Ein Rätsel auf blauschwarzem Grund: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Ein Rätsel auf blauschwarzem Grund: Roman' von Lars Mytting
5
5 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ein Rätsel auf blauschwarzem Grund: Roman"

Ein norwegisches Tal im Jahr 1880: Der junge Pfarrer Kai Schweigaard will in Butangen eine neue Kirche bauen. Dafür muss die 700 Jahre alte Stabkirche weichen. Mit ihr die beiden Glocken, denen übernatürliche Kräfte zugeschrieben werden. Und die auf Gedeih und Verderb zusammenbleiben müssen – wie die beiden Hekne-Schwestern, siamesische Zwillinge, zu deren Gedenken sie vor langer Zeit gestiftet wurden. »Eines Tages wirst du dafür bluten«, prophezeit die Hekne-Nachkommin Astrid, die sich vergeblich für den Erhalt des Glockenpaars einsetzt. Das Unglück nimmt seinen Lauf. Astrid stirbt im Kindbett nach der Geburt von Zwillingen, von denen angeblich nur einer überlebt, Jehan. Den Pfarrer plagen Schuldgefühle. Wie lässt sich das Glockenpaar zurückgewinnen? Die Legende sagt, dass nur zwei »Folgebrüder«, also Zwillinge?, die Glocken wiedervereinen können. Butangen im Jahr 1903: Jehan lebt als Bauer in bescheidenen Verhältnissen. Ihn zieht es in die Freiheit, zu Fischerei und Rentierjagd. Eines Morgens im August erlegt er einen gewaltigen Rentierbock – und begegnet in diesem Moment einem rätselhaften Fremden. Ein Roman über den Weg in eine neue Zeit, über Erleuchtung und Mühsal und das Ringen um Liebe, über die Zähmung von Wasserfällen und den ersten elektrischen Lichtstrahl im nächtlichen Dunkel des Tals.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:539
Verlag: Insel Verlag
EAN:9783458179399

Rezensionen zu "Ein Rätsel auf blauschwarzem Grund: Roman"

  1. 4,5 Sterne

    Klappentext:

    „Ein norwegisches Tal im Jahr 1880: Der junge Pfarrer Kai Schweigaard will in Butangen eine neue Kirche bauen. Dafür muss die 700 Jahre alte Stabkirche weichen. Mit ihr die beiden Glocken, denen übernatürliche Kräfte zugeschrieben werden. Und die auf Gedeih und Verderb zusammenbleiben müssen – wie die beiden Hekne-Schwestern, siamesische Zwillinge, zu deren Gedenken sie vor langer Zeit gestiftet wurden. »Eines Tages wirst du dafür bluten«, prophezeit die Hekne-Nachkommin Astrid, die sich vergeblich für den Erhalt des Glockenpaars einsetzt. Das Unglück nimmt seinen Lauf. Astrid stirbt im Kindbett nach der Geburt von Zwillingen, von denen angeblich nur einer überlebt, Jehan. Den Pfarrer plagen Schuldgefühle. Wie lässt sich das Glockenpaar zurückgewinnen? Die Legende sagt, dass nur zwei »Folgebrüder«, also Zwillinge?, die Glocken wiedervereinen können.“

