Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist

Buchseite und Rezensionen zu 'Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist' von Kopano Matlwa
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5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist"

Gebundenes Buch
Was heißt es, im gegenwärtigen Südafrika eine junge Frau zu sein? Masechaba, früher ein wildes, rebellisches Mädchen, ist heute Assistenzärztin mitten in Johannesburg. Der Klinikalltag ist bestimmt vom unterversorgten Gesundheitssystem. Rassismus, Religiosität und Tradition treffen täglich auf die Gegenwart der jungen "Born Free"-Generation Südafrikas. Obwohl Masechaba leidet und tiefen Schmerz in sich trägt, die "Bestie", die alles verdunkelt, passt sie sich dem Alltag mit aller Kraft an. Doch eine Frage bleibt: Wofür lohnt es sich zu kämpfen? Für ein gerechteres System? Für ihre beste Freundin, die intelligente Nyasha aus Simbabwe? Für sich selbst und das eigene Glück?

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:208
Verlag: btb Verlag
EAN:9783442757800

Rezensionen zu "Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist"

  1. Südafrikanische Probleme?

    ‚Die Ausländer fressen uns alles weg‘, ist keine Aussage aus Deutschland, sondern aus Südafrika! Dieser Rassismus war mir bisher nicht bewusst und bewegte mich mit seinen Auswüchsen sehr!

    Die Ich-Erzählerin Masechaba schreibt in ihr Tagebuch alles, was sie bewegt, ob es die extrem heftigen Regel-Blutungen sind, die ihr Leben einschränken und sie zur Einzelgängerin machen, oder ihre starke Beziehung zu ihrem Bruder und einzigen Freund Tshiamo, der sich das Leben nahm und auch von ihrem Arbeitsalltag als Assistenzärztin, überlastet wie überall auf dieser Welt.

    Ich freute mit ihr am Tag ihrer Promotionsfeier und dass sie mit ihrer Freundin Nyasha in eine Wohnung nahe beim Krankenhaus zusammenzog. ‚Nyasha war so tapfer, so witzig, so kompromisslos‘ und aus Simbabwe – sie will immer kämpfen. Von Masechabas Ma (kirchentreu, gottesfürchtig und menschenfreundlich) wird Nyasha jedoch vehement abgelehnt: sie runzelt jedes Mal die Stirn, wenn Nyasha erwähnt wird und probiert auch nie vom Essen, das diese gekocht hat. Einfach aus dem Grund, weil Nyasha Ausländerin ist.

    Ich las von den Nachrichten, die im Fernsehen liefen und von brennenden Baracken, brennenden Läden und verbrannten Menschen berichteten - von fremdenfeindlicher Gewalt, die sich wie ein Buschfeuer ausbreitet.
    Und dann werden wir ca. in der Mitte des Buches mit der ‚Korrekturvergewaltigung‘ Masechabas konfrontiert und danach ist nichts mehr, wie es vorher war. Das anschließende Hadern mit Gott in ihrem Tagebuch geht gewaltig unter die Haut! Ebenso die Reaktion von Nyasha mit ihrem Rat, es niemanden zu erzählen, weil es den Weißen nur noch mehr Munition gäbe, ‚uns niederzumachen‘!

    Ernüchternd und erschütternd die Erkenntnis der Protagonistin auf S. 169: „Ich bin nur ein weiterer Fall für die südafrikanische Vergewaltigungsstatistik. An meiner Geschichte ist nichts Besonderes, sie passiert überall, tagtäglich. Es spielt keine Rolle, dass ich hochgebildet bin, dass ich eine Petition aufgesetzt habe, die es bis in die Zeitung geschafft hat. Ich habe eine Scheide. Nur das zählt.“

    Die 1985 geborene Autorin Kopano Matlwa, auch Ärztin, ausgezeichnet mit dem European-Union-Literary Award, hat mich mit diesem Roman gewaltig aufgewühlt: in der klaren Sprache und ihren zahlreichen Hinweisen auf die vorhandenen Missstände. Von ihr hoffe ich, noch weitere Bücher lesen zu können! Deshalb: überzeugte 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung!

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  1. 5
    27. Mai 2022 

    Du musst stark sein, wenn du dieses Buch liest

    Für die Lektüre dieses Buches sollte man sich in einem gefestigten Gemütszustand befinden. Denn die junge südafrikanische Autorin Kopano Matlwa, selbst Ärztin, schreibt in diesem Roman nicht nur über die Überlastungen einer jungen Ärztin im Praktischen Jahr an einem unterbesetzten Krankenhaus in Johannesburg, sondern außerdem über den Rassismus von Schwarzen Südafrikaner:innen gegenüber Einwanderer:innen anderer afrikanischer Staaten, und vor allem auch über sexualisierte Gewalt und deren Folgen. Das ist der Part, für den man besonders stark sein muss bei der Lektüre dieses großartigen Romans.

