Ein einfaches Leben: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Ein einfaches Leben: Roman' von Min Jin Lee
5
5 von 5 (11 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ein einfaches Leben: Roman"

Der Bestseller aus den USA

Zwanzig Jahre Arbeit stecken in diesem großen, umwerfenden Buch, das in zwanzig Ländern erscheint: Sunja, Tochter eines Fischers, wird genau im falschen Moment schwach, genau beim falschen Mann. Um keine Schande über ihre Familie zu bringen, verlässt sie Korea und bringt ihre Söhne Noa und Mozasu fernab der Heimat in Japan zur Welt. Koreanische Einwanderer, selbst in zweiter Generation, leben dort als Menschen zweiter Klasse. Während Sunja sich abzufinden versucht, fordern ihre Söhne ihr Schicksal heraus. Noa studiert an den besten Universitäten und Mozasu zieht es in die Pachinko-Spielhallen der kriminellen Unterwelt der Yakuza.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:552
EAN:9783423289726

Rezensionen zu "Ein einfaches Leben: Roman"

  1. 5
    17. Feb 2020 

    ...ein fesselnder, interessanter und berührender Pageturner...

    Die Witwe Yangjin betreibt Anfang des 20. Jh ein Logierhaus in Südkorea. Sie hat eine Tochter, Sunja und zwei Dienstmädchen. Sunja lernt auf dem Markt Koh Hansun, einen wohlhabenden, aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Fischgroßhändler kennen. Er bemüht sich sehr um sie und zwischen den beiden entspinnt sich Freundschaft und Liebe. Sunja wird schließlich, mit 16 Jahren, schwanger; Koh Hansun, der Vater des Kindes, kann sie jedoch nicht heiraten, weil er in Japan bereits eine Ehefrau und Töchter hat.

    Der 26 jährige und von Geburt an kränkliche Pastor Isak Baek, der auf der Durchreise von Pjöngjang zu seinem Bruder nach Osaka/Japan ist, erleidet im Logierhaus einen Rückfall seiner kürzlich durchgemachten, aber nicht ausgeheilten Tbc und kuriert sie dort mit Hilfe der fürsorglichen Pflege von Yangjin und Sunja aus. Als der gutmütige und großzüge Menschenfreund von Sunjas Notlage erfährt, beschließt er, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Sie nimmt an und das junge Paar reist gemeinsam nach Japan, um in Osaka ein neues Leben zu beginnen.
    Den interessanten und berührenden Verlauf dieses Lebens lernen wir auf den folgenden Seiten kennen.

    Der 544 Seiten lange Roman ist gleichzeitig berührende Familien- und interessante Einwanderungsgeschichte.

    Ich fühlte mich prächtig unterhalten und ich erfuhr viel Neues und Wissenswertes, z. B. über die erbärmlichen Umstände und unmenschlichen Reglements, in denen die koreanische Bevölkerung in Japan und im kolonialisierten Korea leben mussten und z. B. über die Diskriminierung und Unterdrückung der Christen, denen die Japaner vorwarfen, Rebellen zu sein.

    Die Sprache war flüssig und bildhaft; ich flog regelrecht durch die Seiten.
    Es gab keine Längen, keine Seite war überflüssig -
    5 von 5 Sternen!

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  1. Zainichi

    Korea in den 1930er-Jahren: Mit ihrer Mutter Yangjin betreibt Sunja, die Tochter eines inzwischen verstorbenen Fischers, ein Logierhaus. Sie leben in sehr einfachen Verhältnissen, aber kommen dank ihres Fleißes zurecht. Doch dann wird die junge Frau genau im falschen Moment schwach: bei einem verheirateten Mann, dem Fischgroßhändler Hansu, der sie nicht ehelichen kann. Um keine Schande über ihre Familie zu bringen, verlässt die schwangere Sunja ihre Heimat Korea. Sie bringt ihre Söhne Noa und Mozasu in Japan zur Welt. Koreanische Einwanderer, die „Zainichi“, werden dort wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Sunja versucht, sich mit ihrer Situation abzufinden. Ihre Söhne jedoch fordern ihr Schicksal heraus: Noa studiert an den besten Universitäten, Mozasu zieht es in die Pachinko-Spielhallen der kriminellen Unterwelt der Yakuza.

    „Ein einfaches Leben“ ist ein vielschichtiges Familienepos der Autorin Min Jin Lee.

    Meine Meinung:
    Der Roman besteht aus drei Teilen: Der erste betrifft die Jahre 1910 bis 1933, der zweite 1939 bis 1962 und der dritte den Zeitabschnitt 1962 bis 1989. Die Teile sind wiederum in mehrere Kapitel mit einer angenehmen Länge untergliedert. Die Handlung spielt an unterschiedlichen Orten in Korea und Japan. Dieser Aufbau funktioniert gut.

    Der Schreibstil ist recht schnörkellos und wirkt zunächst ziemlich nüchtern. Aber er ist zugleich eindringlich, einfühlsam und fesselnd. Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf. Sie konnte mich jedoch zunehmend in ihren Bann ziehen und entfaltete trotz der hohen Seitenzahl bis zum Schluss eine Sogwirkung auf mich.

    Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht sehr leicht, was aber vorwiegend an der Vielzahl von fremden Namen und Ausdrücken lag. Nach den ersten Kapiteln sind die Personen und ihre Zusammenhänge deutlich und nachvollziehbar. Sunja und ihre Mutter hatten schnell mein Mitgefühl. Ihre Stärke, aber auch ihre menschlichen Schwächen machen sie zu authentischen, liebenswerten Charakteren. Auch die übrigen Personen erscheinen mir realitätsnah. Ihre Entwicklungen werden sehr gut deutlich.

    Sehr interessant finde ich das große Thema des Romans: die Situation von koreanischen Migranten in Japan. Eindrucksvoll schildert das Buch, dass diese Einwanderer wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Durch das Aufgreifen dieser Problematik wird der Roman nicht nur besonders, sondern auch lehrreich. Durch die Lektüre erfährt der Leser viel über die koreanische und japanische Kultur und Geschichte. Die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe werden dabei auf unterhaltsame Weise transportiert. Ein Pluspunkt ist das Glossar, das wichtige Begriffe und Namen erläutert.

    Schonungslos werden Brutalitäten und traurige Schicksale dargestellt. Krieg, sonstige Gewalt, Erniedrigungen, Ablehnung und Selbstmord sind nur einige Aspekte, die eine Rolle spielen. Dabei verzichtet das Buch bewusst auf Effekthascherei, konnte mich aber in mehrfacher Hinsicht tief berühren und nachdenklich machen.

    Das reduzierte Cover passt nicht nur gut zum Inhalt, sondern gefällt mir auch optisch sehr. Der deutsche Titel weicht leider stark vom amerikanischen Original („Panchiko“) ab, das ich treffender finde.

    Mein Fazit:
    „Ein einfaches Leben“ von Min Jin Lee ist ein außergewöhnlicher Roman, der mich mit leisen Tönen bewegen konnte und noch eine Weile nachklingen wird. Eine empfehlenswerte Lektüre, die sowohl unterhaltsam als auch lehrreich ist.