    Weiter geht es mit der Geschichte der Schwesternglocken. Autor Lars Mytting nimmt uns ab der ersten Seiten komplett wieder mit ins Geschehen und wir sind sofort wieder „Dorfbewohner“. Seine Art und Weise Mystik, alte Traditionen und Sagen, viele Charaktere, der rote Faden an sich und dann auch noch Natur in einem Buch vernünftig und sinnig zu vereinen ist grandios - das kann ich nicht anders sagen. Er weiß genau, wo es richtig ist aufzuhören oder eben anzufangen. Er spinnt ein riesiges Geflecht an Personen, jede davon kommt zu Wort und erzählt ihre Geschichte, aber dennoch harmoniert alles zusammen und wirkt nicht zu viel oder zu verworren. Mytting zeigt dem Leser aber auch Strukturenwandel der damaligen Zeit auf und wir erleben im Dorf eine kleine Revolution. Und dann sind da natürlich auch noch die Glocken. Sie klingen auf blauschwarzem Grund des Sees und der Drang nach ihrer „Auferstehung“ ist groß. Sie müssen wieder ans Tageslicht und ihren Dienst erfüllen wie es ihnen aufgetragen wurde. Nur ist das sinnvoll? Ist das gut für die Menschen? Als Leser wird man hier gefordert und das macht unheimlich Spaß. Man fiebert mit den Charakteren mit, man fiebert mit den Glocken mit und weiß nicht so recht ob das überhaupt gut ist. Alte Sagen und Geschichten ranken sich durch die Seiten und nehmen einen ein. Man ist gebannt, gefesselt und akzeptiert viel, was der menschliche Verstand vielleicht regulär verweigern würde. Und dann kam das dicke Ende, im wahrsten Sinne….es war unnötig, es kam zu schnell und vor allem nahm mir den Zauber der Geschichte. Es war unrealistisch, es war eigentlich nicht möglich und hatte etwas von einer unglaubwürdigen Situation. Nein, ausgezeichnet war diese Geschichte für mich nicht, denn genau wegen dem Ende verblasst meine Euphorie. Ich vergebe 4,5 Sterne für Teil 2 der Trilogie und bin sehr gespannt auf Band 3 und auf die Glocken und auf…ach so viel! Ich hoffe nur, Mytting unterlässt solche schnellen Schlüsse!

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  1. Süßer die Glocken nie klingen

    Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versucht Pfarrer Kai Schweigaard im norwegischen Gudbrandsdal noch immer, sein Versprechen gegenüber seiner jung verstorbenen Liebe Astrid Hekne einzulösen und die sogenannten Schwesterglocken Halfrid und Gunhild wiederzuvereinen. Doch während die eine Glocke mittlerweile in Dresden läutet, befindet sich ihre Schwester tief auf dem Grund des Losnesvatn-Sees im genannten Tal. Nur zwei "Folgebrüder" können sie von dort befreien, besagt eine Legende. Schon mehrfach versuchte Astrids Sohn Jehans vergeblich sein Glück. Als er einem seltsam vertrauten Engländer auf der Rentierjagd begegnet, wittert er eine neue Chance...

    "Ein Rätsel auf blauschwarzem Grund" von Lars Mytting ist der zweite Teil der sogenannten "Schwesterglocken-Trilogie" nach dem Vorgänger "Die Glocke im See". Vorkenntnisse aus dem ersten Teil sind nicht zwingend notwendig. Allerdings besitzt der zweite Teil eine solch große Intensität und Sogwirkung, dass man kaum umhinkommen wird, danach auch "Die Glocke im See" lesen zu wollen.

    So ging es mir zumindest, als ich mich ohne Kenntnis des ersten Teils daran machte, das "Rätsel auf blauschwarzem Grund" lösen zu wollen. Lars Mytting entpuppt sich dabei als großartiger Erzähler, der sich mit viel Feingefühl und Empathie den Sorgen und Nöten seiner Figuren widmet, ohne sie für ihren Aberglauben zu verspotten oder sie für ihre durchaus zahlreichen Fehler zu verurteilen. Insbesondere Jehans Hekne ist ein ambivalenter Charakter, der im Verlaufe des Romans oft unüberlegt oder von falschem Stolz getrieben handelt. Dennoch gelingt es Mytting, mit seiner bildhaften, manchmal poetischen Sprache so viel Wärme auszustrahlen, dass man auch für diese Fehler ein großes Verständnis entwickelt, den Figuren sehr nahe kommt und ihnen immer das Beste wünscht.

    Mein Lieblingscharakter in dieser Hinsicht ist aber Pfarrer Kai Schweigaard, den viele Leser:innen aus dem ersten Teil bereits kennen dürften. Schweigaard besitzt eine solch große Güte und Anziehungskraft, dass ich mich mit allen Fasern meines Körpers in ihn hineinversetzen konnte und wollte. Selten habe ich es erlebt, dass ein Autor seine Figuren dermaßen intensiv gestaltet hat.

