Ein irischer Dorfpolizist

Rezensionen zu "Ein irischer Dorfpolizist"

  1. Irische Geheimnisse

    Duneen ist ein kleines Dorf im Süden Irlands. Dort passiert nichts Aufregendes. Sergeant PJ Collins hat dort einen ruhigen Job. Bis eines Tages bei der Baustelle für eine Neubausiedlung menschliche Knochen ausgegraben werden. Denn dann wird rasch klar, dass hier so manches Geheimnis mitbegraben wurde.
    Ein irischer Dorfpolizist ist (k)ein Kriminalroman. Das Rätsel der vergrabenen Knochen gilt es zwar zu lösen, ist aber dennoch nur ein Aufhänger für die Betrachtungen des kleinen Universums Duneen. Hier scheint jeder jeden zu kennen. Doch was unter der Oberfläche liegt, ist für viele verborgen. Graham Norton mag seine Figuren. Da ist beispielsweise die behäbige unattraktive Brid Riordan, Mutter zweier Kinder, Ehefrau von Anthony, Alkoholikerin. Vor vielen Jahren war sie die Verlobte von Tommy Burke. Bis sich dieser mit einer Reisetasche in den Bus setzte und nie wieder kam. Angeblich. Brids Straßenkampf mit Evelyn Ross ist legendär. Denn auch Evelyn liebte Tommy Burke, bis dieser…
    Die alte Mrs. Meany, Haushälterin des Dorfpolzisten wiederum trägt schwer an der Last der Vergangenheit. Sergeant Collins, im Dorf von allen nur PJ genannt trägt auch schwer, vor allem an Leibesumfang. Sein Übergewicht ist sein Panzer, Essen seine Leidenschaft. Als er plötzlich im Dorf viel mehr machen muss, als hin und wieder den Verkehr zu regeln macht er dennoch eine großartige Figur, auch gegen über dem Arsch im Anzug, dem Superintendent Detective Linus Dunne.
    Ein irischer Dorfpolizist ist sehr cosy, wenn man es als Krimi lesen mag, aber es ist vor allem ein wohltuendes Buch. Warmherzig, skurril, charmant, mit heiteren Zwischentönen. Ein bisschen fürs Herz ohne rührselig zu sein. Eigentlich ein Buch für Kuscheltage am Sofa mit Decke, Scones und Tee, auch wenn ich es gerade im Hochsommer genossen habe.

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  1. 3
    03. Sep 2017 

    Viele menschliche Dramen...

    Duneen liegt wirklich am Arsch der Welt, ganz, ganz unten im Süden Irlands. Große Dramen finden in dem schmucken, kleinen Ort nicht statt, und trotzdem könnten viele Leute hier ein bisschen glücklicher sein. Sergeant PJ Collins war nicht immer so dick. Brid Riordan hat früher nicht so viel getrunken. Und auch Evelyn Ross glaubte einmal, ihr Leben könnte einen Sinn haben. Dann bricht der Tag an, als auf dem Grund der Burke-Farm Knochen gefunden werden. Menschliche Knochen. Und es ist vorbei mit der Ruhe, für PJ und einige andere in Duneen. Alte Wunden brechen auf, alte Lügen kommen ans Licht, neue Konflikte entbrennen, und während PJ zum ersten Mal in seiner Karriere einen richtigen Fall zu lösen versucht, überrascht er viele, die ihn zu kennen glaubten – am meisten sich selbst.

    Was erwartet man nach obigem Klappentext? Nun, ich hatte mir einen Krimi erhofft, einen gemütlichen Krimi zwar, aber doch einen Krimi. Dies ist es aber nur so halbwegs geworden, und tatsächlich ist die Printausgabe auch mit 'Roman' bezeichnet, nicht etwa mit 'Kriminalroman'. Doch worum geht es hier eigentlich?

    Neben Sergeant PJ Collins spielt auch noch das halbe Dorf Duneen eine wesentliche Rolle, denn mit den alten Knochen auf der Burke-Farm kommen auch alte Geheimnisse ans Licht, alte Wunden werden aufgerissen, und deutlich wird, wie unglücklich eine Vielzahl der Dorfbewohner ist. Schnell besteht eine Vermutung, zu wem die gefundenen Knochen gehören könnten, und damit bricht sich lange Gegorenes Bahn. Es könnte sich um die Überreste des schon lange verschollenen Sohns der Burkes handeln: Tommy.

    Die drei Ross-Schwestern (Abigail, Florence und Evelyn, alle drei jünger als fünfzig und alle drei unverheiratet) leben gemeinsam auf Ard Carraig, dem wohlhabendsten Bauernhof in dem irischen Dorf, den ihre Eltern ihnen hinterlassen haben. Vor allem Abigail und Evelyn scheinen mit den begonnen Ermittlungen nicht glücklich zu sein, aber damit sind sie nicht alleine. Auch Brid Riordan, verheiratet, zwei Kinder und Alkoholikerin, gerät über die Ereignisse in große Unruhe. Schließlich waren sie und Evelyn Ross seinerzeit in den verschwundenen Tommy verliebt, und beider Leben ist seither nicht so verlaufen, wie sie es sich gewünscht hätten. Aber zu PJs großer Überraschung scheint seit Beginn der Ermittlungen auch seine Haushälterin Mrs. Meany sehr bedrückt zu sein. PJ beginnt nachzuhaken - und bekommt dabei Unterstützung von Detective Superintendant Linus Dunne.

    "Der Detective Superintendant aus Cork trat die Kippe seiner dritten Camel Light des Morgens aus. PJ sah ihn an. Gott, was für ein widerlicher Arsch. Das zurückgegelte Haar, die lange Hakennase, dieser Anzug und das saubere, gebügelte Hemd. Und was für ein Mann trug Socken, die zur Krawatte passten?"

    Sagen wir mal so: die Ermittlungen gestalten sich nicht einfach, Sergeant PJ Collins stellt sich nicht immer geschickt an, und das Zwischenmenschliche gewinnt hier eindeutig die Oberhand. Ein bisschen Krimi, ein bisschen Humor, ein bisschen Drama - die Mischung kann funktionieren, für mich hatte sie leider eine Schieflage. Die einzelnen Schicksale, die hier zutage treten, sind zumeist tragisch, die Erzählung bedächtig, die Ermittlungen in den ersten drei Vierteln des Buches eher zäh. Dabei gelang es mir nicht, auch nur mit einem der Charaktere wirklich zu sympathisieren - manche Entscheidungen und Handlungsweisen konnte ich einfach nicht nachvollziehen.

    Der Schauspieler Charly Hübner liest diese 8h 5min lange Hörbuchfassung und passt sich der gemächlichen Erzählweise nur zu gut an. Der Vortrag war mir teilweise zu leblos, und an dem 'S'-Fehler des Sprechers störte ich mich auch immer wieder. Witzig dagegen fand ich die gelegentlichen Schwierigkeiten Hübners bei den englischen Namen: z.B. Robert & Rosemarie Ross - das erinnerte mich doch sehr an Evelyn Hamanns (Loriot) 'Englische Ansage'.

    Insgesamt also kein ganz überzeugender Vortrag eines nicht ganz überzeugenden Krimis, der vielleicht ja auch gar keiner ist. Leider wurden meine Erwartungen hier nicht ganz erfüllt. Dennoch würde ich einer etwaigen Fortsetzung gerne noch eine Chance geben wollen...

    © Parden

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