Drei Sommer

Buchseite und Rezensionen zu 'Drei Sommer' von Margarita Liberaki
4.35
4.4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Drei Sommer"

Maria (20), Infanta (18) und Katerina (16) leben in den 1930ern auf einem Landgut in der Nähe von Athen und teilen alle Geheimnisse miteinander. Dabei könnten die Schwestern unterschiedlicher nicht sein: Maria ist ständig in einen anderen Jungen verliebt, Infanta widmet sich lieber ihren Stickereien, und Katerina will als Schriftstellerin die Welt bereisen. Jeder Sommer, der vergeht, führt die Lebenswege der drei in unterschiedlichere Richtungen. Besonders Katerina löst sich immer mehr aus dem Familienverbund und blickt hinter die Fassaden der ländlichen Idylle. Dabei gibt ihr vor allem das einsame Leben ihrer geschiedenen Mutter Anna große Rätsel auf. Der Versuch, diese zu lösen und sich dabei nicht von der ersten ohnmächtigen Liebe vereinnahmen zu lassen, stellt Katerina schließlich vor eine brennende wie zeitlose Frage: Muss ich als Frau auf Liebe und Familie verzichten, um selbstbestimmt und freiheitlich zu leben?

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:388
EAN:9783716027981

Rezensionen zu "Drei Sommer"

  1. Drei Schwestern an den Schaltstellen des Lebens

    „Drei Sommer“ wurde in Griechenland bereits 1946 erstveröffentlicht und ein großer Erfolg. Albert Camus betrieb 1950 die Übersetzung ins Französische, der Arche Verlag ermöglicht nun auch den deutschen Lesern die Lektüre des Romans, der in einer haptisch wunderschönen Auflage vorliegt. Überraschend ist, dass man den Roman nicht eindeutig in einer bestimmten Zeit verorten kann. Politische Themen oder Kriege bleiben komplett außen vor. (Lediglich ein kleiner Hinweis legt nahe, dass die Handlung nach 1935 anzusiedeln ist.)

    „Drei Sommer“ ist ein Roman über drei unterschiedliche Schwestern, deren Leben sich innerhalb der beschriebenen Sommer in verschiedene Richtungen entwickelt. Es ist ein Roman über das Erwachsenwerden. Zu Beginn der Geschichte ist Ich-Erzählerin Katerina 16, Infanta 18 und Maria 20 Jahre alt. Sie leben zusammen mit ihrer geschiedenen Mutter Anna, der unverheirateten Tante Tereza und ihrem Großvater auf einem Landgut in der Nähe von Athen. Man kann die Familie der gehobenen Gesellschaftsschicht zurechnen, niemand geht einer bezahlten Arbeit nach. Den Mädchen ist eine möglichst standesgemäße Heirat mit einem jungen Mann aus der Nachbarschaft vorbestimmt, abgesehen vom Schulbesuch wird in der Ausbildung lediglich auf Singen, Musizieren und Handarbeiten Wert gelegt.

    Katerina ist die lebhafteste und emotionalste der Schwestern, sie hat eine blumig-romantische Fantasie und liest ständig Romane, die diese beflügeln. Von der gefühlsarmen Mutter wird sie oft als überspannt bezeichnet und gerne mit der verschollenen Großmutter verglichen, die ihre kleinen Töchter einst für einen Musiker verließ. Im Verlauf lernen wir die Eigenschaften und Vorlieben der Familienmitglieder kennen. Als Chronistin besitzt Katerina dabei eine feine, genaue Beobachtungsgabe, die zu gründlichen Charakterstudien der Menschen in und rund um das Landgut führt. Sie schildert, was sie sieht. Dazu kommen Begebenheiten, Dialoge sowie eigene altersgemäß stimmige Schlussfolgerungen – mit denen sie nicht immer richtig liegen muss. Ergänzt wird Katerinas Perspektive durch die eines allwissenden Erzählers, der immer einspringt, wenn Katerina in bestimmten Szenen (z.B. in der Vergangenheit) nicht zugegen war oder etwas nicht wissen kann. Auf diese Weise ergibt sich für den Leser ein umfassendes, sehr dezidiertes Bild. Die Figuren werden einem immer vertrauter. Nicht alles ist idyllisch. In fast jeder Familie gibt es Brüche oder Besonderheiten.

