Ein wenig Leben

Buchseite und Rezensionen zu 'Ein wenig Leben' von Hanya Yanagihara
4.65
4.7 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ein wenig Leben"

Ein wenig Leben handelt von der lebenslangen Freundschaft zwischen vier Männern in New York, die sich am College kennengelernt haben. Jude St. Francis, brillant und enigmatisch, ist die charismatische Figur im Zentrum der Gruppe - ein aufopfernd liebender und zugleich innerlich zerbrochener Mensch. Wie in ein schwarzes Loch werden die Freunde in Judes dunkle, schmerzhafte Welt hineingesogen, deren Ungeheuer nach und nach hervortreten. Ein wenig Leben ist zugleich realistischer Roman und Märchen - ein rauschhaftes, mit kaum fasslicher Dringlichkeit erzähltes Epos über Trauma, menschliche Güte und Erlösung. Es begibt sich an die dunkelsten Orte, an die Literatur sich wagen kann, und bricht dabei immer wieder zum hellen Licht durch.


Format:Audio CD
Seiten:0
EAN:9783869092379

Rezensionen zu "Ein wenig Leben"

  1. So viel Leid und Schmerz

    Wo fängt man an bei diesem Buch, wie fängt man an. Es ist die Geschichte einer lebenslangen Freundschaft. Vier junge Männer, Jude, Willem, Malcolm und JB lernen sich am College kennen und auch wenn ihre Leben sich unterschiedlich entwickeln, bleiben sie einander verbunden. Zentrale Figur ist der kluge und charismatische Jude. Doch sein Leben ist überschattet von einer schrecklichen Kindheit, eine Vergangenheit, die so unaussprechlich ist, dass Jude sich niemanden anvertraut. Auch wenn es ihm gelingt, eine Karriere aufzubauen, tiefe Freundschaft zu erfahren und geliebt wird. All diese wunderbaren Dinge können nicht aufwiegen, was ihm als Kind angetan wurde. Es ist eine nicht enden wollende Spirale an Leid, Schmerz und Qual, aus der es kein Entkommen gibt.
    Hanya Yanagihra seziert diese leidende Seele so präzise, die Worte schneiden so tief wie Klingen. Dieser fremde und fiktive Kummer hat mich so mitgenommen, dass ich an manchen Stellen einfach nur wollte, dass es aufhört. Diese Ausweglosigkeit des Leides und die Hilflosigkeit der Menschen, die nur ihre Liebe und Zuneigung zu geben haben, die aber nicht ausreicht, den Schmerz zu lindern. Eigentlich glaube ich mit Entsetzen, so viel Leid kann man gar nicht erfinden. Es gibt nur ganz wenige Bücher, die mich nicht nur psychisch und auch physisch mitgenommen haben (eines davon war „Und es schmilzt“ von Lize Spit), dieses Buch gehört dazu.
    Ich weiß, dass dieses Buch und vor allem die Gefühle, die mir beim Lesen entstanden noch ganz lange anhalten werden. Ein wenig Leben ist ein Buch, das man nicht leichtfertig empfehlen kann. Und trotzdem bin ich froh, es gelesen zu haben, auch wenn ich mir jetzt zum Ende nur mehr nach einem sehne: Trost

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  1. 5
    02. Jan 2019 

    Ein Buch voller Poesie und Brutalität, schrecklich-schön...

    Ein wenig Leben handelt von der lebenslangen Freundschaft zwischen vier Männern in New York, die sich am College kennengelernt haben. Jude St. Francis, brillant und enigmatisch, ist die charismatische Figur im Zentrum der Gruppe – ein aufopfernd liebender und zugleich innerlich zerbrochener Mensch. Wie in ein schwarzes Loch werden die Freunde in Judes dunkle, schmerzhafte Welt hineingesogen, deren Ungeheuer nach und nach hervortreten. Ein wenig Leben ist zugleich realistischer Roman und Märchen – ein rauschhaftes, mit kaum fasslicher Dringlichkeit erzähltes Epos über Trauma, menschliche Güte und Erlösung. Es begibt sich an die dunkelsten Orte, an die Literatur sich wagen kann, und bricht dabei immer wieder zum hellen Licht durch.

