechendes Merkmal des Buches ist die konsequente Verwendung des „Westerwälder Platt“ in der direkten Rede. Anfangs noch ein bisschen mühsam, beginne ich mit den fortschreitenden Seiten den Sound zu genießen.
    Und das Buch ist ein Genuss. Mit großer Erzähllust führt Annegret Held in das raue und pralle Leben der einfachen Leute in Scholmerbach und Umgebung. Sie zeichnet die Menschen wie sie sind mit einer großen Wärme und Direktheit. Auch wenn diese oft moralisch unperfekt handeln, bewertet sie dies nicht.

    Was sich zunächst wie ein Märchen anliest - da gibt es undurchdringliche Dornenhecken, Müller, Räuber, Schenken und jede Menge Misthaufen – wird zum Generationenroman, bei dem die Jungen gegen eine alte Ordnung aufbegehren. Hannes mag ungestüm, sein, ein Draufgänger, dumm und dreist. Auch wenn seine Motive durchaus fragwürdig sind, ist er der Leserin nicht unsympathisch.

    „Räuber zu sein, war nicht immer einfach, und für einen Augenblick vergaß er, dass er einer war und wollte nur schlafen, bis die Nacht vorbei war und er weiterkonnte nach Baumholder, oder wenn ihm alles wurscht war, dann wieder heim nach Scholmerbach.“

    Die handfeste Magd Gertraud mit ihrem großartigen Mundwerk, ihrer unbändigen Energie und Durchsetzungskraft ist der Leserin aber noch lieber. Sie ist eine junge Frau, die sich nicht gerne etwas vorschreiben lässt und passt mit ihrem Auftreten und ihrer Körperlichkeit nicht in das Sittenbild der damaligen Zeit.

    Hannes‘ großes Vorbild ist der Räuberhauptmann Schinderhannes, dem er unbedingt nacheifern will. Bei der Namensähnlichkeit kommt es natürlich zu Verwechslungen und heiteren Situationen. Auch Wilhelm mit seinen tollpatschigen Versuchen, der Jungfrau Maria ein Wunder abzuringen, ist unfreiwillig komisch. Ebenso sein Hadern, wie er mit seiner kranken Frau Line und mit seinem Begehren der ansehnlichen Nachbarin Kathrein gegenüber. Wenn die Tochter Liesel mit Line durchs Dorf bummelt, dreht sich die normale Welt um: Das Kind schaut auf die Mutter. Dabei geht in Scholmerbach niemand verloren. Hier sind alle Frauen gleichermaßen Mutter und Tante für alle Kinder. Hier wird schon aufeinander geschaut, aber natürlich sieht auch jeder, wer was mit wem treibt. Und wenn es darauf ankommt, schon auch einmal wohlwollend weggesehen.

    Der Zusammenhalt im Dorf führt dann auch zu einem fulminanten Finale dieses erzählfreudigen, unterhaltsamen Romans!

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