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  1. 5
    13. Dez 2018 

    Unter Wert in der Fremde

    Min Jin Lee hat mit ihrem Roman „Pachinko“ in den USA große Erfolge feiern können und es bis auf die Shortlist des National Book Awards geschafft. Das Familienepos über eine koreanische Familie, die als Migranten in Japan lebt, ist im dtv-Verlag auf Deutsch unter dem Titel „Ein einfaches Leben“ erschienen. Ich konnte es im Rahmen einer Leserunde bei Whatchareadin lesen und so in eine Welt eintauchen, die mir bis dahin vollkommen unbekannt war, die aber voller universeller und genereller Erkenntnisse steckt mit einem hohen Grad an Übertragbarkeit auf Familienschicksale und -geschichten auch in anderen Teilen unserer Erde.
    Min Jin Lee ist eine Amerikanerin, die im Alter von 8 Jahren zur Migrantin wurde, als sie mit ihren Eltern aus Korea in die USA immigrierte. 20 Jahre lang hat sie für „Pachinko“ rund um die Geschichte der Koreaner in Japan recherchiert. Diese intensive Recherchearbeit schlägt sich deutlich und wertvoll in der kenntnisreichen Schilderung von Geschichte und Lebensumständen im Roman nieder.
    Zur Geschichte:
    Im Zentrum des Romans stehen zwei Brüder – Noa und Mozasu. Langsam, sehr langsam nähert sich die Autorin deren Leben, indem sie vorbereitend zunächst ausführlich Eltern- und Großeltern und deren Lebenssituation und Hintergründe in Korea und Japan in den Roman einführt. Es ist von Beginn an deshalb deutlich: Herkunft spielt für die Autorin in dieser Geschichte eine herausgehobene Rolle für die Schicksale ihrer Helden und Herkunft ist ein wesentliches Thema des Romans. Noas und Mozasus Mutter Sunja ist als junge, schwangere Frau ihrem Ehemann Isak, der als christlicher Priester in einer koreanischen Gemeinde in Japan arbeitet, nach Japan in die Migration gefolgt. Hier lebt die Familie zusammen mit Isaks Bruder und dessen Frau in einem koreanischen Ghetto, immer ausgegrenzt von der japanischen Stammbevölkerung, mit sehr eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten und an den Rand der Gesellschaft gedrückt:
    „… gab es niemanden, der keine Geldsorgen hatte oder den nicht die schreckliche Frage plagte, wie er seine Familie in diesem befremdlichen und schwierigen Land ernähren sollte."
    Bleiben oder Gehen ist und bleibt ein Leben lang Thema in diesem Leben der Ausgrenzung und Diskriminierung. Der Roman vermittelt über die beiden Brüderfiguren und eine Fülle anderer Personen sehr eindringlich die Gefühle, die sich aus Fremdsein und Ausgrenzung entwickeln:
    "Jeden Tag unter Menschen zu leben, die nicht sehen wollen, dass du ein Mensch bist wie sie ....."
    Die beiden Brüder reagieren unterschiedlich auf diese Lebenssituation. Während sich Noa in eine Form der Überassimilation flüchtet und versucht, so japanisch wie nur irgend möglich zu sein, sieht Mozasu sein Heil in der inneren Immigration, d.h. er flüchtet sich in die koreanische Lebensweise und lebt in einer Migranten-Parallelwelt. Die Familie kommt für Migrantenverhältnisse einigermaßen zu Wohlstand durch Geschäftstätigkeit im Spielhallen-Business (Pachinko). Dieses Betätigungsfeld am Rande der Kriminalität und fernab von gesellschaftlicher Achtung ist eines der wenigen, das den koreanischen Einwanderern überlassen wird. Japaner lassen sich zwar gern vom Pachinko unterhalten, halten aber wegen der gesellschaftlichen Ächtung bewusst Abstand dazu.
    In diesem geächteten Bereich lebt die Familie und insbesondere eine der Hauptfiguren Mozasu so sauber und nicht-kriminell es irgendwie geht und richtet sich so in der Realität ein. Der Weg zurück nach Korea ist sowieso immer stärker verschlossen, denn inzwischen ist das Heimatland geteilt und der Norden des Landes, wo das Heimatdorf der Familie liegt, wird von einem kommunistischen Terrorregime regiert, dem – gemäß der spärlichen Informationslage, über die die Familie dazu verfügt – einige Rückkehrer und Dagebliebene als sogenannte „Besitzende“ schon zum Opfer gefallen sind. Andere Auswege werden deshalb gesucht. Das klassische Auswanderungsland USA ist eine Option. Zumindest für den Sohn Solomon, der dort studiert, danach aber wieder nach Japan zurückkehrt, um im Bankensektor zu arbeiten. Aber auch mit dieser guten Ausbildung und mit diesem Hintergrund kann er der Diskriminierung nicht entfliehen und kann sich im Bankengeschäft nicht halten.
    Noa, Mozasu, Solomon – drei männliche Helden, deren hartes Ringen um Anerkennung und eine Lebensperspektive mit dem Hintergrund „koreanischer Migrant“ in Japan der Roman ausführlich im Rahmen einer großangelegten Familiensaga schildert, landen schließlich alle drei auf sehr unterschiedlichen Wegen doch an der gleichen Stelle: im Pachinko-Geschäft, wie schon die Familiengeneration vor ihnen. Die japanische Gesellschaft hat ihnen diese Nische zugewiesen und hat darüber hinaus nicht die Bereitschaft, diese Nische zu erweitern und sich dem Können und Wissen dieser Gesellschaftsgruppe zu öffnen, um sie für ihr Land nutzbar zu machen: eine Verschwendung von menschlichen Ressourcen und von menschlichem Können schildert so der Roman und wirkt so über die eigentliche Geschichte hinaus mit einer Botschaft, die Min Jin Lee sicher in erster Linie in ihr neues Heimatland USA hinaussendet. Die aber auch bei uns Platz und Nutzen hat. Deshalb wünsche ich dem Buch auch bei uns eine große und breite Leserschaft.
    Mein Fazit:
    Min Jin Lee schafft es mit diesem Roman, Welten in den Köpfen ihrer Leser zu schaffen und sie zu entführen in neue, fremde Umgebungen. Sie schafft einen Filmstoff, der auf Umsetzung durch einen Regisseur wartet. Und sie schafft es, das Schicksal von Migranten und deren Leben in der ausgrenzenden Fremde zum Leben zu erwecken. Dahin, wo man gerne wegschaut und denkt, über die eigenen Vorurteile sowieso schon genug Bescheid zu wissen, richtet sie das Augenmerk des Lesers. Und vermittelt ihm so ganz andere Wahrheiten und Einsichten als die Vorurteile nahezulegen versuchen. Es ist deshalb ein ungemein aktueller Roman, der mich zutiefst bewegt und berührt hat.
    5 STERNE – ohne Frage!

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  1. ‘Pachinko’

    Min Jin Lee schrieb mit diesem Buch einen wahrhaft epischen Generationenroman, der die japanisch-koreanische Geschichte thematisiert. (Der Klappentext reduziert die Handlung zu sehr auf drei der Charaktere!) Laut Wikipedia war “Pachinko”, so der Originaltitel, der erste Roman, der diese Thematik für eine erwachsene englischsprachige Leserschaft aufgriff. Das Buch wurde 2017 für den “National Book Award” nominiert und war unter den Finalisten.

    ‘Vielschichtig’, ‘komplex’ und ‘differenziert’ sind Worte, die mir auf Anhieb in den Sinn kommen – auch ‘unbedingt lesenswert’ schließt sich ihnen an.

    Die Autorin beleuchtet in ihrem Werk kulturelle Eigenheiten, Vorstellungen und Wertesysteme, die dem nicht-asiatischen Leser vollkommen fremd sind.

