Drei Kilometer: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Drei Kilometer: Roman' von Nadine Schneider
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Inhaltsangabe zu "Drei Kilometer: Roman"

Rumänien 1989: Die Hitze ist drückend, das Getreide steht hoch, sonst würde man bis zur Grenze sehen können. Der Gedanke an Flucht liegt verlockend und quälend nahe, noch weiß niemand, was kommt und was in ein paar Monaten Geschichte sein wird. In einem Dorf im Banat, weit weg von Bukarest, dem Machtzentrum des
Ceaușescu-Regimes, erlebt Anna einen Spätsommer von dramatischer und doch stiller Intensität. Sie ist hin- und hergerissen, nicht zuletzt zwischen Hans, ihrem Geliebten, und Misch, dem gemeinsamen Freund. Bei wem will sie bleiben? Mit wem will sie gehen? Und ist Hans tatsächlich ein Spitzel, wie Misch vermutet? Mit diesen Fragen bewegt sich Anna plötzlich gefährlich nahe an der Grenze zwischen Treue und Verrat.
Atmosphärisch dicht und schnörkellos erzählt Nadine Schneider von den persönlichen Verstrickungen in einer Zeit vor dem politischen Umsturz. Und davon, was es braucht, um zu bleiben – oder was es bedeutet, sein Land zu verlassen, für sich und die, die man zurücklässt.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:160
EAN:

Rezensionen zu "Drei Kilometer: Roman"

  1. Es sind nur drei Kilometer bis zur Grenze und doch eine Weltreis

    Ja, eine Reise in eine ganz andere Welt. Eine bessere? Hoffentlich, sicherlich, denn schlechter kann es gar nicht werden.

    Wir schreiben das Jahr 1989 und die Menschen in Rumänien leiden bitterlich unter dem Diktator Ceaușescu. Die Wirtschaft ist am Ende, Hunger und Kälte sind stete Begleiter, Freiheit ist etwas, das anderswo passiert. Jenseits der Grenze eben.

    Viele denken an Flucht, so auch Anna, Misch und Hans. In ihrem kleinen Dorf gibt es keine Perspektive, für niemanden. Wären da nur nicht die Familien, die man zurücklassen müsste. Wäre da nicht die Angst, dass man auf der Flucht erschossen wird. Oder schlimmer noch: gefangen, gefoltert und zurückgeschmissen ins Eismeer.

    Aber… Es sind nur drei Kilometer, und sie sind jung genug für Hoffnung.

    Wenn ich zurückdenke an das Jahr 1989, denke ich: DDR. Honecker. Mauerfall. Ich denke nicht: Ceaușescu, Rumänien. Ich war 13 Jahre alt, ich lebte in Westdeutschland, Rumänien war mir unendlich fern.

    Ich kann mich auch nicht daran erinnern, schon mal einen Roman gelesen zu haben, der diese Ära in den Mittelpunkt stellt. Und genau das machte diesen Roman für mich zu einer interessanten, ja, einer Pflichtlektüre.

    Die Autorin zeichnet das Bild dieser Zeit ungemein eindringlich.
    Ohne falsches Pathos lässt sie den Leser teilhaben an den Ängsten, Hoffnungen und Wünschen ihrer Protagonisten. Sie zupft sachte an den Saiten, da schwingt vieles mit, ohne erklärt werden zu müssen. Die Liebe zur Heimat, ihrer Landschaft und ihren Menschen, ist die Grundmelodie – Angst und Verzweiflung sind leise Dissonanzen, mühsam erstickt, die dennoch nicht zu überhören sind.

    Es ist die Zerrissenheit, die besonders deutlich herausklingt.

    Die Menschen wollen nicht viel. Das ist keine Frage von ‚Zusammenreißen‘ oder ‚Sich-nicht-so-anstellen‘. Da kommen Grundbedürfnisse zusammen, die sich nicht vereinbaren lassen.

    Man kann die Protagonisten gut verstehen – oder zumindest erahnen, was sie antreibt.
    Im Zentrum steht Anna, die sich in vielerlei Hinsicht zerrissen fühlt. Wollen und Können, Müssen und Sollen, das zerrt an ihr und sie klammert sich an das letzte bisschen Sicherheit.

    Sie will ihr Dorf eigentlich nicht verlassen, aber sie erträgt es nicht mehr. Sie liebt Hans, aber sie liebt auch den gemeinsamen besten Freund Misch. Das ist jedoch keine platte Dreiecksgeschichte – eigentlich spiegelt es nur auf einer emotionalen Ebene Annas grundsätzlichen Konflikt wieder. Hans steht für Heimat und Beständigkeit. Misch steht für Veränderung und Mut.

    Und wie das so ist, in diesem Buch und in dieser Ära, kann Anna nicht beides haben.

    Die Sprache ist leise, atmet Atmosphäre.
    Das Buch lebt mehr von den Zwischentönen und den Spannungsgefällen als von der Handlung an sich – die ist gar nicht so wichtig, es ist das Gesamtbild, das besticht. Dennoch wird nichts geschönt, man spürt die Dramen dieses Jahres in den Knochen.

    Die Autorin findet starke Metaphern und Vergleiche, die die Sätze dennoch nicht überfrachten, und vor allem lässt sie dem Leser genug Raum für eigene Interpretationen. Das ist Mut zur Lücke: die Geschichte ist keine erschöpfende Abhandlung der Zeit, lässt aber ein lebendiges Bild entstehen.

    Und das reicht, das lässt nichts vermissen.

    Fazit
    Im Rumänien des Jahres 1989 befindet sich das Land immer noch im Würgegriff des Diktators Ceaușescu. Den Menschen geht es schlecht, in vielerlei Hinsicht, der Leidensdruck ist enorm. In einem Dorf unweit der rumänisch-serbischen Grenze fragen sich drei junge Menschen, ob sie es wagen sollen, ihr Heil in der Flucht zu versuchen. Nur drei Kilometer quer durchs Maisfeld trennen sie von der Freiheit – aber die Flucht könnte sie das Leben kosten, und im Erfolgsfall müssten sie Heimat und Familie hinter sich lassen.

    Nadine Schneider erzählt eine Geschichte der leisen Töne und dennoch eine starke Geschichte, die auf nur 160 Seiten ganz viel Widerhall erzeugt. Meines Erachtens hat dieses Buch seine Nominierung für den Preis „Das Debüt“ mehr als verdient.

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