Draußen die Welt: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Draußen die Welt: Roman' von Janet Lewis
3.85
3.9 von 5 (12 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Draußen die Welt: Roman"

Mary Perrault, Anfang fünfzig, führt mit ihrem Mann und den vier Kindern ein beschauliches Leben im ländlichen Kalifornien. Aber dann bricht 1929 die New Yorker Börse zusammen: Der Kampf ums nackte Überleben bringt das Fundament der Gesellschaft ins Wanken und bedroht auch das innere Gleichgewicht der Familie Perrault. Immer wieder gerät Mary in Situationen, in denen sie entscheiden muss, ob sie zum eigenen Vorteil oder zum Wohle anderer handeln soll. In leuchtend klarer Sprache und mit unwiderstehlich sanftem Sog erzählt Janet Lewis am Beispiel des scheinbar unspektakulären Lebens einer Frau, wie der Mensch sich im Angesicht von Krisen sein moralisches Wertesystem und seine Würde erhalten kann.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:368
EAN:9783423283182

Rezensionen zu "Draußen die Welt: Roman"

  1. Leben auf dem Land

    Mary Perrault lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern auf einer Farm in Kalifornien. Sie führen ein bescheidenes und beschauliches Leben. Alle müssen mitarbeiten, damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Mary hilft in der Gemeinde und im Dorf, wo sie nur kann. Sie liebt ihre Familie und ist mit ihrem Leben zufrieden. Doch das Schicksal sorgt auch für Schläge, die nicht einfach wegzustecken sind. Ihre Freundin stirbt bei einem Unfall, bei dem auch die Enkel ihr Leben lassen mussten. Mary kümmert sich hingebungsvoll um den Mann ihrer Freundin. Auch der Börsencrash von 1929 geht nicht spurlos an den Menschen vorbei. Mary muss sich den Herausforderungen stellen.
    Die Autorin Janet Lewis hat einen unaufgeregten, detailreichen Schreibstil, der die Umgebung, die Tätigkeiten und die Menschen sehr ausführlich beschreibt. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache, doch ich mochte diese ruhige Erzählung. In unserer heutigen schnelllebigen Zeit mag einem das beschauliche Leben von Mary Perrault mit viel harter Arbeit wie aus der Welt gefallen vorkommen, doch wenn ich mich an meine Kindheit zurückerinnere, dann war es doch sehr ähnlich. Man arbeitete hart, war mit wenig zufrieden und kümmerte sich um die Menschen in seinem Umfeld.
    Man muss sich auf diese Erzählung einlassen können. Mir jedenfalls hat dieser Roman gut gefallen.

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  1. ...und innen wir

    Alles dreht sich in der Geschichte von Janet Lewis um Mary Perrault, Anfang fünfzig und ihre Familie. Zwar leben alle im sonnigen Kalifornien, doch wir schreiben das Jahr 1929 und die Bevölkerung bekommt die Auswirkungen des Bankencrashs und der damit einhergehenden Weltwirtschaftskrise zu spüren.
    Familie Perrault muss sich finanziell zwar auch einschränken, doch haben sehr mehr mit privaten Schicksalsschlägen, wie dem plötzlichen Tod von Marys bester Freundin, zu kämpfen. Darüber hinaus kümmert sich die Familie, im speziellen natürlich Mary, um den hinterbliebenen Mann ihrer Freundin.

    Janet Lewis lebte von 1899 bis 1998 und veröffentlichte dieses Buch bereits 1985. Die Autorin ist eine Meisterin der Landschaftsbeschreibung, wie ich finde. Dies tut sie sehr genau und umfassend. Teilweise bin ich ein bisschen in diesen Beschreibungen versunken, habe aber am Ende festgestellt, dass ich mich gefragt habe um was genau geht es jetzt eigentlich? Die Geschichte plätschert dadurch an vielen Stellen einfach so vor sich hin.
    Man erfährt welche Auswirkungen, auch wenn sie zunächst schleichend sind, die wirtschaftliche und politische Lage des Landes auf die Familie Perrault im speziellen und ihre Mitmenschen in der unmittelbaren Umgebung im Allgemeinen hat.
    Janet Lewis Erzählweise erlebte ich allerdings als sehr ruhig und bedacht. Ich habe zwar gut in die Geschichte hineingefunden, fragte mich dann aber an einer bestimmten Stelle „was will ich hier eigentlich?“. Ich wartete stets auf DAS große Ereignis, das jedoch nicht kam.

    Fazit:
    Wer ruhige und bedachte Landschafts- sowie Situationsdarstellungen mag, wird die Geschichte von Janet Lewis lieben. Meine Erwartung an mehr „Action“ wurde hingegen nicht erfüllt.

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  1. Zusammenhalt in Krisenzeiten