    Als Beispiel möchte ich hier nur das Thema Selbstmord anführen, das im Buch mehrfach eine Rolle spielt. So wählt ein Charakter aufgrund eines als untragbar empfundenen Ehrverlustes den Freitod und lässt damit geliebte Menschen in einer sehr schwierigen, fast schon unerträglichen Situation zurück.

    Konnte ich das aus meiner Sicht heraus verstehen? Nein. Konnte ich es aus meiner heraus Sicht verurteilen? Ebenfalls nein. Denn Min Jin Lee gelingt es, dem Leser zu zeigen, dass der Charakter in seiner Situation, seinem kulturellen Umfeld, keine andere Alternative sieht.

    Überhaupt sind ihre Charaktere jederzeit glaubhaft und in sich schlüssig, auch wenn sie unter Umständen Dinge tun, die dem Wertesystem des Lesers zuwider laufen.
    Es geht viel um Vorurteile und Diskriminierung und deren Auswirkungen auf beide Seiten des Konflikts. Mit den Hauptfiguren habe ich innigst mitgefiebert, aber auch die Nebenfiguren werden sehr aussagekräftig beschrieben. Die Autorin zeichnet ihre Geschichte mit nicht weniger liebevollem Strich

    Der Schreibtil ist unprätentiös und ruhig, und dennoch zieht er den Leser hinein in eine Geschichte, die emotional viel auslösen kann.

    Ich zögere, für so eine Geschichte Wörter wie “spannend” und “unterhaltsam” zu gebrauchen.

    Einige Entwicklungen machen zutiefst betroffen, viele der Charaktere erleiden tragische Schicksale. Mehr als einmal hatte ich einen Kloß im Hals, ein Brennen in den Augen – und das, ohne dass die Autorin das mit künstlichem Pathos forciert hätte. Auch Kitsch und Klischees umschifft sie in meinen Augen elegant.

    Daher kann ich das Buch nach reiflicher Überlegung sowohl als spannend als auch als unterhaltsam bezeichnen. Man muss sich als Leser nie dazu quälen, weiterzulesen, auch wenn die Geschichte gerade schmerzt. Man sträubt sich nicht gegen ihre Tragik, und das spricht sehr für die Erzählkunst der Autorin.

    Ich habe durch das Buch viel gelernt.

    Erst beim Lesen dieser Geschichte ist mir klar geworden, wie oberflächlich und lückenhaft meine Kenntnisse über die koreanische Kultur tatsächlich sind: Kim Jong Un. Propagandafilme mit breit lächelnden Frauen, die Korea als das glücklichste Land der Welt bezeichnen. Vage Erinnerungen an eine Dokumentation über die “Trostfrauen” (zum Teil aus Korea), die in japanischen Kriegsbordellen zwangsprostituiert wurden.

    Ich habe das Gefühl, jetzt erstmals wirklich einen Eindruck in die Lebenswirklichkeit der japanisch-koreanischen Geschichte erhalten zu haben.

    FAZIT

    Min Jin Lee legt mit “Ein einfaches Leben” (im Original “Pachinko”) einen Generationenroman vor, der eine ungemeine Wirkung entfaltet. Die Geschichte verfolgt das Schicksal einer koreanischen Familie und spricht dabei zahlreiche Themen an, von Migration und Ausgrenzung über den Ehrbegriff in der koreanischen und japanischen Kultur bis hin zu der Frage, was Familie überhaupt ausmacht.

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  1. 5
    03. Dez 2018 

    Menschen zweiter Klasse...

    Sunja, Tochter eines Fischers, wird genau im falschen Moment schwach, genau beim falschen Mann. Um keine Schande über ihre Familie zu bringen, verlässt sie Korea und bringt ihre Söhne Noa und Mozasu fernab der Heimat in Japan zur Welt. Koreanische Einwanderer, selbst in zweiter Generation, leben dort als Menschen zweiter Klasse. Während Sunja sich abzufinden versucht, fordern ihre Söhne ihr Schicksal heraus. Noa studiert an den besten Universitäten und Mozasu zieht es in die Pachinko-Spielhallen der kriminellen Unterwelt der Yakuza.

    Wenn mich ein Roman sehr beeindrucken konnte, habe ich das Gefühl, mindestens eine ebenso beeindruckende Rezension schreiben zu müssen, um dem Leseerlebnis gerecht zu werden und anderen vermitteln zu können, weshalb diese Erzählung eine unbedingte Leseempfehlung erhalten muss. Wenn der Roman aber derart vielschichtig ist wie hier, sowohl von den Handlungssträngen und Charakteren her als auch von den gelungen eingeflochtenen Informationen und Botschaften - dann wollen mir die geeigneten Formulierungen nicht wirklich einfallen. Und so sitze ich hier auch noch Tage nach der letzten Zeile des Romans und fühle mich etwas verzagt.

    "Sie sah nicht den Menschen in ihm, und Noa verstand, dass er sich das am allermeisten wünschte: als Mensch gesehen zu werden." (S. 356)

    Mit Sunja, der Tochter eines koreanischen Fischers und seiner hart arbeitenden Frau, beginnt dieser Roman. Selbst nur harte Arbeit kennend, blüht das Mädchen auf, als sich ein reicher Mann für sie zu interessieren beginnt. Als sie bemerkt, dass sie schwanger ist, freut sie sich zunächst, doch als sie erfährt, dass der Mann bereits verheiratet ist, weiß sie, dass diese Schwangerschaft Schande über sie und ihre Familie bringen wird. Als Sunja die Gelegenheit erhält, nach Japan zu gehen, ergreift sie diese und beginnt damit ein neues Leben.

    Der Leser begleitet Sunja durch den Roman und begegnet ihr immer wieder, aber sie ist nur einer der Hauptcharaktere. Ihre Söhne Noa und Mozasu wachsen in der fremden Kultur auf, die Bedingungen alles andere als einfach - und müssen ihren eigenen Weg im Leben finden. Anpassen und in der Masse aufgehen, seine Wurzeln versuchen zu verleugnen und unsichtbar werden? Oder die Chancen nutzen, die Koreanern in Japan überhaupt geboten werden, reich und unabhängig werden und damit nicht darauf angewiesen sein, gesellschaftlich anerkannt zu werden? Die Söhne gehen unterschiedliche Wege, und in beiden zeigt sich das Dilemma der Wurzellosigkeit, der Problematik von 'Heimat', 'Zugehörigkeit', 'Identität'. Erkenntnisse, die wie ein Hintergrundrauschen erscheinen, die die Geschichte selbst aber nicht belasten.

    In Japan lebende Koreaner - eine vollkommen neue Welt, die sich mir mit diesem Roman erschloss. Mit diesem Werk, an dem die Autorin zwanzig Jahre lang gearbeitet, mit dem sie sich dreißig Jahre lang gedanklich beschäftigt hat, gelingt es der in Seoul geborenen Min Jin Lee, auch dem westlichen Leser die ihm fremdartig anmutende Kultur sowie die gesellschaftlichen und historischen Hintergründe nahezubringen. Ein Leben eng gepfercht in Konventionen, mit der Einteilung in Menschen verschiedener Klassen sowie mit klar vorgegebenen Rollenbildern. Wissen, das unaufdringlich in die Handlung eingeflochten wird, das manche Ereignisse - wenn schon nicht nachvollziehbar - doch immerhin verständlich werden lässt.

