Doktor Faustus

Rezensionen zu "Doktor Faustus"

  1. Faust-Mythos, Künstler und Weltpolitik

    „Ich möchte seine Einsamkeit einem Abgrund vergleichen, in welchem Gefühle, die man ihm entgegenbrachte, lautlos und spurlos untergingen. Um ihn war Kälte – und wie wird mir zumute, indem ich dies Wort gebrauche, das auch er in einem ungeheuerlichen Zusammenhange einst niederschrieb!“ (Zitat Seite 15)

    Inhalt
    Dr. phil. Serenus Zeitblom ist sechzig Jahre alt, als er am 27. Mai 1943 beginnt, die Lebensgeschichte seines langjährigen Freundes Adrian Leverkühn niederzuschreiben. Der innovative Komponist ist vor drei Jahren verstorben und hat seinem Freund Serenus alle persönlichen Aufzeichnungen und Unterlagen hinterlassen. Auf Grund dieser Aufzeichnungen schildert nun der Ich-Erzähler Serenus Zeitblom die Kindheit, Jugend, gemeinsame Studienzeit, aber auch die weiteren Lebenswege, die unterschiedlich verlaufen, sich jedoch immer wieder kreuzen. Teilweise verfasst Zeitblom die Texte zu einzelnen Kompositionen des genialen Musikers Leverkühn und erlebt auch seinen künstlerischen Werdegang schon ab der frühen Schulzeit mit, mit allen Höhen und Tiefen, geprägt von einer manchmal besessenen Hingabe zur Musik und zum Komponieren, der Suche nach neuen musikalischen Strukturen. „Nur einer so dringlich beobachtenden Freundschaft wie der meinen, konnte ein solcher Bedeutungswechsel der Dinge fühlbar oder ahnbar werden, und Gott sei davor, daß die Wahrheit mir die Freude an Adrians Nähe beeinträchtigt hätte! Was mit ihm vorging, konnte mich erschüttern, mich aber niemals von ihm entfernen.“ (Zitat Seite 322)

    Thema und Genre
    Den realen Hintergrund dieses biografischen Romans um einen fiktiven Komponisten bildet die Geschichte Deutschlands zwischen 1884 und 1945, die gesellschaftlichen Veränderungen. Das alte Faust-Thema in dieser modernen Version, welche die unerschöpfliche künstlerische Schaffenskraft in den Mittelpunkt des Pakes stellt, steht für das Leben des Adrian Leverkühn, der als Künstler genial und hochbegabt, als Mensch jedoch einsam und unnahbar bis zur Gefühllosigkeit ist. Dieses Buch ist jedoch ebenso ein Gesellschaftsroman, ein zeitgeschichtliches Dokument Deutschlands in diesen wichtigen Jahren, das die Situation des Bildungsbürgertums, die Stellung der Frauen, die kulturellen und künstlerischen Strömungen, besonders in Musik und Sprache, schildert. Es ist eine weit gefasste Suche nach den kulturgeschichtlichen Gründen für die Entstehung des nationalen Gedankengutes, das sich aus dem Verständnis der deutschen Romantik entwickelt hat und mit zum Nationalsozialismus führte. Die Handlungsorte und Personen dieses Romans sind fiktiv, alle haben jedoch reale Vorbilder, dadurch wird dieser Roman auch autobiografisch geprägt.

    Fazit
    Meine hier notierten Bemerkungen sind keinesfalls als literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Roman von Thomas Mann zu sehen, dafür gibt es qualifizierte Fachliteratur, sondern schildern meine wichtigsten Eindrücke beim Lesen dieses interessanten, ideenreichen, zeitlosen, bis heute noch lebhaft diskutierten Romans des deutschen Literaturnobelpreisträgers.

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  1. Vom Pakt mit dem Teufel

    Es ist nicht meine Welt, weder musikalisch noch bildungstechnisch, es ist nicht mein Autor, hat er mich mit dem Tod in Venedig leidlich verschreckt und es bedient keines meiner bevorzugten Genres. Also, raus aus der Komfortzone und rein in die Gesellschaft von Doktor Faustus.

    Mann schrieb diesen Roman im Exil in den USA in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges. Er lässt den 60jährigen Serenus Zeitblom 1943 die Lebensgeschichte des Komponisten Adrian Leverkühn und dessen Pakt mit dem Teufel erzählen.

    Zeitblom blickt dabei zurück in die Anfänge des 20. Jahrhunderts und die gemeinsame Schulzeit mit dem Freunde Adrian, seine Beobachtungen aus der Studienzeit und die anschließende Karriere des gefeierten, aber auch umstrittenen Tonsetzers. Zeitblom wendet sich dabei immer wieder direkt an den Leser, entschuldigt sich für seine ausschweifenden Nebenschauplätze der Handlung und weiß auch vom aktuellen Kriegsgeschehen zu berichten.

    Die musiktheoretischen Abschnitte verlangten meine Geduld, die Wortwahl und das Frauenbild meine Nachsicht und die besagten Abschweifungen meine volle Konzentration, doch ich wurde reichlich belohnt. Nicht nur der Einblick in die Welt der Künstler und ihren Protegés, auch die in den 20er und 30er Jahre geführten politisch-ideologisch geführten Diskussionen, die "Laster" der bessergestellten Gesellschaft und ihr Niedergang, befriedigten nicht nur meine Neugier, sondern auch der mit Spannung erwartete Pakt mit dem Höllenfürsten, war ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Die Wortkunst Manns gab diesen Augenblicken einen ganz besonderen Flair, den ich, so gruselig und erschütternd, diesem Stoff niemals zugetraut hätte.

    Ich bin mir sicher, dass ich diesen Romanstoff nicht annähernd vollumfänglich intellektuell erfasst habe, aber es waren schon spannende und erhellende Momente dabei, die mir die Mühe des Lesens entlohnt haben.

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