    Ich habe lange gezögert, bevor ich zu diesem Buch griff, denn allein der Umfang (das gebundene Buch hat 960 Seiten, die Lesung des ungekürzten Hörbuchs dauert 35 Stunden und 54 Minuten) ist derart imposant, dass ich deutlichen Respekt davor hatte. Aber auch der Klappentext und etliche Rezensionen zu dem Buch ließen mich zögern, deuteten diese doch darauf hin, dass der Roman an menschliche Abgründe führt - und darüber hinaus.

    Nichts aber konnte mich auf das vorbereiten, was mich da schließlich erwartete. Auf diese enorme Intensität des Erlebens - denn das war es: dieser leisen Erzählung kann man sich emotional nicht entziehen. Mit präziser Klarheit und einer gleichzeitig wundervoll geschliffenen Sprache voller Poesie seziert Hanya Yanagihara das Menschsein bis auf die Knochen, legt die Schönheiten des Geistes und der Seele frei, aber auch die Dämonen und die schwarzbefleckten Wucherungen des eigenen Selbst, verursacht durch weit zurückliegende Ereignisse.

    Freundschaft, Liebe in all ihren Facetten, grundlegende Fragen des Menschseins - 'Wer bin ich und wer will ich sein?' - Kunst, Architektur, Literatur, Filme, Kultur: all dies wird hier thematisiert, ebenso wie grenzensloses Leid, Selbsthass, Selbstzweifel, Gewalt in unterschiedlichsten Formen... Ein Buch voller Poesie und Brutalität, schrecklich-schön, eine Reise in die Dunkelheit, aber auch das Fassen winziger Momente des Glücks, die alles überstrahlen.

    Tatsächlich ertrug ich es nicht, das Hörbuch an einem Stück zu hören. Immer wieder musste ich Pausen einlegen, weil mich die emotionale Wucht stellenweise derart traf, dass ich mich der Situation erst einmal eine Zeitlang entziehen musste. Wenn ich dann aber wieder einstieg, war es von der ersten Zeile an, als würde ich 'nach Hause' kommen, nur einen Atemzug vom Schluchzen entfernt. Dies lag sicher nicht zuletzt an Torben Kessler, dessen warme, charismatische Stimme hervorragend zu dem leisen, eindringlichen, poetischen Schreibstil passt.

    Ja, es gibt auch langatmige Stellen, und ja, es wird nur von gesellschaftlich priviligierten Menschen erzählt, aber all dies erscheint mir in der Gesamtheit des im wahrsten Sinne des Wortes überwältigenden Buches nebensächlich. Selten hat mich ein Roman derart berührt, habe ich einem fiktiven Charakter so sehr alles Glück der Welt gewünscht und mich mit ihm über die Momente gefreut, in denen er es fand, so sehr mit ihm gelitten...

    Wenn ich eines wählen müsste, so wäre dieses Buch zweifelsohne mein Buch des Jahres. Sprachgewaltig, berührend und von einer emotionalen Intensität, die ihresgleichen sucht. Absolut lesenswert!

    © Parden

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  1. Lanze brechen

    Ich möchte für dieses Buch, das hier im Forum eher kritisch diskutiert wurde, eine Lanze brechen: mir hat es nämlich sehr gut gefallen.
    Klar, es gab einen enormen Hype um den Roman und das Cover ist wirklich hässlich (die Autorin hat wohl auf diesem Foto bestanden), aber die Geschichte rund um das Leben von Jude war lesenswert.

    Eine Zusammenfassung des Inhaltes erspare ich Mir, es wurde wirklich schon viel über das Buch gesagt, geschrieben und gefilmt. Vieles davon ist wahr: man hätte manche Längen und Wiederholungen herauskommen können; die Guten sind richtig gut und die Bösen richtig böse; wie glaubwürdig ist Judes Erfolg angesichts seiner dramatischen Kindheit und Jugend?

    Trotzdem hat mich die Geschichte gefesselt. Ich fand sie nicht zu brutal. Immer, wenn es mir zu arg wurde, schwenkte man wieder zurück in die Gegenwart...

    Getragen wurde das Buch von einer wirklich ansprechenden Sprache, die mich auch in den weniger spannenden Passagen bei Laune gehalten hat.

    Der Roman zählt sicher nicht zu meinen absoluten (wenigen) Lieblingsbüchern. Aber ich habe ihn gern gelesen und freue mich, dass ich ihn im Regal stehen habe.

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