    "...während man in Japan alles Schwierige ertragen musste. Sho ga nai, sho ga nai. Wie oft hatte er diese Worte gehört? Da kann man nichts machen." (S. 516)

    Neben der Problematik der Koreaner als Menschen zweiter Klasse, die kaum eine Chance haben, diesem Status zu entkommen, richtet die Autorin auch ein klares Augenmerk auf die Rolle der Frau in dieser Gesellschaft. Ihr Los ist es, lebenslang zu leiden, und auch diesem Schicksal ist kaum zu entrinnen. Beklemmende Szenarien tauchen so immer wieder auf, und doch dominieren diese Hintergründe nicht, sondern das Familienepos als solches steht im Vordergrund.

    Die ruhige Erzählung lässt sich Zeit, nimmt den Leser an die Hand, schockiert durch manche Entscheidungen und Wendungen, deutet Schicksalsschläge aber oft nur an und erspart so meist den Fall in ein emotionales Tief. Eine überaus gelungene Mischung aus einer intelligent und stimmig komponierten komplexen Generationen- und Familiengeschichte mit interessanten Charakteren sowie aus einem historisch und gesellschaftlich authentisch vermittelten Eindruck einer Kultur vom anderen Ende der Welt.

    Für mich ein Jahres-Highlight. Unbedingt lesenswert!

    © Parden

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  1. 5
    15. Nov 2018 

    Pachinko

    Die amerikanische Autorin Min Jin Lee ist 1968 in Südkorea geboren. Im Alter von 8 Jahren ist sie mit ihrer Familie in die USA immigriert. Mittlerweile ist sie 51 Jahre alt, hat also den größten Teil ihres Lebens in Amerika verbracht. Dennoch hatte sie das Bedürfnis einen Roman über die Kultur zu schreiben, in der sie geboren wurde. Für ihren Roman "Ein einfaches Leben" hat Min Jin Lee etwa 20 Jahre gebraucht. So "einfach"scheint das Leben einer koreanischen Familie, welches sie hier beschreibt, also doch nicht gewesen zu sein.
    Entstanden ist ein Familienepos über mehrere Generationen, angefangen 1910 bis hin zum Jahr 1989. Hauptschauplätze sind Korea und Japan.
    Um die Bedeutung dieses Romans zu verstehen, sollte man sich zunächst einen kurzen Einblick über die Geschichte in dieser Region verschaffen. Der Roman beginnt in Korea zu einer Zeit, als dieses Land eine Kolonie Japans war. Dieser Zustand hielt bis zum Ende des 2. Weltkrieges an. Nach der Unabhängigkeit von Japan kamen die Besatzungsmächte USA und Russland ins Spiel, die Korea der Einfachheit halber in Nord- und Südkorea geteilt haben. Der Koreakrieg 1950 tat sein Übriges, damit die Teilung des Landes verfestigt wurde. Der Konflikt zwischen Nord und Süd hält auch heute noch an, nicht zuletzt aufgrund der Machthaberstruktur in Nordkorea.
    Ein wesentliches Thema in diesem Roman ist die Diskriminierung der koreanischen Bevölkerung in Japan. Diese Diskriminierung fand ihren Anfang während der Kolonialzeit und ist auch heute noch in den Köpfen vieler Japaner und Koreaner verwurzelt. In der Zeit zwischen 1910 und dem Ende des 2. Weltkrieges sind viele Koreaner nach Japan ausgewandert - einige aus freien Stücken, aufgrund der besseren Arbeitsmöglichkeiten, andere wiederum wurden zwangsausgesiedelt, um die japanische Industrie aufzubauen. Mit dem Ende des 2. Weltkrieges sind viele Koreaner wieder in ihre Heimat zurückgekehrt, andere wiederum blieben, weil sie sich in Japan eine Existenz aufgebaut haben bzw. nur einen geringen Bezug zur alten Heimat hatten. Dies betraf insbesondere die jüngere Generation. Egal, ob in Japan oder Korea angesiedelt, Koreaner waren (und sind) für Japaner Menschen zweiter Klasse und werden auch als solche behandelt. Bestenfalls sind sie in Japan geduldet, aber selten akzeptiert.

    "' .. Dieses Land wird sich nie ändern. Koreaner wie ich können nicht weggehen. Wo sollen wir hin? Aber die Koreaner zuhause ändern sich auch nicht. In Seoul werden solche wie ich japanische Bastarde genannt, und in Japan bin ich immer weiter ein schmutziger Koreaner, egal, wieviel Geld ich verdiene oder wie nett ich bin. So ist das! ..'"

    Vor diesem Hintergrund ist die Geschichte der Familie um Sunja angesiedelt. Sunja ist in einem kleinen Dorf in Korea geboren. Die Familie hält sich nach dem Tod des Vaters mit einem Logierhaus über Wasser. Als Sunja heiratet, zieht sie mit ihrem Mann Isak, einem christlichen Geistlichen, nach Japan. Hier lebt die Familie über Jahre zusammen mit Isaks Bruder und dessen Frau. Sunja bekommt zwei Söhne, Noa und Mozasu, die zwischen 2 Kulturen leben. Über ihre familiären Wurzeln bekommen sie die koreanische Kultur vermittelt, lernen aber gleichzeitig, dass sie als Koreaner in ihrem Geburtsland Japan nicht willkommen sind. Die Jahre vergehen, die politische Situation verändert sich, Familienmitglieder sterben und Familienmitglieder werden geboren. Die Familie bringt es mit den Jahren zu einigem Wohlstand, nichtzuletzt aufgrund ihres Unternehmertums im Glückspiel, dem Pachinko.

    "Für Mosazu war das Leben wie ein Spiel, bei dem der Spieler die Rädchen einstellen konnte, aber auch mit Faktoren rechnen musste, die außerhalb seiner Kontrolle lagen und Ungewissheit bedeuteten. Er verstand, warum seine Kunden an einer Maschine spielen wollten, die vorhersagbar schien, aber trotzdem Platz für Zufall und Hoffnung ließ."

    Min Jin Lee liefert mit diesem Roman ein beeindruckendes Porträt einer Gesellschaft, die mir bisher mehr als fremd war. Sie konzentriert sich dabei auf die persönlichen Schicksale ihrer Charaktere. Durch stetig wechselnde Erzählperspektiven lässt sie nahezu jedes Familienmitglied zu Wort kommen und bringt sie dem Leser näher. Darüberhinaus gibt sie auch noch Randfiguren Raum, um deren persönliche Schicksale zu beleuchten. Das Ergebnis ist ein schillerndes Bild einer Gesellschaft, die versucht, als ethnische Minderheit in Japan zurechtzukommen.

    Dieser Roman lässt sich jedoch nicht auf das Thema der Diskriminierung reduzieren. Min Jin Lee packt viele Themen an, die für den Alltag in Korea bedeutsam sind: Familienleben, Bedeutung des Ehrbegriffs, Rolle der Frau ... um nur einige zu nennen.

    Die Autorin hat nicht nur viel erzählen, sie erzählt es auch auf eine wunderschöne Weise. Als ich die ersten Sätze dieses Roman gelesen habe, stellte sich bei mir eine merkwürdige Stimmung ein: In meinen Kopf tauchten ganz viele Bilder auf, die jedoch alle hinter einem zarten Schleier lagen. Damit will ich sagen, von jetzt auf sofort ist man in einer völlig fremden Welt, die eine ungeheure Fasziniation ausübt.
    Diese "Schleier"-Stimmung habe ich irgendwann nicht mehr wahrgenommen. Ich habe Min Jin Lees Sprachstil jedoch als sehr lebhaft und eindringlich empfunden. Sie versteht es, den Leser zu fesseln. Die Handlung hat eine treibende Kraft, die mich in den Bann gezogen hat. Einerseits berührt sie den Leser, lässt ihn Anteil nehmen an den Sorgen und Nöten der Charaktere. Andererseits lässt sie aber immer noch genügend Distanz zu, so dass die Stimmung niemals ins Rührselige umschlägt.