    Doch nicht nur die Charaktere sind ausgezeichnet durchdacht, auch die Handlung überzeugt auf hohem Niveau. In der ersten Hälfte des Buches nimmt sich Mytting sehr viel Zeit und erzählt in überwiegend langsamem Tempo vom Gudbrandsdal und seinen Bewohnern, vom Rätsel um die Schwesterglocken - und von Kais Suche nach dem Hekne-Teppich, den fast 300 Jahre zuvor die an der Hüfte zusammengewachsenen Hekne-Schwestern Halfrid und Gunhild gewebt haben und dem in diesem zweiten Teil der Trilogie eine zentrale Rolle zufällt. Äußerst spannend und mit einer Prise Mystik lässt Lars Mytting die Leser:innen teilhaben an dieser Suche.

    In der zweiten Hälfte des Romans nimmt das Erzähltempo zu, parallel zu den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritten, die ihren Weg auch in das Gudbrandsdal finden. Hier verlor das Buch für mich zwischenzeitlich ein wenig an Intensität, weil plötzlich ganze Jahre in wenigen Absätzen zusammengefasst werden und ich die Figuren nicht mehr Schritt für Schritt begleiten durfte, wie über weite Strecken der ersten Hälfte.

    Mit dem wunderbar bewegenden dritten Teil findet Mytting aber zu dieser Intensität zurück und beeindruckt mit tieftraurigen zwischenmenschlichen Momenten des Abschieds, der Trauer und der Liebe und lässt es gleichzeitig ein wenig im Stile der klassischen Schauergeschichten spuken, was bei mir ebenfalls für Gänsehaut sorgte.

    Mit "Ein Rätsel auf schwarzblauem Grund" beweist Lars Mytting, dass er in der so vielfältigen und hochkarätigen norwegischen Literaturszene durchaus in einem Atemzug genannt werden darf mit Jan Kjaerstad, Karl Ove Knausgard und Tarjei Vesaas. Sein Roman ist äußerst klug konzipiert und bewegt mit eindringlicher Sprache und unvergesslichen Figuren. Der Vorgänger "Die Glocke im See" steht auf meiner Leseliste jetzt jedenfalls ganz oben - und auf den dritten Teil freue ich mich natürlich auch schon.

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  1. Auch der zweite Band ist bärenstark.

    Kurzmeinung: Wer den ersten Band kennt, muss auch den zweiten lesen!

    In diesem Roman setzt sich die Saga über das norwegische Gudbranstal fort, das mit dem ersten Band „Die Glocke im See“ überaus geheimnisvoll und erzählerisch dicht mit den siamesischen Zwillingen Halfried und Gunhild, circa 1880 ihren Ausgang nahm. Einst wurde das Tafelsilber der Familie Hekne mit in die Kirchenglocken gegossen, die ihren Guß in Auftrag gab. Die Glocken sind zu Ehren der früh verstorbenen Schwestern benannt, heißen also auch Halfried und Gunhild, und es ranken sich Sagen, Mythen und Geschichten um sie. Niemand außer der engsten Familie darf die Kirchenglocken mit eigenen Augen ansehen, sonst stirbt er! Nun liegt eine der Glocken im See in Norwegen, die andere hat weit weg ein Zuhause gefunden. Wenn ein Unglück geschieht, bzw. bald geschehen soll, dann läuten die Glocken ohne menschliches Zutun.

    Mit den Heknezwillingen beginnt auch der zweite Band der Saga. Es wird erzählt, wie der sogenannte Hekneteppich entstand in den Zeiten der Hekneschwestern, die ihn gewebt haben. Nun aber ist er verschwunden. Verlorengegangen wie die Glocken. Freilich kann der Pfarrer diesmal nix dafür. Die bösen Schweden sind schuld.

    Pfarrer Schweigard ist fest davon überzeugt, dass es den Hekneteppich noch gibt. Er sucht ihn. Und auch die Glocken, heißt es, werden eines Tages gehoben werden beziehungweise die eine, die im See liegt. Ob auch die andere nach Hause kommt und die Glocken wieder im Gleichklang schlagen und klingen werden, ist unklar.