    Nachdem ich zuvor bereits zwei Romane der Autorin, Janet Lewis, gelesen hatte, war ich auf ihr neuestes Werk "Draußen die Welt" sehr neugierig. Es handelt sich um ein Portrait einer Familie, welche in einem Dorf Kaliforniens ein weitgehend harmonisches Leben führt. Natur und Landschaft symbolisieren die Idylle, in der Mary Perrault mit ihrem Mann und ihren vier Kindern lebt. Nachbarschaftlicher Zusammenhalt wird groß geschrieben, überhaupt erleben wir Mary als eine Frau, die sich um alle kümmert und der das Wohlergehen der Menschen um sie herum ein zentrales Anliegen ist. Man braucht hier gegebenfalls ein gewisses Durchhaltevermögen, um den ruhigen, unaufgeregten Erzählstil der Autorin mit Hang zu ausufernden naturalistischen Beschreibungen auszuhalten und diesen auch wertschätzen zu lernen. Das fiel mir zu Beginn etwas schwer. Ich kam besser in die Geschichte herein, als diese Idylle durchbrochen wird; einerseits durch private Unglücksfälle, andererseits aber auch durch die Folgen der einsetzenden Weltwirtschaftskrise. Die Herausforderungen nehmen zu, die Folgen der Krise erreichen auch das einst so beschauliche Dorf. Man spürt dies beispielsweise an finanziellen Nöten, die um sich greifen, und auch an einer problematisch werdenden Gesundheitsversorgung. Die Frage, die sich in dieser Situation stellt ist, wie es in der Krisenzeit um den nachbarschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhalt bestellt ist? Eine allgemeine und zeitlose Frage, die an Aktualität nicht eingebüßt hat. Und ab dem Zeitpunkt, wo die Umgangsweise von Mary Perrault mit den zunehmenden Herausforderungen im Zuge der Krise in den Vordergrund rückt, hat mich der Roman gepackt. Viele denken nur an sich und den eigenen Vorteil, doch Mary ist eine Kümmerin, die helfen möchte. Selbstzweifel setzen ein, als sie die schmerzhafte Erfahrung machen muss, dass nicht jeder ihre Hilfe wünscht und es auch nicht einfach ist, mit jedermann gut auszukommen. Die allgemeine Stimmungslage wie auch die nachbarschaftlichen Beziehungen werden von Janet Lewis brilliant und authentisch gezeichnet. Hierin sehe ich eine große Stärke des ruhigen Erzähltons der Autorin wie auch des Romans insgesamt.

    Natürlich geschieht um Mary herum so allerhand. Wir lesen von Ehekrisen, Dreiecksgeschichten und persönlichen Einzelschicksalen. Ganz so, wie das Leben spielt. Doch auch hier ist es die Art, wie die Autorin die Themen behandelt, die dem Roman zu einem besonderen machen. In mancherlei Hinsicht ist sie der Zeit, in der der Roman spielt, weit voraus. Auch dies macht die Geschichte für eine Lektüre interessant. Wer sich vom ruhigen Erzählstil mit viel naturalistischen Anklängen nicht abschrecken lässt beziehungsweise sich darauf einlassen kann, dem sei die Lektüre dieses Romans ans Herz gelegt.

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  1. Eine einfühlsame Geschichte

    Janet Lewis lebte von 1899-1998 und verfasste in dieser Zeit 4 Romane und widmete sich der Lyrik. Sie war Kriegsgegnerin und Fürsprecherin der indigenen und der schwarzen Bevölkerung. Ich selbst kannte bisher nichts von ihr, bin aber sehr angetan von ihrem jüngst erschienen Werk " Draußen die Welt".
    Ihr Erzählstil ist sehr ruhig und unaufgeregt, dennoch vermittelt sie alles wissenswerte auf eine anrührende Art.

    Im Roman geht es in erster Linie um Mary Perrault und ihre Familie. Mary ist um die Fünfzig und lebt mit ihrem Mann und den vier Kindern um 1929 in einer kleinen Stadt in Kalifornien. Die Wirtschaftskrise hat das Land bald fest im Griff, doch auf dem Land merkt man erstmal nichts, später verhältnismäßig wenig, davon. Die Menschen dort helfen sich gegenseitig, der eigene Garten hilft ungemein. Auch wenn man als Leser zwar nicht allzu viel von der Krise mitbekommt, ist sie dennoch unterschwellig präsent. Doch was den Roman für mich ausgemacht hat, waren eh die kleineren Sorgen und Probleme, die sich in und um die Familie herum abspielten.
    Mary hält ihre Familie definitiv zusammen, achtet auf alle, und hat für jeden ein offenes Ohr. Auch in der Nachbarschaft ist sie gern gesehen wegen ihrer Hilfsbereitschaft und dem Verständnis, das sie anderen entgegen bringt.
    Ein schweres Unglück überschattet das Städtchen, auch Mary ist persönlich betroffen. Doch auch hier nimmt sie alles in die Hand und versorgt den zurückgebliebenen Ehemann und langjährigen Freund der Familie.
    Auf die Probleme möchte ich gar nicht näher eingehen, wichtig zu wissen ist hier halt in erster Linie, dass es viel Freude bereitet mitzuerleben wie es Mary und ihren Lieben ergeht. Wie beherzt alles angegangen wird. Gut gefallen hat mir dabei, dass es wie aus dem Leben gegriffen wirkt, die Sorgen und Nöte sind glaubhaft dargestellt.
    Das einzige was ich als Kritikpunkt nennen möchte ist, dass es manchmal schon fast zu rund lief in den vier Wänden von Mary. Nirgends sind die Kinder so wohl erzogen und in der Spur wie dort. Aber warum sollte man als Autorin nicht auch mal vom Idealfall ausgehen, und den Leser daran teilhaben lassen?

    Ein Roman zum eintauchen und wohlfühlen!

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  1. Ein Bollwerk gegen die ethische Wildnis

    Zwei Morgen flachen Wiesenlandes im ländlichen Kalifornien zwischen dem Küstengebirge und dem südlichen Ende der Bucht von San Francisco bewirtschaftet die Familie Perrault am Ende der 1920er- und Beginn der 1930er-Jahre. Ihr Mittelpunkt und unumstrittene Herrin über Küche, Haus und Garten ist Mary Perrault, eine geborene Schottin und späte Mutter Anfang 50. Sie kümmert sich um die vier Kinder von der pubertierenden Melanie bis zum dreijährigen Jamie, engagiert sich in der Gemeinde und hat stets für alle ein offenes Ohr und einen Platz an ihrem Tisch. Ihre Aufgaben erfüllt sie mit Fleiß, Disziplin, Gelassenheit und Freude:

    "Es herrschte ein großer Friede in ihrem Herzen, Freundschaft, Geborgenheit, Zufriedenheit." (S. 22)

    Eine bedrohte Idylle
    Stabilität verleiht der warmherzigen, lebensklugen und selbstreflektierten Frau ein innerer moralischer Kompass. Statt Ermahnungen und Strenge sind Vorbildhaftigkeit, Liebe, Sicherheit und Geborgenheit Grundpfeiler ihrer Erziehungsarbeit. Vertrauensvoll gewährt sie ihren Kindern Freiheiten, schreitet selten ein, freut sich über ihre Selbstständigkeit und lässt Melanie ihr Glück außerhalb der Farm suchen.