    Fazit:
    Ein großartiges Familienepos aus einem fremden Kulturkreis! Eines meiner Highlights in diesem Jahr! Leseempfehlung!

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  1. Über das Schicksal der koreanischen Minderheit in Japan

    Die Autorin Min Jin Lee wurde 1968 in Korea geboren. Sie immigrierte als Kind mit ihren Eltern in die USA und arbeitet dort als Anwältin. In ihrem 2017 in den USA erschienen Erstlingsroman mit dem Titel " Pachinko" erzählt sie von der Geschichte der koreanischen Minderheit in Japan (hier in Deutschland erschien der Roman 2018 mit dem Titel: "Ein einfaches Leben"). In ihrer Danksagung erfahren wir, dass sie sich viele Jahre mit diesem Romanprojekt beschäftigt und dabei mit duzenden koreanisch-stämmigen Japanern gesprochen hat. Diese Berichte wiederum fanden teilweise Eingang in ihren Roman.
    Das Schicksal der koreanischen Minderheit in Japan ist zumindest im Westen wenig bekannt. Es ist sicher ein Anliegen des Romans, die Geschichte der Ausbeutung und Diskriminierung dieser Minderheit bekannter zu machen. Ein berechtigtes Anliegen.

    Korea war von 1910 bis 1945 japanische Kolonie. In dieser Zeit wanderten hundertausende von Koreanern nach Japan aus. Teils "freiwillig" da Korea unter der Herrschaft von Japan verarmte. In den Kriegsjahren wurden Koreaner zwangsrekrutiert als Soldaten und Minenarbeiter (in diesem Zusammenhang sind die sogenannten " Trostfrauen" bekannt). Nach Kriegsende kehrten nicht alle Koreaner in ihre Heimat zurück, ca. 800 000 blieben in Japan und waren dort im Prinzip staatenlos, hatten nur Aufenthaltsrechte, die ihnen jederzeit entzogen werden konnten. Den Koreanern war von Anfang an der Zugang zu ehrenwerten Berufen wie z.B. Lehrer oder Anwalt, verwert. So wurden sie in sozial verachtete Bereiche wie das Betreiben von Glückspielhallen (Pachinko- Spielhallen) gedrängt oder gar in die Kriminalität (Yakuza). Ungerechterweise galten deshalb Koreaner in der japanischen Gesellschaft als grob, ungebildet und kriminell. Mechanismen der Ausgrenzung, die wir auch aus Deutschland kennen.

    Eine bewährte Methode, die Geschichte einer Personengruppe zu erzählen ist es, sie anhand einer Familiensaga lebendig werden zu lassen. Diesen Weg geht auch Min Jin Lee. Ihr Roman beginnt im Jahr 1883 in Korea, wo wir die Vorfahren der zentralen Romanfigur, Sunja, kennen lernen. Sunja folgt einem koreanischen Priester nach Japan um der Schande zu entgehen, die die bevorstehende Geburt eines unehelichen Kindes bedeuten würde .Der Bogen der Famiiensaga spannt sich dann über mehre Generationen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Hier zeigt sich am Schicksal von Sunjas Enkelsohn Solomon, dass es auch dann noch fast unmöglich war, als koreanisch-stämmiger Japaner in die angesehene Gesellschaft Japans aufgenommen zu werden.
    Entsprechend der realen Geschichte muss die Autorin über traurige bis grausame Ereignisse berichten, die berühren. Anderseits verweilt sie nie lange bei einer Person, so dass eine gewisse Distanz zu den Protagonisten bestehen bleibt. Es gelingt Min Jin Lee, ihre Romanfiguren nicht nur als Opfer zu beschreiben. Sie lässt den Protagonisten ihre Würde beim Kampf mit den widrigen Lebensumständen. Anschaulich wird auch der innere Kampf dargestellt, den die einzelnen Personen mit sich ausfechten. Sie sind zerrissen zwischen der Sehnsucht nach der Heimat und dem Wunsch, sich in Japan einzugliedern. Zwischen der Versuchung Geld aus kriminellen Kreisen anzunehmen und dem Wunsch ein ehrliches Leben zu führen.

    Cover, Titel und Klappentext der deutschen Ausgabe suggerieren, dass es in dem Buch ausschließlich um Sunja und ihre beiden Söhne geht. Dies stimmt so nicht ganz. Es handelt sich um einen viel breiter angelegten Gesellschaftsroman mit zahlreichen Romanfiguren aus dem Umfeld von Sunjas Familie.

    Insgesamt ein sehr lehrreiches Buch, das zudem noch gut als Roman funktioniert. Unbedingt lesenswert!

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  1. 5
    04. Nov 2018 

    Absolut beeindruckend und überwältigend

    Worin besteht für uns Europäer der Unterschied zwischen Japanern und Koreanern? Wir meinen es gibt keinen, im Gegenteil, für uns sehen sie sogar gleich aus. Das dem nicht so ist, kann man in diesem Buch erfahren.

    Es ist die Geschichte einer koreanischen Familie über den Zeitraum von 70 Jahren erzählt. Die Heldin Sunja wird mit ihren beiden Söhnen gezwungen, nach Japan zu emigrieren und sich dort ein neues Leben aufzubauen. Dass das Leben in Japan noch viel schwieriger, als in Korea ist, hängt nicht nur mit den Sprachbarrieren zusammen. Schnell wird klar, ein Koreaner ist in Japan nicht viel wert. Er ist das unterste Glied in einer Kette. Ein Aufstieg in die Gesellschaft scheint nicht einmal nach mehreren Generationen möglich. Nur durch Selbstverleugnung der eigenen Herkunft und guten japanischen Papieren kann es gelingen ein anerkanntes Mitglied der japanischen Gesellschaft zu werden.

    Davon ist Sunja, die weder lesen noch schreiben kann, weit entfernt. Und doch gelingt es ihr, zusammen mit der Familie, ihren beiden Söhnen eine Schul- und Ausbildung zu ermöglichen. Das beide Söhne durch verschiedene Umstände zu Pachinko (so der Originaltitel dieses Buches) werden, war nicht geplant.

    Die Autorin, die hier das Leben einer Familie über einen sehr großen Zeitraum kennzeichnet, hat selbst über zwanzig Jahre an diesem Buch geschrieben. Ihr gelingt es viel von der Mentalität der Koreaner und auch der Japaner darzustellen. Beim Lesen erfährt man viel vom den Traditionen, dem Familienzusammenhalt und dem Stolz innerhalb der Familie. Aber es geht auch um den Krieg, die Not und den täglichen Kampf ums Überleben.

    Ein einfaches Leben ist nicht nur eine Familiengeschichte, sondern auch ein Buch über das Überleben in der Fremde, das Leben mit Vorurteilen und Fremdenhass.

    Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, ich kann es auf jeden Fall empfehlen und vergebe verdiente fünf Lesesterne.

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  1. Gaijin, Fremder für immer?

    Gaijin, Fremder für immer?