    Pfarrer Schweigard ist nun schon sehr lange im Gudbranstal auf seiner Pfarre. Und war er anfangs als junger Pfarrer wild entschlossen, jeden Aberglauben auszurotten mit Stumpf und Stil, ist er nun, in die Jahre gekommen, nachdenklich geworden. Ob es nicht doch mehr zwischen Himmel und Erde gibt als man so gemeinhin glaubt? Und ob es wohl stimmt, dass der Teppich seinen eigenen Tod vorausagt? Er müsste ihn denn finden, dann wüsste er es! Längst bereut er, dass er die berühmte Stabskirche nach Deutschland verkauft hat. Und mit ihr seine Seele? Das gebrochene Versprechen seiner großen Liebe Astrid gegenüber, dass er wenigstens die Glocken für ihr Heimatdorf retten wird, läßt ihm keine Ruhe. Ja, dass Kirche und Glocke/n weg sind, ist seine Schuld! Obwohl er nur das Beste für die Menschen wollte. Gut gewollt ist aber nicht gleich gut gemacht!

    Der Kommentar:
    Lars Mytting versteht es, seine Figuren mit Hintergrund auszustatten. Er kann Szenen schreiben, die treiben einem das Wasser in die Augen. So mitreißend und naturnah schreibt er! Es ist ein Vergnügen, seiner Geschichte zu folgen.

    Freilich spannt er im zweiten Band zeitlich einen weiten Bogen über den Ersten Weltkrieg hinaus. Manchmal finde ich es schade, dass Lars Mytting so voraneilt. Das Gemächliche des ersten Bandes geht allmählich verloren. Und ein bisschen norwegischer Zauber verblasst. Dennoch wird es natürlich niemals langweilig. Er fängt das Leben des bäuerlichen Norwegens ein, wie es war und beschreibt, die die Moderne es verändert. Doch, zum Guten. Meistens wenigstens.

    Im ersten Band bleibt freilich immer offen, ob es die übernatürliche Welt wirklich gibt oder ob nicht alles, was "die Alten" erzählen nur in deren Einbildungen vorhanden ist. Irgendwie muss man sich die Welt ja erklären und sie wussten es nicht besser. So war alles, was geschah und geschieht uneindeutig: Jede Vorahnung konnte auch eine natürliche Ursache haben, obwohl ein Rest an Unerklärbarem blieb und bleibt. Aber niemals soviel, als dass man nicht doch zweifeln würde.

    Im zweiten Band schwingt die Waage eindeutiger aus. Das ist mein einziger Kritikpunkt an dem Roman. Ich wäre gerne mehr im Dazwischen geblieben, es kann so sein oder es kann so sein. Ein Hauch, ein kalter Hauch von drüben, aber eben mehr nicht. Das machte für mich den eigentlichen Reiz von „Die Glocke im See“ aus. Aber obwohl Mytting in „Ein Rätsel auf blaugrauem Grund“ der Versuchung nachgibt, mehr spookier zu sein als es dem Roman gut tut, unzweideutig jenseitig und der Autor dabei auch ein wenig heftig auf die Pauke haut, bleibt Myttings Roman dennoch so voll Erzählkunst und Erzählwitz, dass ich keine Abstriche bei der Bewertung machen will. Aber beinahe, beinahe hätte ich deswegen einen Stern abgezogen. It is too much!

    Fazit: Sprachlich und gestalterisch bleibt Mytting auch mit dem zweiten Band nicht hinter dem ersten zurück. Immer wieder überrascht er mit einer neuen Wendung, einer neuen Sichtweise. Seine Figuren sind gehaltvoll, sie haben die berühmte Tiefe. Und seine Frauenfiguren punkten. Mit einem Wort: Mytting ist und bleibt lesenswert. Ein wunderbarer Schmöker. Beide Bände zusammen unter dem Weihnachtsbaum oder zu jeder anderen Jahreszeit als Geschenk, machen jedem Leser Freude!

    Kategorie: Belletristik. Abenteuerroman
    Verlag: Insel 2021

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