    Dabei ist Mary keineswegs naiv und blind für äußere Bedrohungen und fürchtet „eine Gesellschaft ohne gemeinsame Werte, eine ethische Wildnis, erwachsen aus der Wildnis der Natur“ (S. 362). Denn die Katastrophen häufen sich: eine Verkehrstragödie, die Auswirkungen der großen Depression 1929, menschengemachte Umweltprobleme, ein Kapitalverbrechen und die Lynchjustiz eines entfesselten Mobs. Ihnen setzt sie entgegen, was in ihrer Macht steht: die Atmosphäre ihrer Küche, „warm, vertraut und geborgen.“ (S. 364)

    Spülen muss man trotzdem
    Die US-Amerikanerin Janet Lewis (1899 – 1998) schrieb neben Lyrik auch eine Trilogie über historische Justizfälle und das 1943 erschienene "Against a Darkening Sky". Während der Originaltitel die Gefährdung des Perraultschen Mikrokosmos thematisiert, hebt der ebenso gut passende deutsche Titel "Draußen die Welt" auf Marys Bestrebungen ab, durch Integrität, Empathie und Zuverlässigkeit ein Bollwerk gegen eben diese Stürme zu errichten. Dazu passen das Geschirrtuch auf dem sehr gelungenen Cover und Marys Gedanken bei der Küchenarbeit:

    "Trotz Krieg, Mord und plötzlichem Tod, dachte sie bei sich, spülen muss man trotzdem." (S. 361)

    Gegen den Lärm der Welt
    Dass der Roman erst 80 Jahre nach seinem Erscheinen ins Deutsche übersetzt wurde, erstaunt mich sehr. Es mag daran liegen, dass er – anders als zunächst von mir erwartet – nur am Rande die großen Themen der Weltwirtschaftskrise wie Bankencrash, Arbeitslosigkeit und Verelendung beschreibt. Stattdessen ist es ein Buch über eine Frau, die den Krisen der Welt gelassen und mit den ihr zur Verfügung stehenden Waffen entgegentritt, sich nie beklagt und schlechte Nachrichten nur ungern ins Haus lässt:

    "Sie wünschte alle Zeitungen von ganzem Herzen zum Teufel. Eine Zeitung mit ihren riesigen Schlagzeilen auf dem Tisch war wie jemand im Raum, der die ganze Zeit hysterisch kreischte." (S. 362)

    Eine große Beobachterin
    Neben Mary Perrault steht im Mittelpunkt des Romans die Natur, die die Lyrikerin Janet Lewis sehr blumig und ausführlich beschreibt, ausgezeichnet übersetzt von Sylvia Spatz: Landschaft, Pflanzen, Wetterereignisse, den Wechsel der Jahreszeiten, Kaninchen, die Bucht von San Francisco und vieles mehr.

    Für mich sind "Draußen die Welt" und seine Verfasserin Janet Lewis eine echte Entdeckung. Geduldigen Leserinnen und Lesern empfehle ich den ruhig erzählten modernen Klassiker, der ohne große Emotionen und dramatische Wendungen auskommt, als angenehm entschleunigende Lektüre.

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  1. Leben zwischen Veränderung und Hoffnung

    Autorin
    Jane Lewis wurde am 17. August 1899 in Chicago geboren; sie starb am 01. Dezember 1998 in Los Altos (Kalifornien). Sie war Romanautorin, Librettistin und Lyrikerin und Kurzgeschichtenautorin, die bis vor Kurzem in Deutschland so gut wie unbekannt war.
    Sie lehrte sowohl an der Stanford University als auch an der University of California in Berkeley. Zu ihren Werken gehören The Wife of Martin Guerre (1941), The Trial of Sören Qvist (1947), The Ghost of Monsieur Scarron (1959), Good-Bye, Son and Other Stories (1946) und Poems Old and New (1982).
    Bekannt wurde Janet Lewis vor allem als Autorin mit Romanen, die den Hintergrund historischer Gerichtsfälle spekulativ ausleuchten.
    Ihr Roman Against a Darkening Sky wurde ursprünglich 1943 veröffentlicht. Er erschien 2023 unter der deutschen Übersetzung „Draussen die Welt“. Dieser Roman ist anders als das, was sie in ihren bisher in ihren historischen Justizfällen, die auf wahre Kriminalfälle basieren, gemacht hat. Sie lässt sie sich auf die amerikanische Gegenwart ein.
    Inhalt
    Die Handlung umfasst eine Zeitspanne von einigen Jahren der Weltwirtschaftskrise der 1930er - Jahre.
    Der fiktive Ort der Handlung befindet sich im Süden Kaliforniens in einer Provinz „zwischen Küstengebirge und dem südlichen Ende der Bucht“ San Franciscos. Hier lebt die Familie Perrault mit vier Kindern auf einer Farm mit „zwei Morgen flachen Wiesenland“, das sie bewirtschaften. Sie führen ein ruhiges, unscheinbares Leben, das stillzustehen scheint. Die Mutter Mary Perrault, die aus Schottland zuerst nach Kanada und dann nach Kalifornien kam, ist mit einem französischen Hugenotten-Einwanderer Aristide Perrault verheiratet, der einen Job bei der Wasserversorgung hat, aber nebenbei auch Kaninchen züchtet, um Geld zu verdienen. Die Perraults züchten Gemüse für den Eigenbedarf, halten eine Milchkuh und essen die Früchte ihres Obstgartens, wobei sie so viel wie möglich selbst produzieren. Während ihre Kinder erwachsen werden und die Welt draußen weniger friedlich und sicher wird als das Zuhause der Perraults, beginnt das Gleichgewicht ihres ruhigen Lebens aus den Fugen zu geraten. Mrs. Perrault wird zunehmend bewusst, dass aus der physischen Wildnis, die ihre Generation kaum erobert hat, eine moralische Wildnis aufsteigt.