    Der Roman lebt von seinen bildreichen Beschreibungen, dem engen Bezug zur Tier- und Pflanzenwelt. Stimmungen werden durch Lichtspiele, Landschaften oder Wetterkapriolen unterstrichen. Man kann die unvergleichliche Landschaft mit allen Sinnen erfassen: „Eines Morgens stand unser Lavendel plötzlich in voller Blüte. Am Abend zuvor hatten wir noch die grünen, harten Knospen gestreichelt und uns gewünscht, sie mögen über Nacht aufgehen. Am nächsten Tag erblickten wir sechs Reihen mit lilafarbenen, im Sonnenlicht flirrenden Lavendelbüschen, umflattert von Hunderten frisch entpuppter weißer Schmetterlinge, die einander hinterherjagten und sich paarten, um am selben Abend noch zu sterben.“ (S. 64)

    Die Mädchen genießen die unbeschwerte Jugend, sie träumen und treffen sich mit ihren Verehrern und Freunden. Sie gehen auf Parties, flanieren im Städtchen, besuchen ihren Vater, der in einer Athener Bank beschäftigt ist. Auch Mutter und Tante empfangen Besucher. Man bekommt ein umfassendes Portrait dieser Familie und ihres Umfelds, das Sommerfeeling ist wunderbar eingefangen. Natürlich gibt es Konflikte, auch die Konstellation der Schwestern untereinander unterliegt Veränderungen. Maria als die Älteste probiert sich und die Liebe aus, sie flirtet gern und scheint leidenschaftlich zu sein. Infanta indessen wird sehr von der Tante geprägt, die als junge Verlobte vergewaltigt wurde und entsprechend einen Hass auf Männer kultiviert. Dieser Einfluss macht Infanta skeptisch und fast unnahbar, man hat Angst, dass sie dadurch ihr Lebensglück verpassen könnte. Katerina ist noch hin- und hergerissen. Sie schwankt, ist sprunghaft, hat mehr damit zu tun, ihre Schwestern zu beobachten, als sich um sich selbst zu kümmern. Im Lauf der drei Sommer wird aber auch sie ruhiger und empfindet schließlich die Faszination der ersten Verliebtheit. Die weiblichen Rollenbilder wirken allerdings ziemlich eingeschränkt. Allzu viele Möglichkeiten scheinen junge Frauen in der gezeigten Gesellschaftsschicht nicht zu haben. Der Roman bietet viel Lokal- und Zeitkolorit, interessant sind auch die Einblicke in den Alltag der kinderreichen, einfachen Bauernfamilien, die ganz andere Sorgen und Nöte haben.

    Der Roman besticht durch seinen detaillierten, teilweise poetischen Schreibstil. Man begleitet die Schwestern durch die Sommer. Die Handlung fließt ruhig dahin, nennenswerte Spannungsbögen gibt es nicht. Trotzdem hat das Buch seine Reize. Man sollte es vorzugsweise im Sonnenschein lesen und sich von den wunderschönen Bildern forttragen lassen. Ich persönlich habe insbesondere im Mittelteil kleine Längen empfunden und war auch mit dem Ende nicht ganz im Reinen, was einen Stern gekostet hat.

    Insgesamt aber auf alle Fälle ein lesenswerter, zeitloser Klassiker.

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  1. Drei Sommer, drei junge Frauen, drei Entscheidungen

    „Abends vorm Einschlafen denke ich über dich und Infanta, über Mutter und Vater und sogar über Tante Tereza nach. Ich frage mich, wie unser Leben später mal aussehen wird, was wir erreichen werden. Wir müssen doch etwas erreichen, Maria, oder?“ (Zitat Seite 80)

    Inhalt
    Maria, Infanta und Katerina gehören zu einer angesehenen, begüterten Familie und leben mit ihrer geschiedenen Mutter Anna und Tante Tereza auf dem großen Landgut des Großvaters, in Kilissi, der noblen Wohngegend außerhalb Athens. Dieser erste von drei aufeinander folgenden Sommern in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg ist für Katerina etwas Besonderes. Denn in diesem Sommer lassen ihre beiden älteren Schwestern, Maria ist zwanzig Jahre alt, Infanta achtzehn, die sechzehnjährige Katerina erstmals an ihren Gesprächen teilhaben, teilen ihre Geheimnisse mit ihr, während sie versuchen, die Welt um sich herum und sich selbst zu verstehen. Aus den früheren Freunden der Kindheit sind junge Männer geworden und mit diesen Veränderungen kommt auch die erste Liebe. Im zweiten Sommer verliebt sich Katerina, doch gleichzeitig träumt sie von einem Leben als Schriftstellerin, ungebunden und frei.

    Thema und Genre
    Dieser Roman ist eine Frauen-, Familien- und Coming-of-Age-Geschichte. Es geht um das enge, traditionelle Frauenbild im Griechenland der 1930er Jahre. In Griechenland zählt dieser 1946 erschienene Roman heute zu den modernen Klassikern.