    Sunja ist das lang ersehnte Kind des Fischers Hoonie und seiner Frau Yangjin. Sie leben in Korea, genauer gesagt in Yeongdo. Die Verhältnisse sind eher bescheiden, nur durch harte Arbeit gelingt es dem Ehepaar sich und das Kind zu ernähren, dabei geht es Ihnen im Vergleich zu anderen sogar noch relativ gut. Als Hoonie stirbt, können sie sich durch das Logierhaus, dass sie betreiben ganz gut über Wasser halten.
    Als Sunja sich unbedarft auf den wesentlich älteren Koh Hansu einlässt und von ihm schwanger wird, entscheidet sie sich gegen sein Angebot, sie und das Kind zu unterstützen. Sie wusste nicht, dass er in Japan eine Frau und Kinder hat, sie möchte nicht von ihm ausgehalten werden.
    Sunja und ihrer Mutter ist bewusst, dass Sunja es mit einem unehelichen Kind nicht leicht haben wird. Als der Geistliche Isak Baek krank im Logierhaus ankommt, helfen die beiden Frauen ihm. Er überwindet die Tuberkulose und möchte helfen in dem er Sunja heiratet und ihrem Kind ein Vater wird.
    Sunja willigt ein und geht mit ihm nach Japan zu Isaks Bruder und dessen Frau. Das Ehepaar nimmt sie sehr freundlich auf, doch die Japaner haben keine gute Meinung von Koreanern, sie behandeln Sie als Menschen zweiter Klasse.

    Der weitere Verlauf des Romans schildert das Leben Sunjas und das ihrer beiden Söhne. Der Leser erfährt wie die beiden mit den Anfeindungen umgehen, wie sie ihr Leben versuchen zu meistern in einem Land, dass sie als Aussätzige betrachtet, mit dem Wissen, dass sie aber auch in ihrer Heimat als Außenseiter behandelt werden würden, gingen sie zurück.

    Die Autorin Min Jin Lee bettet viele Charaktere in die Geschichte ein. Das besondere dabei ist, dass sie allen eine eigene Geschichte an die Seite stellt. Dies tut sie auf eine sehr einfühlsame Art. Sie erzählt sehr eindrucksvoll, gibt einem beim lesen das Gefühl mitten im Leben dieser Menschen zu sein.
    Ich habe diesen Roman sehr gern gelesen, und denke noch nachhaltig an die Personen und Ereignisse im Buch.

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  1. Ein großartiges, feinsinniges Familienepos

    Titel und Einband des Romans sind zwar wie üblich bei dtv hochwertig gestaltet, Cover und Titel erscheinen aber unspektakulär, nichts, was ins Auge fällt. Der amerikanische Originaltitel lautet „Pachinko“ und ich fragte mich sofort, warum man es nicht bei diesem viel geheimnisvolleren Titel belassen hat. Der Klappentext suggeriert, dass zwei ungleiche Brüder ihr Schicksal herausfordern und miteinander konkurrieren. Das ist jedoch weit gefehlt! Der Roman bietet so viel mehr, soviel tiefere Einsichten über Familie, Herkunft, Migration, Zugehörigkeit und nicht zuletzt Geschichte. Ein großes Stück Literatur!

    Der Roman ist in drei Teile gegliedert. Er beginnt 1889 im Dorf Gohyang in Korea. Schnell wird deutlich, dass Ehen innerhalb derselben Schicht geschlossen werden. Der arbeitsame, aber klumpfüßige, Hoonie rechnet sie aufgrund seines Handicaps keine Chancen diesbezüglich aus und ist überrascht, als er doch die verarmte Bauerntochter Yangjin zur Frau bekommt. Beide übernehmen das Logierhaus seiner Eltern und führen ein zufriedenes Leben. Sie bekommen einige Kinder, überleben tut aber nur ein Mädchen: Sunja, deren Leben uns im kompletten Roman begleitet.
    Als Sunja 15 Jahre alt ist, rettet sie der wohlhabende und doppelt so alte Hansu aus einer misslichen Lage und wird ihr Freund. Die beiden treffen sich regelmäßig. Hansu übertritt schließlich jedoch die platonische Vertrautheit und es kommt wiederholt zu sexuellen Handlungen. Ob Hansu wirklich verliebt in das junge Mädchen ist oder nur ihre Unerfahrenheit eigennützig ausnutzt, wird nicht klar. Als Sunja schwanger wird, verspricht er ihr aber, für sie zu sorgen. Heiraten kann er sie nicht, da er bereits drei Töchter und eine Ehefrau in Osaka hat. Sunja ist tief enttäuscht und bricht mit ihm.

    Isak, ein junger christlicher Geistlicher, verhindert ihre gesellschaftliche Ächtung, indem er sie heiratet und damit dem ungeborenen Kind seinen Namen gibt. Das Paar macht sich auf nach Osaka, wo Isak eine Stelle angeboten wurde. Sie leben fortan bei Isaks älterem, kinderlosen Bruder und dessen Ehefrau in bescheidenen Verhältnissen. Sunja bekommt zwei Söhne: Noa, einen pflichtbewussten, ehrgeizigen, und Mozasu, einem ebenfalls fleißigen Jungen, der mit Schulbildung jedoch wenig anfangen kann. Beide Kinder sind liebenswert und die Familie hält fest zusammen.

    Koreaner haben es schwer in Japan. Sie werden diskriminiert und nur wenige Berufe stehen ihnen offen. Einer dieser wenigen ist die bei Japanern verrufene Pachinko (Glücksspiel)-Branche, in der Mozasu als Erwachsener zu ordentlichem Erfolg kommen wird. Noas Herzenswunsch ist es indessen, englische Literatur zu studieren – ein Wunsch, der den Geldbeutel der Familie überfordert, zumal Isak zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Leben ist. In ihrer Not wendet sich Sunja an Noas leiblichen Vater Hansu, der sich gerne bereit erklärt, Unterstützung zu leisten. Diese Entscheidung wird im weiteren Verlauf der Geschichte schicksalhafte Folgen haben….

    Zum Ende des Romans hin wird Solomon, Mozasus Sohn, in der dritten Einwanderer-Generation für ein selbstbestimmtes Leben in Japan eintreten und seine Erfahrungen machen. Pachinko ist das wiederkehrende Thema, das die Handlung flankiert. Insofern wäre dieser Titel aus meiner Sicht der deutlich bessere für den Roman gewesen. Der Bogen spannt sich bis ins Jahr 1989 und wird zu einem glaubwürdigen Ende geführt, das Platz für viele eigene Gedanken und anregende Diskussionen lässt.

    Der Roman ist einzigartig gut geschrieben. Er liest sich flüssig und leicht verständlich, hat aber mitunter eine solch starke Ausdruckskraft, die einem den Atem rauben kann. Es passiert unheimlich viel: Das Buch zeigt sowohl den bewegten Lauf der koreanisch-japanischen Geschichte als auch die Höhen und Tiefen der beteiligten Familien. Ergänzt wird das Panorama durch zahlreiche Episoden, die sich rund um Nebenfiguren ranken. Man bekommt dadurch einen glaubwürdigen Überblick über gesellschaftliche Zwänge und Zusammenhänge in einer für viele von uns unbekannten Welt.

    Zentrales Thema ist die Identitätssuche in einer neuen Heimat, zentral sind dabei auch Vorurteile und Klischees den Eingewanderten gegenüber. Das ist eine Problematik, die große Aktualität in zahlreichen Ländern der Welt (auch in Deutschland) hat. Min Jin Lee erzählt jedoch nicht mit erhobenen Zeigefinger, sie bleibt realitätsnah, hält Distanz zu ihren Figuren und zeigt auf die Graubereiche – es gibt im Leben nicht nur die gute und die schlechte Seite, sondern eben ganz viel dazwischen.
    Die Autorin vermittelt viel Emotion, drückt aber niemals auf die Tränendrüse. Auch fundamentale Schicksalsschläge berichtet sie sachlich und geht dabei nicht in schmerzhafte Details. Es bleibt dem Leser selbst überlassen, sich sein eigenes Bild von den Folgen des Geschilderten zu machen.