    Sprache und Stil
    Ihr Kampf um Einfluss, ohne das Leben ihrer Kinder zu beeinträchtigen, steht im Mittelpunkt dieses Romans über das Familienleben in den Jahren der Weltwirtschaftskrise.
    Der Originaltitel „Against a Darkening Sky“ übersetzt „Gegen einen sich verdunkelnden Himmel“,
    deutet an, dass es nicht friedlich und harmonisch, wie es zu sein scheint, bleiben wird. Bereits am Anfang wird diese Welt erschüttert.
    Ruhig und idyllisch beschreibt Janet Lewis das Leben Avon Mary Perrault mit ihrer Familie auf dem Land. Nichts deutet auf eine Veränderung, auf ein Unglück hin.
    „Diese Felder wurden an den vielen Tagen, die noch vor Mary Perrault lagen, in der Erinnerung zu Feldern vor einem Sturm, helles, klares Sonnenlicht holt da vor einer düsteren Wolkenwand Vertrautes gestochen scharf hervor. Die Katastrophe ist fürs Erste gebannt und stellt alles, was sie schon bald zerstören wird, noch einmal in ein besonderes Licht.“ (S. 21)

    Es geht dann noch weiter:

    "Am Fuße der aufstrebenden Hänge des Küstengebirges fuhr ein Zug in Richtung Süden und zog eine lange weiße Dampffahne hinter sich her." (S. 22)

    Wer kann ahnen, dass dieser Zug in der idyllischen Landschaft einige Seiten später zu einem verehrenden Unfall führt. Mary Peraullts beste Freundin, die sie noch einige Stunden vorher getroffen hat, verunglückt schon nach wenigen Seiten des Romans durch einen ein tragischer Unfall mit ihren Enkelkindern. Sie wurde im Auto auf den Bahngleisen von dem herannahenden Zug erfasst.
    Janet Lewis versteht es in einer ruhigen und präzisen Erzählweise die immer wieder einbrechenden Ereignisse während der Weltwirtschaftskrise und Depression einzufangen.
    Die Wirtschaftskrise in den USA macht sich langsam in der Provinz bemerkbar. Die zunehmende Industrialisierung und die wirtschaftliche Entwicklung stehen im Fokus.
    Menschen verlieren ihre Arbeit, haben nicht genügend Lebensmittel, können ihr Auto nicht mehr halten. Das Automobil spielt eine wichtige Rolle in dieser Gegend. Und immer wieder sind es persönliche Schicksale, die diese Zeit prägen.

    Die Autorin Janet Lewis versteht meisterhaft in bildlicher Sprache Naturbeschreibungen für die Raumgestaltung des Textes einzusetzen: Die Natur, der Ort, die Menschen, deren Ambiente, Arbeitsplatz, Denken, Sprechen und Handeln etc., beschreibt sie detailreich. Das ist es, was den Roman ausmacht. Mit der Veränderung der Natur findet auch eine Veränderung des Lebens der Menschen statt. Dies hat die Autorin wundervoll in Szene gesetzt. Der/die Leser:in nimmt die Veränderung als natürlich wahr. Ruhig und im Fluss findet das Schreiben der Autorin statt, frei von überflüssigen Worten und mit einer klaren, aussagekräftigen Bildsprache.
    Der Raum der Natur wird atmosphärisch erfasst.

    „Mit dem Regen werden die Berge langsam wieder grün. In den feuchten Gärten erblühten üppig die Lilien, mit einem Duft, der an Wildblumen in Schottland erinnerte.“ (S. 256)

    Der/die Leser:in fühlt sich mittendrin in der Natur, er/sie sieht das Grün und riecht den Duft.

    Mittendrin die Figuren. „Mrs. Perrault verwendete die Eier der Stockenten für ihren Kuchen und Pudding, der sich färbte, als wäre es Safran.“ (vgl. S. 256)

    Fazit
    Der Roman „Draussen die Welt“ erzählt aus einer Zeit, die über 90 Jahre zurückliegt. Ist es nur ein Blick zurück auf die alte Zeit oder sind es andere Gründe, warum es lohnt, diesen Roman lesen?
    Dieser Roman ist aktuell und hat in der heutigen Zeit immer noch seine Berechtigung. Das Phänomen, ein ruhiges Leben führen zu wollen, ist immer präsent und doch bricht plötzlich die Welt ein.
    Mary erkennt am Ende des Romans „eine Gesellschaft ohne gemeinsame Werte, eine ethische Wildnis, erwachsen aus der Wildnis der Natur.“ (S. 362)

    Eingebunden in den Wechsel der Jahreszeiten werden Ängste durch Missachtung von Gesetz und Ordnung in „schwach verankerte Werte“ offen gelegt.

    „[…] und jetzt hatte Mrs. Perrault das Gefühl, dass die ersten Ausläufer sie erreicht hatten, während die Wolken immer noch am Himmel hingen, in der Ruhe vor dem Sturm.“ (S. 363)

    Ein zeitloser Roman.