    Charaktere
    Katerina ist ein eigenwilliges Mädchen, neugierig, aber auch verträumt. Sie überlegt, ob sie wirklich ein Leben als Ehefrau und Mutter führen will, träumt von fernen Ländern und Freiheit. Sie beobachtet und beschreibt die unterschiedlichen Menschen aus mehreren Generationen in ihrem Umfeld, Frauen, Männer, Familie, Freunde, versucht, ihre Geheimnisse zu ergründen, ihr Leben und ihr Verhalten zu verstehen.

    Handlung und Schreibstil
    Die Handlung umfasst hauptsächlich die Sommermonate in drei aufeinanderfolgenden Jahren, wird ergänzt durch dazwischenliegende Ereignisse, Kindheitserinnerungen von Katerina und Episoden aus dem Leben der Großeltern- und Elterngeneration. Die gesamte Geschichte wird nachträglich aus der Erinnerung erzählt, mit Katerina als Ich-Erzählerin, jedoch unterbrochen und ergänzt durch weitere Erzählstimmen, zwischen denen die Autorin wechselt. So erfahren wir beim Lesen auch Geschichten, die Katerina nicht wissen kann. Inhalt der Handlung sind die alltäglichen kleinen Erlebnisse und Erfahrungen dieser Zeit, der häusliche, weibliche Tagesablauf in vielen kleinen Momenten, die einzigartige Üppigkeit der griechischen Frühlings- und Sommermonate, eine Zeit voll von Wärme, Düften und Gefühlen. Die Sprache der Übersetzung liest sich angenehm und fließend.

    Fazit
    Ein Klassiker der modernen griechischen Literatur, es sind die Schilderungen der kleinen alltäglichen Momente im Leben der Frauen in den 1930er Jahren in Griechenland, die ihn interessant und lesenswert machen.

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  1. Ein genussvoller Klassiker

    Klappentext:
    „Maria (20), Infanta (18) und Katerina (16) leben in den 1930ern auf einem Landgut in der Nähe von Athen und teilen alle Geheimnisse miteinander. Dabei könnten die Schwestern unterschiedlicher nicht sein: Maria ist ständig in einen anderen Jungen verliebt, Infanta widmet sich lieber ihren Stickereien, und Katerina will als Schriftstellerin die Welt bereisen. Jeder Sommer, der vergeht, führt die Lebenswege der drei in unterschiedlichere Richtungen. Besonders Katerina löst sich immer mehr aus dem Familienverbund und blickt hinter die Fassaden der ländlichen Idylle. Dabei gibt ihr vor allem das einsame Leben ihrer geschiedenen Mutter Anna große Rätsel auf. Der Versuch, diese zu lösen und sich dabei nicht von der ersten ohnmächtigen Liebe vereinnahmen zu lassen, stellt Katerina schließlich vor eine brennende wie zeitlose Frage: Muss ich als Frau auf Liebe und Familie verzichten, um selbstbestimmt und freiheitlich zu leben?“

    Dieses Buch von Margarita Liberaki ist ein echter Klassiker aus dem Jahr 1946. In ihrem Schreibstil hält sie nicht nur die Sonne und die Luft Griechenlands gefangen, nein, auch das Zeitgefühl und die Ansicht auf das Bild der Frauen. Man hinterfragt als Leser viele Dinge, sucht und findet Antworten, wenn auch nicht immer direkt, aber man hat ein Buch in den Händen welches nachhallt und einen beschäftigt.
    Ihre drei Darsteller könnten wahrlich unterschiedlicher nicht sein, aber genau so macht jede für sich ihre Erfahrungen für‘s Leben. Liberaki ist dabei sehr unaufgeregt und beschreibt ohne Hektik und Sturm die griechische Lebensphilosophie der Damen sowie auch den Punkt der Zeit. Ihr Ausdruck ist dabei moderner denn je, was aber auch natürlich der perfekten Übersetzung geschuldet ist, aber genau darauf kommt es eben bei einem Klassiker an. Die Drei (egal ob die Damen oder die Sommer) strahlen eine ungeheure Anziehung aus und man liest sich wunderbar in die Gedankenwelt, genießt die Sonne die beschrieben wird, atmet den Duft der Bäume und hört das zwitschern der Vögel und das Wellenrauschen am Meer. Es sei aber ganz eindrücklich darauf hingewiesen, das hier wirklich keine großen Überraschungen zu erwarten sind, man muss als Leser sich die Figuren „erarbeiten“, sich ihre Gedanken aneignen und verstehen können, aber man muss die Figuren handeln lassen, denn genau das ist der Tenor der Geschichte: nur so findet man Erfahrungen, die einem etwas mitgeben auf dem Weg des Lebens. Egal ob positiv oder negativ, alles gehört dazu, auch der Umgang mit den zeitgenössischen Sichtweisen.
    Dieses Buch erhält eine klare Leseempfehlung von mir und berechtigte 5 von 5 Sterne!

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