Doppelporträt

Buchseite und Rezensionen zu 'Doppelporträt' von Agneta Pleijel
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5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Doppelporträt"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:221
Verlag: Urachhaus
EAN:9783825152802

Rezensionen zu "Doppelporträt"

  1. Ein eigenwilliges Porträt

    Autorin
    Autorin Agneta Pleijel

    Inhalt
    Wer weiß schon, dass unweit der King`s Road im Swan Court Manison die Königin des Kriminalromans, Agatha Christie, ihre Londoner Wohnung hatte. Die King`s Road und die Barnaby Street waren am Ende der 1960 Jahre im „Swinging London“ die Flaniermeilen. Minis und Miniröcke, die Beatles, die Stones, kreischende Mädchen, Pop Art und Op Art, Schwarzweißfotos von David Bailey beherrschen die Szene.

    An diesem Ort wird sie im Frühjahr 1969 vom österreichischen Maler Oskar Kokoschka porträtiert, der für eine Retrospektive in der Galerie Marlborough Fine Art gerade in London weilt.

    „London 1969, im Monat April. Dauerregen. Wolfgang Fischer lauscht dem Gemurmel seiner letzten Besucher in der Galerie Marlborough Fine Art. Dort zeigt man eine Retrospektive des betagten österreichischen Malers Oskar Kokoschka.“ (S. 7)

    Ein junger Mann betritt eine angesagte Londoner Kunstgalerie und fragt den Galeristen, ob er mit dem Künstler Oskar Kokoschka Kontakt aufnehmen könne. Der junge Mann ist der Enkel Matthew
    von Agatha Christie und möchte, dass Kokoschka ein in Porträt seiner Großmutter zu ihrem 80. Geburtstag malt.
    Agatha ist nicht begeistert von dieser Idee, aber trotzdem willigt sie ein. Ebenso Kokoschka stimmt nur widerstrebend zu.
    Während der sechs Sitzungen erzählen sie sich gegenseitig Geschichten aus ihrer Vergangenheit.

    Sprache und Stil

    „Er will mindestens sechs Sitzungen haben, keinesfalls aber mehr.“ (S. 32)

    Der Roman ist genau in sechs Kapitel, die der Anzahl der Sitzungen gleicht, aufgebaut, umrahmt von einem Kapitel „Aufwärmen“ und endet mit „Vernissage und kurzer Epilog“.

    In jeder einzelnen Sitzung nähern sich Christie und Kokoschka langsam an. Jede Sitzung dringt mehr und mehr in die Welt beider Menschen vor. Zunächst ist es Kokoschka, der aus seinem Leben erzählt. Agatha hält sich zunächst zurück, sie redet nicht gern. Das Schreiben in der Zurückgezogenheit liegt ihr mehr.

    Zu Oskars Malutensilien gehört eine Flasche Whisky dazu.

    „Kokoschka zündet sich eine Zigarette an. Er streckt ihr das Whiskyglas hin. Sie schüttelt den Kopf. Sie hat nie gelernt, Whisky zu trinken, obwohl sie es versucht hat. Ihr ist es auch nie gelungen, rauchen zu lernen.“ (S. 45)

    Oskar Kokoschka erzählt von Alma Mahler, sein Liebesdrama, das einen bereiten Raum in seinem Leben einnimmt. Er erzählt von Kindheit und Krieg und lässt nicht locker, bis auch Agatha anfängt zu erzählen.

    Noch immer erscheint Agatha reserviert ihm gegenüber zu sein, doch längst ist sie fasziniert von seiner Erzählungen, und auch sie gibt ihr Innerstes preis.

    Beide verbinden absurde und bizarre Lebensdetails.

    Alma Mahler war eine Femme fatale des 20. Jahrhunderts, eine Muse viele berühmter Männer. Sie war verheiratet mit dem Komponisten Gustav Mahler, dem Architekten Walter Gropius und dem Dichter Franz Werfel. Sie stürzt sich in zahlreiche Affären wie zum Beispiel mit dem Maler Gustav Klimt. Als Kokoschka sie kennenlernt, ist er ihr sofort nach der ersten Begegnung verfallen. Die Beziehung hält drei Jahre in einem immer währenden Kampf.