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    12. Mär 2023 

    Draußen die Welt – drinnen der schlichte Alltag

    Den Titel „Draußen die Welt“ des Romans von Janet Lewis, habe ich vermutlich falsch verstanden, denn er – in Verbindung mit dem Klappentext - weckte in mir die Erwartung auf eine Auseinandersetzung zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen an spannendem Ort zu packender Zeit: den 20er Jahren in den USA. Leider aber findet diese Auseinandersetzung nicht statt. Im Gegenteil schließt uns der Roman ein in das Drinnen der Familie Perrault, die sich weitestgehend gegen das Draußen abschließt und sich in der Darstellung durch die Autorin rein auf die familiären Alltagsdinge reduziert und von außen möglichst nichts an sich herankommen lässt. Da wird schon der Kontakt zu den neuen Nachbarn – den Reindls – zu einer schier unüberwindlichen und das eigene Leben/den eigenen Alltag nur störenden Herausforderung und wird deshalb besser unterlassen. Schade, denn diese Nachbarn waren für mich eigentlich die interessantesten Figuren in diesem Roman. Sie und ihre Lebensweise zwischen arm und reich in dieser Zeit hätte ich gern näher kennengelernt. Sie hätten dem Buch Drive und Esprit geben können. So aber musste ich mich seiten- und kapitellang mit der Dreiecks-Liebesgeschichte zwischen Walter, Rose und Sylvie befassen sowie mit den Beobachtungen der und Spekulationen über die neuen Nachbarn, ohne dass ich damit die Grenzen des Drinnen der Familie Perrault wirklich irgendwie überwinden konnte. Draußen bricht die Welt im Börsencrash der 20er Jahre auseinander, drinnen ist man davon nur sehr marginal berührt.
    Als Fazit steht für mich am Ende dieses Romans eine große Enttäuschung in Form von Desinteresse und Langeweile angesichts dieser Figuren und ihrer Schilderungen durch die Autorin. Diese gestaltet ihre Schilderungen ohne Frage in einer stimmigen und oftmals poetischen Sprache, die manchmal wirklich Freude aufkommen lässt. Aber – wie gesagt - der Inhalt hat nur eines geschafft: mich zu langweilen. Leider nur 2 Sterne dafür!

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  1. Ein Schiff, das sich Familie nennt

    Mary Perrault, Anfang 50, lebt mit ihrer Familie im fiktiven Ort South Encina, der nicht allzu weit von der Pazifikküste und San Francisco entfernt liegt. Sie und ihr Mann bewirtschaften einen kleinen Hof und haben vier Kinder. Melanie ist mit 15 Jahren die Älteste. Sie hat drei jüngere Brüder. Das Leben ist beschaulich, geprägt von harter Arbeit und zahlreichen Routinen. Doch Mary bleibt auch Zeit für ihre Freunde, für die Nachbarn oder ehrenamtliches Engagement, so dass sie durchaus mit ihrem Dasein zufrieden ist. Doch die vermeintliche Idylle bekommt schnell einen ersten Riss, als Marys Jugendfreundin Agnes bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt. Um ein Haar hätte Mary selbst im Wagen gesessen – eine Tatsache, die sie umtreibt: „Der Zufall hatte sie so beiläufig, dass man es fast übersehen konnte, vor einer Katastrophe bewahrt.“

    Dieses Ereignis wird nicht das einzige bleiben, das die Familie und insbesondere Mary in Unruhe versetzt. Mary ist stets bemüht, das Steuer auf liebevolle Art in der Hand zu behalten, um ihre Lieben auch durch stürmische See zu steuern. Dabei ist eine sehr hilfsbereite, ihrem Umfeld zugeneigte Person, die viel für die Gemeinschaft und ihre Nachbarn tut. Die Finanzkrise von 1929 breitet jedoch langsam ihre Tentakel aus und auch die Landbevölkerung bekommt ihre Auswirkungen zu spüren: Das Geld wird knapper, Existenznöte drohen, die eigenen Erzeugnisse sichern das Überleben. Es ist aber gleichzeitig auch die Zeit der großen Veränderungen: Die Industrialisierung schreitet fort. Große technische Neuerungen wie Automobile, Dampflokomotiven oder Luftschiffe dringen ins Land vor. Sie bergen neben aller Faszination auch Gefahren. Auch davon erzählt dieses Buch.

    Es leben verschiedene Familien in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Perraults. Nicht alle wollen sich anpassen oder einbringen. Mary muss die Erfahrung machen, dass sie mit ihrer Nächstenliebe auch an Grenzen stößt, dass es auch egoistische, feindselige Menschen gibt. Daneben entstehen verschiedene Beziehungen, die Einfluss auf das Leben der Perraults nehmen. Mary versucht immer wieder zu vermitteln, zu kitten und vor allen Dingen zu helfen. Die Gastfreundschaft der Perraults ist legendär, jeder kommt gerne zu ihnen, für jeden hat man ein liebevolles Wort sowie eine reichliche Mahlzeit. Diese Familie wirkt wie ein Flaggschiff, das den Unbilden des Lebens auf unspektakuläre Weise trotzt – die Welt bleibt, wie der Buchtitel schon sagt, außen vor. Die Charakterisierung sämtlicher Figuren ist dabei ungeheuer stimmig, ihre Entwicklungen werden glaubwürdig veranschaulicht.

    Im Geist großer amerikanischer Erzähler wie John Williams oder Kent Haruf lässt Janet Lewis die von der Sonne verwöhnte Kleinstadt vor unserem inneren Auge auferstehen. Die Autorin hat ein unglaubliches Talent, Atmosphäre zu schaffen und die Landschaft in all ihren Facetten bildreich zu beschreiben. Da sind die trockenen Ebenen, die Farm, das Marschland mit seinen Wasserstraßen, die hügeligen Berge. Sie bilden die Kulisse für die fast alltäglich wirkende Handlung, die mich aber keine Sekunde gelangweilt hat. Von Beginn an war ich vom Schreibstil, von der Kraft der Autorin begeistert, die es vermag, Landschaftsbeobachtungen fließend mit der Handlung zu koppeln, um damit große Intensität beim Leser zu erzeugen. Man spürt an zahlreichen Textstellen die Nähe der Autorin zur Poesie und zur Lyrik. Zudem bevölkern unzählige Geschichten und Episoden das Buch, die soviel allzu Menschliches ausstrahlen. Lewis erzählt gefühlvoll, aber nie sentimental. Das alles hat den Roman für mich zur fesselnden Lektüre gemacht, ich konnte regelrecht in diese beschauliche, vergangene Welt eintauchen.

