Drei Meter unter Null

Rezensionen zu "Drei Meter unter Null"

  1. 4
    05. Apr 2017 

    Ich werde Mörderin!

    Was macht eine Frau zur Mörderin? Dies bleibt in diesem Thriller lange im Unklaren, doch deutlich wird rasch, dass die Ich-Erzählerin dabei planvoll, gnadenlos und ohne zu zögern vorgeht. Dabei führte sie bis zu einem Donnerstag des vorletzten Jahres ein ganz normales Leben - so normal jedenfalls, wie ihr das möglich war.

    "Ich bin jetzt 34 Jahre alt. Sehr lange habe ich dem Wunsch meiner Mutter entsprechend versucht, etwas 'Normales' zu sein. Und vorgegeben, es zu sein. Es ist mir einigermaßen gut gelungen. Ich bin groß, schlank, hübsch, gebildet und erfolgreich (...) Man akzeptiert mich als selbstbewusste, unabhängige junge Frau."

    Doch an dem besagten Donnerstag vor zwei Jahren geschah etwas, das die bisherige Welt der Frau, deren Namen hier keine Rolle spielt, zum Einsturz brachte. Dies war der Punkt, an dem sie beschloss: 'Ich werde Mörderin'.

    Dabei war die junge Frau immer schon etwas Besonderes, wie die Rückblenden in ihre Kindheit und Jugend beweisen. Als Kind beschloss sie, Pippi Langstrumpf zu werden und verstand nicht, weshalb die anderen Kinder der Klasse sie deswegen auslachten. Überhaupt hatte sie immer schon ein Faible für Bücher und stürzte sich nur zu gerne in die fremden Abenteuer. Ihr Vater war es, der ihr die Welt der Bücher nahebrachte, und dafür liebte sie ihn ganz besonders. Doch nicht nur diese Bücherliebe unterschied sie von den meisten ihrer Altersgenossen - sie bekam auch Aussetzer, immer wieder, bei denen sie andere Kinder schubste oder verprügelte, manchmal auch ohne wirklichen Anlass. Was war nur mit ihr los? Und weshalb wurde sie so häufig von Albträumen gequält?

    "Heute prügele und schubse ich nicht mehr. Ich töte. Aber ich töte weder Menschenschafe noch Opferlämmer - ich töte Wölfe. Wölfe, die Lämmer zur Schlachtbank führen."

    Dieser Thriller ist anders als gewohnt - Ermittlungen im herkömmlichen Sinne fehlen hier vollkommen, es geht einzig und allein um die Person der Mörderin und die viele Fragezeichen, mit denen die Autorin den Hörer anfangs sitzen lässt. Erst etwa in der Mitte des Thrillers gibt es eine unerwartete Wendung, die das bereits Gelesene in einem anderen Licht erscheinen und die Puzzleteile an ihrem Platz einrasten lassen - und ab da nehmen Tempo und Spannung auch spürbar zu. Gegenwart und Vergangenheit werden hier gekonnt miteinander verwoben, der Schreibstil ist gehoben, wobei die Kindheits-Szenen recht detailliert geschildert werden, die Gegenwart mit der emotionslosen Beschreibung der Observierung und Tötung der Opfer dagegen oft kurz und abgehackt gerät.

    Die Person der Mörderin bleibt unnahbar, doch habe ich dies nicht als störend empfunden. Während die junge Frau anfangs als das personifizierte Böse erscheint, wächst im Laufe der Erzählung das Verständnis für ihr Handeln, ohne dass die Person selbst an Sympathie gewinnt.

    Der Titel 'Drei Meter unter Null' findet im Verlaufe der Erzählung eine glaubwürdige und ungeahnte Erklärung, und das Ende kann noch einmal gewaltig überraschen. Dieser Thriller lebt von dem psychologischen Aspekt der Handlung, von den überraschenden Hintergründen der Tat - weniger jedoch von der Spannung an sich. Doch wenn man sich darauf einlässt, erwartet einen ein ganz besonderer Hörgenuss.

    Anna Thalbach liest das ungekürzte Hörbuch (6 h, 27 min.) auf ihre ganz eigene, raue, eindringliche Art, was für mich zu der Form dieser Erzählung hervorragend passt.

    Insgesamt ein ungewöhnicher Thriller, der trotz der vermeintlichen Nüchternheit der Erzählung unter die Haut geht.

    © Parden

    Teilen