    „Die Sehnsucht nach Alma war zerrüttend.“ (S. 122)

    Er gab den Auftrag an die Münchnerin Hermine Moos mit exakten Maßen und Beschreibungen von Alma. Doch als die Puppe von Hermine Moos nach Dresden geliefert wurde, entsprach diese nicht seinen Vorstellungen, besonders nicht seinen erotischen Ansprüchen. Das obskure Ersatzobjekt wurde zunächst ein Fetisch. Erst nachdem er sie vielfach gemalt und gezeichnet hat, macht Kokoschka mit der Alma Puppe Schluss. Er trennt ihren Kopf ab und schmeißt sie in ein Blumenbeet.

    In der sechsten Sitzung schildert Agatha ihr bizarres Lebensdetail.

    „Als ihre Leiche nicht gefunden wurde, begann das Fabrizieren von Informationen.“ (S. 192)

    Im Dezember 1926 plötzlich verschwand Agatha Christie spurlos. Nach elf Tagen tauchte sie wieder auf. Agatha Christie äußerte sich nie über die wahren Gründe für ihr Verschwinden. In der 1977 erschienenen Autobiografie schrieb sie nur: "Wenn man den Blick zurück wendet, hat man das Recht, Erinnerungen, die einem zuwider sind, zu ignorieren." Und fügte an: "Oder ist das feige?"

    Die letzte Sitzung endet, zurück bleiben skizzenhafte Ausschnitte beider Lebensläufe.

    „Wir sind es, die Dinge auf der Welt miteinander verknüpfen. Wir haben einander ein paar Ereignisse aus unserem Leben erzählt, das war wichtig. Herzlichen Dank für ihre Zusammenarbeit.“ (S. 207)

    Fazit

    Pleijels Gespräche zwischen Christie und Kokoschka sind erfunden. Trotzdem wirkt die Geschichte natürlich und authentisch. So könnte es gewesen sein.
    Hat Agatha ihr Porträt je gesehen?

    „Agatha! Hast du es dir immer noch nicht angeschaut?“ (S. 211)

    Bis zum Tod von Agatha Christie bleiben beide in Kontakt.

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  1. 5
    26. Mär 2022 

    Fabelhaft!

    London 1969. Zum 80. Geburtstag seiner Großmutter möchte Mathew Prichard ein Porträt von ihr malen lassen. Nur widerwillig stimmt sie zu, denn Aufmerksamkeit ist ihr ebenso zuwider, wie die genaue Betrachtung ihrer selbst. Auch der Maler zweifelt, denn eigentlich wollte er London bereits in wenigen Tagen wieder verlassen. Und so startet diese Zweckgemeinschaft in die erste von sechs Sitzungen, in denen sich die beiden besser kennenlernen, intensive, tiefgründige Gespräche führen und am Ende zu Freunden werden. Die Großmutter ist Schriftstellerin Agatha Christie, der Maler Oskar Kokoschka.

    In ihrem Roman mit dem sprechenden und mehrdeutigen Titel „Doppelporträt“ erzählt die schwedische Autorin Agneta Pleijel, wie ihrer Meinung nach die Begegnung zwischen Agatha und Oskar abgelaufen ist. Dabei wechselt sie immer wieder die Perspektive und betrachtet die beiden Künstler jeweils mit den Augen des/der anderen. In Gesprächen, aber auch in ihren Gedanken tauchen sie immer wieder in die eigene Vergangenheit ein, so dass sich quasi zwei Kurzbiographien ergeben. Besonders springt dabei ins Auge, dass Pleijel ihre wörtliche Rede nicht kennzeichnet, das macht – meiner Meinung nach – den Text aber nicht weniger verständlich.

    In Agatha Christie und Oskar Kokoschka treffen zwei große Persönlichkeiten aufeinander. Sie ist zunächst sehr skeptisch und kann den Maler und vor allem seine Art, zu arbeiten nicht verstehen. Er weiß seinerseits nicht, was er von der in sich gekehrten alten Dame halten soll. Doch dann entdecken sie Gemeinsamkeiten, zum Beispiel in ihren Erfahrungen mit unglücklicher Liebe, Mutter- bzw. Vaterschaft und natürlich der Kunst. Alle Gespräche sind fiktiv, wirken aber sehr authentisch und plausibel.

    Wer hier erwartet, einen vollständigen Abriss über das Leben der beiden Berühmtheiten zu erhalten, wird sicherlich enttäuscht. Wer sich aber auf diese Art des Erzählens in Gesprächen und kurzen Schlaglichtern einlassen kann, erhält einen privaten, beinahe zärtlichen Blick auf zwei große Künstler, in dem weder Agathas mysteriöses Verschwinden noch Oskars Besessenheit von einer Puppe fehlen. Fabelhaft!

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