    Die Frauenfiguren haben die zentralen Rollen inne, was in der Entstehungszeit dieses Romans fortschrittlich gewesen sein dürfte. Mary ist eine moralische Instanz. Sie vermittelt ihren Kindern ohne übermäßige Religiosität Werte, die sie im täglichen Leben brauchen und die sie schützen. Das wird insbesondere an Tochter Melanie deutlich.

    Janet Lewis (1899 – 1998) hat im Laufe ihres Lebens leider nur vier Romane geschrieben, die der dtv Verlag erfreulicherweise dem Vergessen entrissen hat. „Draußen die Welt“ ist im Original bereits 1943 erschienen. Der Roman ist es auch heute noch wert, unbedingt gelesen zu werden - in einer Zeit, in der Rücksichtslosigkeit, Polemik und mangelnde Moral um sich greifen. Er hat klar etwas Zeitloses, Entschleunigendes und Allgemeingültiges, das ihn als modernen Klassiker ausweist. Hervorzuheben ist die kongeniale Übersetzung von Sylvia Spatz.

    Ich kenne nun alle vier Romane von Janet Lewis und halte „Draußen die Welt“ für einen ihrer besten. Dringende Lese-Empfehlung!

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  1. und drinnen Mary Perrault ;)

    Im Mittelpunkt des Romans, der 1943 zum ersten Mal in den USA erschienen ist und während der Weltwirtschaftskrise – ca.1929-1933 spielt, steht die etwa 50jährige Mary Perrault, die aus Schottland stammt, inzwischen jedoch in Kalifornien, in der Nähe von San Fransisco lebt. Sie ist glücklich verheiratet und hat vier Kinder – Jamie, Duncan, Andrew und die 15jährige Melanie. Ihr Mann ist gelernter Gärtner und arbeitet inzwischen bei den Wasserwerken, seine Leidenschaft ist jedoch seine Kaninchenzucht.

    Zu Beginn lernen wir ihre ihre Freundin Agnes Hardy kennen.
    „Sie waren zusammen aufgewachsen, diese beiden Frauen, in einer von Fischerei und Whiskyherstellung geprägten Stadt in Argyleshire. Und sie waren auch zusammen ausgewandert, doch ihre Wege hatten sich in New York getrennt, als Agnes Wilkie nach Kanada ging und Mary Knox nach Kalifornien.“ (S.14)
    Während Agnes Besuch in Marys gepflegten Garten spürt man die tiefe Verbundenheit zwischen den Frauen und den Frieden, der über allem liegt.
    „Es war ein Tag wie so viele in einer langen Reihe friedvoller Tage, und er enthielt keinerlei Warnung, dass er der letzte sein sollte. Und doch war Mary Perrault Jahre später in der Lage, auf diesen Nachmittag zurückzublicken wie auf eine in einem Rahmen gefasste Szene, die man im Gedächtnis an einem besonderen Ort bewahrte, und sich an die alltäglichen Worte und Gesten zu erinnern, an die Alltagsdinge, über die sie sprächen, die fortan für immer eine beständige Würde annahmen, die weit über die Worte und die Gesten aller anderen Nachmittage hinausreichte.“ (S.20)

    Die Vorausdeutung verweist darauf, dass Agnes Hardy mit ihrem Auto verunglückt, weil sie die Eisenbahngleise überquert, ohne die herannahende Lokomotive zu bemerken. Bei dem Unglück kommen auch ihre beiden Enkelkinder um. Diese Tragödie führt dazu, dass Agnes Mann Lem in der Folge häufig in Marys Haus verkehrt und auch seine beiden Neffen, die zu ihm ziehen, Eustace und Walter, Bestandteil der Familie Perrault werden.
    Es geschieht im Folgenden recht wenig in diesem Roman – „Alltagsdinge“ werden geschildert, Anekdoten reihen sich aneinander, abwechselnd mit ausführlichen Landschaftsbeschreibungen, die in ihrer sprachlichen Ausgestaltung – viele Adjektive und Metaphern - teilweise ausufern, so dass ich mich beim Lesen ab und an gelangweilt habe.

    Den Beginn des Romans erleben wir größtenteils aus der personalen Perspektive Mary Perraults und erfahren ihre Sicht der Dinge: Reflexionen über den Tod ihrer Freundin, Erinnerungen an ihre eigene Mutter und deren Erfahrungen mit dem Tod und auch die Frage, ob und wie sie ihre heranwachsende Tochter aufklären soll. Im Verlauf des Romans rückt dann Melanie in den Fokus: ihre Freundschaft und/oder Liebesbeziehung zu Eustace, ihre erste Arbeitsstelle, ihre Gedanken über das, was sie im Leben erreichen will. Im Mittelteil widmet sich der Roman vor allem den zwischenmenschlichen Beziehungen und den gesellschaftlichen Konventionen, mit denen die jungen Menschen konfrontiert werden.

    „Sie verspürte leichte Erregung und Freude darüber, nunmehr verlobt zu sein, von der Freude abgesehen, dass soziale Normen erfüllt waren und man sich in der Situation so verhalten hatte, wie es sich gehörte.“ (158)

    Es ist dieser Teil, den ich am stärksten finde und der auch – aus meiner Perspektive- unterhaltsam zu lesen ist, während der erste Teil zu wenig Dynamik entwickelt.
    Die Weltwirtschaftskrise wird zwar erwähnt:
    „Im November dieses Jahres kam dann die Finanzkrise, die noch viele Jahre lang Folgen haben würde. Die Kinder der Perraults bemerkten kaum etwas davon, für sie war es lediglich eine weitere aufregende Nachricht n Zeitung und Radio“ (95),
    spielt, entgegen der Ankündigung im Klappentext, eher eine untergeordnete Rolle. In der missglückten Beziehung zu den neuen Nachbarn tritt dieser Aspekt am Rande in Erscheinung.