    Für mich ist dieses Buch eines meiner Jahres-Highlights. Min Jin Lee hat einen wirklich großartigen, zeitlosen Roman geschrieben, der am Beispiel einer Familie grundlegende Problematiken aufzeigt. Er hat Tiefe und Spannung, eine Mischung, die ich sehr attraktiv finde. Fünf Sterne mit Zusatzplus - Unbedingt lesen!

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  1. 5
    26. Okt 2018 

    Mein Highlight Oktober`18

    Die Handlung
    Eine Familiensaga, die zwischen 1883 und 1989 aus vier Generationen besteht. Die Handlung spielt sich in Japan und Korea ab.

    Der kleine koreanische Hoonie kommt mit zwei schweren Behinderungen auf die Welt. 1883 wurde er mit einem Klumpfuß und einer Gaumenspalte geboren. Trotzdem wurde er von seinen Eltern geliebt, auch wenn die Gesellschaft weltweit Kinder dieser Art verstößt. Hoonie war der Älteste von drei Brüdern, das schwächste Kind, und hat als Einziger von seinen Geschwistern überlebt. Er stammt aus einer Fischer- und Bauernfamilie. Von der Dorfgemeinschaft wurde er als der Dorfkrüppel bezeichnet. 1910 wurde Korea von Japan annektiert. Die Koreaner verloren ihr Land an Japan. Es begann in Japan die Kaiserzeit und die Koreaner*innen hatten sich ihm anzupassen ... Für die Koreaner*innen entpuppte sich der Kaiser als ein Diktator.

    Hoonies Vater schickte seinen Sohn zu einem Privatlehrer, damit er die Sprachen Japanisch und Koreanisch, Lesen und Schreiben und den Umgang mit Zahlen erwerben konnte. Hoonie wuchs zu einem klugen und weisen Mann heran.

    1911 wurde Yangjin durch eine Ehevermittlerin mit Hoonie verheiratet ... Auch sie hatte mehrere Fehlgeburten, bis schließlich Sunja geboren wird. Auch Sunja war ein geliebtes Kind ihrer Eltern, doch leider verlor sie mit 13 Jahren ihren Vater an Tuberkulose.

    Sunjas Mutter betrieb ein Logierhaus. Sie vermietete in ihrer Wohnung abgetrennte Schlafplätze hauptsächlich an Fischersleute und versorgte sie. Yangjin und Sunja arbeiten hart, um ihren Unterhalt zu bestreiten.

    Im Alter von 16 Jahren lernt Sunja einen Mann namens Koh Hansu kennen, der doppelt so alt ist wie sie. Von Beruf ist er Fischgroßhändler und dadurch ein wohlhabender Mann.
    Als Sunja von japanischen Schuljungen rassistisch angemacht und diskriminiert wird, und sie sexuelle Übergriffe hat über sich ergehen lassen müssen, war es Hansu, der sie vor dem Schlimmsten bewahrt hatte, in dem er die Jungen unter Gewaltandrohung von dem Mädchen riss ... Es war 1920 als Sunja Hansu kennengelernt hat und von ihm schwanger wird. Erst durch die Schwangerschaft erfährt sie, dass Hansu schon verheiratet ist und drei große Töchter hat. Obwohl er Sunja für sie und für das Baby materielle Sicherheit versprochen hat, will Sunja nichts mehr von Hansu wissen und bricht den Kontakt zu ihm radikal ab. Wie geht nun Sunja damit um, schwanger zu sein und welche Perspektiven kann sie sich und dem unehelichen Kind bieten? Selbst die Kirche stellt die minderjährige Sunja mit ihrer Schwangerschaft als große Sünderin dar, ohne den Mann zur Rechenschaft zu ziehen …

    Sunja wird mit Isak verheiratet. Isak ist protestantischer Priester und an Tuberkulose erkrankt, die in Schüben immer wieder ausbricht … Beide ziehen sie von Südkorea nach Osaka zu Isaks älteren Bruder Yosep und seiner Frau Kynghee. Osaka ist eine große japanische Hafenstadt auf der Insel Honshu. Yosep und Kynghee fragen nicht, von wem Sunja schwanger ist. Sie freuen sich auf das Baby, weil sie selbst keine Kinder haben können. Isak hat geschworen, dass er das Kind wie sein eigenes Kind lieben werde.

    Koreaner, die im Heimatland von den Japanern gettoisiert und zu Fremden im eigenen Land gemacht werden und Koreaner, die in Japan leben, haben sozial, gesellschaftlich und rechtlich so gut wie keine Rechte. Sie müssen sich heftigste rassistische Umgangsformen gefallen lassen. Sie können sich nicht wehren, und müssen sich den japanischen gesellschaftlichen Normen und Konventionen unterweisen. Sie müssen unauffällig leben und jede kleinste politische Aktion kann eine gesamte Familie existenziell gefährden. Koreaner kommen ins Gefängnis, ohne wirklich etwas getan zu haben und werden erst entlassen, wenn sie kurz vor dem Sterben stehen, das bedeutet nach einer langen Pein der Folter.

    Selbst nach vier Generationen kommen Koreaner, die in Japan leben, nicht von ihrem Ausländerstatus los. Mit 14 Jahren müssen sich die Jugendlichen bei der Ausländerbehörde melden und sich mit einem Fingerabdruck als Ausländer registrieren lassen. Sie bekommen eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Alle drei Jahre müssen die Jugendlichen und auch die Erwachsenen den Aufenthaltstitel verlängern lassen. Kleinste Vergehen gefährden den Aufenthaltsstatus. Ich stelle mir einen Jugendlichen vor, für dem es selbstverständlich ist, in Japan zu leben, was es mit seiner Identität macht, wenn er ab dem 14. Lebensjahr polizeilich geführt wird... Sunja bekommt zwei Söhne. Noa ist der Erstgeborene und sechs Jahre später kommt sein Halbbruder Mozasu auf die Welt. Noch weiß Noa nicht, dass Mozasu nur sein Halbbruder ist. Er weiß nicht, dass Hansu sein leiblicher Vater ist ... Hansu tritt wieder in Sunjas Leben und in das Leben seines Sohnes.

    Doch nicht nur als „Koreaner“ bekommen es die Menschen mit dem Sozialrassismus politisch und gesellschaftlich schwer gemacht. Wenn man zu dem Koreanischen auch noch eine Frau ist, so bekommen sie es zusätzlich mit einem Gechlechterrassismus zu tun. Und was die äußeren Merkmale betreffen: Immer finden die Japaner ein Kriterium, einfacher gesagt, eine Schublade, in das/der die Menschen, die sie nicht als ihre Landsleute akzeptieren wollen, zu Koreanern macht, zu einer minderbelichteten Art von Menschen.

    Besonders Noa macht es zu schaffen, dass er trotz guter Schulbildung keine Chance hat, Japaner zu werden ...