    Die Ich-Erzählerin – und wie man zügig erfährt, Tagebuchschreiberin – des Romans ist Masechaba, eine junge Ärztin, die (mit erschreckenden Parallelen zu ärztlicher Kolleg:innen in vielen anderen Ländern der Welt) massiv überarbeitet und mitunter auch stark überfordert aufgrund der ihr aufgebürdeten Verantwortung ist. In der ersten Hälfte des Romans begleiten wir sie in ihrem Alltag, der nicht nur von Überarbeitung sondern auch der Ausländerfeindlichkeit von Schwarzen Menschen untereinander durchsetzt ist. Masechaba rutscht zunehmend ob der Widrigkeiten des Alltags in eine schwere Depression, was den Tagebucheinträgen immer stärker anzumerken ist. Doch zum völligen Zusammenbruch kommt es erst, als sie, nachdem sie sich für ihre ausländischen Kolleg:innen eingesetzt hat, von drei fremdenfeindlichen Männern in einer Vergeltungstat vergewaltigt wird. Dies ereignet sich bei der Hälfte des nur 200 Seiten dünnen Buches und ab diesem Zeitpunkt verändert sich alles im Leben unserer Protagonistin, sowohl bezogen auf ihre Psyche aber auch ihre Familie und Freunde. Ob und wofür es sich trotzdem noch lohnt, weiterzuleben, erarbeitet man nun gemeinsam mit Masechaba mithilfe des eindringlichen Erzählstils der Autorin.

    Die Sprache der Autorin ist niemals ausufernd, sondern immer punktgenau und authentisch formuliert. Und auch wenn sie gerade die Gewaltszenen nicht ausführlich schildert (zum Glück), reichen ganz kurze Nebensätze, um die mitfühlende Leserin tief verstören zu können. Hier sollte jede:r für sich entscheiden, ob man stark genug ist, der Autorin in diese Dunkelheit zu folgen. Jedoch gibt es auch Licht in diesem Roman und das macht ihn so besonders. Das sehen wir schon am Titel „Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist.“ Im Original heißt der Roman übrigens „Period Pain“. Meines Erachtens sehr passend, da es sehr stark um das Selbst- und Fremdverständnis von Frauen geht. Die Autorin verbindet dies mit der Fremdenfeindlichkeit. Als Masechaba mit ihrer ärztlichen Kollegin und Freundin aus Simbabwe über die zunehmende Fremdenfeindlichkeit spricht, vergleicht diese Freundin die (zu diesem Zeitpunkt noch „nur Alltagsfremdenfeindlichkeit“) mit „Wachstumsschmerzen“, die gerade Südafrika durchmache, Masechaba nennt es „Regelschmerzen“. Etwas, was nicht nur einmal im Leben auftritt und dann ist man darüber hinweg, nein, etwas, was immer wieder auftritt und auch zukünftig ziemlich sicher auftreten wird. So war es mir bis zu dieser erhellenden Lektüre nicht bewusst, dass in Südafrika Schwarze Ausländer so massiv diskriminiert werden und starken Gewaltausbrüchen zum Opfer fallen. Fremdenfeindliche Gewalt breite sich aus, „wie ein Buschfeuer“, Menschen werden mitunter bei lebendigem Leib angezündet und verbrannt. Viele Menschen, so auch die Mutter Masechabas sind der Meinung: „Sie kommen in unser Land, um uns alles wegzunehmen, wofür wir gekämpft haben“. Letztendlich wird jedoch wieder alles zurückgeworfen auf den Unterschied fernab der Hautfarbe, der Menschen zu oft zu Tätern und Opfern werden lässt: Der Unterschied zwischen den Geschlechtern. So legt Matlwa ihrer Protagonistin die eindringlichen Worte in den Mund:
    „Ich bin nur ein Fall für die südafrikanische Vergewaltigungsstatistik. An meiner Geschichte ist nichts Besonderes, sie passiert überall, tagtäglich. Es spielt keine Rolle, dass ich hochgebildet bin, dass ich Ärztin bin, dass ich eine Petition aufgesetzt habe, die es bis in die Zeitung geschafft hat. Ich habe ein Scheide. Nur das zählt.“

    Mich konnte dieser Roman aufgrund seiner knappen aber ausdrucksstarken Sprache, der gesellschaftlichen Sprengkraft und der psychologischer Nachvollziehbarkeit tief bewegen. Diese Autorin schreibt erbarmungslos ehrlich und legt den Finger in gleich mehrere Wunden, nicht nur Südafrikas sondern auch vieler anderer Länder dieser Erde. Dafür hat sie meine Hochachtung verdient und ich hoffe, es werden zukünftig noch weitere ihrer Romane ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht. Nach der Lektüre war ich teilweise verstört, zerstört, aber eben auch ein kleines bisschen mit Hoffnung erfüllt. Eine dringende Leseempfehlung für dieses erstaunliche Werk!

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