    Die Stärke des Romans bildet seine Hauptfigur. Marys Sicht auf die Dinge, „alles funktionierte besser, wenn man die Dinge so nahm, wie sie kamen, und nicht versuchte, sie zu sehr zu beeinflussen“ (255), bestimmen ihr Handeln, so dass sie für die anderen eine Art Bezugsperson wird, deren moralischem Urteil man vertrauen kann.
    Die Schwäche sehe ich in den ausufernden Beschreibungen und der fehlenden Handlung - sowohl innerer als auch äußerer – vieler Szenen.

    Fazit: Man braucht Muße und Geduld, um diesen Roman zu lesen ;)

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    04. Mär 2023 

    Vom alltäglichen Leben in der amerikanischen Provinz um 1930

    Die erstmals in den 1940ern veröffentlichten Romane der amerikanischen Autorin Janet Lewis (1899-1998) wurden für den deutschsprachigen Markt wiederentdeckt und der vorliegende Roman von Sylvia Spatz nun ins Deutsche übersetzt.

    Wir begleiten in dieser Geschichte die Familie Perrault mit ihrem stillen Zentrum Mary, der Mutter von vier Kindern. Die Familiengeschichte trägt sich Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre in der kalifornischen Provinz zu und wird zunächst äußerst beschaulich erzählt. Mary und ihre Familie kommen während der Weltwirtschaftskrise und der darauffolgenden Depression relativ gut über die Runden, aber der Alltag wird immer stärker durchbrochen durch verschiedene Schicksalsschläge, die das nähere und fernere soziale Umfeld der Familie betreffen, beginnend mit dem Unfalltod von Marys bester Freundin.

    Der Text zeichnet sich meines Erachtens vor allem durch die atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen der Autorin aus. Sie bringt die sengende Hitze Kaliforniens ausdrucksstark rüber und lässt ein ausführliches Bild des Lebens vor einhundert Jahren in dieser damals erst relativ frisch gegründeten, fiktiven Gemeinde South Encina vor dem inneren Auge entstehen. Über die 366 Seiten hinweg nehmen aber auch diese Beschreibungen zur Umgebung, technischen Errungenschaften oder Bootstouren mitunter auch Überhand und wirken bisweilen recht langatmig. Da die Figuren fast naturalistisch mit ihren alltäglichen Sorgen und Nöten eher oberflächlich beschrieben werden, blieben sie mir sehr fern. Der Text konnte bei mir bis kurz vor Schluss leider keine Empathie evozieren oder Emotionen der Figuren glaubhaft vermitteln. Immer wieder geschieht etwas, über das sich die Familie austauscht, dann wird die Thematik aber ziemlich schnell wieder fallen gelassen und taucht entweder gar nicht oder viel später nur kurz wieder auf. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit angeschnittenen Themen, wie soziales Handeln innerhalb einer Nachbarschaft, der Umgang mit Trauer, junge Liebesbeziehungen, soziale und finanzielle Unterschiede etc. geschieht leider nicht im Detail. So wirkte der Roman für mich über weite Strecken belanglos, obwohl wichtige Themen darin durchaus vorkommen. So plätscherte der Roman für mich größtenteils so dahin, Schicksalsschläge fühlen sich nicht wie solche an und die durch den Klappentext des Verlags angestachelten Erwartungen, erfüllen sich leider nicht. Dort heißt es nämlich: „Aber dann bricht 1929 die New Yorker Börse zusammen: Der Kampf ums nackte Überleben bringt das Fundament der Gesellschaft ins Wanken und bedroht auch das innere Gleichgewicht der Familie Perrault.“ Das ist äußerst dramatisch formuliert und findet sich so keinesfalls im Text. Ein weniger effekthascherischer Infotext hätte dem Buch und meiner Rezeption dessen gutgetan. Das Cover des Buches hingegen ist grandios gewählt und lässt auf den zweiten Blick die Vieldeutigkeit der Alltäglichkeit erkennen.

    Der Roman ist durchaus solide geschrieben und meines Erachtens sehr gut von Sylvia Spatz übersetzt. Man merkt der Übersetzung an, dass es sich um einen 80 Jahre alten Text handelt. Das bekommt dem lesenden Auge gut, freut man sich doch über solch kleine Wörtchen wie „obgleich“ im Text. Obgleich mir grundsätzlich der Schreibstil der Autorin zugesagt hat, konnte mich der vorliegende Roman leider nicht davon überzeugen, zukünftig weitere Werke der Autorin lesen zu wollen.

    Für mich charakterisiert ein kurzes Zitat, welches Marys Handeln beschreibt, dieses Buch recht knackig: „Trotz Krieg, Mord und plötzlichem Tod, dachte sie bei sich, spülen muss man trotzdem." Recht hat sie. Mit einigem nachträglichem Suchen kann man durchaus auch subtile moralische Ideen im Text finden, leider konnte mein Interesse dafür nur eingeschränkt geweckt werden.

    3/5 Sterne

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  1. Kalifornisches Leben in den 1930igern.

    Kurzmeinung: Langwierige Naturbeschreibungen muss man aushalten können - sonst nervt einen dieser Roman.

    Janet Lewis (1899-1998) erzählt von der ländlichen Bevölkerung Kaliforniens in den 1930iger Jahren. Die Menschen sind oft zugewandert, bilden aber eine enge Gemeinschaft. Wenn man dazugehört, steht man einander bei in allen Belangen des Lebens. Der gegenseitige Beistand erfolgt unspektakulär, selbstverständlich; man verliert nicht viele Worte darüber. Wenn man allerdings nicht dazugehört oder nicht dazugehören will wie die neuen Nachbarn, die sich absondern, dann fehlt eine zurechtrückende Hand womöglich gerade dann, wenn es einmal dringend nötig ist.
    Die Familie Perrault steht im Mittelpunkt des Romans und der Dorf-Gemeinschaft, deren Herzstück die fleißige und mitfühlende, wenngleich wortkarge Mary Perrault ist. Die Kinder werden gemäß traditioneller christlicher Werte und nach eigenem guten Vorbild erzogen, aber es ist eine Erziehung, die viel Freiraum gibt und auf die guten Anlagen der Kinder vertraut. Vertrauen, Respekt, Liebe herrschen im Hause Perrault. Fleiß und Pflichterfüllung wird als selbstverständlich und als sinnstiftend vorausgesetzt.