    Die erste schwere Krise erleidet er mit seiner Freundin, die er an der Universität kennengelernt hat. Er bricht den Kontakt zu ihr ab, da sie ihn immerzu erinnert, dass er Koreaner ist. Obwohl sie sich als nichtrassistisch ausgibt, konfrontiert sie Noa permanent mit Klischees, Stereotypen und mit Vorurteilen …
    Noa starrte sie an. Sie würde immer einen anderen in ihm sehen, nicht den, den er war, sondern eine fantasievolle Version eines Fremden; und sie würde sich immer für etwas Besonderes halten, weil sie sich mit jemandem einließ, der von den anderen verachtet wurde. Wenn Noa mit ihr zusammen war, dachte er nicht daran, dass er Koreaner war. Er wollte einfach er selbst sein, was immer das bedeuten mochte; Manchmal wollte er sich einfach vergessen. Aber das war mit ihr nicht möglich. (356)

    Als er herausbekommt, dass Hansu sein wirklicher Vater ist, verliert er ganz die Nerven und reißt von zu Hause aus, um sich woanders eine sichere Existenz aufzubauen, in dem er vorgibt, Japaner zu sein. Er bricht sein Studium ab und alle Familienbanden, denn er gerät immer mehr in eine schwere Identitätskrise, die nicht aufzufangen ist … Eine heftige Auseinandersetzung findet zwischen Noa und seiner Mutter statt, als er erfahren hat, wer sein wirklicher Vater ist:
    Ein Leben lang haben mir Japaner gesagt, dass mein Blut koreanisch ist und dass Koreaner zornige, gewalttätige, gerissene und betrügerische Kriminelle sind. Mein ganzes Leben lang musste ich das ertragen. (359f)

    Auf den Buchseiten setzen sich diese Zitate fort, die ich nicht alle rausschreiben wollte. Auch wenn man Noa verstehen kann, tut mir auch die Mutter leid, die nun von ihrem eigenen Sohn verstoßen wird ...

    Die meisten Menschen, die diesen koreanischen Stempel nicht losbekommen, arbeiten hart und leben nach den vorgegeben gesellschaftlichen Regeln und Mustern in der japanischen Gesellschaft. Selbst wenn sie erfolgreich sind, haben sie keine Chance, akzeptiert zu werden. Junge Menschen können keinen Beruf ausüben, der von den Japanern ausgeführt wird. Sie dürfen nur die Arbeit verrichten, für die sich ein Japaner zu schade ist ...

    Mehr möchte ich nicht verraten. Aber wenn jemand Weiteres über das Buch erfahren möchte, so hat man die Möglichkeit, sich in der Leserunde von Whatchareadin einzuklicken, um die Diskussion zu verfolgen.

    Das Schreibkonzept
    Das Buch besteht aus drei Teilen und ist in verschiedenen Kapiteln gegliedert. Manchmal sind die Sprünge zwischen den Jahren recht groß, trotzdem kann man gut folgen. Der erste Teil Gohjang Zuhause von 1910 bis 1933. Zweiter Teil Mutterland, von 1939 bis 1962. Der dritte Teil, Pachinko von 1962 bis 1989. Man bekommt es hier mit einem flüssigen Schreibstil zu tun.

    Meine Meinung
    Diese rassistischen Vorurteile kenne ich als Kind italienischer Eltern nur zu gut. Auch bei uns in Europa sind sie reichlich vertreten, wenn auch ohne diesen politischen Druck. Denn hier darf man eingebürgert werden. Wenn von fünf Italienern einer unanständig ist, dann werden die vier anständigen übersehen, und der unanständige Italiener wird als Maßstab stellvertretend für alle Italiener benutzt. Selbst nach drei Generationen in Deutschland lebend sind sie noch immer nicht als Deutsche anerkannt.
    Der Umgang mit Menschen anderer Nationalitäten verhält es sich ähnlich. Und die äußerlichen Zuschreibungen? Ähnlich wie bei den Koreanern. In deutscher Literatur gibt es keinen blonden Italiener. Und keinen mit einer hellen Haut, obwohl die meisten Italiener, die in Italien leben, sonnengebräunt sind und nicht dunkel oder olivfarben auf die Welt kommen. Hat ein Italiener blonde Haare oder eine helle Haut, dann sind es die dunklen Augen, die ihn zum Südländer machen oder umgekehrt. Stigmatisiert ist man mit einem ausländischen Namen, andere mit einer dunklen Hautfarbe.

    In einem Lexikon für Traumsymbole steht, wenn jemand träumt, mit einem Italiener zu sprechen, dann solle man sich vor Dieben hüten. Und wer träumt, italienisch zu sprechen, der habe Sehnsucht nach einem schwarzhaarigen Menschen.

    Im selben Lexikon unter dem Begriff
    Deutsch steht:
    Fühlen und handeln: Ehrgefühl besitzen.
    (Beides nachzuschlagen im Lexikon der Traumsymbole von Hanns Kurth, damals war es der Goldmann Verlag, derzeit im Heyne Verlag erschienen)

    Mein Fazit?
    Nach meiner Sicht sind in diesem Buch alle Menschen in einem System gefangen. Die, die glauben, etwas Besseres zu sein, müssen andere klein machen, um ihr Ego aufzuwerten. Ein Mensch, der glücklich und zufrieden ist, ist es auch im Umgang mit anderen Menschen. Er behandelt seinen Mitmenschen gleich. Dieser Mensch hat es nicht nötig, andere abzuwerten. Aber wenn ein politisches System Menschen in gute und in schlechte Menschen einteilt, und die Ressourcen verteilt werden in die Guten bekommen viel, die Bösen bekommen wenig oder auch gar nichts, kann eine Gesellschaft sich nicht gesund entwickeln. Dann sind natürlich Menschen, die vom politischen System auf die gute Seite gestellt werden, froh, zu der besseren Menschengruppe zu gehören. Eine große Herausforderung für alle Gruppen von Menschen im hiesigen Buch.

    Deshalb sind sie für mich hier alle Opfer und Täter zugleich. Mir fällt dazu die Autorin Nino Haratischwilli ein, die auf der Buchmesse im Interview geäußert hat, dass ein Kriegsverbrecher niemals mit sich selbst Frieden schließen könne. Sie sprach über ihr neues Buch Die Katze und der General. Und so sehe ich es auch mit Menschen, die andere Menschen unterdrücken. Tief in sich drin können die Unterdrücker nicht wirklich glücklich sein ... Vielleicht passt hier der Vergleich zu Japan mit ihrer sogenannten Schamkultur, die hoffentlich nicht nur auf die Umweltkatastrophe Hiroshima gemünzt ist.

    Ich wünsche mir ganz feste, dass dieses Buch von Min Jin Lee durch die ganze Welt reist. Rassismus gibt es überall, das soll aber keine Entschuldigung sein. Jeder kann an sich arbeiten, Vorurteile in sich erst bewusst zu machen, um sie später, im nächsten Schritt, bestmöglich abbauen zu können, denn so kann eine Gesellschaft profitieren, die gesund und stabil miteinander wachsen möchte.

    Da fällt mir der Spruch wieder aus der Buchmesse ein:
    Böse ist das Böse nur, wenn man nichts dagegen tut.

    Es ist nicht böse, Vorurteile zu haben, es ist nur böse, wenn man sie weiterverbreitet, weil man sich damit nicht auseinandersetzen möchte, und Menschen damit schadet, weil man sie damit verletzt.

    Aber mir würde es schon genügen, wenn das Buch seine Leser*innen in der Auseinandersetzung mit anderen Menschen stärker sensibilisiert. Die Autorin hat eine ruhige Art, über diese unruhige Thematik zu schreiben.

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