    Der Kommentar:
    Eingebunden in üppige naturalistisch-romantisierende Naturbeschreibungen, die gelegentlich ermüden, entfaltet sich die Geschichte der Familie Perrault sukzessive. Die Landbevölkerung wird durch die eindringende Moderne verändert, Verkehr kommt auf, die ersten Flugobjekte sind zu bewundern, die Technik hält Einzug in das Leben. Gutes und Schlechtes kommt von außen, erste ernstzunehmende Umweltbeeinträchtigungen werden konstatiert. Dennoch verläuft das Leben noch gemächlich in unhinterfragtem festgeschriebenem Rollengefüge, die meisten Menschen haben ihre innere Richtschnur noch nicht verloren; einige aber sind anfälliger als andere. Die Familie Perrault aber erweist sich auch in schwierigen Zeiten und angesichts einiger sie verwirrender Katastrophen als resilient.

    Fazit: Ein wohltuender entschleunigender Roman mit viel Naturliebe und gut getroffenen Charakteren.

    Kategorie: Anspruchsvolle Literatur. Klassiker
    Verlag: dtv, 2023. Neuauflage. Ersterscheinung: 1943

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  1. 4
    03. Mär 2023 

    Wider die ethische Wildnis

    Beginnend mit dem Jahr 1929 – am Horizont dräut bereits die durch den Bankencrash ausgelöste Wirtschaftskrise - erleben wir einige Jahre im Leben der Familie Perrault, die im dörflichen Südkalifornien lebt. Die Familie führt ein bescheidenes, aber auskömmliches Leben, mit eigenem Brunnen, gedeihendem Garten, den eigenen Hühnern, einer Kuh. Mr. Perrault arbeitet für´s Wasserwerk und ist Experte für Obstanbau. Der große Haushalt mit 4 Kindern hält Mary Perrault von morgens bis abends beschäftigt. Dazu ist sie eine Stütze der Gemeinde und Nachbarschaft. Dieses helle Bild steht „vor dem sich verdunkelnden Himmel“ – der Originaltitel des Romans.

    Der Bankencrash wirkt sich auf dem Land nur schleichend aus– aber auch die Perraults müssen schließlich den Gürtel enger schnallen. Mary geht klaglos zusätzlich auswärts putzen, Tochter Melanie begräbt ihre Träume von einem Studium, und die Söhne müssen dem Vater unter die Arme greifen.

    Lewis setzt auf Landschaftsbeschreibungen, um die innere Verfasstheit ihrer Protagonisten zu spiegeln oder zu kontrapunktieren. Der Ort und seine Umgebung ist fiktiv, entspricht aber dem realen Gebiet rund um San Francisco. Vor dem inneren Auge ersteht die lichterfüllte, trockene Landschaft vor dem Hintergrund der Bay, die Halbinseln, die Marschen, die Bucht und die fernen Berge. Das ist manchmal vielleicht allzu ausführlich geraten, was die Qualität des Romans aus meiner Sicht nur unwesentlich mindert. Viele Alltagsdinge und -tätigkeiten werden beschrieben und das Innenleben ihrer Figuren beleuchtet Lewis oft nur indirekt. Dennoch entsteht Nähe und ein filigranes Bild der Charaktere; ich hatte jeden einzelnen klar vor Augen. Die Sprache tendiert ins Lyrische, die Wortwahl fand ich angenehm altmodisch. Die Botschaft am Ende fiel mir dann eine Spur zu deutlich aus – aber sie hat Resonanz und Aktualität.

    Für die Lektüre des Romans sollte man folglich bereit sein zur Entschleunigung – und man sollte sich auf die subtile, leise und undramatische Erzählweise einlassen. Wer Action braucht, ist bei Lewis falsch; selbst die Klimax des Romans kommt denkbar undramatisch daher. Dennoch habe ich mich nie gelangweilt. Das liegt an der zutiefst positiven Figur Mary, der nichts entgeht und die ihre Familie nach tief verankerten Grundsätzen führt, die sie klug und unaufdringlich durchsetzt.

    Der Roman berührt eine Vielzahl von Themen, die mit dem Leben der Perraults zu tun haben: Einwanderung, Gemeinschaft, den technischen Fortschritt und die damit einhergehende Ausbeutung der Umwelt, Leidenschaft und Liebe und was diese voneinander unterscheidet. Fast alle Familien von South Encina sind Einwanderer mit entsprechenden Prägungen. Dennoch funktioniert das Zusammenleben aufgrund von Toleranz, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Das klingt fast zu rosarot, aber Lewis umgeht die Kitschfalle: Ein Todesfall illustriert, dass Nicht-Dazugehören tödlich sein kann.

    Was Marys Gemeinde im Kleinen, ist im Großen das junge Staatengebilde der USA, dessen Werte noch nicht genügend Zeit zur Festigung bekommen haben und sich nun grundlegenden Herausforderungen ausgesetzt sehen. Dieser stille und verhaltene Roman ist nichts weniger als eine Hommage an die (Haus-)Frauen und Mütter, die in ihren Familien christliche, humanistische (mithin „westliche“) Werte aufrecht erhalten, auch wenn „Draußen die Welt“ diese ständig zu erodieren droht. Das mag nicht sonderlich feministisch klingen, ist es aber: Heute wie gestern ist dies die unbedankte (und unbezahlte) Rolle, die Frauen in der Gesellschaft innehaben.

    Ich freue mich über das Revival dieser Autorin - für mich sicher nicht ihr letzter Roman.

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